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Lady Beatrices Sommertraum
Lady Beatrices Sommertraum
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eBook265 Seiten3 Stunden

Lady Beatrices Sommertraum

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Über dieses E-Book

Lady Beatrice ist empört: Ungeniert mustert Charles Lord Pelham ihre Figur, sein Blick verweilt auf ihrem Dekolleté. Und dann macht er ihr auch noch ein anrüchiges Angebot, das sie selbstverständlich zurückweist! Doch der attraktive Adlige hat in ihr eine Sehnsucht geweckt. Die Sehnsucht nach heißen Küssen in einer lauen Sommernacht …

SpracheDeutsch
HerausgeberCORA Verlag
Erscheinungsdatum25. Mai 2019
ISBN9783733746612
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    Buchvorschau

    Lady Beatrices Sommertraum - Sarah Elliott

    IMPRESSUM

    Lady Beatrices Sommertraum erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

    © 2005 by Sarah Lindsey

    Originaltitel: „Reforming The Rake"

    erschienen bei: Harlequin, Toronto

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    © Deutsche Erstausgabe in der Reihe Historical Saison

    Band 5 - 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

    Übersetzung: Corinna Wieja

    Umschlagsmotive: GettyImages_Daniel_Kay, shutterstock_ Masson

    Veröffentlicht im ePub Format in 05/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

    E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

    ISBN 9783733746612

    Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

    Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

    BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

    Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

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    1. KAPITEL

    Charles Summerson, neunter Marquess of Pelham, wollte nicht spionieren – ganz gewiss nicht. Er hatte sich lediglich hinausgelehnt, um die Temperatur zu prüfen. Ihn plagten sogar Gewissensbisse, weil er das Fenster nicht sofort schloss, nachdem er festgestellt hatte, dass keine Regenwolken in Sicht waren, sodass er getrost einen Ausritt in den Park unternehmen konnte. Es gab keinen Grund, noch länger an seinem Fensterplatz zu verweilen.

    Dennoch verweilte er.

    Charles stand nicht einmal an seinem eigenen Fenster. Vielmehr befand er sich in seinem ehemaligen Zimmer im Haus seiner Mutter in der Park Lane, wo er vorübergehend wohnte, während seine eigene Residenz renoviert wurde. In all den Jahren seiner Kindheit hatte er nie erkannt, welch vorzüglichen Aussichtspunkt das Fenster bot, um die Geschehnisse im Nachbargarten zu beobachten. Nicht, dass ihn diese Geschehnisse je interessiert hätten. Offen gestanden war er auch jetzt nicht neugierig darauf, was Lady Sinclair in ihrem Garten trieb. Sie lebte schon so lange nebenan, wie er denken konnte, und war eine jener Matronen der feinen Gesellschaft, deren neunundfünfzigstes Lebensjahr nie zu enden schien, gleich wie viele Jahre vergingen. Das Gift, das sie versprüht, konserviert sie wohl, mutmaßte er.

    An diesem Tag jedoch saß nicht Lady Sinclair im Nachbargarten, sondern eine ganz andere Dame, eindeutig jünger und ein viel angenehmerer Anblick als besagte Matrone.

    Reglos beobachtete Charles die ihm unbekannte junge Frau. Sie lag mit dem Rücken zu ihm gekehrt auf Lady Sinclairs akkurat geschnittenem Rasen, hatte sich auf einen Ellbogen gestützt und schrieb eifrig etwas in ein kleines Buch. Zu seinem großen Bedauern konnte er ihr Gesicht nicht sehen, sondern nur ihren Kopf, den sie tief über ihre Notizen gebeugt hielt.

    Er ließ den Blick über ihren Körper schweifen, oder zumindest über das, was er davon erkennen konnte. Sie trug ein zartgelbes Kleid im Farbton von Lady Sinclairs Kletterrosen, das einen angemessenen – wenngleich auch für ihn enttäuschend – sittsamen Schnitt aufwies. Auf seine Fantasie vertrauend malte er sich die Einzelheiten aus, die das Kleid verbarg: eine schmale Figur, sanft geschwungene Hüften, eine schlanke Taille, runde Brüste. Stumm wünschte er, sie würde sich umdrehen, um seine Neugier zu befriedigen.

    Weiter ließ er den Blick wandern, nun über ihre ausgestreckten Beine. Sie hatte die Schuhe abgestreift und nachlässig neben sich auf den Boden fallen lassen. Ihre Waden waren zwar – so, wie es sich ziemte – züchtig bedeckt, aber ihre Füße sah er deutlich. Gelegentlich wackelte sie mit den Zehen im Gras.

