Der Fremde von Cornish Cove
Von Oliver Erhardt
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Über dieses E-Book
Es ist der Beginn der Sommerferien und Cornish Cove bereitet sich auf ein großes Jubiläum vor: 25 Jahre Tourismus sollen ordentlich gefeiert werden, doch Lizzy und Dee vergeht die Feierlaune. Ein Anruf bei Jenny im Leuchtturm bringt schlechte Nachrichten. Siamsa und ihr Cousin Jack sind spurlos verschwunden. Sofort machen sich Lizzy und Dee auf die Suche und finden Siamsa, doch von dem kleinen Jack fehlt weiterhin jede Spur. Ob der seltsame Fremde, den sie an der alten Windmühle treffen, etwas mit Jacks Verschwinden zu tun hat? Sie wissen es nicht, sie wissen nur, dass sie Jack unbedingt finden müssen, bevor der Tag zu Ende geht.
Der vierte Roman aus der Cornish Cove Reihe handelt vom Übermut, vom Wunsch, mal jemand anderes zu sein, von der Gemeinheit, die immer alles zerstören will, weil sie selbst zerstört ist und von der Hoffnung, die für jeden da ist und dafür sorgt, dass nichts so bleiben muss, wie es ist.
Oliver Erhardt
Mein Name ist Oliver Erhardt. Ich wurde 1966 in Essen (NRW) geboren und schreibe Bücher für Kinder ab 8 Jahren. Mit meinen Geschichten möchte ich Kinder nicht nur spannend unterhalten, sondern ihnen in erster Linie zeigen, dass jeder Mensch besonders ist und seine eigenen Talente hat; frei nach dem Motto Albert Einsteins: „Jeder ist ein Genie, aber wenn du einen Fisch danach beurteilst, ob er auf einen Baum klettern kann, wird er sein ganzes Leben glauben, dass er dumm ist.“ Ich möchte Kindern Selbstvertrauen schenken, damit sie ihren Platz in der Gemeinschaft leichter finden können. Jeder besitzt seine eigenen Stärken und das ist nicht nur völlig natürlich, sondern in Wahrheit ein riesiger Gewinn. Meiner Meinung nach liegt in einer starken Gemeinschaft unterschiedlichster Talente die Lösung all unserer Probleme.
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Buchvorschau
Der Fremde von Cornish Cove - Oliver Erhardt
Besuch kommt
„Mami, wann kommt Jacky?"
„Oh, nenne ihn bitte nicht Jacky, auch wenn er zwei Jahre jünger ist als du. Er heißt Jack und ich glaube, dass sie jeden Moment hier sein werden, Liebes."
Ophelia warf einen kurzen Blick nach vorne zur Ladentür, die sie heute Morgen überprüft hatte. Sie wollte sichergehen, dass das Türglöckchen funktionierte, wenn ihr Bruder sie besuchte. Und natürlich hatte es geklingelt, warum auch nicht.
Ihr Bruder kam sehr selten vorbei und jedes Treffen war für sie wie ein Neuanfang mit feuchten Händen und Herzrasen. Ophelia war sehr empfindsam was Familie betraf und das war auch kein Wunder. Als sie und ihr Bruder noch klein gewesen waren, hatten sie ihre Eltern verloren. Danach wurden die Geschwister getrennt und wuchsen an unterschiedlichen Orten auf. Später verschwand auch noch Ophelias kleine Tochter in einem gefährlichen Nebel. Daran wollte sie überhaupt nicht mehr denken. Das waren schwere Zeiten gewesen, Schicksalsschläge, die sie niemandem wünschte. Glücklicherweise waren ihre Eltern zurückgekehrt und auch Siamsa, ihre Tochter, saß wieder an ihrer Seite, als wäre es nie anders gewesen.
Alles ist gut, dachte Ophelia und las die Stelle zum dritten Mal. Sie hatte einen Roman in der Hand, der sie im Moment nicht fesseln konnte. Siamsa war in einen Comic vertieft. Vor Kurzem hatte ihre Tochter Batman Comics für sich entdeckt und las einen nach dem anderen. Sie hatte Glück, dass ihre Mutter eine Bücherei hatte, sonst hätte sie alle kaufen müssen. Doch so konnte sie die Hefte vorsichtig lesen und wieder zurücklegen. Mittlerweile las Siamsa schon recht gut und was ihr Kopf nicht verstand, erklärte ihr die Phantasie. Es waren sowieso nur Fantasy Geschichten, die nichts mit der Realität zu tun hatten, fand Ophelia und rieb ihre feuchten Hände. Sie las die Stelle zum vierten Mal, klappte den Roman mit einem Seufzen zu und legte ihn auf den roten Samtstoff der c-förmigen Couch.
„Alles gut, Mama?", fragte Siamsa, ohne die Augen von den bunten Comic Bildern zu nehmen. Ophelia dachte über die Frage nach, als endlich das Türglöckchen erklang.
„Hallohoo, ist jemand Zuhause?", erklang eine freundliche, männliche Stimme, die sie schon so lange nicht mehr gehört hatte. Owen und Ophelia hatten sich immer vorgenommen, sich öfter zu besuchen, doch irgendwie vergingen immer Jahre zwischen ihren Treffen.
„Wir koommenn", antwortete Ophelia in einem wellenartigen Singsang und sprang hektisch auf. Sie eilte zu den beiden Gestalten, die vor der Ladentür standen. Siamsa folgte ihr weniger begeistert.
