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Jenseits: Umwege ins Leben
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eBook402 Seiten5 Stunden

Jenseits: Umwege ins Leben

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Über dieses E-Book

»Hast du«, fragte Charlotte, »jemals jemandem davon erzählt? Einem der Therapeuten?«
»Nein!« Mirjam lachte verzweifelt auf. »Ich meine, so etwas sollte es gar nicht geben! Die meiste Zeit habe ich geglaubt, total gestört zu sein! Wahrscheinlich gibt es sogar Leute, die mich dafür steinigen würden!«
»Es gibt wahrscheinlich auch Leute«, sagte Charlotte und ließ ihre Hand in Mirjams Nacken ruhen, »die mich für das steinigen würden, was ich mit dir habe.«

Im Frühjahr nach der Klinikzeit versucht Mirjam vor allem, ihr ungeborenes Kind vor ihrer Essstörung zu schützen und die quälenden Gedanken an den Kindsvater abzuschütteln. Doch mit Charlotte, Rebecca und dem Rest der Klinik-Clique ziehen ungeahnte Turbulenzen in ihr Leben.
Unterdessen macht Elias die schmerzhafte Erfahrung, dass auch tote Geschwister seine Welt noch radikal verändern können. Nach und nach deckt er Familiengeheimnisse auf, die seine Zwillingsschwester vor zehn Jahren mit ins Grab genommen hat.

Nach Friedhofsbesuchen, Bandproben, bedeutungsvollen Geburtstagsgeschenken und erneuten Klinikaufenthalten; nach durchliebten Nächten, kopflosen Fluchten und einigen Joints ist wieder einmal alles anders als gedacht.

 


›Jenseits‹ ist der dritte Teil der Reihe ›Umwege ins Leben‹.

 

Bisher sind aus der Reihe erschienen:
›Stationär‹ (Band 1)
›Außerhalb‹ (Band 2)
›Jenseits‹ (Band 3)
›Nebenan‹ (Band 4)

›Innendrin‹ (Band 5)

 

Für die gesamte Reihe gilt eine Triggerwarnung.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum6. Sept. 2018
ISBN9783736876910
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    Buchvorschau

    Jenseits - Fia-Lisa Espen

    Samstag, 28.2.

    Mirjam saß auf der letzten Umzugskiste und sah aus ihrem neuen Fenster. Charlotte hatte ihre gemeinsame Wohnung direkt am Fluss gefunden, wenige hundert Meter hinter ihrem alten Studentenwohnheim.

    Mirjam betrachtete den blaugrau dahinfließenden Strom und fragte sich, wohin er ihre Wunschflaschenpost getragen hatte. An Neujahr hatten sie die Flasche in den Fluss geworfen. Acht Zettel voller Hoffnungen, Sehnsüchte und Träume hatten Kurs auf den Horizont genommen. Und obwohl sie alle in derselben Flasche losgeschickt worden waren, würden die Wünsche nicht denselben Weg nehmen. Manche von ihnen würden ankommen, manche würden untergehen und manche würden weiterreisen. Mirjam hatte der Flaschenpost nur einen Wunsch mitgegeben.

    Begabung zum Glücklichsein‹.

    Nichts erhoffte sie sich mehr für ihre Tochter. Denn sie selbst hatte diese Begabung offenbar nicht.

    Mirjam stand auf und strich sich die blond gesträhnten Haare aus dem Gesicht. Dann nahm sie Bücher aus der Kiste, auf der sie gerade gesessen hatte. Das Regal war fast vollständig eingeräumt. Auch sonst lagen vor allem leere Kartons herum, wie um die Offenheit und Unbestimmtheit von Mirjams Leben widerzuspiegeln. Es war ein großes Zimmer, größer als das von Charlotte.

    Trotzdem hatte Mirjam aus ihrem alten Leben nicht viel mitgenommen. Sie wollte neu anfangen. Es gab auch kein Zurück. Denn in etwas mehr als fünf Monaten würde sie ein Kind bekommen – mit noch nicht ganz zwanzig Jahren. Mirjam hatte sich ihre Tochter nicht gewünscht. Aber als sie von ihr erfahren hatte, hatte Mirjam sie mehr gewollt als alles Andere. Sie durfte nicht mit dem Vater zusammen sein, aber sie würde die Kleine bekommen.

    »Mirjam?« Charlottes Stimme erklang aus dem Nebenzimmer. »Kannst du mir mal helfen?«

    Mirjam legte die Bücher auf dem Regal ab und ging durch die Küche zu ihrer Mitbewohnerin. Charlotte kniete auf ihrem Bett, einen Hammer in der einen Hand und einen Bilderrahmen in der anderen.

    »Ist das so grade?« Sie sah Mirjam über die Schulter hinweg an.