    Er wusste, er sollte sich abwenden, und hätte dies wohl auch getan, wären da nicht ihre verflixten bestrumpften Füße gewesen. Ihr Anblick stachelte seine Neugier zusätzlich an und ließ ihn umso heftiger wünschen, einen Blick auf ihr Gesicht erhaschen zu können. Zudem war sie ganz vertieft in das, was auch immer sie da tat, und so bestand wohl kaum die Gefahr, von ihr ertappt zu werden.

    Plötzlich hielt die junge Frau im Schreiben inne und blätterte durch die Seiten des Buchs. Charles hätte in diesem Moment alles gegeben, um mit ihr lesen zu können. Fast schon begierig hoffte er, es handele sich um ihr Tagebuch, in dem sie ihre innersten Geheimnisse, ihre verborgensten Wünsche aufzeichnete …

    Er schenkte dem Buch indes keinerlei Beachtung mehr, als sie, offenbar vergessend, dass sie eine junge Dame war, ein Bein unbekümmert abwinkelte und es hin- und herschwang. Ihr Rock fiel ihr dadurch bis zum Knie hoch, und er kam in den Genuss, einen schlanken Knöchel und eine wohlgeformte Wade bewundern zu können.

    Anerkennend hob er eine Augenbraue. Vermutlich sollte ich mich schämen, sie heimlich zu beobachten, dachte er. Sein lästig moralisches Gewissen schob er indes beiseite; es war ihm schlicht unmöglich, den Blick von ihr zu nehmen. Er überlegte sogar, rasch die Gemächer seiner Schwester aufzusuchen, um sich ihr Opernglas zu borgen.

    Bevor er allerdings diese Entscheidung treffen konnte, wurden seine ruchlosen Gedanken jäh von einer schrillen Stimme unterbrochen – vermutlich gehörte sie der Xanthippe Lady Sinclair. „Bea! Komm herein, es ist Zeit zum Umkleiden."

    „Ich komme", antwortete die junge Frau. Jedoch schloss sie weder das Buch, noch stand sie auf.

    Einen Augenblick später erklang die Stimme erneut, diesmal ungehaltener: „Bea! Wir werden zu spät kommen."

    Widerstrebend schlug die junge Dame ihr Buch zu, aber sie erhob sich nicht gleich. Sie drehte sich auf den Rücken, streckte sich wie eine Katze und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Mit entrückter Miene und dem Anflug eines Lächelns auf den Lippen schaute sie in den Himmel.

    Nun hätte Charles den Blick tatsächlich abwenden sollen. Jeden Moment hätte sie die Augen zu seinem Fenster richten und entdecken können, dass er sie begehrlich anstarrte. Und dies wäre wirklich fatal gewesen. Die unangenehmen Folgen, die eine Entdeckung nach sich ziehen könnte, kamen ihm jedoch gar nicht in den Sinn. Einen Augenblick vergaß er sogar zu atmen.

    Himmel, sie war hinreißend. Ihre Figur fand seine Bewunderung, ihr Gesicht indes raubte ihm den Atem … Die perfekte kleine Nase, die vollen Lippen … Charles schluckte schwer. Nun, da sie auf dem Rücken lag, sah er seine Vorstellung bestätigt. Sie war tatsächlich schlank, aber definitiv an den richtigen Stellen gerundet. Immer noch sah er nicht alles, was er zu sehen wünschte – die Farbe ihrer Augen beispielsweise, den Schwung ihrer Brauen – aber mit ihrem goldblonden Haar war sie unbestritten eine Schönheit.

    Wie alt sie wohl ist? fragte er sich. Zwanzig? Vielleicht einundzwanzig? Sie war eindeutig jung, aber nicht zu jung.

    Mit unerfahrenen Debütantinnen ließ er sich nicht ein, was schlicht an der Tatsache lag, dass diese gewöhnlich auf Gattenfang waren. In die Ehefalle wollte er ganz gewiss nicht gehen.

    Schließlich erhob sich die junge Frau und ging, das Buch fest an die Brust gedrückt, ins Haus. Der Bann war gebrochen.

    Mehrere Minuten wartete Charles, darauf hoffend, dass sie wieder in den Garten hinauskam, dann aber schoss ihm ein Erfolg versprechenderer Gedanke durch den Sinn.

    Er verließ seinen Platz am Fenster und ging geradewegs zum Zimmer seiner Schwester. Das im Korridor hängende Porträt seines Ururgroßvaters, der missbilligend unter buschigen Augenbrauen auf ihn herabstarrte, ignorierte er geflissentlich.

