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DAS ACHTE MESSER: Der Krimi-Klassiker!
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eBook276 Seiten3 Stunden

DAS ACHTE MESSER: Der Krimi-Klassiker!

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Über dieses E-Book

Eines nach dem anderen sausten die Messer durch die Luft - Inspektor Cromwell zählte unbewusst mit. Sechs... sieben... Das achte Messer traf schließlich das Mädchen in den Hals.

Der Inspizient trat vor den Vorhang. »Meine Damen und Herren! Leider hat sich ein Unglücksfall ereignet...«

Ein Unglückfall?

Mord, sagt Inspektor Cromwell...

Der Roman Das achte Messer von Victor Gunn (eigentlich Edwy Searles Brooks; * 11. November 1889 in London; † 2. Dezember 1965) - ein weiterer Fall für Chefinspektor Cromwell - erschien erstmals im Jahr 1957; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im gleichen Jahr.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum27. Juli 2020
ISBN9783748751670
DAS ACHTE MESSER: Der Krimi-Klassiker!

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    Buchvorschau

    DAS ACHTE MESSER - Victor Gunn

    Das Buch

    Eines nach dem anderen sausten die Messer durch die Luft - Inspektor Cromwell zählte unbewusst mit. Sechs... sieben... Das achte Messer traf schließlich das Mädchen in den Hals.

    Der Inspizient trat vor den Vorhang. »Meine Damen und Herren! Leider hat sich ein Unglücksfall ereignet...«

    Ein Unglückfall?

    Mord, sagt Inspektor Cromwell...

    Der Roman Das achte Messer von Victor Gunn (eigentlich Edwy Searles Brooks; * 11. November 1889 in London; † 2. Dezember 1965) - ein weiterer Fall für Chefinspektor Cromwell - erschien erstmals im Jahr 1957; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im gleichen Jahr.

    Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

    DAS ACHTE MESSER

    Erstes Kapitel

    Als Chefinspektor Bill Cromwell von Scotland Yard seinen Platz in der ersten Parkettreihe des Varietés Olymp einnahm, hatte sein Gesicht einen so bösartigen Ausdruck, dass die Platzanweiserin erschreckt die Eintrittskarten fallen ließ und sich eiligst davonmachte.

    »Musst du deine Visage so verzerren, dass du wie ein zweiter Mr. Hyde aussiehst?«, fragte Johnny Lister verärgert, als er die Karten vom Boden aufhob. »Siehst du denn nicht, was für einen Schrecken du dem armen Mädchen eingejagt hast? Hat sie dir vielleicht was getan?«

    »Ein Platz in der ersten Reihe!«, murmelte Cromwell ärgerlich und ließ sich auf seinen Sitz fallen. »Musstest du gerade Plätze nehmen, auf denen man wie auf dem Präsentierteller sitzt? Aber ich hätte mir ja denken können, dass du schon etwas Idiotisches anstellen wirst!«

    Der elegante junge Sergeant unterdrückte die grobe Antwort, die ihm auf der Zunge lag. Er hatte seine ganze Überredungskunst spielen lassen müssen, um Ironsides überhaupt zu bewegen, ins Varieté zu gehen. Er hatte gehofft, ein Abend in Londons berühmtestem Varieté werde vielleicht seinen übelgelaunten Vorgesetzten in bessere Stimmung bringen. Schon seit Wochen war Cromwell so mürrisch und gereizt, dass das Leben mit ihm schwer erträglich geworden war. Cromwell war nie ein besonders liebenswürdiger Partner, aber jetzt, in seiner gegenwärtigen Laune, fiel er Johnny auf die Nerven.

    Wenn es sich nur um die Zusammenarbeit im Büro gehandelt hätte, wäre das schon unangenehm genug gewesen. Aber Johnny bewohnte mit seinem Vorgesetzten gemeinsam auch eine Junggesellenwohnung in der Victoria Street; in letzter Zeit war die Spannung zwischen ihnen so stark geworden, dass jede harmlose Unterhaltung zu etwas Unmöglichem geworden war.