    Mirjam betrachtete das Bild. Es war eine Collage mit Fotos von Rebecca und Charlotte, lebendige Aufnahmen aus Klinik- und Außerhalbtagen.

    Rebeccas nachdenkliches Gesicht in goldenes Stoppelfeldlicht getaucht, einen Strohhalm zwischen den gepiercten Lippen. Charlotte, die mit gesenktem Kopf im Sommergras saß, während Rebecca hinter ihr kniete und Gänseblümchen in ihr lichtblondes Haar flocht. Rebeccas dünne, schwarz gekleidete Gestalt, die auf einem Baumstamm entlangbalancierte. Charlottes Lachen vor einem hellblauen Herbsthimmel. Eine unscharfe Innenaufnahme von Rebeccas Gesicht, die ihre schwarzen Augen riesig und hungrig wirken ließ. Charlottes und Rebeccas ineinander verschlungene Hände über gefrorenem Boden.

    »Willst du das wirklich aufhängen?« Mirjam lehnte sich gegen die Wand und sah ihre Mitbewohnerin zweifelnd an.

    »Ich ...« Charlotte brach ab und sprach dann doch weiter. »Ich wollte doch nur ein bisschen Abstand! In meinen Augen sind wir nicht richtig getrennt.«

    »Und weshalb wolltest du den Abstand?«, hakte Mirjam behutsam nach.

    Charlotte biss sich auf die Lippen. »Damit wir Zeit zum Nachdenken haben. Damit wir herausfinden, was möglich ist und was nicht.«

    Mirjam setzte sich auf das Bett und deutete auf die Collage. »Und wie viel Abstand bringt es dir, wenn du dieses Bild über dein Bett hängst?«

    Charlotte ließ den Rahmen sinken und schloss für einen Moment die Augen. »Du hast recht.«

    »Nein, hör zu!« Mirjam griff nach Charlottes Hand. »Du darfst alles, was du willst! Du solltest nur wissen, warum du es willst!«

    Charlottes grünblaue Augen sahen sie unglücklich an. »Weil ich sie liebe.«

    »Das darfst du auch.« Mirjam nahm ihr den Hammer ab und legte ihn auf das Bett. »Aber es hat einen Grund, warum du diesen Abstand brauchst. Und du solltest ihn nutzen! Danach kannst du die Collage wieder aufhängen. Und dann«, sie lächelte Charlotte zu, »ist es auch an der Zeit für neue Bilder!«

    »Glaubst du?«, fragte Charlotte mit einem Zittern in der Stimme.

    Mirjam stützte sich nach hinten ab und strich das Shirt über ihrem Bauch glatt. »Wenn ihr es beide wollt und beide dafür kämpft, dann bestimmt!«

    Elias lag auf dem abgewetzten, roten Plüschsofa im Probenraum und zog eine neue E-Gitarren-Saite auf, während sich der Rest der Band in den anderen Sesseln fläzte. Nur Sina saß auf der Lehne von Max’ Sessel und studierte konzentriert ihr Smartphone.

    Elias stellte fest, dass Sinas Beine kaum den fleckigen Beton berührten. Seine Schulfreundin war auch mit fünfzehn, als sie neu in Bens und seine Klasse gekommen war, auffallend klein gewesen. Sehr viel größer war sie nicht geworden. Aber fehlenden Bodenkontakt konnte man ihr wirklich nicht vorwerfen.

    »Also«, erklärte Sina und moosgrüne Augen strahlten in die Runde, »wir liegen absolut im Zeitplan! Die beiden Videoclips sind jetzt auch fertig.«

    »Und der letzte Gig«, Max rekelte sich in seinem Sessel, »hat echt Spaß gemacht!«

    »Es war nicht der letzte Gig«, widersprach Ben, wie um den anstehenden Veränderungen das Gewicht zu nehmen. »Nächstes Wochenende«, erklärte der Bassist, »haben wir schon wieder Gigs! Außerdem ist Elias weiterhin zu den Proben hier, nur eben nicht mehr jeden Tag!«

    Max verdrehte die Augen. »Letzter Gig im Sinne von: der letzte, den wir hatten!«

    Elias betrachtete Ben aus den Augenwinkeln, während er den Saitenrest kappte. Als die eisvogelblauen Augen seines besten Freundes ihn streiften, musste Elias an den kleinen Jungen denken, dem er vor fast sechzehn Jahren im hinteren Teil des Schulhofs begegnet war.

    »Was machst du da?«

    Elias fuhr herum und sah in erstaunlich blaue Augen, die aus einem Gewirr kastanienbrauner Locken zu ihm herabblickten. Ben, der andere Außenseiter der Klasse, saß in der Astgabel einer Birke und betrachtete Elias. Dessen zehnjährige Hände ließen die junge Erle los, deren Stamm sie eben noch berührt hatten.