    „Lucy? Bist du da?", rief er durch die Tür. Seine achtzehnjährige Schwester verbrachte zum ersten Mal die Saison in London. Trotz der zwölf Jahre Altersunterschied standen sie sich sehr nahe, wenngleich er sich immer noch nicht an die Tatsache gewöhnt hatte, dass seine Schwester kein Kind mehr war.

    Lucy öffnete lächelnd die Tür. Sie war ein hübsches, zierliches Mädchen. Wie ihr Bruder hatte sie schwarzes Haar und grüne Augen. Von der Größe einmal abgesehen – er war über einen Meter achtzig groß –, war die Ähnlichkeit zwischen ihnen frappierend. „Hast du Sehnsucht nach mir, Charles?", fragte sie kess.

    „Oh, du musst dir nicht selbst schmeicheln, Lu. Ich möchte lediglich deine Pläne für den heutigen Abend erfahren."

    Sie hob eine Augenbraue. „Willst du mich etwa begleiten? Das wäre ja ganz neu."

    „Zu deinem Debüt vor zwei Wochen habe ich dich ebenfalls begleitet", warf er ein.

    „Das zählt nicht, weil du daran teilnehmen musstest. Außerdem hast du mir an jenem Abend selbst gesagt, es wäre das erste und letzte Mal."

    „Vielleicht habe ich meine Meinung inzwischen geändert. Welche Veranstaltung steht heute Abend auf dem Programm?"

    „Lady Teasdales alljährlicher Ball."

    Charles nickte, als überlege er, ob er sie begleiten solle, aber er hatte seine Entscheidung längst gefällt. Kaum etwas verabscheute er mehr, als Lady Teasdales verflixten Ball zu besuchen, indes hoffte er, dort der jungen Frau im gelben Kleid zu begegnen, um mehr über sie zu erfahren. Lady Sinclair hatte sie hereingebeten, damit sie sich für irgendeinen Anlass umkleidete, wahrscheinlich für diesen Ball. „Gut, ich werde dort sein."

    „Aber du kannst Lady Teasdale nicht ausstehen!", rief Lucy.

    Charles wurde klar, dass dieses Gespräch wohl kaum so kurz werden würde, wie er angenommen hatte. Er betrat Lucys Zimmer und ließ sich in einen der Sessel fallen, in Gedanken bereits nach einer plausiblen Erklärung suchend. „Mir ist bewusst geworden, dass ich meine Pflichten vernachlässigt habe, Lu. Ich sollte dich mit den Aasgeiern nicht allein lassen."

    „Charles, Mutter begleitet mich. Es ist nicht so, als hätte ich keine Anstandsdame."

    „Ja, aber Mutter kennt die diversen Gentlemen nicht so wie ich. Mir wäre es verhasst, wenn du deine Zeit mit Tunichtguten vergeudest."

    Sie stöhnte ungläubig auf. „Wie kannst ausgerechnet du nur so argwöhnisch sein? Du bist doch der größte Herzensbrecher von allen. Ist es dir nie in den Sinn gekommen, dass ich deine Gesellschaft vielleicht gar nicht möchte?"

    Er gab sich entsetzt. „Und diese Worte aus dem Mund meiner geliebten Schwester."

    Lucy gab sich so schnell nicht geschlagen. Sie liebte ihren Bruder von ganzem Herzen, aber gelegentlich übertrieb er es etwas mit der Fürsorglichkeit. Ein letztes Mal wollte sie versuchen, ihm den Ball auszureden. „Gewiss wirst du Mutter sehr glücklich machen, wenn du uns begleitest. Erst heute Morgen erzählte sie mir, es sei höchste Zeit, dass du dich vermählst."

    Eine unschuldige Miene aufsetzend, klimperte sie mit den Wimpern.

    „Das sagt Mutter jeden Tag."

    „Tja, Charles … Lucy erwärmte sich für dieses Thema. „In letzter Zeit hat Mutter vermehrt Anstrengungen unternommen, eine passende Partie für dich zu finden. Habe ich dir das noch nicht erzählt? Offenbar sorgt sie sich, du würdest dich möglicherweise nie vermählen.

    „Das soll eine Neuigkeit sein?", fragte er und gähnte gespielt.

    Sie ignorierte sein unhöfliches Benehmen. „Nein, aber neuerdings pflegt sie die beunruhigende Angewohnheit, ein Notizbuch bei sich zu tragen, in das sie Namen und Herkunft einer jeden ledigen Frau einträgt, der sie begegnet. Sie geht nie ohne es aus."

