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IM NEBEL VERSCHWUNDEN - EIN FALL FÜR CHEFINSPEKTOR CROMWELL: Der Krimi-Klassiker!
IM NEBEL VERSCHWUNDEN - EIN FALL FÜR CHEFINSPEKTOR CROMWELL: Der Krimi-Klassiker!
IM NEBEL VERSCHWUNDEN - EIN FALL FÜR CHEFINSPEKTOR CROMWELL: Der Krimi-Klassiker!
eBook290 Seiten3 Stunden

IM NEBEL VERSCHWUNDEN - EIN FALL FÜR CHEFINSPEKTOR CROMWELL: Der Krimi-Klassiker!

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Über dieses E-Book

Suchend geht Peter Fell die einsame Straße im Londoner Norden entlang. Plötzlich – ein Schrei! Verzweifelte Hilferufe – aus dem Haus gegenüber.

Peter läuft hin... in der Diele liegt eine Frau. Erstochen...

Als er mit einem Polizisten an den Tatort zurückkehrt, finden sie – nichts! Keine Spur von einem Mord. Oder...?

 

Der Roman Im Nebel verschwunden von Victor Gunn (eigentlich Edwy Searles Brooks; * 11. November 1889 in London; † 2. Dezember 1965) erschien erstmals im Jahr 1952. Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum21. Sept. 2022
ISBN9783755421054
IM NEBEL VERSCHWUNDEN - EIN FALL FÜR CHEFINSPEKTOR CROMWELL: Der Krimi-Klassiker!

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    Buchvorschau

    IM NEBEL VERSCHWUNDEN - EIN FALL FÜR CHEFINSPEKTOR CROMWELL - Victor Gunn

    Das Buch

    Suchend geht Peter Fell die einsame Straße im Londoner Norden entlang. Plötzlich – ein Schrei! Verzweifelte Hilferufe – aus dem Haus gegenüber.

    Peter läuft hin... in der Diele liegt eine Frau. Erstochen...

    Als er mit einem Polizisten an den Tatort zurückkehrt, finden sie – nichts! Keine Spur von einem Mord. Oder...?

    Der Roman Im Nebel verschwunden von Victor Gunn (eigentlich Edwy Searles Brooks; * 11. November 1889 in London; † 2. Dezember 1965) erschien erstmals im Jahr 1952. Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.

    IM NEBEL VERSCHWUNDEN

    Erstes Kapitel

    Peter Fell beobachtete die Regentropfen, die langsam an den beschlagenen Fenstern des heißen, stickigen Gerichtssaales herunterliefen. Es war ein hässlicher Novembertag, und vom bleiern-grauen Himmel nieselte ein feiner Regen auf ganz London hernieder. Der Nachmittag war dunkel, sodass alle Lampen bereits brannten.

    Peter rutschte auf seinem harten, unbequemen Stuhl herum. Er war ein ruheloser junger Mann, und es fiel ihm schwer, länger als fünf Minuten stillzusitzen. Ich hätte doch nicht herkommen sollen, dachte er im Stillen. Als Zeuge wurde er nicht benötigt. Ein Zuschauer war er, sonst nichts. Aber der Chef hatte gesagt, dass er gehen könne, wenn er wolle, und da saß er nun. Der alte Mackenzie bedeutete ihm nichts. Kaum zehn Worte hatte er mit dem betagten Schotten, einem der vielen Klienten seines Chefs, gewechselt. Er musste sicherlich fünfundachtzig gewesen sein, wenn nicht älter, und so ein alter Knabe hätte wirklich nicht ganz allein nach London kommen sollen. Natürlich hatte der starke Verkehr ihn verwirrt.

    Der nächste Zeuge wurde soeben aufgerufen. Gregory Simon Maddox. Peter runzelte die Brauen. Er mochte Maddox nicht – hauptsächlich, weil er wusste, dass Maddox ihn nicht leiden konnte. So ein Blödsinn! Was hatte er dem Burschen denn getan? Nichts als Eifersucht konnte es sein!