    »Und wer ist dieser Mr. Hyde?«, fragte Cromwell. »Ich kenne niemanden dieses Namens...«

    »Musst du schon wieder deine phänomenale Unwissenheit beweisen?«, unterbrach ihn Johnny. »Willst du wirklich sagen, dass du noch nie etwas von Dr. Jekyll und Mr. Hyde gehört hast?«

    »Ach, von den beiden!«           

    »Wieso von den beiden? Die beiden sind doch nur einer! Aber wozu lange Erklärungen«, meinte Johnny hilflos. »Hör nur auf zu brummen, Old Iron. Wir sind doch hier, um uns zu amüsieren.«   

    »So nahe der Bühne?«, höhnte Cromwell. »Ganz abgesehen davon, dass uns das Orchester in die Ohren dröhnt, werden wir jeden Schminkfleck auf den Gesichtern der Artisten sehen...« Er brach ab; seine Augen fielen auf die mit einem Läufer belegten Stufen, die ein paar Schritte von seinem Platz entfernt zur Bühne hinaufführten. »Ich möchte wetten, auf dem Programm steht auch eine Zaubernummer; man wird also Leute aus dem Zuschauerraum auffordern, auf die Bühne zu kommen und sich dort zum Narren halten zu lassen. Aber wenn mich jemand zu so etwas auffordern sollte...«

    »Mach dir keine Sorgen«, unterbrach ihn Johnny ärgerlich. »Ein einziger Blick in dein Gesicht scheucht jeden fort. Es tut mir nur leid, dass ich dich überhaupt hierhergebracht habe.«

    Es war ihm mit seinen Worten ernst, denn der Abend entwickelte sich nicht so, wie er gehofft hatte. Der Chefinspektor war vielleicht noch gereizter als sonst; aber Johnny kannte ja den Grund seiner üblen Laune. Seit mehr als einem Monat waren beide ununterbrochen mit langweiliger Routinearbeit beschäftigt gewesen, und Cromwell konnte nur gutgelaunt sein, wenn er einen kniffligen Fall zu bearbeiten hatte. Büroarbeit hingegen reizte ihn stets zu Wutausbrüchen.

    Heute war ein Donnerstagabend, und sie hatten dienstfrei. Der Wintertag war grau und kalt gewesen; Johnny hatte gehofft, ein paar Stunden im Varieté könnten seinen Begleiter zerstreuen und aufheitern.

    »Der Bauchredner, der hier auftritt, ist geradezu die Sensation von London, Old Iron«, meinte Johnny, lehnte sich in seinem Sitz zurück und bemühte sich, die unmelodiösen Laute aus dem Orchester zu übertönen, wo die Musiker ihre Instrumente stimmten. »Hast du je erlebt, dass hier im Olymp ein Bauchredner die Hauptattraktion ist? Aber der Bursche muss wirklich Ungewöhnliches leisten. Ganz London spricht ja von nichts anderem. Der Affe, mit dem er arbeitet, wirkt so unheimlich menschlich...«

    »Du meinst wohl, seine Puppe?«

    »Mein Gott, liest du denn überhaupt keine Zeitung? Am Montag begann Valentine mit seiner Nummer hier, und schön am Dienstag berichteten alle Londoner Zeitungen ganz groß auf der ersten Seite über ihn. Sein Schimpanse muss geradezu unglaublich gut sein. - Aber wir können uns nicht weiter unterhalten, denn jetzt fängt die Vorstellung an.«

    Cromwell zuckte schmerzlich berührt zusammen, denn das Orchester hatte mit einer solchen Lautstärke eingesetzt, dass die Töne betäubend an sein Trommelfell schlugen. In der ersten Parkettreihe war die Musik wirklich allzu geräuschvoll.

    »Mein Gott!«, stöhnte Ironsides Johnny ins Ohr. »Habe ich dir das nicht vorher gesagt?«

    Johnny presste die Lippen zusammen und gab keine Antwort. Er wollte sich nicht damit entschuldigen, dass nur noch diese beiden Plätze in der ersten Reihe zu haben gewesen waren - und auch diese Plätze hatte er nur bekommen, weil sie gerade fünf Minuten vorher jemand zurückgegeben hatte. Seit dem Auftreten von Valentine war eben das Varieté für viele Tage im Voraus ausverkauft.

    Der Vorhang hob sich, und im strahlenden Licht der Scheinwerfer erschienen die sechzehn Tanzgirls des Olymp. Sie schwangen ihre schlanken Beine in vollendetem Gleichtakt.

