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ZWISCHENFALL AUF DEM TRAFALGAR SQUARE: Der Krimi-Klassiker!
ZWISCHENFALL AUF DEM TRAFALGAR SQUARE: Der Krimi-Klassiker!
ZWISCHENFALL AUF DEM TRAFALGAR SQUARE: Der Krimi-Klassiker!
eBook294 Seiten4 Stunden

ZWISCHENFALL AUF DEM TRAFALGAR SQUARE: Der Krimi-Klassiker!

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Über dieses E-Book

Jeder in England kennt Rosalind Tresham. Sie ist die Kandidatin für die große Preisfrage im Fernseh-Quiz. Aber jemand scheint daran interessiert zu sein, dass sie an der nächsten, entscheidenden Runde nicht mehr teilnehmen kann. Inspektor Cromwell übernimmt den Fall...

Der Roman Zwischenfall auf dem Trafalgar Square von Victor Gunn (eigentlich Edwy Searles Brooks; * 11. November 1889 in London; † 2. Dezember 1965) erschien erstmals im Jahr 1958; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im gleichen Jahr.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum3. Dez. 2020
ISBN9783748766896
ZWISCHENFALL AUF DEM TRAFALGAR SQUARE: Der Krimi-Klassiker!

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    Buchvorschau

    ZWISCHENFALL AUF DEM TRAFALGAR SQUARE - Victor Gunn

    Das Buch

    Jeder in England kennt Rosalind Tresham. Sie ist die Kandidatin für die große Preisfrage im Fernseh-Quiz. Aber jemand scheint daran interessiert zu sein, dass sie an der nächsten, entscheidenden Runde nicht mehr teilnehmen kann. Inspektor Cromwell übernimmt den Fall...

    Der Roman Zwischenfall auf dem Trafalgar Square von Victor Gunn (eigentlich Edwy Searles Brooks; * 11. November 1889 in London; † 2. Dezember 1965) erschien erstmals im Jahr 1958; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im gleichen Jahr.

    Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

    ZWISCHENFALL AUF DEM

    TRAFALGAR SQUARE

    Erstes Kapitel

    Es begann am frühen Nachmittag des 08. Dezember, einem Sonntag, im Herzen von London, auf dem Trafalgar Square...

    George Wentworth schlenderte sorglos an dem Becken eines der großen Springbrunnen entlang und genoss den schönen Wintersonnenschein. In den letzten Tagen war das Wetter ungewöhnlich mild gewesen, und viele Londoner nutzten die schönen Tage aus. George machte dabei keine Ausnahme. Als er mit seinem alten Sportwagen hier vorbeikam, war er unfähig gewesen, der Verlockung des von Leben erfüllten sonnigen Platzes zu widerstehen. So war er also aus seinem Wagen gestiegen und spazierte nun, mit sich und der Welt zufrieden, über den Platz.

    In diesem Augenblick geschah es...

    Er sah das junge Mädchen im Pelzmantel erst, als sie nach seinem Arm griff und ihn halb zu sich herumdrehte. Nur flüchtig konnte er ein kleines, vom Zorn gerötetes Gesicht wahrnehmen, aus dem ihn braune Augen wütend anblitzten. Dann fuhr die Hand des Mädchens hoch, und klatschend fiel der Schlag auf seine Wange. Es klang fast wie eine kleine Explosion; der Zorn musste dem Schlag die Triebkraft von Dynamit verliehen haben. Denn der unglückliche George verlor das Gleichgewicht, wankte, stolperte über den niedrigen Rand des Brunnenbeckens und verschwand in dem eisigen Schaum, der nun aus dem Wasser des Beckens aufspritzte.

    »Oh!«, stieß das Mädchen verwundert aus.

    Offenbar hatte sie eine solche Wirkung ihrer Tat nicht beabsichtigt; sie wandte sich um und rannte, so schnell sie ihre Füße trugen, fort.