    Jetzt vernahm er die Stimme des Richters.

    »Sie heißen Gregory Simon Maddox und sind Bürovorsteher bei der Anwaltsfirma Courtney, Pritchard und Allington in der Mount Street?«

    »Jawohl, Sir.«

    Maddox hatte ein hageres, glattrasiertes Gesicht, das auch im Zeugenstand den gewohnten unangenehmen Ausdruck trug. Die ebenfalls hagere, hochgewachsene Gestalt war noch gebeugter als sonst, und eine knochige Hand spielte unruhig mit der randlosen Brille. Plötzlich fiel sein Blick auf Peter, und der junge Mann fühlte die Bosheit in den kalten, blass-blauen Augen.

    Den soll doch der Teufel holen, dachte Peter erbittert. Was hat er mich so anzustarren?

    »Es ist mir bewusst, Mr, Maddox, dass dies eine schmerzliche Pflicht für Sie bedeutet«, sagte der Richter, »aber soviel ich weiß, waren Sie dabei, als der Verstorbene den tragischen Unfall hatte. Ich möchte Sie daher bitten, dem Gerichtshof jetzt mit Ihren eigenen Worten zu schildern, was geschah.«

    »Mr. Mackenzie hatte sich zu einer Rücksprache mit Mr. Allington verabredet«, berichtete Maddox mit nervöser, abgehackter Stimme. »Er war ein alter Mann – fast neunzig, glaube ich und meiner Ansicht nach hätte er niemals allein nach London kommen dürfen...«

    »Ich glaube nicht«, unterbrach ihn der Richter freundlich, »dass Ihre Ansicht über diese Angelegenheit von Bedeutung ist.«

    »Sicherlich ist sie das«, beharrte Maddox. »Sie ist einfach entscheidend. Der alte Mann war viel zu unsicher auf den Beinen, um ohne Begleitung auf den nassen Straßen herumzulaufen.«

    »Aber Sie haben ihn doch wohl begleitet?«

    »In gewissem Sinne ja.«

    »Wieso in gewissem Sinne?«

    »Ich begleitete Mr. Mackenzie lediglich bis zur Park Lane, um ihm einen Wagen zu beschaffen«, erklärte Maddox schroff. »Mr. Allington bat mich, ihn in ein Taxi zu setzen. Es war schon beinahe dunkel, und es regnete. Ein scheußliches Wetter – genau wie heute«, fügte er mit einem Blick zu den regennassen Fenstern hinzu. »Mr. Mackenzie war aufgeregt und ungeduldig und lief trotz seines Alters vor mir her.«

    »Kennen Sie den Grund für seine Aufregung?«

    »Es gab überhaupt keinen Grund. Er war eben ein aufgeregter alter Mann und hatte Reisefieber. Völlig überflüssigerweise übrigens, denn er hatte noch reichlich Zeit bis zur Abfahrt seines Zuges. Als wir an der Ecke ankamen und in die Park Lane einbogen, befand er sich ein oder zwei Schritte vor mir. Ich rief ihm zu, dass er sich nicht so beeilen solle, und versuchte ihn einzuholen, denn die Straße war voll von Autobussen, und der alte Mann stand direkt an der Bordsteinkante. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mich gehört hat, denn die Busse machen zu viel Lärm. Und dann geschah alles ganz plötzlich. Ich kann gar nicht daran denken.«

    »Ich fürchte, Sie werden jetzt daran denken müssen, Mr. Maddox«, sagte der Richter. »Der Verstorbene war Ihnen also um einige Schritte voraus. Er stand direkt am Bordstein. Und dann?«