    »Ich mache nichts«, erklärte Elias mit der angestrengten Gleichmütigkeit unerfahrener Lügner.

    Ben schaute ihn eine Weile ernst an, als versuchte er herauszufinden, ob Elias gute Gründe dafür hatte, die Unwahrheit zu sagen. Dann tastete sich ein vorsichtiges Lächeln in seine eisvogelblauen Augen.

    »Willst du zu mir hochkommen?«

    Seitdem war viel geschehen, in Bens Leben genauso wie in Elias’, aber die Freundschaft, die sie an jenem Morgen in den Wipfeln der Birke geschlossen hatten, war bestehen geblieben.

    Ben angelte sich eine Bierdose vom Boden und öffnete sie, während Sina ihr Handy ablegte und Elias mit dem Stimmen der Gitarre begann.

    »Wir müssen uns nur besser organisieren«, erklärte die Sängerin der Band. »Aber das müssen wir sowieso, wenn wir semiprofessionell arbeiten wollen!«

    »Semiprofessionell«, ächzte Max und legte einen Arm um die Hüfte seiner Freundin, »wenn wir dich nicht hätten, bräuchten wir glatt einen Manager.« Er küsste Sina, dann wandte er sich mit einem Grinsen an Elias. »Sag mal, wohnst du jetzt echt im Babyzimmer?«

    Elias ignorierte den Spott in der Stimme des Drummers. »Es ist kein Babyzimmer. Es ist einfach eine kleine Kammer. Und wenn das Baby größer ist, wird daraus das Kinderzimmer.«

    »Wann ist so ein Baby denn kein Baby mehr?«

    »Himmel«, Sina gab Max einen Stoß in die Seite, »du wirst Lehrer! Langsam solltest du dich ein bisschen mit Kindern auskennen!«

    Max hob abwehrend die Hände. »Ich unterrichte keine Babys! Die sind schon zehn, wenn sie bei mir Sport haben!«

    Elias legte sein Instrument zur Seite. »Nach zwölf Monaten ist es kein Baby mehr. Aber ich weiß nicht, ab wann Mirjam das Zimmer braucht. Ein halbes Jahr kann ich auf jeden Fall drinbleiben.«

    Es fiel Elias schwer, sich Mirjam als Mutter zu denken. Nicht weil er glaubte, sie würde ihre Sache nicht gut machen, sondern einfach, weil sie so jung war. Mirjam war selbst kaum erwachsen. Und viel zu wenige Menschen wussten von ihrer Schwangerschaft. Noch vor zwei Wochen hatte man ihr überhaupt nichts angesehen. Es war, als hätte das Kind erst nach dem Umzug die Erlaubnis bekommen, sich zu zeigen.

    Max brachte seine dichten Haare zu einer gewollten Nachlässigkeit durcheinander.

    »Auf jeden Fall gibst du deine schöne eigene Wohnung für zwei winzige Kammern auf – eine bei Ben und eine in dieser Mädchen-WG!«

    »Man könnte auch sagen«, konterte Elias und nahm seine Gitarre vom Verstärker, »ich tausche viel Platz gegen viele Freunde.«

    »Daraus solltest du einen Song machen«, höhnte Max.

    Die Sängerin zog ihm ihre zusammengerollten Texte über den Kopf. »Du«, sagte sie, »solltest die vorhandenen Songs erst mal lernen!«

    Max schlang seine Arme um Sina und rangelte sie unter viel Gelächter von der Sessellehne. Die beiden verschwanden hinter einem Vorhang aus Sinas Haaren, die von einzelnen, perlenverzierten Dreads durchsetzt waren.

    Ben hob seine Bierdose und sah Elias an. »Gehst du?«

    Elias packte seine Gitarre ein und nickte. »Ich will Maja dabei helfen, noch die letzten Sachen zusammenzupacken.«

    Ben schwang seine langen Beine vom Sessel und begleitete Elias zur Tür.

    In der zehnten Klasse, als sie die Band gegründet hatten, hatten sie in ihrer Schule geprobt. Nun befanden sie sich wieder in einem Schulgebäude. Die alte Realschule war baufällig und stand seit Jahren leer, offenbar fehlte sowohl zum Renovieren als auch zum Abriss das Geld. Aber der Fahrradkeller war benutzbar und ›Not a clue‹ hatte ihn zum Proben angemietet.

    Es war, als hätte die marode Schule darauf gewartet, dass sich die versprengten Gründungsmitglieder der Band hier wieder zusammenfanden. Als hätte der Geruch nach verfallener Kreide und in Beton gegossener Pubertät sie angezogen, um dort weiterzumachen, wo sie mit dem Ende ihrer eigenen Schulzeit aufgehört hatten. Ben lehnte sich in den verzogenen Türrahmen des Fahrradkellers.