    Nass bis auf die Haut stieg George, noch ganz verdutzt, aus dem Wasser; seine Wange brannte noch von dem heftigen Schlag. Das Wasser hatte ihm die klare Sicht genommen, sodass er die Gesichter um sich herum nur undeutlich wahrnahm. Wie durch Zauberei hatte sich nämlich schon eine Menschenmenge angesammelt, die Georges Auftauchen aus dem Wasser mit schadenfrohem Gelächter begrüßte.

    Aber obwohl George das Schauspiel, das er bot, höchst peinlich war, so überwog sein Zorn doch noch sein Schamgefühl. War das Mädchen verrückt, ihm einen solchen Schlag zu versetzen, dass er ins Wasser fallen musste? Hatte sie es etwa aus Freude am Schabernack getan? Als er wieder klarsehen konnte, bemerkte er, wie sie, schon in erheblicher Entfernung, ein vorbeifahrendes Taxi heranwinkte.

    Nun rannte er auch noch. Noch lauter lachten die Menschen hinter ihm her. Sein Hut schwamm sogar immer noch im Wasser des Beckens. Als er endlich die Straße erreicht hatte, war das Taxi mit seiner Angreiferin schon abgefahren.

    »Oh nein, so leicht entkommst du mir nicht, mein Kind!«, stieß George wütend hervor.

    Sicherlich hoffte sie, ihm entwischt zu sein; sie konnte ja nicht wissen, dass er seinen Wagen keine zwanzig Meter entfernt geparkt hatte. Er lief zu seinem Auto, sprang hinein, ließ den Motor an und nahm sofort die Verfolgung des Taxis auf. Glücklicherweise war am Sonntag hier wenig Verkehr, sodass George den Wagen ohne Schwierigkeiten erkennen konnte, als er in die Pall Mall einbog.

    George kochte innerlich vor Wut; aber äußerlich fror er. Denn trotz des Sonnenscheins war es winterlich kalt, und seine total durchnässte Kleidung, die ihm am Körper klebte, ließ ihn laut schnattern. Nun war zwar George Wentworth von Natur ein gutmütiger Mensch, der nicht zu Jähzorn neigte und stets bereit war, die Dinge auch vom Standpunkt des andern aus zu sehen. Aber was zu viel war, war zu viel! In den ganzen siebenundzwanzig Jahren seines Lebens war er kaum je so wütend wie jetzt gewesen. Dass ein Mädchen ihn in ein Wasserbecken auf dem Trafalgar Square gestoßen hatte, erschien ihm der Gipfel der Unverschämtheit!

    Einen Augenblick lang dachte er daran, die Geschwindigkeit seines Wagens zu steigern, sich dem Taxi quer in den Weg zu stellen und es so zum Halten zu zwingen. Aber damit hätte er ja eine weitere Straßenszene verursacht, und so nahm er von diesem Plan wieder Abstand. Er hielt sich vielmehr ein kurzes Stück hinter dem Taxi, das nun aus der Regent Street in den Piccadilly einbog.

    Die Kälte hatte auch seinen Zorn abgekühlt. Die erste Welle der Entrüstung hatte sich gelegt, und jetzt war alles wie ein großes Fragezeichen. Warum? Welchen Grund konnte das Mädchen gehabt haben, ihn, der ihr ja absolut fremd war, an einem der belebtesten Punkte Londons zu ohrfeigen?

    Hyde Park Corner... Knightsbridge... so fuhren sie weiter nach Kensington. Die Fährt, obwohl eigentlich kurz, schien George ewig zu dauern. Aber schließlich hielt das Auto vor einem Block ruhiger, gutbürgerlicher Mietwohnungen, über dessen Eingangstür der Name Altonstoke Court stand. Das Mädchen im Pelzmantel stieg aus, drückte dem Taxifahrer Geld in die Hand und eilte zur Haustür.

    Aber George hatte ihr diesen Weg abgeschnitten. Er hatte seinen Wagen mit quietschenden Rädern gebremst und war mit einigen großen Sprüngen an der offenen Tür. Als sie den Hauseingang erreichte, stand er schon zerzaust und schmutzig dort.