    »Darum also hast du Plätze in der ersten Reihe genommen! Du wolltest so nahe wie möglich bei diesen halbnackten Mädchen sitzen! Hm - aber sie tanzen wirklich gar nicht schlecht.«

    Johnny Lister grinste. Die Gereiztheit in Cromwells Stimme klang bereits gemildert, und auch die Falten seines Gesichts begannen sich zu. glätten. So viel weiblicher Charme in so großer Nähe blieb eben auch auf ihn nicht ohne Wirkung.

    Die Mädchen vollendeten ihren Tanz mit der exakten Präzision, für die sie berühmt waren. Sie erhielten stürmischen Applaus.

    Die nächste Nummer war ein junger Sänger, dessen Name von Schallplatten her bekannt war. Er trat in einem blutroten Frack auf. Der Chefinspektor schloss die Augen und stöhnte - und diesmal war Johnny mit ihm einer Meinung. Der hübsche junge Mann mochte zwar ein Liebling des jugendlichen Publikums sein und konnte auch den Teenagern Rufe des Entzückens entlocken, aber nach Johnnys Geschmack war er nicht. Der Sergeant atmete auf, als diese Nummer zu Ende war und die nächste begann. Es war eine dänische Akrobatentruppe, die wahre Wunder an Gelenkigkeit vollbrachte. Leider muss jedoch festgestellt werden, dass Bill Cromwells Interesse an ihren Darbietungen nur dadurch aufrechterhalten wurde, dass zwei Mitglieder der Truppe hübsche junge Mädchen waren, die noch weniger anhatten als die Tanzgirls.

    »Nicht schlecht, mein Junge - ganz und gar nicht schlecht!«, bemerkte Ironsides, beifällig schmunzelnd.

    Der Conférencier erzählte nun, um die Zeit auszufüllen, ein paar Witze und kündigte dann die Glanznummer des Programms an - Valentine und Vick. Als sich der Vorhang hob, stand auf der Bühne ein untersetzter, breitschultriger Mann mittleren Alters, der die bei Bauchrednern übliche Puppe im Arm trug. Die Nummer war gut, die Unterhaltung zwischen dem Bauchredner und seiner Puppe sehr spaßig.

    »Du hast mir doch gesagt, dass der Kerl mit einem Affen arbeitet, nicht?«, wandte sich Ironsides leise an Johnny. »Das hier ist aber doch nur eine ganz gewöhnliche Bauchrednernummer - an sich nicht schlecht, aber...«

    »Halt doch den Mund, das ist ja nur das Vorspiel!«, zischte Johnny zurück. »Warte doch ab!«

    Cromwell brummte. Ohne, dass er es hätte begründen können, war ihm Valentine unsympathisch. Sein öliges schwarzes Haar, seine dunklen, verschlagen blickenden Augen und der grausame Zug um seinen sinnlichen Mund waren nicht nach Cromwells Geschmack. Es gehörte zu seinem Beruf, ein guter Kenner des menschlichen Charakters zu sein, und er hatte gelernt, Menschen nach ihrer äußeren Erscheinung, nach dem Ausdruck ihres Gesichts zu beurteilen. Und bei dieser Beurteilung schnitt Valentine nicht gerade günstig ab.

    »Er ist witzig, Johnny, aber sein Witz hat etwas Sadistisches. Ich möchte wetten, dass er jede Zeile dieses Dialogs selbst geschrieben hat«, murmelte der Chefinspektor. »Er passt haargenau zu seinem Wesen.«

    Johnny war überrascht. Er hatte mit dem übrigen Publikum Valentines Späße belacht, ohne dass ihm die ätzende Schärfe aufgefallen war, von der Cromwell gesprochen hatte. Erst jetzt - nachdem er darauf hingewiesen worden war - bemerkte er die Grobheit von Valentines Humor.

    Der sensationelle Teil der Nummer sollte jedoch noch kommen. Bald verschwand die Puppe in einem Koffer. Zunächst folgte der konventionelle Trick, den schon andere Bauchredner vor Valentine gebracht hatten. Valentine ließ nämlich die Stimme der Puppe schwach und halb erstickt scheinbar aus dem Koffer heraustönen. Eine bekannte Sache, daher machte sich eine leise Unruhe im Zuschauerraum bemerkbar. Aber in Wirklichkeit war dieser Trick eine recht geschickte Überleitung zur Hauptattraktion, denn jetzt wandte sich Valentine in die Kulissen, schnippte mit den Fingern und rief mit einschmeichelnder Stimme.