    »Dann sehen wir uns also morgen zum Umzugskistenschleppen?«

    »Ja.« Elias lächelte und nahm seinen Gitarrenkoffer. Es würde Spaß machen, an den Band-Wochenenden mit Ben zusammenzuwohnen. Und er wusste, dass nur dieser Deal seinen besten Freund darüber hinwegtröstete, dass Elias seinen Hauptwohnsitz verlegte. Er umarmte Ben und rief noch ein »Bis morgen!« in den Kellerraum. Dann machte er sich auf schlaksigen Beinen auf den Weg zum Auto.

    Die Straßenlaterne auf der Brücke warf ihren fahlen Schein in Charlottes Zimmer. Es war kurz vor Mitternacht und Mirjam lag wach auf ihrer Seite von Charlottes Bett.

    Ihr eigenes war noch immer nicht geliefert worden. Aber Mirjam hatte ihr Bett von zu Hause genauso wenig mitnehmen wollen wie ihren Kleiderschrank oder Schreibtisch. Es hingen zu viele Erinnerungen daran.

    Mirjam warf einen Blick auf Charlotte, die ihr den Rücken zugedreht hatte. Sie wusste nicht, ob ihre Mitbewohnerin schon schlief. Charlottes Nacken verschwand in einem Durcheinander aus blonden Haaren und ihre Schulter schimmerte matt im Licht der Laterne. Mirjam glaubte, Charlottes Wärme ganz entfernt zu spüren. Es tat gut, nicht so allein zu sein.

    Mirjam betrachtete die verbliebenen, unausgepackten Kartons im Zimmer ihrer Freundin. Charlotte war auch noch nicht ganz angekommen. Aber vielleicht war das auch zu viel verlangt für die zwei Wochen, die sie jetzt hier waren.

    Ein kleines Geräusch kam vom Charlotte und Mirjam drehte sich herum. Aber Charlotte lag nach wie vor auf der Seite, das Gesicht abgewandt. Einen Moment lang dachte Mirjam, sie hätte sich verhört, aber dann zuckte Charlottes Schulter und ein unterdrücktes Schluchzen erklang in der Stille.

    »Hey«, Mirjam strich vorsichtig über die angespannte Schulter, und als eine Reihe weiterer Schluchzer folgten, kroch sie näher an Charlotte heran und legte einen Arm um ihre Freundin. Mirjam atmete den Duft nach Vanille, während Charlotte sich an ihre Hand klammerte und Mirjam wusste, dass sie nicht die Einzige war, die jemanden vermisste.

    Sonntag, 1.3.

    »Freckles?« Elias nahm gerade die Autobahnausfahrt und warf einen kurzen Blick auf den Beifahrersitz. »Findet ihr den Weg zu Wiebke, oder wollt ihr das Navi einstellen?«

    Louise bohrte ihre Stiefel in das Armaturenbrett und starrte durch die Windschutzscheibe. »Wir finden ihn.«

    »Seid ihr nervös?«

    Maja schickte Elias ein vages Lächeln. »Ein bisschen.« Sie stellte die Füße auf den Boden und öffnete vorsichtig die Kaninchentransportbox auf ihrem Schoß.

    Elias zuckte mit der Schulter. »Du weißt, es ist nur ...«

    »... ein Versuch, ja!« Maja streichelte behutsam über Mikados weißes Fell. »Aber gerade ist es total durcheinander innen. Ich glaube, ich muss den Umzug noch mal allen erklären!«

    Elias setzte den Blinker. »Dann fang an. Ich kann dir helfen, wenn du nicht weiterkommst!«

    Er stellte sich auf einen längeren Innen-Außen-Dialog ein, an dem mehr Menschen beteiligt waren, als er sehen konnte.

    Es hatte Elias nicht überrascht zu erfahren, dass seine Freundin Viele war, dass die Gewalt, die sie als Kind erlebt hatte, sie in verschiedene Persönlichkeitsanteile gespalten hatte.

    Im Grunde hatte er schon immer mit ihnen gelebt, den unterschiedlichen Personen, die es neben Maja gab. Bereits im letzten Sommer, in der Klinik.

    Er hatte mit Louise gekifft, mit Lenny herumgealbert, lange Gespräche mit Maja geführt, verletzte Kindergartenkinder wie Lilly beschützt. Und in letzter Zeit hatte er immer wieder dabei geholfen, die einzelnen Anteile miteinander in Kontakt zu bringen.

    »Also, hört mal bitte alle zu«, begann Maja und schloss die Transportbox wieder. »Wir starten jetzt einen Versuch! Es ist sechs Wochen her, dass wir von zu Hause weggegangen sind. Seitdem haben wir nichts mehr von Dr. Gräbert gehört.«

    Elias’ Hände krampften sich um das Lenkrad. Auf diesen Namen reagierte er unmittelbar mit Aggression und tiefster Verachtung. Obschon es natürlich eine gute Nachricht war, dass Maja von ihrem Psychiater und Onkel nichts mehr gehört hatte.