    »Jawohl – ich!« Er nickte erbittert. »Sehen Sie doch nicht so verwundert aus – selbstverständlich bin ich Ihnen nachgefahren, um...«

    Seine Stimme erstarb. Die Worte, die er hatte äußern wollen, kamen ihm nicht über die Lippen. Verdammt! Das war ja das hübscheste Mädchen, das er je gesehen hatte! Jetzt starrte sie ihn mit vor Grauen weit aufgerissenen Augen an. Das Blut schoss ihr ins Gesicht – dann wurde sie wieder blass.

    »Ach, du meine Güte«, murmelte sie. »Sie sind ja gar nicht der Mann...«

    »Nicht welcher Mann? Wollen Sie etwa behaupten, dass es mir Vergnügen macht, nass wie eine gebadete Katze herumzulaufen?«

    »Ich wollte ja gar nicht... Ach!« Das Mädchen im Pelzmantel sah jetzt noch verwirrter aus als zuvor. »Daran ist nur Ihr Sportjackett schuld! Es hat dieselbe Farbe – rostbraun mit großen, grünen Karos!«

    »Na, so hässlich ist es doch nun wieder nicht!«, protestierte George, dessen frühere Zweifel hinsichtlich dieses Kleidungsstückes jetzt eine weitere unerwartete Bestätigung erhielten. »Aber was, zum Teufel, hat mein Sportjackett überhaupt damit zu tun?«, fuhr er fort und kehrte wieder zu seinem Thema zurück.

    »Sie haben die gleiche Größe, die gleiche Figur... Ach, es tut mir wirklich furchtbar leid!«, fiel ihm das Mädchen ins Wort und sah ihn so ehrlich betrübt an, dass nun George, der sich kaum noch daran erinnern konnte, dass ihm doch ein Unrecht geschehen war, seinerseits verlegen wurde. »Sie müssen mich ja für eine schreckliche Närrin halten!«

    Er aber dachte gar nicht daran, sie für so etwas zu halten. Ihre Stimme, gerade weil sie so verlegen klang, berührte ihn ganz eigenartig beruhigend und doch aufregend. Ihr Gesicht, das jetzt ihm zugewandt war, war so ungewöhnlich reizvoll, dass er eine Traumvision zu sehen glaubte. Dabei hatte er das unbestimmte Gefühl, es schon früher gesehen zu haben. Was mochte sie sein? Schauspielerin? Mannequin? Fotomodell?

    »Sie müssen ja fürchterlich frieren!« Ihre Stimme, jetzt voll Mitgefühl, unterbrach seinen Gedankengang. »Sie werden sich ja den Tod holen, wenn Sie nicht in trockene Kleider kommen! Bitte glauben Sie mir, ich hatte nicht beabsichtigt, Sie in das Becken zu stoßen. Ich wollte Ihnen nur ein paar Ohrfeigen herunterhauen...« Sie brach ab. »Nicht Ihnen natürlich! Dem andern... aber Sie können nicht länger so nass herumlaufen! Sie müssen zu mir heraufkommen; ich werde in kürzester Zeit Ihre Kleider trocknen!«

    »Nein... wirklich...«

    Er hielt inne. Was war eigentlich mit ihm los? Nur ein Trottel konnte doch eine solche Aufforderung ablehnen! Plötzlich kam ihm zu Bewusstsein, dass er wirklich bis ins Mark fror. So setzte er ihr keinen Widerstand entgegen, als sie seinen Arm ergriff und ihn in das Treppenhaus zog.

    In diesem Haus gab es keinen Portier, und so konnten sie ohne weiteres die Treppen zu ihrer Wohnung, Nr. 20, hinaufsteigen. Oben angekommen, zog das Mädchen einen Schlüssel aus der Tasche und öffnete die Tür; leicht erregt betrat George ihre Wohnung. Sie kamen in ein gemütlich eingerichtetes Zimmer, in dessen Kamin ein elektrischer Ofen schwach brannte. Das Mädchen eilte sofort hin und schaltete den Ofen voll ein.