    »Dann stolperte er.«

    »Worüber?«

    »Wie soll ich das wissen?«, sagte Maddox in dem gereizten, mürrischen Ton, den Peter so gut vom Büro her kannte. »Er stolperte eben, blieb vielleicht mit dem Fuß an einer Unebenheit des Pflasters hängen – oder eines seiner alten Beine trug ihn in diesem Augenblick nicht mehr. Ich versuchte noch, ihn zu erreichen und am Arm zurückzureißen, als es geschah! Er fiel vornüber auf die Straße, und dann kam der Autobus! Er ist direkt vor den Bus gefallen, der ihn mitriss, ehe ich auch nur einen Schrei ausstoßen konnte. In weniger als einer Sekunde war alles vorüber.«

    »Sie haben ihn also tatsächlich nicht berührt, ehe er stürzte?«

    »Nein.«

    »Sind Sie dessen sicher?«

    Maddox nahm die Brille ab, säuberte mit seinem Taschentuch die Gläser, starrte einen Augenblick zu Peter hinüber und wandte sich mit feindseligem Blick wieder dem Richter zu.

    »Sie wollen doch nicht andeuten, Sir, dass ich in irgendeiner Form an diesem entsetzlichen Unfall mitschuldig bin?«, fragte er aufgebracht. »Wenn Sie meinen, dass ich Mr. Mackenzie am Arm ergriff und ihn so versehentlich aus dem Gleichgewicht brachte, irren Sie sich vollständig. Ich war mindestens einen Meter hinter ihm, als er stolperte und fiel.«

    »Aber Sie hatten ihn gerade angerufen!«

    »Ja.«

    »Hat er sich umgesehen?«

    »Ich habe Ihnen doch schon erklärt, dass ich nicht glaube, dass er mich gehört hat.«

    »Es ist ganz überflüssig, einen so beleidigenden Ton anzuschlagen, Mr. Maddox«, sagte der Richter. »Ich versuche lediglich, die Ursache zu diesem Unfall zu ergründen. Wäre es nicht möglich, dass der Verstorbene Sie tatsächlich hörte und stolperte, weil er sich nach Ihnen umwandte?«

    »Es ist möglich, dass er mich hörte, aber ich kann Ihnen versichern, dass er sich nicht umwandte«, erwiderte Maddox. »Während er stürzte, sprang ich vor, um ihn zurückzureißen, aber ich kam zu spät. Ich sagte ja schon, es geschah alles in Sekundenschnelle. Derartige Dinge geschehen immer so plötzlich.«

    »Das ist richtig«, sagte der Richter. »Es muss wirklich sehr schmerzlich für Sie sein, und...«

    »Es ist schmerzlich, weil ich mich in gewissem Sinn doch verantwortlich fühle«, unterbrach ihn Maddox voller Selbstmitleid. »Nein, ich will damit nicht sagen, dass ich irgendetwas mit dem Unfall zu tun habe. Es gehört eigentlich nicht zu meinen Pflichten als Bürovorsteher der Firma Courtney, Pritchard und Allington, klapprigen alten Männern zu einem Taxi zu verhelfen. Aber diesmal habe ich ihn nun einmal begleitet und werde jetzt das Gefühl nicht los, dass ich nicht gut genug auf ihn aufgepasst habe. Das ist alles. Ein jüngerer Mann wäre vielleicht schnell genug gewesen, um Mr. Mackenzie vor dem Sturz zu Hilfe zu eilen.«

    Und wieder wandte Maddox seine blassen, feindseligen Augen Peter Fell zu, der sich ärgerlich aufrichtete und den Blick zurückgab. Er wusste, dass der Hieb ihm galt, und die Ungerechtigkeit der Anschuldigung versetzte ihn in Wut.