    Dr. Gräbert gehörte dem Zirkel an, der Maja einst mittels organisierter Gewalt zu Vielen gemacht hatte. Und er hatte in den letzten Monaten des vergangenen Jahres versucht, sie zu diesem Zirkel zurückzuholen. Es war beruhigend, dass er keine weiteren Anstrengungen unternommen hatte, Kontakt zu Maja aufzunehmen. Aber Elias hasste die Vorstellung, dass der Mann weiter unbehelligt leben, als Arzt praktizieren und im Zirkel Kinder foltern durfte.

    Du kannst ihn nicht anzeigen‹, hatte Rebecca gesagt. ›Du hast keinen rechtskräftigen Beweis. Damit bringst du nur Maja in Gefahr!‹

    Sie hatte recht. Aber Elias wusste nicht, wie er damit leben sollte, dass Dr. Gräbert vielleicht in diesem Augenblick einem Kind dasselbe antat, was er Maja angetan hatte – und dass Elias nichts, absolut gar nichts dagegen tun konnte.

    »Wir ziehen heute«, erklärte Maja ihrem System, »zu Wiebke in die Wohnung. Ihre Mitbewohnerin ist für ein Semester im Ausland und wir können das Zimmer haben. Das ist gut, weil dann jemand mit uns zusammen beobachten kann, ob von Dr. Gräbert Post oder Anrufe kommen.«

    Noch war Wiebke bei ihren Eltern und machte ein Praktikum. Aber Maja hatte ihr genauso wie Milan geschrieben, dass sie Viele war. Elias hoffte, dass allein Wiebkes Gegenwart Majas Unterkunft mehr Schutz verlieh. Allerdings hatte Maja bisher nicht mit Wiebke über ihren Brief oder die Ereignisse des vergangenen Jahres sprechen können.

    Milan war es gewesen, der ihnen von dem vorübergehend freiwerdenden WG-Zimmer erzählt hatte. Wiebkes Sandkastenfreund hatte sie besucht, nachdem er Majas Brief erhalten hatte. Und als er wenig später von dem Zimmer erfahren hatte, hatte er angerufen und gefragt, ob das eine Möglichkeit für Maja war, zurückzukommen.

    »Elias«, fuhr Maja mit ihren Erläuterungen nach innen fort, »wohnt bei Charlotte und Mirjam in der WG. Und unseren offiziellen Wohnsitz melden wir auch dort an, damit Dr. Gräbert nicht über die Stadt an unsere tatsächliche Adresse kommt.«

    Offenbar kam es nach dieser Mitteilung zu einem inneren Tumult, denn Maja schloss gestresst die Augen und erklärte dann eindringlich: »Wir können nicht bei Rebecca wohnen, weil da schon Andrea wohnt, und wir können nicht bei Elias wohnen, weil da kein weiteres Zimmer frei ist. Aber das hier ist nur ein Versuch! Wenn Wiebkes Mitbewohnerin zurückkommt, müssen wir eh umziehen.«

    »Aber in dieser Stadt«, schaltete sich Elias ein, »könnt ihr nur bleiben, wenn ihr keinen Umgang mit dem Zirkel habt! Also darf weder Dr. Gräbert zu euch Kontakt aufnehmen noch ihr zu Dr. Gräbert!«

    »Jaja«, antwortete Lenny genervt. »Ich weiß, dass ich ihn nicht anrufen darf. Nicht anrufen und nicht besuchen und nicht schreiben.«

    »Und warum nicht?«, hakte der Erzieher in Elias nach.

    Der Neunjährige in Majas Körper wippte gelangweilt mit den Beinen. »Weil Rainer zu allen doof war, außer zu mir.«

    Elias musste grinsen. »So ungefähr.« Er wechselte die Spur und fuhr auf eine Ampel zu. »Also, wenn ihr weiter mit Rebecca, Andrea und Charlotte in einer Stadt wohnen wollt, dann nur ohne Dr. Gräbert!«

    »Aber mit dir!« Katy strahlte Elias so siebenjährig-sonnig an, dass er Milchzahnlücken in Majas Gebiss zu sehen glaubte.

    Er lachte und strich über Katys leuchtend rote Haare. »Und mit mir!«

    Es war nicht immer einfach, eine Freundin zu haben, die ihren Körper mit so vielen Anderen teilte. Trotzdem hatte Elias sich für dieses Leben entschieden. Diese Bande forderte ihn mehr, als es ein einzelner Mensch je gekonnt hätte. Aber sie brachte auch den Reichtum mehrerer Leben in seines.

    Als sie vor Wiebkes Haus parkten, warteten Rebecca und Andrea bereits an der Straße. Elias zog die Handbremse und öffnete die Tür, während Maja den Transportkäfig auf ihrem Sitz abstellte und heraussprang.