    »Dort ist das Schlafzimmer!«, sagte sie und wies auf eine Tür. »Es ist eine kleine Wohnung – nur dieses Zimmer, das Schlafzimmer, das Bad und eine Kochnische.« Beim Sprechen hatte sie Hut und Mantel abgelegt. »Gehen Sie jetzt ins Schlafzimmer, und werfen Sie mir Ihre Sachen heraus, sobald Sie sie ausgezogen haben. In einigen Minuten werde ich alles am elektrischen Ofen getrocknet haben.«

    Obwohl dieser Vorschlag ja eigentlich recht praktisch war, zögerte George. Er war offensichtlich mit dem Mädchen allein in der Wohnung, und diese Tatsache machte ihn unschlüssig. Sich ausziehen und seine Kleider durch die Tür hinauswerfen...

    »Nun, machen Sie schon!«, forderte sie ihn auf. »Stehen Sie doch nicht hier herum! Sie zittern ja vor Kälte am ganzen Körper! Schließlich ist alles meine Schuld, und Sie können sich gar nicht vorstellen, wie peinlich mir das ist.«

    Es gab jedoch noch einen anderen Grund für Georges Zögern: Nachdem sie ihren Pelz abgelegt hatte, stand sie nämlich in einem blassgrünen, wollenen Kleid da, das ihre schlanke Gestalt wunderbar zur Geltung brachte. Zusammen mit ihrem kastanienbraunen, gewellten Haar und ihrem geröteten Gesicht wirkte dieser Anblick auf George wie Rauschgift.

    »Vielleicht genügt es schon, wenn ich mich vor das Feuer stelle«, meinte er verlegen. »Dann brauche ich Ihnen nicht so viel Scherereien zu machen...«

    »Reden Sie doch nicht so dummes Zeug! Auf diese Weise werden Sie niemals trocken! Übrigens muss auch Ihr Anzug gebügelt werden, sonst sieht er ja wie ein Lappen aus. Machen Sie schnell! Sie können sich ja, während Ihre Sachen trocknen, in meine Bettdecke einwickeln.«

    Gehorsam ging er in das Schlafzimmer, das nicht geheizt war. Als er sich ausgezogen hatte, klapperten seine Zähne vor Kälte. Er war glücklich, die Steppdecke vom Bett nehmen, sie um seinen zitternden Körper wickeln und so festhalten zu können. Dann sammelte er seine klatschnassen Kleidungsstücke auf und trug sie ins Wohnzimmer.

    Während seiner Abwesenheit war das Mädchen nicht müßig gewesen. Sie hatte ein Bügelbrett aufgestellt, und vor dem Kamin stand ein Trockengestell. Auf dem Tisch erwartete ihn ein großes Glas Whiskey.

    »Jetzt setzen Sie sich in den Lehnstuhl und ruhen sich aus!«, sagte sie vergnügt, während sie seine Kleidungsstücke auf den Trockenständer hängte. »Dort steht ein Glas Whiskey für Sie. Außerdem möchte ich Ihnen nochmals sagen, wie leid es mir tut, dass ich mich Ihnen gegenüber so töricht benommen habe.«

    Nachdem er den Whiskey in drei Schlucken hinuntergestürzt hatte, fühlte sich George wohler. In der Bettdecke wurde ihm nun auch allmählich angenehm warm. Fasziniert beobachtete er das Mädchen, das sich mit seiner Kleidung zu schaffen machte, von der jetzt schon Dampfwolken aufstiegen.

    »Es wird nicht lange dauern«, versicherte sie ihm lächelnd.

    Sein Herzschlag setzte beinahe aus. Jetzt hatte er sie zum ersten Male lächeln sehen, und dabei hatte sie sich völlig verändert. Sie war ja mindestens zehnmal so hübsch, als er bisher gedacht hatte!