    »Sie sollten sich wirklich keine Vorwürfe machen, Mr. Maddox«, sagte der Richter. »Sie haben alles versucht, um den Verstorbenen zurückzuhalten, und Sie konnten nicht voraussehen, dass er stolpern würde. Ich glaube nicht, dass Sie uns noch mehr sagen können.«

    Als nächster Zeuge kam der Arzt an die Reihe. Er beschrieb die Verletzungen: gebrochene Rippen, zahllose Abschürfungen und Kopfwunden. Der Autobus habe den alten Mann nicht direkt überfahren, da die Geschwindigkeit zu gering gewesen sei und der Fahrer sehr schnell reagierte. »Der Bus fuhr ihn an, und er ist einfach hingestürzt«, berichtete der Arzt. »Ein jüngerer Mann wäre diesen Verletzungen sicherlich nicht erlegen. Er hatte keine schweren Knochenbrüche davongetragen, und die Kopfwunden waren nicht ernster Natur, aber für einen Mann in Mr. Mackenzies Alter wird der Schock allein zum Verhängnis. Er war tot, ehe der Krankenwagen die Klinik erreichte.«

    »Und ist auch nicht mehr zur Besinnung gekommen?«

    »Nein.«

    Peter auf seinem harten Stuhl bemerkte kaum, dass als nächster Zeuge der Autobusfahrer aufgerufen wurde und seine Aussage machte. Es war alles so ermüdend und langweilig, ein Haufen Lärm um nichts. Der alte Mackenzie war gestolpert und vor einen Autobus gestürzt. Schluss – aus! Wozu noch die viele Fragerei?

    Es war ärgerlicher denn je, überhaupt erschienen zu sein. Ganz besonders missfielen ihm die rachsüchtigen Blicke von Maddox. Dieser unangenehme alte Kerl! Gleich von Anfang an, seit Peters Eintritt in die Firma vor zwei Jahren, hatte ihn Maddox aufs Korn genommen.

    Bei diesen Überlegungen angekommen und durch die Verhandlungen angeödet, begann Peter mit seinem Schicksal zu hadern. Was war er schon? Ein lächerlicher kleiner Angestellter in einem Anwaltsbüro. Eine feine Stellung für einen jungen Mann, der in Oxford mit einer Eins in Geschichte abgeschlossen hatte! Und was hatte ihm sein glänzendes Examen schon genützt?

    Dabei hatten seine Eltern für das Studium in Oxford gespart und gedarbt. Sein Vater erwartete, dass er Theologie studieren würde, aber ihn hatte es schon immer zum Journalismus gezogen, und er war auch heute noch überzeugt davon, dass er das Zeug zum Schriftsteller hätte. Nur – die Schriftstellerei war eine brotlose Kunst, und essen musste man schließlich. Die Arbeit in der Kanzlei hatte er seinem Vater, dessen Anwalt Mr. Allington war, zu verdanken. Er betrachtete sie nicht als Dauerstellung. Zwei oder drei Artikel aus seiner Feder waren bereits erschienen und – vor allen Dingen – auch bezahlt worden, und außerdem hatte er auch einen Roman geschrieben. Der befand sich allerdings zurzeit in den Händen des vierten Verlegers, drei andere hatten ihn ohne Kommentar zurückgeschickt, und Peter kam langsam und widerwillig zu dem Schluss, dass das Kind seiner Muse nicht lebensfähig sei.

    Je nun, das bedeutete also noch ein oder zwei Jahre Anwaltskanzlei. Allington war ja in Ordnung – ein sehr anständiger alter Knabe, aber leider hatte er wenig mit Allington selbst zu tun. Sein Schreibtisch stand im Vorzimmer, unmittelbar unter den Augen von Gregory Maddox, und das waren – nichts konnte Peter in dieser Überzeugung erschüttern – die missgünstigsten und scheelsten Sehwerkzeuge in ganz London. Von der ersten Woche seiner Tätigkeit an hatte Maddox ihm unverhüllt zu verstehen gegeben, dass er unerwünscht sei.