    Rebecca sah noch dünner und angespannter aus als normalerweise. Als Elias sie umarmte, dachte er unwillkürlich an das aus dem Nest gefallene Vogeljunge, das er als Kind aufgezogen hatte. Es war, als hielte er ein von Stoff umgebenes, zittriges Knochenbündel in den Armen. Lange hielt Rebecca seine Umarmung nicht aus. Sie schlüpfte unter seinem Arm durch und verschwand mit Maja im Inneren des Bullis.

    Elias begrüßte Andrea und nahm dann einen Karton, um sich erst mal dem Umzug zu widmen.

    Rebecca erschien mit Maja und deren Sitzsack an seiner Seite. »Kommt ihr morgen noch mal vorbei?« Ihr blasser Blick wanderte zwischen Elias und Maja hin und her.

    »Klar.« Louise sprang mit ihrem Teppich auf die niedrige Gartenmauer. »Wir lassen dich am letzten Abend vor der Klinik doch nicht allein!«

    »Natürlich kommen wir«, bestätigte Elias. »Außerdem können wir dich auch dort besuchen.«

    Rebecca nickte und ein Mundwinkel zuckte zu einem tapferen Lächeln.

    Elias wusste, wie sich Vor-Klinikaufnahme-Tage anfühlten. Wenn man weder ganz hier noch ganz dort war und sich fragte, was einen erwartete. Wenn man nicht wusste, ob man in zwei Monaten noch derselbe oder ein anderer sein würde – und was es bedeuten würde, derselbe oder der andere zu sein.

    Für Rebecca, das war ihm bewusst, waren Vor-Klinikaufnahme-Tage noch mal anders. Denn ihre Erwartungen wurden getragen von den Erfahrungen aus unzähligen früheren Klinikaufenthalten. Manche davon waren hilfreich gewesen, andere retraumatisierend. Und dann stand ihr auch noch die therapeutische Auseinandersetzung mit einer Vergangenheit bevor, die der von Maja viel zu ähnlich war.

    Elias streckte seinen Arm nach Maja aus und zog sie zu sich heran, als könnte er zusammen mit seiner Freundin auch Rebecca und die ganze Welt halten.

    »Kommt ihr jetzt endlich?«, rief Andrea von Wiebkes Haustür aus. »Jemand muss den Eingang blockieren!«

    Und Rebecca sprintete los, um Max’ Werkzeugkiste in die Haustür zu stellen.

    Mirjam saß inmitten von Secondhand-Babykleidung, die sie nach Größen sortierte. Im Kinderbett, das vor ihrem eigenen angekommen war, stapelte sich die Erstlingsausstattung. Mirjam drehte ein Jäckchen in ihrer Hand.

    Wie von selbst wanderte ihr Blick zum Notebook, das neben ihr auf dem Boden lag und Musik abspielte. Eine Stimme in ihr widersprach heftig dem, was sie zu tun beabsichtigte, aber ihre Finger waren schneller.

    Wenige Augenblicke danach strahlten ihr Janniks karamellfarbene Augen vom Bildschirm entgegen. Das Foto war am Tag ihres Abiballs aufgenommen worden. Janniks Gesicht leuchtete so sorglos, als würde die Welt sie beide mit offenen Armen empfangen.

    Mirjam verlor sich an den winzigen Sommersprossen über Janniks Wangen. Dann fluchte sie leise. Sie sollte sich das verbieten.

    Vor Wochen hatte sie beinah alles aus ihrem Leben verbannt, das an ihre verbotene Verbindung erinnerte. Sie hatte Zettel und Zeichnungen von Jannik zerrissen, sie hatte seine Nachrichten aus den elektronischen Speichern gelöscht. Aber sie hatte nicht alle Bilder wegwerfen können.

    Nun fiel Janniks Blick ungehindert durch sie hindurch und zerschmolz in ihr zu Sehnsucht, Verlangen und Schmerz.

    Mirjam klickte den jungen Mann weg. Sie durfte das nicht wieder empfinden. All diese sinnlosen Gefühle, die viel zu groß und viel zu hoffnungslos waren. Für die es keinen Platz gab auf dieser Welt.

    Mirjam blickte Jannik nervös an und machte eine ausholende Geste durch ihr Klinikzimmer.

    »Hier lebe ich gerade.«

    Wie, als würde sie durch seine karamellfarbenen Augen blicken, sah Mirjam die Fotos, die sie an die Wände gepinnt hatte. Sie sah ihren Schreibtisch mit dem Notebook, den vielen bunten Stiften und den Zetteln. Sie sah ihren Therapiestundenplan an der Magnettafel, ihren Pullover auf dem Stuhl und die karierte Decke auf ihrem Bett.