    »Sehr freundlich von Ihnen, sich so viel Mühe mit mir zu machen«, erwiderte er, nachdem er seinem Herzen Zeit gelassen hatte, seine normalen Funktionen wiederaufzunehmen. »Aber ich würde gern wissen, wie Sie überhaupt zu Ihrem Irrtum gekommen sind! Für wen hielten Sie mich denn?«

    »Es war nur Ihr Sportjackett«, antwortete sie entschuldigend. »Ihr Gesicht konnte ich ja gar nicht erkennen. Als ich Sie am Trafalgar Square stehen sah, überkam mich eine riesige Wut. Ich bin eben leider Gottes allzu impulsiv. Harold hat mir das schon oft vorgeworfen. Ich hätte eben warten sollen, bis Sie mir Ihr Gesicht zuwandten.« Sie hielt inne. »Aber eigentlich habe ich auch das Gesicht dieses Kerls gar nicht richtig gesehen – obwohl mir klar ist, dass Sie ganz anders aussehen...«

    »Was für ein Kerl? Ich verstehe Sie gar nicht...«

    »Gestern Abend wartete ich auf dem Bahnsteig am Oxford Circus auf die U-Bahn«, erwiderte sie, und das Blut stieg ihr wieder ins Gesicht. »Es waren viele Menschen auf dem Bahnsteig; dicht neben mir stand ein Mann, der dasselbe Sportjackett trug wie Sie. Er – er wurde zudringlich.« Sie zögerte. »Ich versuchte, von ihm abzurücken, als der Zug einlief...»

    »Wollen Sie damit sagen, dass er Sie ansprach?«

    »Nein. Er sagte gar nichts, aber seine Hände...«

    Sie brach verlegen ab.

    »So einer also!«, brummte George verständnisvoll. »Warum haben Sie nichts gesagt? Aber nein, ich kann Sie schon verstehen. Es ist ja nicht einfach für ein Mädchen...«

    »Ich habe nichts gesagt, aber ich versuchte, von ihm wegzukommen«, sagte sie mit zitternder Stimme. »Es war scheußlich. Gerade als der Zug einfuhr, rempelte er mich an. Ich wäre unzweifelhaft auf die Schienen gefallen, wenn mich nicht jemand zurückgerissen hätte. Mir wurde vor Furcht ganz schlecht, aber als ich mein Gleichgewicht wiedergefunden hatte und mich umsah, war der Bursche verschwunden. Ich weiß gar nicht, wie ich in den Zug hineingekommen bin – so verwirrt war ich.«

    »So ein Schwein!«, sagte George mit Überzeugung. »Da kann ich Ihnen wirklich keinen Vorwurf machen, dass Sie mich in das Wasserbecken gestoßen haben. Wenn jemanden eine Schuld trifft, so den Verkäufer, der zwei gleiche Sportjacketts verkaufte.«

    Diesmal lachte sie, was George freute. Offenbar war ihre Verlegenheit vorüber.

    »Es wird wohl noch mehr Sportjacketts in England geben, die genauso aussehen wie das Ihrige«, meinte sie vergnügt.

    »Dann war es eben mein Fehler!«, erwiderte er. »Ich war eben ein Trottel, mir diese verdammte Jacke zu kaufen. Sie gefiel mir schon von Anfang an nicht recht. Das Muster ist doch viel zu auffällig, wie? Ich werde das Jackett nie wieder tragen.« Er hielt inne und wandte seine Gedanken ernsteren Dingen zu. »Aber beantworten Sie mir noch eine Frage: Warum in aller Welt versuchte der Mann, Sie auf die Schienen der Untergrundbahn zu werfen? Und da wir schon bei diesem Thema sind, wer sind Sie überhaupt? Ich habe das unbestimmte Gefühl, dass ich Sie schon gesehen haben muss.«

    »Wenn Sie beim Fernsehen zusehen, müssen Sie mich gesehen haben«, meinte sie lächelnd. »Ich war gestern Abend auf dem Nachhauseweg vom Fernseh-Studio, als mich dieser Mann...«

    »Ach so! Das 64.000-Halfcrown-Quiz!«

    »Jawohl...«

    »Dann sind Sie also Rosalind Tresham!«

    »Ja.«

    »Mein Gott, wieso habe ich Sie nicht schon längst erkannt?« George sah sie nachdenklich an, aber dann leuchteten seine Augen bewundernd auf. »Sie waren gestern Abend großartig!«

    »Sie haben zugesehen?«

    »Selbstverständlich habe ich zugesehen! Die Art, in der Sie die 32.000-Halfcrown-Fragen beantworteten, war ja unerhört!« Er war ganz enthusiastisch. »Warum nennt man es eigentlich die 32.000-Halfcrown-Frage? Es sind doch in Wahrheit fünf verflixte Fragen! Ich sehe Sie jetzt noch im Geist in dieser scheußlichen, schalldichten Zelle – und wie Sie aus der Zelle herauskamen und alle Antworten schon bereit hatten! Ihre Kenntnisse in englischer Geschichte sind ja einfach erstaunlich!«

    Sie wurde ganz plötzlich ernst.