    Sprachlos blickte er sie einen Augenblick an, ehe er sagte: „Sie macht sich Notizen? Wie sieht dieses Notizbuch aus, Lucy?"

    Sie überlegte, ob sie es ihm beschreiben sollte. Immerhin bestand die Möglichkeit, dass er nach dem Buch suchen und es entwenden wollte. Das würde ihre Mutter ihr nie verzeihen. Ganz zu schweigen davon, dass ich das Büchlein auch nicht mehr wie ein Damoklesschwert über den Kopf meines Bruders halten kann falls nötig, dachte Lucy. Früher oder später würde er allerdings ohnehin erfahren, wie es aussah. Sie entschloss sich zu einer möglichst vagen Beschreibung. „Tja, so genau kann ich das nicht sagen. Oft habe ich es nicht gesehen und wenn, dann war es immer aufgeschlagen. Ich glaube, der Einband ist aus Leder. Oh, und klein ist es natürlich, damit sie es in ihr Retikül stecken kann."

    Charles hatte nach der Universität mehrere Jahre in den Diensten des Kriegsministeriums gestanden und durchschaute das Ausweichmanöver seiner Schwester mühelos. Beeindruckt von ihrer Geschicklichkeit, die jener der französischen Spione, die ihm über den Weg gelaufen waren, in nichts nachstand, ließ er das Thema für den Moment fallen. Er würde das Buch schon finden und verschwinden lassen.

    „Du warst sehr hilfreich, Lu. Dafür kann ich dir gar nicht genug danken – und ich werde euch heute Abend begleiten." Charmant lächelnd stand er auf und ging in sein Zimmer zurück. Der Ausritt im Park konnte warten.

    2. KAPITEL

    Beatrice Sinclair hielt überlegend inne, den Stift über einer leeren weißen Seite ihres Notizbuches gezückt. Sie schrieb drei Worte, strich sie aber sofort wieder aus, um auf weitere – bessere – Worte zu warten. Indes fielen ihr keine ein.

    Als sie merkte, dass sie zu zerstreut war, um ihrer Schriftstellerei die verdiente Aufmerksamkeit zu widmen, legte sie das Buch beiseite. Wie sollte sie sich auch in das Schreiben erfundener Geschichten vertiefen, wenn die Wirklichkeit – ihr eigenes Leben – solch ein Trauerspiel war?

    Nach Inspiration suchend ließ sie den Blick durch das Zimmer schweifen. Die Wände des Hauses ihrer Großtante Louisa waren mit Seidentapeten bedeckt, die entweder ländliche Motive oder Blumenmuster zeigten. In ihrem eigenen Zimmer tummelten sich Schafhirten neben Mägden auf den Wänden, die Decke zierten aufgemalte Wolken. Beatrice hätte es vorgezogen, sich im Freien aufhalten zu können, aber Tante Louisa hatte sie hineingerufen, da sie es missbilligte, wenn junge Damen sich sonnten. Eine einzige Sommersprosse könne bereits die Chancen eines Mädchens auf eine Hochzeit vereiteln, behauptete sie.

    Seufzend wandte sich Beatrice wieder ihrem Notizbuch zu. Sie besaß es seit ihrer ersten Saison vor fünf Jahren. Zunächst hatte sie es als Tagebuch genutzt und darin – im wahrsten Sinne des Wortes – die Ereignisse eines jeden Tages festgehalten. Dies tat sie, weil sie befürchtete, so hohlköpfig wie der gesamte ton zu werden, wenn sie ihren Verstand nicht mit etwas Nützlichem beschäftigte. Das Lesen des Tagebuchs zum Ende dieser ersten Saison hatte ihr indes deutlich gemacht, wie langweilig ihr Leben geworden war. Es bestand bloß noch aus Dinnerpartys, Gesellschaften und Bällen, die einzig dem Zweck dienten, sich einen Gatten zu angeln. Gewiss wäre dies leichter zu ertragen gewesen, wenn sie wenigstens für einen der Gentlemen, die sie bei diesen zahllosen gesellschaftlichen Anlässen traf, freundschaftliche Gefühle empfunden hätte. Tatsächlich aber fiel es ihr schwer, für die meisten der Herren auch nur die leiseste Sympathie aufzubringen.