    Bei der Firma Courtney, Pritchard und Allington handelte es sich um eine solide, alte Anwaltskanzlei, die seit Jahrhunderten bestand, und die meisten Klienten des jetzigen Mr. Allington waren Söhne, Enkel und Urenkel der Klienten von Mr. Allingtons eigenen Vorvätern. Jahrelang hatte Maddox die ganze Arbeit im Vorzimmer mit Hilfe eines Laufjungen, der außerdem mit leichten Büroarbeiten beschäftigt wurde, allein erledigt. Aber sobald es ans Maschinenschreiben ging, war mit Maddox nicht viel los. Peter hingegen schrieb hervorragend. Der Chef war altmodisch genug, keine Frauen in seinem Büro zu dulden, und Peter fand seine Arbeitsstunden bemerkenswert langweilig. Es wäre ja noch nicht so schlimm gewesen, wenn die Firma wenigstens einige weibliche Klienten gehabt hätte, vorzugsweise junge natürlich. Aber Frauen, gleichgültig, ob alt oder jung, überschritten fast niemals die alte Türschwelle.

    Peter trommelte gelangweilt mit den Fingerspitzen auf die Stuhllehne und überlegte, was aus Courtney und Pritchard geworden sein könne. Soviel er wusste, hatte die Firma seit einem Jahrhundert keinen Partner besessen, der so hieß. Walter Allington war der Nachfolger seines Vaters, genau wie dieser wiederum seinem Vater gefolgt war.

    Wenn jemals ein junger Mann die Überzeugung gehabt hatte, fehl am Platz zu sein, so war es Peter. Aber das Geld reichte aus, um davon zu leben, und er war optimistisch und jung und widmete die meisten Abende mit eisernem Fleiß seiner Schriftstellerei.

    Was für ein Idiot er doch gewesen war, zu dieser elenden Verhandlung zu gehen! Er fühlte sich erhitzt und ungemütlich, denn der Raum war überheizt und schlecht gelüftet. Er konnte natürlich nicht ahnen, dass Mr. Duncan Mackenzies tragisches Ende der Beginn einer Veränderung in seinem Leben werden sollte.

    Er fuhr aus seinen Gedanken auf und stellte fest, dass die Verhandlung mehr oder weniger zu Ende ging. Das Urteil – Tod durch Unfall – hatte von Anfang an festgestanden. Peter verließ mit einer Anzahl anderer Zuschauer den Raum. Als er auf dem kalten, zugigen Korridor dem Ausgang zuschritt, packte ihn jemand am Arm.

    »Einen Augenblick, Fell«, ertönte eine kalte Stimme.

    »Oh, Sie sind das«, sagte Peter gedehnt, Gregory Maddox mit Widerwillen betrachtend.

    »Was machen Sie hier?«, erkundigte sich der Bürovorsteher. »Wer hat Ihnen erlaubt, der Verhandlung beizuwohnen? Bilden Sie sich ein, dass die Arbeit sich von selbst erledigt? Wirklich, von allen faulen, indolenten jungen...«

    »Sie können sich Ihren Atem sparen«, unterbrach ihn Peter. »Der Chef persönlich hat es mir angeboten, und darum bin ich hier. Sie kommen mir so nervös vor, Mr. Maddox. Was ist los? Was hatte dieser Basiliskenblick zu bedeuten, den Sie während Ihrer Aussage dauernd auf mich hefteten?«

    Maddox verzog den Mund zu einem harten Strich. »Es ist Ihre Schuld, dass der arme alte Mackenzie umkam«, zischte er giftig, »Ihre Schuld, Fell, und Sie wissen es!«

      Zweites Kapitel

    Peter Fell war so erstaunt, dass er einen Augenblick lang Maddox nur empört anstarren konnte. Es hatte ihm die Sprache verschlagen. Über den Hass und die Wut in Maddox’ ausgeblichenen Augen hinter den randlosen Brillengläsern konnte es keinen Zweifel geben.

    Auch bei wohlwollendster Beurteilung konnte man Maddox’ Gesicht nicht freundlich nennen. Nach Peters Meinung war Maddox ein sauertöpfischer alter Junggeselle, dessen Gesichtszüge in jeder Beziehung der niedrigen Natur seines Charakters entsprachen. Er hatte eine hohe Stirn, die von eisgrauen, an den Ohren abstehenden Haaren eingerahmt war. Die Nase war dünn und lang und sah verkniffen aus, ebenso wie der harte, schmale Mund mit den unangenehmen Lippen. Ein solches Gesicht konnte zwar lächeln, und Peter hatte dies in den zwei Jahren seiner Tätigkeit in der Kanzlei mindestens viermal erlebt, aber jedes Mal war es ein bitteres, ironisches Lächeln gewesen.