    »Dessen bin ich nicht so sicher«, meinte sie und schüttelte den Kopf. »Ich war mir gestern über zwei dieser Fragen gar nicht im Klaren. Und erst nächsten Sonnabend – ach, du meine Güte! Da wird es ganz schlimm werden!«

    »Gehen Sie doch gar nicht hin!«, rief er. In seiner Erregung wollte er aufspringen, wobei ihm beinahe die Bettdecke zu Boden gefallen wäre. »Sie werden nur alles verlieren, was Sie bis jetzt gewonnen haben...« Er brach ab und sah sie fast ungläubig an. »Ich erkenne Sie zwar jetzt, aber Sie sehen in Wirklichkeit doch so anders aus, dass es zu verstehen ist, dass ich Sie zuerst nicht unterbringen konnte. Ihr Teint, Ihr schönes, braunes Haar, Ihre wunderbaren Augen! Sie sind ja zehnmal hübscher, als ich dachte!« Über die Offenheit seiner Worte betroffen, hielt er einen Augenblick inne. »Es ist eben ein Jammer, dass wir noch kein Farbfernsehen haben!«

    »Die schalldichte Kabine ist gar nicht so schlecht«, erwiderte sie in einem Versuch, seine letzte Bemerkung zu ignorieren. »Für mich ist der Aufenthalt dort recht angenehm. In der Abgeschlossenheit kann man sich sehr gut konzentrieren.«

    Auf ihre Worte folgte ein kurzes Schweigen. Als sie ihn jetzt ansah, fiel ihr auf, wie entschlossen sein Gesicht und wie energisch sein Kinn war. Auch die Form seines Kopfes und die Offenheit seiner blauen Augen gefielen ihr. Um die eingetretene Gesprächspause zu überbrücken, wandte sie sich zum Trockenständer und brachte die Kleidungsstücke in Ordnung.

    »Gehen Sie lieber gar nicht hin!«, wiederholte er plötzlich. »Mein Gott, bis jetzt haben Sie schon 32.000 Halfcrown oder 4.000 Pfund gewonnen! Aber Sie werden alles verlieren, wenn Sie aufs Ganze gehen! Eine einzige falsche Antwort genügt. Dabei suchen sie sich für die letzten Fragen immer besonders knifflige Sachen aus!«

    »Das fürchte ich auch«, nickte sie traurig.

    »Dann begnügen Sie sich doch mit dem, was Sie bis jetzt erreicht haben!«

    »Nein, ich werde mein Glück versuchen! Ich habe keine andere Wahl – ich muss es!«

    »Was meinen Sie damit: Sie müssen? Sind Sie denn nicht mit 4.000 Pfund zufrieden? Bis jetzt haben Sie doch großartig abgeschnitten...«

    Sie schüttelte den Kopf.

    »Es ist keine Eitelkeit«, erwiderte sie ruhig. »Es ist nicht etwa, dass ich glaube, so viel zu wissen, dass mein Versuch gar nicht fehlschlagen kann. Vielleicht werde ich versagen – das ist sogar mehr als wahrscheinlich. Aber ich muss mich auf das Risiko – alles oder nichts – einlassen. Der halbe Preis nützt mir gar nichts. Bitte sprechen wir nicht mehr darüber.«

    Ihre Worte klangen so ernst, so entschlossen, dass er für den Augenblick zum Schweigen gebracht war, wenn ihm auch ihr Widerstreben, über dieses Thema zu sprechen, rätselhaft blieb. Sie hatte sich inzwischen wieder zum Trockenständer begeben.