    Eine Woge der Erregung ging durch das Publikum, als Vick, der Schimpanse, daraufhin selbstbewusst die Bühne betrat. Das Tier trug einen Matrosenanzug; ein fesches Käppchen saß schief auf seinem Kopf.

    »Komm schneller, mein Junge«, sagte Valentine tadelnd. »Trödle doch nicht so!«

    Aber Vick blieb daraufhin stehen und gab nur einen verächtlichen Laut von sich.

    »Ach, rutsch mir den Buckel runter!«, sagte er dann mit grober Stimme.

    Die Wirkung dieser Worte war phantastisch. Das Publikum brüllte vor Lachen. Scheinbar waren die Worte direkt aus dem Munde des Schimpansen gekommen, und das Tier hatte seine Lippen auch genau entsprechend den Worten bewegt. Donnernder Applaus rauschte auf.

    Es war nur eine Kostprobe von Valentines Kunst, aber nun bewies er, dass die enthusiastischen Presseberichte tatsächlich nicht übertrieben waren. Vick überquerte die Bühne, sprang gewandt auf einen Stuhl und streckte Valentine die Zunge heraus.

    »Das ist aber sehr ungehörig!«, tadelte ihn Valentine und drohte mit dem Finger.

    »Und wer hat mir das beigebracht?«, antwortete der Schimpanse. »Du doch! Etwas Besseres hast du dir eben nicht ausdenken können!«

    Auf diese Weise ging das Gespräch weiter. Es war ah sich keineswegs besonders geistreich oder witzig. Aber das Publikum blickte trotzdem wie gebannt auf die Bühne, denn jedes Wort, das aus Vicks Maul zu kommen schien, war von den genau richtigen Lippenbewegungen begleitet. Es war fast unmöglich, auch nur auf den Gedanken zu kommen, es könne nicht der Schimpanse sein, der sprach. Solange Valentine redete, blieb das Gesicht des Tieres völlig unbewegt. Aber wenn der Affe mit seiner groben Stimme antwortete, schien es unmöglich, dass die Worte nicht tatsächlich aus seinem Maul kamen.

    »Nun, Old Iron?«, fragte Johnny.             

    »Geschickt, mein Junge. In seiner Art das Geschickteste, was ich je gesehen habe«, gab Cromwell zu. »Du weißt doch, was wir hier vor Augen haben, nicht wahr? Das ist das Resultat von Monaten, wahrscheinlich von Jahren der Dressur. Das einzige, was mich dabei beunruhigt, ist: War diese Dressur grausam? Mein Gott! Sieh dir doch das an!«

    Der Schimpanse hatte sein Maul zu einem langen Gähnen weit geöffnet. Der Gähnlaut war so natürlich, dass die meisten Leute im Publikum annahmen, dass das Gähnen nicht zu der Nummer gehörte. Wieder gab Valentine dem Affen einen scharfen Verweis und warf ihm vor, sich unanständig zu benehmen. Aber Vick erwiderte prompt, er habe nur gegähnt, weil die Nummer so unerträglich langweilig sei. Er riet Valentine schließlich, sich etwas mehr anzustrengen und ein bisschen mehr Geist hineinzubringen.

    »Ich könnte es noch verstehen, dass man einen Affen darauf dressieren kann, ein oder zwei Lippenbewegungen zu machen, die mit gewissen immer wiederkehrenden Worten übereinstimmen; aber Vick redet ja viel mehr als der Bauchredner selbst, und dadurch wird die Leistung nahezu unglaublich«, murmelte Johnny. »Besonders, wenn man berücksichtigt, dass er auch die zu seinen Worten passenden Gesten macht.«

    »Ja, ich kann schon verstehen, warum diese Nummer als die große Attraktion des Programms herausgestellt wird«, meinte Ironsides. »Dieses Tier muss ja ein Vermögen wert sein, Johnny.«

    »Es bringt jedenfalls Valentine eine Gage von fünfhundert Pfund die Woche ein«, flüsterte Johnny zurück. »Eine Zeitung schrieb von Vick als dem goldenen Affen. Die Nummer war in Australien vor ein oder zwei Monaten die große Sensation, und seitdem ist Valentine mit seinem Tier mit größtem Erfolg in Manchester, Liverpool und Glasgow auf getreten.«

    Schließlich war die Nummer zu Ende; sie erntete einen Applaus, wie ihn Johnny in diesem Varieté noch nicht gehört hatte. Immer wieder mussten Valentine und Vick vor den Vorhang treten. Hier verbeugte sich Vick nicht nur gleichzeitig mit seinem Herrn, er winkte dem Publikum auch zu und rief ein paar Bemerkungen ins Parkett.