    Jannik bewegte sich auf so vertraute Weise durch ihr Zimmer, dass es Mirjam vor Sehnsucht fast zerriss.

    »Ist es«, fragte er mit einem Blick auf ihren Therapiestundenplan, »anders als beim letzten Mal?«

    Mirjam nickte. »Es ist besser.«

    Mit sechzehn war sie zum ersten Mal in einer Klinik gewesen. Nun, drei Jahre später, musste sie niemand mehr zwangsernähren. Sie war nicht mehr so rigide mit sich wie damals. Allerdings zeugte davon nicht nur ihr 16er-BMI, sondern auch die bulimischen Attacken.

    Mirjam betrachtete Janniks Gesicht, auf das die Sonne eine leichte Bräune und viele zusätzliche Sommersprossen gemalt hatte. Sie hatten sich aus Vernunftgründen gegen die Beziehung entschieden. Aber an diesem Ort hielt Mirjam die wenige Schritte umfassende Entfernung einfach nicht aus. Einen Augenblick später barg sie ihr Gesicht an seiner Schulter und murmelte sinnlose Worte in sein hell changierendes Haar.

    »Warum hast du mir nicht gesagt, dass du in eine Klinik gehst?«

    Mirjam hob ihren Kopf und sah Jannik verzweifelt an. »Wir hatten vereinbart, dass wir uns bis Weihnachten nicht sehen.«

    Sie hatte ihn vermisst, an jedem schmerzweckenden Therapietag und in jeder schattenerinnernden Nachtstunde.

    »Ich weiß. Aber wenn du in einem Krankenhaus bist, besuche ich dich.« Jannik drückte sie an sich und seine warme, stets nach Zimt riechende Haut ließ ihre Einwände davonfließen und ihre Vernunft formlos in den Äther aufsteigen. »Ich habe mich so beeilt, dass ich noch nicht einmal ein Besuchsgeschenk dabei habe.«

    Nein, sie war nicht mehr besonders rigide. Und Jannik hatte ihr ein Besuchsgeschenk gemacht, das sich nach neun Monaten selbst auspacken würde.

    Elias stellte die Leiter seines Hochbettes in dem kleinen Dachzimmer ab und sah sich um. Es war eine gemütliche und helle Kammer. Er war sich sicher, dass er sich hier wohlfühlen würde, auch wenn es nur für einige Monate war. Mirjam trat in den zugerümpelten Raum und stellte seine winzige Marihuana-Pflanze auf einer Umzugskiste ab.

    »Wann«, fragte sie mit einem Nicken in Richtung Blumentopf, »ist sie so weit?«

    Elias lachte leise. »Sagen wir mal, wenn sie überhaupt etwas wird, hebe ich etwas auf, um die Geburt deiner Kleinen zu feiern!«

    Seine neue Mitbewohnerin grinste: »Dann solltest du daraus eine Tradition machen und jedes Jahr zu ihrem Geburtstag etwas anbauen! Wenn sie achtzehn ist, darf sie mitrauchen!«

    Elias sah einen verwirrten Ausdruck über Mirjams Gesicht huschen und wusste, dass es ihr merkwürdig vorkommen musste, sich ihre noch nicht geborene Tochter in ihrem eigenen Alter vorzustellen.

    »Vielleicht«, sagte er mit einem Augenzwinkern, »ist es bis dahin sogar legal!«

    Er musste an den merkwürdigen Tag in der Klinik denken, als er entlassen worden und Mirjam ziemlich neben der Spur bei ihm im Glasgang aufgetaucht war. Er hatte die widersprüchlichen Schwingungen zwischen Glück und Verstörung wahrgenommen, die Nuancen von Scham, Ekstase und Qual, und versucht, ein bisschen Beruhigung zu ihr fließen zu lassen. Sie hatten nebeneinander zwischen seinen Koffern gesessen, über alles und nichts gesprochen und auf die Ankunft seines Vaters gewartet. Heute war er sich ziemlich sicher, dass Mirjams Kind an diesem Tag gezeugt worden war.

    Charlotte tauchte mit einem letzten Karton im Türrahmen auf. »Macht irgendwer«, fragte sie und stellte die Kiste ab, »einen Spaziergang mit mir?«

    »Auf jeden Fall«, nickte Mirjam. »Wir sollten die Sonne genießen.«

    »Und den letzten freien Tag«, ergänzte Charlotte und strich sich eine Strähne aus dem umzugserhitzten Gesicht.

    Elias runzelte die Stirn. »Ich dachte, ihr habt Semesterferien!«

    »Ich fange morgen ein Pflegepraktikum an.« Charlotte zog ihre hochgeschobenen Ärmel wieder nach unten. »Es ist ganz schön viel gerade. Erst die Klausuren am Ende des Semesters und jetzt das Praktikum im Krankenhaus.« Sie sah die beiden aus erschöpften Augen an und unterschlug die privaten Komplikationen.