    »Ich glaube, sie sind jetzt trocken«, meinte sie vergnügt. »Es wird mich nur eine Minute kosten, die Hose zu bügeln...«

    »Aber nicht doch!«, protestierte er. »Es genügt völlig, dass sie trocken ist.« Er sah sie forschend an. »Warum nützt Ihnen eigentlich die Hälfte nichts? Warum müssen Sie alles, was Sie gewonnen haben, aufs Spiel setzen?«

    »Ich setze ja gar nicht alles aufs Spiel! Nach den neuen Quiz-Regeln werde ich immer noch 2.000 Pfund erhalten, auch wenn ich nächsten Sonnabend nicht alle Fragen richtig beantworten kann«, erwiderte sie. »Aber 2.000 Pfund nützen mir nicht das geringste! Darum muss ich ja versuchen, den Höchstbetrag, die vollen 64.000 Halfcrown, zu gewinnen. Natürlich wird diese Woche für mich schlimm werden! Man hat mir zwar im Büro freigegeben, aber die Arbeit wird trotzdem kaum zu schaffen sein. Übrigens haben Sie mir noch nicht gesagt, wer Sie sind!« Sie lachte. »Komisch, nicht wahr? Ich meine, da wir schon in meiner Wohnung beieinandersitzen, sollten Sie doch...«

    »Ach... ich heiße Wentworth – George Wentworth«, unterbrach er sie gleichgültig. »Ich bin nichts Besonderes. Sie können mich einen Kolonialwarenhändler nennen...«

    »Einen was?«

    »Das ist nicht gerade sehr großartig, nicht wahr? Den ganzen Tag über beschäftige ich mich mit Tee und Zucker und solchen Sachen. Aber schließlich verdient man dabei seinen Lebensunterhalt.«

    Seine Worte klangen so entschuldigend, dass sie den Eindruck gewann, er müsse einen höchst unwichtigen Posten im Kolonialwarenhandel haben, wohl nur ein einfacher Verkäufer.

    »Ich hoffe, dass ich Ihre Kleider nicht ruiniert habe«, meinte sie, als sie das Bügeleisen einschaltete. »Sollte es aber doch der Fall sein, so müssen Sie mir gestatten, es wieder gutzumachen...«

    »Daran ist gar nicht zu denken!«, unterbrach er sie schnell. »Aber ich wollte Sie noch etwas fragen: Nach dem, was Sie mir erzählt haben, wollte Sie dieser Kerl doch auf dem Untergrundbahnhof auf die Schienen werfen, als der Zug einfuhr...«

    »Ja.«

    »Wenn man Sie nicht ergriffen und zurückgerissen hätte...«

    »Ja. Ich möchte gar nicht mehr daran denken.«

    »Sie sollten aber daran denken!«, bestand er auf seiner Ansicht. »Der Mann hat ja versucht, Sie umzubringen! Warum? Können Sie sich einen Grund vorstellen, warum jemand so etwas versuchen sollte?«

    »Dafür gibt es keinen Grund.«

    »Sie meinen, Sie wissen von keinem?«

    »Lächerlich!«, antwortete sie ruhig. »Ich bin doch niemand! Nur prominente Leute haben Feinde!«

    »Das ist völlig falsch!« George wurde sehr ernst. »Sie sind schon prominent! Millionen von Fernsehteilnehmern kennen Sie! Nächsten Sonnabend haben Sie die besten Aussichten, mit dem Höchstgewinn nach Hause zu gehen!«

    »Hoffentlich haben Sie recht!«, meinte sie mit einem solchen Ausdruck von Furcht in den Augen, dass er höchst verwundert war.

    »Aber wer würde mich umbringen wollen, nur, weil ich eine kleine Chance habe, viel Geld zu gewinnen? Die einzigen, die bei meinem Gewinn etwas zu verlieren haben, sind doch die Leute vom Fernsehen!«

    »Sie haben mir ja auch noch nicht gesagt, warum Sie unbedingt den Hauptgewinn machen müssen; warum erklären Sie

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