    Nach dieser ersten Saison hatte Beatrice resignierend erkannt, wie weit bei der Gattensuche Wirklichkeit und Wunschtraum auseinanderklafften und dass es nur von Vorteil war, wenn man keine allzu romantischen Vorstellungen hegte. Wo war in der realen Welt der stattliche, geheimnisvolle, attraktive Kavalier ihrer Träume, der zudem über breite Schultern, messerscharfen Verstand und geistreichen Humor verfügte? Ganz eindeutig existierte er nicht. Wenn sie lernte, diese Tatsache zu akzeptieren, konnte die Realität sie nicht mehr enttäuschen.

    Bedauerlicherweise kam sie zu spät zu dieser Erkenntnis. Da sie die Heiratsanträge mehrerer Verehrer abgewiesen hatte, galt sie nach ihrer ersten Saison als „Eisblock". In ihrer zweiten und dritten Saison umwarb man sie daher kaum noch.

    Aus diesem Grund hatte sie zwei Jahre auf dem Landsitz ihrer Familie verbracht, und nun – älter, klüger und geläutert – war sie bereit, sich einer weiteren Saison zu stellen. In diesem Jahr ging sie indes planvoll vor. Um ihre romantischen Fantasien in gewissem Maß ausleben zu können, hatte Beatrice im weisen Alter von dreiundzwanzig Jahren das Tagebuchschreiben aufgegeben und beschlossen, einen Roman zu verfassen. Auf diese Weise, so hoffte sie, konnte sie sich den Helden ihrer Träume erschaffen und die graue, stumpfsinnige Realität leichter ertragen.

    Leider funktionierte ihr Plan nicht ganz so wie erwartet, aber die Saison hatte auch erst vor wenigen Wochen begonnen.

    „Beatrice, das dulde ich nicht." Beatrices Großtante war ins Zimmer getreten und funkelte sie verärgert an.

    Selbst wenn sie guter Laune war, bot Lady Sinclair dank ihrer großen hageren Gestalt, dem stahlgrauen Haar, den stahlgrauen Augen und der langen Nase einen Respekt einflößenden Anblick. War sie jedoch in Rage, bekam das Wort „einschüchternd" eine völlig neue Bedeutung. Mit einem einzigen Kräuseln der Lippe konnte Tante Louisa selbst in den tapfersten Herzen Furcht erwecken. Beatrice indes ließ sich nicht erschrecken, weil sie wusste, dass ihre Tante unter der rauen Schale – wenngleich auch gut verborgen – einen weichen Kern besaß. Im Grunde genommen war Lady Sinclair eine großzügige, fürsorgliche Frau, der ihre Familie über alles ging.

    Obwohl Beatrice befürchtete, zu wissen, worüber ihre Tante verärgert war, fragte sie nach, um Zeit zu gewinnen. „Bitte entschuldige, Tante Louisa, was duldest du nicht?"

    Lady Sinclair schnaubte unfein. „Deine Schwester hat mir soeben mitgeteilt, du willst nicht an Lady Teasdales Ball teilnehmen. Warum erfahre ich das nicht von dir?"

    Schuldbewusst setzte Beatrice zu einer Erklärung an: „Nun, Eleanor erzählte, in der Drury Lane werde König Lear aufgeführt und sie habe keine Begleitung …"

    „Du hast mir versprochen, Lady Teasdales Ball zu besuchen. Außerdem ist Eleanor erst sechzehn, sie hat noch lange genug Zeit ins Theater zu gehen. Ich hätte mich nie mit ihrem Besuch einverstanden erklären sollen, auch wenn es nur für wenige Wochen ist. König Lear, pah. Lady Sinclair rümpfte die Nase. „Ein Mann mit drei Töchtern und schau, welches Ende es mit ihm genommen hat. Ein solches Stück wird Eleanor nichts als Flausen in den Kopf setzen. Ich bin nur froh, dass Helen nicht ebenfalls in London weilt.

    „Ich denke, du übertreibst ein wenig, Tante. Meine beiden Schwestern und ich sind unserem Vater aufrichtig zugetan, und ich kann dir versichern, dass Eleanors Motive rein unschuldiger Natur sind. Sie geht einfach gern ins Theater, das ist alles."

    Lady Sinclair verdrehte die Augen. „Kommen wir zum Punkt zurück, Beatrice. Eleanor weiß, wie gerne du dich vor dem Ball der Teasdales drücken würdest. Offenbar denkt sie, da sie zu jung ist, um daran teilzunehmen, mache es nichts aus, wenn du ihn ebenfalls versäumst."

    „Ist dem so?", fragte Beatrice hoffnungsvoll.

    Lady Sinclair blickte sie in gespielter Ungläubigkeit an. „Hast du dich etwa heimlich vermählt, ohne mir etwas davon

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