    »Meine Schuld?«, stieß Peter hervor, nachdem er endlich die Sprache wiedergefunden hatte. »Was, zum Teufel...«

    Maddox nahm weiter keine Notiz von ihm und ging geradewegs auf den Ausgang zu. Ehe Peter ihm, kochend vor Empörung, folgen konnte, schlug ihm irgendein Störenfried, der von hinten herangetreten war, kräftig auf die Schulter und begann mit einer so fröhlichen Stimme zu schwatzen, dass der im Augenblick durchaus nicht zum Scherzen aufgelegte Peter sich innerlich wand vor Wut.

    »Ja, das ist aber eine Überraschung«, sagte die Stimme. »Das ist ja Fell, Peter Fell! Menschenskind, wie kommst du hierher und wie geht’s dir, alter Knabe? Hab’ dich ja jahrelang nicht gesehen!«

    Peter fuhr wütend herum und sah sich einem großen, sportlichen jungen Mann gegenüber, der ihn mit offener Freude aus seinen freundlichen, gutmütigen Zügen anstrahlte. Fast augenblicklich erkannte er ihn, und seine Wut legte sich. »Johnny!«, rief er und streckte die Hand aus. »Johnny... so was Dummes... mir fällt einfach dein Nachname nicht ein. Verzeih! Halt! Einen Augenblick... Lester?«

    »Beinahe«, meinte der andere lächelnd. »Lister heiße ich. Nicht sehr schmeichelhaft für mich, alter Junge, wenn man bedenkt, dass ich zwei Jahre mit dir in Oxford zusammen war und wir außerdem ein ganzes hektisches Sommersemester lang im selben Achter ruderten. Eigentlich solltest du meinen Namen noch nicht vergessen haben.« Der fröhliche junge Mann hielt ein und betrachtete Peter genauer. »Vielleicht verlange ich auch etwas zu viel im Augenblick. Du siehst bedrückt aus.«

    »Ach, nicht der Rede wert«, sagte Peter. »Dieser Mann da behauptete eben, dass ich an Mackenzies Tod schuld bin! Er muss verrückt sein. Ich war Gott weiß wo, als das Unglück passierte.«

    »Scheint kein Freund von dir zu sein.«

    »Freund!« Peters Stimme klang bitter. »Er ist Bürovorsteher in Allingtons Kanzlei, und ich bin ein kleiner Angestellter dort. Seit meinem Eintritt hackt der alte Teufel auf mir rum. Der Himmel mag wissen, weshalb.« Peters fröhliche Natur kam jetzt wieder zum Vorschein, und an das Lächeln, das in seinem jungen, frischen Gesicht endlich aufstrahlte, konnte sich Johnny noch gut von Oxford her erinnern. »Nicht böse sein, Johnny. Es ist wahrhaftig eine große Freude, dich nach all den Jahren wiederzusehen. Wieviel Jahre sind’s denn überhaupt?«

    »Mensch, frag bloß nicht. Man fühlt sich steinalt, wenn man darüber nachdenkt«, meinte der andere. »Also Angestellter in Allingtons Kanzlei bist du? Wieso denn das? Ich dachte, du hättest Oxford derart mit Titeln und glänzenden Examensnoten beladen verlassen, dass du sie kaum tragen konntest. Und habe ich nicht auch irgendeine blendende Arbeit von dir in einer Zeitschrift gelesen? In der Isis, wenn ich mich nicht irre.«