    Dann folgte die große Pause.

    »Jetzt können wir wohl nach Hause gehen?«, fragte Cromwell. »Es wird ja wohl nichts Interessantes mehr zu sehen sein.«

    »Warum wollen wir unser Geld nicht absitzen?«, wandte Johnny ein. »Jetzt kommt noch eine großartige spanische Tanznummer und ein Messerwerfer.«

    Er überredete Ironsides, ihn zum Büfett zu begleiten, wo ein Glas Bier Cromwells Stimmung hob. Als sie nach der Pause wieder ihre Plätze einnahmen, war der brummige Chefinspektor beinahe wohlwollend gestimmt.

    »Es tut mir leid, dass ich vorhin so schlecht gelaunt war, Johnny«, meinte Cromwell entschuldigend. »Du hattest ganz recht. Das Ausgehen hat mir gutgetan. Ich bin in letzter Zeit wohl ziemlich schwer zu genießen gewesen, was? - Weißt du, ich muss immer noch über diesen erstaunlichen Schimpansen nachdenken. Hoffentlich habe ich mich in Valentine geirrt...« Er hielt inne und zuckte die Achseln. »Aber das werden wir wohl nie erfahren.«

    »Wie meinst du das - geirrt

    »Nun, weißt du, ich habe so ein vages Gefühl, dass dieser Bauchredner ein übler Bursche ist«, antwortete Ironsides nachdenklich. »Menschen dieses Typs sind mir schon oft begegnet. Das ist eben der Nachteil, wenn man Polizeibeamter ist, Johnny. Man tritt allen Leuten mit einer Masse von Vorurteilen gegenüber.«

    Johnny lachte.

    »Ich möchte wetten, dass du danebengeraten hast, Old Iron«, erwiderte er. »Kein Mensch kann einen Affen anders als mit Liebe so großartig dressieren. Hast du denn nicht gesehen, dass dem Tier sein Auftreten geradezu Spaß machte?«

    Die weitere Unterhaltung wurde dadurch erschwert, dass das Orchester mit einem lauten Tusch den zweiten Teil des Programms ankündigte. Der Conférencier trat vor den Vorhang und erzählte wieder ein paar Witze. Dann trat das spanische Tanzpaar auf, das ausgezeichnet war.

    Nach dieser Programmnummer erschien der Conférencier wieder. Er forderte das Publikum auf, sich an den Sitzen festzuhalten; es bekäme jetzt eine Nummer zu sehen, die geradezu atemberaubend wäre.

    »Der übliche Quatsch!«, murmelte Cromwell verächtlich. »Wer soll uns denn jetzt das Gruseln beibringen?«

    »Rex Dillon, das australische Wunder!«, entgegnete Johnny nach einem Blick auf das Programm grinsend. »Der Messerwerfer, Old Iron!«

    »Das sind doch alte Kamellen!«, brummte sein Freund. »Gehen wir lieber.«

    »Gib doch Ruh’, verdammt noch mal! Er bringt etwas ganz Neues!« Johnny sah seinen Freund von der Seite an. »Und dann arbeitet er mit einer Partnerin, die praktisch gar nichts anhat.«

    Aber auch das machte auf Ironsides keinen Eindruck.

    »Was kann denn schon an dem Burschen Besonderes sein?«, fragte er.

    »Warte es doch ab! Dillon behauptet, als einziger Mensch folgenden Trick zeigen zu können: Das Mädchen steht, mit Stricken an einen Baum gefesselt, auf der einen Seite der Bühne; Dillon steht auf der anderen Seite und befreit sie aus ihren Fesseln, indem er mit seinen Wurfmessern einen Strick nach dem anderen zerschneidet. Dazu gehört doch wirklich eine phantastisch sichere Hand!«    

    »Ich halte das für unmöglich«, brummte Cromwell ungläubig. »Ich möchte wetten, es ist nur ein Trick. Nur. vom Publikum aus gesehen scheint es wohl so, als ob er die Fesseln tatsächlich mit seinen Würfen zerschneiden würde.«