„Hallo Owen! Hallo Jack!", begrüßte Ophelia die zwei, wobei sie ihren Bruder besonders anstrahlte. Siamsa musterte Jack skeptisch. Der Junge war recht klein für einen Fünfjährigen, sah sie verlegen an und drückte die Hand seines Vaters etwas fester.
„Schwesterherz!" Ein mittlerweile kahlköpfiger und sportlich aussehender Mann fiel Ophelia mit einem strahlenden Lächeln in die Arme. Augenblicklich fingen die beiden an, wie zwei aufgebrachte Hühner zu schnattern und vergaßen dabei die restliche Welt. Siamsa verdrehte die Augen und machte mit dem Zeigefinger eine kreisende Bewegung seitlich der Schläfen. Jack musste lachen.
Die spinnen, die Erwachsenen, verstand er die Geste richtig. Siamsa schnappte sich die Hand des Jungen und die beiden verschwanden unbemerkt in die obere Etage, wo Siamsa ihr Kinderzimmer hatte.
Das Zimmer der Helden
„Also, wenn sie alleine sind, kann man sie ja ertragen, aber sobald sie zu zweit oder noch mehr sind, verwandeln sie sich in echt seltsame Wesen. Meinst du nicht auch?" Siamsa ließ sich in einen riesigen Sitzsack fallen und sah Jack fragend an.
„Kann sein", meinte dieser und blieb wie angewurzelt vor dem Zimmer stehen. So ein Kinderzimmer hatte er noch nie gesehen.
Die Wände waren allesamt mit Postern von Comic Helden zugeklebt und dazwischen standen Regale, die voller bunter Bücher und Spielfiguren waren. Jack erkannte Spiderman, Superman und Batman. Andere Helden waren ihm vollkommen fremd. Siamsa bemerkte, wie Jack grübelte und schoss wie ein geölter Blitz aus ihrem Sitzsack. Nur zu gerne wollte sie den Jungen in ihre Comic Welten einführen. Wie eine Angestellte in einem Museum ging sie an den Postern vorbei und deutete mit ausgestrecktem Zeigfinger auf die unterschiedlichen Charaktere.
„Das hier ist Catwoman. Sie ist eine Meisterdiebin und deshalb Gegnerin von Batman, der für die Gerechtigkeit kämpft. Weißt du? Jack nickte und kam langsam ins Zimmer. „Und hier haben wir Hugo Strange, er ist ein verrückter Wissenschaftler und macht wirklich schlimme Dinge.
„Aha."
„Und das hier ist mein Liebling unter den Bösewichten. Siamsa blieb unter einem Poster stehen, das einen seltsam grinsenden Mann zeigte. „Der Joker. Er ist total verrückt und sehr gefährlich. Dabei war er mal ein guter Mensch, doch das Schicksal hat ihm übel mitgespielt.
„Du kennst dich ja gut aus", meinte Jack und ging auf die vollgestopften Bücherregale zu.
„Sind alles nur Bilderbücher und Comics halt, erklärte Siamsa. „Nicht dass du denkst, ich könnte schon super gut lesen.
„Schon klar", entgegnete Jack und betrachtete die kleinen Spielfiguren der Superhelden, die vor den Büchern standen. Sie waren in kämpferischer Haltung festgefroren und beeindruckten ihn nicht sonderlich, weil sie unbeweglich waren.
„Du stehst nicht so auf Abenteuergeschichten, oder?", fragte Siamsa, die spürte, dass sie Jack nicht beeindruckt hatte.
„Ich stehe nur auf Abenteuergeschichten, wenn ich sie selbst erlebe", meinte Jack, als ob er schon unzählige Abenteuer bestanden hätte. Skeptisch betrachtete er eine schwarze Spielzeugfigur mit langem Mantel, die auf einem Motorrad mit sehr breiten Reifen saß.
„Na, wenn das so ist …, freute sich Siamsa, der eine Idee kam. „Ich glaube, dann ich habe etwas, das dir gefallen wird.
„Ja? Was denn?"
„Ich werde es dir zeigen, komm mit."
So verließen Siamsa und Jack das Kinderzimmer, gingen die Wendeltreppe zur Bücherei wieder hinunter, an den immer noch wild schnatternden Erwachsenen vorbei, durch die gesamte Bücherei nach hinten und dann noch durch eine mit braunem Leder bezogene Tür. Als Siamsa diese öffnete und Jack einen Blick erhaschen konnte, weiteten sich seine Augen und fingen an zu strahlen.
„Cool", war seine typisch kurze Reaktion und Siamsa ließ ihm den Vortritt.
Kurz darauf saß Jack auf einem feuerroten Fahrrad und Siamsa drückte ihren Daumen in das Gummi des Hinterrades.
„Da muss noch ein bisschen Luft rein, befand sie und holte eine Luftpumpe. „Du kannst doch Radfahren?
„Natürlich, entgegnete Jack stolz. „Das habe ich schon mit vier gelernt. Ich muss nur noch Schwimmen lernen, dann bin ich gut auf das Leben vorbereitet, meint mein Dad.
„Ja, schwimmen können ist sehr wichtig, fand auch Siamsa und sah sich ihre Reifen an. „Was möchtest du dir denn gerne in Cornish Cove ansehen?
„Den Leuchtturm würde ich gerne mal sehen", meinte Jack und nahm sich den Fahrradhelm, der an seinem Lenker hing.
„Kein Problem, Jack", grinste Siamsa und drückte auf einen