    Elias nickte. Die Trennung ihres Klinikpärchens brachte allgemeine Traurigkeit und Hilflosigkeit mit sich. Maja hatte dadurch ein Symbol verloren, eine Art Versprechen auf Hoffnung. Und er war sich nicht sicher, woher Maja ihre Hoffnung jetzt bezog.

    Rebecca war Majas beste Freundin und Elias hatte in den letzten Wochen beobachtet, wie die Welten, durch die die beiden taumelten, immer abgründiger wurden.

    Rebecca war zwar als Borderlinerin diagnostiziert worden, aber sie hatte einige teilabgespaltene Anteile, die mit denen von Maja erschreckend gut zusammenpassten. Wenn Louise auf die selbstzerstörerischen Anteile von Rebecca traf, konnte eine destruktive Spirale in Gang gesetzt werden, die kaum noch aufzuhalten war. Elias war sich nicht sicher, ob Louise sich dem vernichtenden Sog entziehen konnte oder wollte. Und er wusste nicht, welche Wirkung Louise ihrerseits auf Rebeccas selbstzerstörerische Anteile hatte.

    Elias hoffte, dass mit der Klinik alles etwas besser werden würde. Für Rebecca und für Maja, die fast ebenso unter der Trennung litt wie Rebecca.

    »Lasst uns den Fluss entlang zum Park laufen«, schlug Mirjam vor. »Vielleicht blühen schon die ersten Frühlingsblumen.«

    Charlotte wandte sich Elias zu. »Kommst du mit? Du hast auch deinen letzten freien Tag!«

    Er ließ seinen Blick über das Umzugschaos im Zimmer schweifen und beschloss, dass es warten konnte. Ankommen bedeutete mehr als ein eingerichtetes Zimmer.

    »Ja«, nickte er, »ich komme mit.«

    Montag, 2.3.

    Mirjam hatte versucht, allen drängenden Gedanken zu entkommen, indem sie möglichst lange geschlafen hatte. Gegen fünf Uhr war Charlotte aufgestanden, um ihr Praktikum mit einer Frühschicht zu beginnen, und zwei Stunden später war die Wohnungstür hinter Elias zugefallen. Aber nun war es neun und Mirjam konnte einfach nicht mehr schlafen.

    Sie schlug die Decke zurück und tappte ins Bad. Die Spuren in Küche und Flur zeugten vom Aufbruch ihrer Mitbewohner. Es war tröstlich zu sehen, dass es sie gab, und doch hinterließen die eilig verlassenen Gegenstände in Mirjam das Gefühl, unproduktiv zu sein.

    Sie hatte im Augenblick weder ein Praktikum noch eine Anstellung oder ein Studium vorzuweisen. Durch die Klinik hatte sie ihr erstes Semester verspätet begonnen – und in den Weihnachtsferien hatte sie ihr Studium dann abgebrochen.

    Jetzt kam es ihr seltsam vor, dass sie nicht früher festgestellt hatte, dass sie zu Hause nicht mehr leben konnte. Alles dort erinnerte sie an Jannik.

    Aber sie hatte so lange mit einem Durcheinander von verworrenen Gefühlen und aussichtslosen Träumen gelebt, dass ihr erst irgendwann im Dezember bewusst geworden war, wie unerträglich dieser Zustand eigentlich war. Daraus war der Gedanke entstanden, auszuziehen und mit Charlotte eine WG zu gründen.

    Der momentane Plan war, hier im April mit dem Studieren zu beginnen. Wenn die Schwangerschaft unkompliziert verlief, würde sie das Semester ordnungsgemäß abschließen können. Aber im Wintersemester würde es komplizierter werden. Es fiel Mirjam schwer, sich vorzustellen, wie ihr Lebens- und Studienalltag mit Baby aussehen würde.

    Sie zog ihr Shirt über den Kopf und blickte an ihrem Körper hinab. Behutsam legte sie eine Hand auf den leicht vorgewölbten Bauch. Seit wenigen Tagen wusste sie, dass es ein Mädchen werden würde. Etwas früher als üblich, aber die meisten Schwangeren waren auch nicht wegen Untergewichts jede Woche beim Arzt.

    Mirjam hatte Janniks Mutter nie kennengelernt, aber sie mochte ihren Namen: Pauline.

    »Was denkst du«, fragte sie die Kleine leise, »gefällt dir ›Pauline‹?«

    Vielleicht konnte sie ihrer Tochter so Wurzeln mitgeben, die ihr sonst fehlen würden. Mirjam strich über ihre Bauchdecke und betrachtete sich im Spiegel.

    In gewisser Hinsicht war sie ziemlich produktiv.

    Die Schwangerschaft hatte ihren Körper bisher wenig verändert. Ihre

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