    »Schön, sieh es dir selbst an«, meinte Johnny gereizt. »Aber glaubst du etwa, sie würden in diesem Varieté einen gewöhnlichen Messerwerfer auftreten lassen? Dillon zerschneidet eben die Stricke tatsächlich mit den geworfenen Messern.«

    Nach einem Tusch des Orchesters betrat Rex Dillon die Bühne. Er war ein gutgewachsener, sympathisch wirkender junger Mann mit blondem, welligem Haar, der als australischer Rinderhirt gekleidet auftrat. Mit freundlichem Lächeln begrüßte er das Publikum und erzählte, mit starkem australischem Akzent, ein paar Witzchen, während er geschickt einen Seiltrick vorführte. Er benutzte diesen Seiltrick nur als Einleitung zu seiner Nummer. Nun riet er den Männern im Publikum, auf ihren Blutdruck, und den Frauen, auf ihre Männer aufzupassen, da jetzt seine atemberaubend schöne Assistentin Nina auftreten werde. Als nun Nina graziös auf die Bühne trippelte, stieß Johnny Ironsides mit dem Ellbogen an.

    »Bei Gott, Old Iron - er hat nicht gelogen!«

    Das Mädchen Nina war wirklich das Ansehen wert. Sie war schlank, graziös, wunderbar gewachsen und hatte ein bezaubernd hübsches Gesicht. Wie Johnny richtig vorausgesagt hatte, war sie recht spärlich bekleidet - in der Tat trug sie nur einen Bikini, zwei bunte kleine Stoffstreifen, die sich reizvoll von ihrer rosigen Haut abhoben.

    Sie lächelte ins Publikum und trat dann an ein großes, rechteckiges Brett heran, das fast senkrecht auf der linken Bühnenseite bei den Stufen stand, die vom Zuschauerraum auf die Bühne führten. Daher waren Johnny Lister und Bill Cromwell in der Lage, sie ganz aus der Nähe zu beobachten. Die Arme fest gegen die Seiten gepresst, lehnte sie sich gegen das Brett.

    »Du hast doch etwas von einem Baum gesagt!«, flüsterte Ironsides.

    »Später, du altes Ekel! Das ist ja nur der erste Teil der Nummer. Jeder Artist hebt sich doch die wirkliche Sensation bis zum Schluss auf.«

    Auf der anderen Seite der Bühne hatte sich jetzt Rex Dillon hinter einem niedrigen Tischchen aufgestellt, auf dem zwölf Messer mit blitzenden Klingen in einer Reihe lagen. Sobald Dillon das erste hochhob, erloschen die Rampenlichter, und der mittlere Teil der Bühne wurde völlig dunkel. Nur zwei Scheinwerfer beleuchteten die Szene - der eine strahlte Dillon und der andere das Mädchen an.

    Amüsiert überzeugte sich Johnny durch einen Seitenblick, dass sein gelangweilter Freund plötzlich aufs höchste interessiert war. Die Augen auf das Mädchen gerichtet, beugte sich Cromwell mit angespannten Muskeln in seinem Sitz vor.

    »Sie sieht nett aus, wie?«, flüsterte ihm Johnny mit gutmütigem Spott zu.

    »Mein Gott, hast du denn gar nichts bemerkt?«, gab sein Freund zurück. »Bist du denn ganz blind?«

    »Wie? Was war denn da zu bemerken?«

    »Sieh dir doch einmal das Mädchen an!« Cromwells Hand krampfte sich um Johnnys Arm. »Natürlich, für das Publikum hat sie ein süßes Lächeln - aber hast du den Blick bemerkt, den sie Dillon zuwarf, bevor sie an ihren Platz ging? Sieh sie dir doch einmal genauer an! Die Röte ihres Gesichts - das wütende Blitzen ihrer Augen - die zusammengepressten Lippen! Sieh nur, wie sich ihre Brust hebt! Dieses Mädchen kocht ja innerlich vor Wut!«

    »Na, das ist aber merkwürdig...«

    Johnny musste seinem Freund völlig recht geben. Zwar war ihm bis zu diesem. Augenblick nichts Ungewöhnliches aufgefallen, aber als er jetzt Nina genauer beobachtete, erkannte auch er, dass sie in der Tat aufs höchste erregt sein musste.

    Auf ein Zeichen Cromwells wandte er jetzt seine Aufmerksamkeit Dillon zu, der auf der anderen Seite

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