    Peter zog ein Gesicht. »Der Fehler von akademischen Titeln und Ehren, Johnny, ist, dass sie dir eine falsche Vorstellung deiner eigenen Wichtigkeit geben«, meinte er. »Als ich von Oxford kam, bildete ich mir ein, ein ziemlich toller Hecht zu sein. Aber du kriegst schnell raus, dass man Titel und Diplome nicht essen kann. Und wie, frag’ ich dich, soll ein Mensch leben, ohne zu essen? Ich bin ein kleiner Angestellter bei Allington, und ich werde satt.«

    »Elefant im Porzellanladen – war immer schon meine beste Rolle«, sagte Johnny reuevoll. »Verzeih, ich wollte wirklich keinen wunden Punkt berühren.«

    »Lass gut sein. So wund ist der Punkt nun wieder nicht. Diese Stellung ist nur vorübergehend. Habe einen phantastischen Roman geschrieben, und wenn die Verleger auch nur einen Funken Verstand hätten, würden sie kapieren, dass sie einen todsicheren Bestseller vor sich haben, einen richtigen Schlager, sag’ ich dir. Aber ich bin langsam zu der Überzeugung gekommen, dass Verleger eine besondere Sorte Menschen sind. Drei Verleger haben mein Buch bereits, ohne auch nur Dankeschön zu sagen, zurückgeschickt. Jetzt habe ich es einem vierten anvertraut, leider ohne viel Hoffnung.«

    »Wäre es unter Umständen denkbar, dass mit dem Buch was nicht in Ordnung ist?«, erkundigte sich Johnny vorsichtig.

    Peter lachte. »Du hast mein schamvoll gehütetes Geheimnis aufgedeckt, Johnny«, sagte er kläglich. »Das ist nämlich so ungefähr die einzig mögliche Erklärung. Aber komisch bleibt es trotzdem. Ich besitze nämlich noch einen Durchschlag von dem Machwerk und habe es in den letzten drei Monaten mindestens ein dutzendmal wiedergelesen. Mir kommt es ganz in Ordnung vor. Vermutlich bin ich voreingenommen. Wie dem auch sei, im Augenblick schreibe ich an einem neuen Meisterwerk – auf der Maschine! Ziemlich schwierig, weißt du, weil ich dabei gleichzeitig die Daumen drücken muss – zur Beschwörung aller guten Geister.«

    »Fein, Peter«, grinste Johnny. »So kenne ich dich wieder. Du wirst’s schon schaffen.«

    »Und was treibst du, um von was anderem zu reden?«, erkundigte sich Peter. »Du siehst ganz wohlhabend aus. Ach so, ich vergaß... Du bist doch einer von den kapitalistischen Müßiggängern. Eigenes Vermögen, privates Einkommen oder so ähnlich. Beneidenswert.«

    »Liebe Zeit, in welchem Mustopf hast du bloß die ganze Zeit gesteckt«, rief Johnny. »Du solltest wirklich wissen, dass es die Gattung kapitalistische Müßiggänger nicht mehr gibt. Kann schon sein, dass ich ein privates Einkommen habe, aber wenn das Finanzamt damit durch ist, sieht es verdammt nach überzogenem Konto aus. Und müßig! Dass ich nicht lache! Ich bin ein schwer arbeitender Mensch, Peter. Jeden Morgen Punkt neun am Arbeitsplatz – und nichts zu machen mit Feierabend um fünf Uhr. Manchmal muss ich die halbe Nacht noch arbeiten.«

    »Muss ein merkwürdiger Beruf sein«, bemerkte Peter. »Mir schwebte immer vor, dass du, als du von Oxford kamst, in den diplomatischen Dienst gegangen bist.«

    »Ach, längst vorbei«, erklärte Johnny. »War viel zu langweilig und abgestanden. Ich brauche etwas mehr Aktivität. Darum bin ich bei Scotland Yard gelandet.«

    »Alle Wetter! Kriminalbeamter oder so?«

    »Und was für einer«, prahlte Johnny. »Hast du jemals von einem von den Großen Fünf gehört, der

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