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Oma spielt Amor: Ein Bodensee Roman
Oma spielt Amor: Ein Bodensee Roman
Oma spielt Amor: Ein Bodensee Roman
eBook325 Seiten4 Stunden

Oma spielt Amor: Ein Bodensee Roman

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Über dieses E-Book

Liebe Leserinnen und Leser,
es erwartet Sie beste Unterhaltung!
Rosalies und Salvatores Herzen wurden beide gebrochen. Doch eine turbulente italienische Großfamilie, eine neue Stelle in Konstanz, einige schräge Kolleginnen und Kollegen, eine patente Schwester, eine listige alte Dame aus dem sizilianischen Adel, eine Damenbridgerunde und der Bodensee sorgen für Abwechslung und Heilung. Finden Rosalie und Salvatore trotz ungünstiger Ausgangsbedingungen, einem gänzlich verpfuschten Start und den Intrigen seiner Ex zueinander?
Viel Spaß und gute Unterhaltung! Ich freue mich auf Ihre Rezensionen, Ihre Gitti
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum7. Aug. 2023
ISBN9783347933934
Oma spielt Amor: Ein Bodensee Roman
Autor

Gitti Gold

Über Gitti Gold: Unter den kritischen Blicken ihrer Katzen übt die Autorin gerne im Garten Qi Gong. Sie liebt Blauregen, Rosen, Lavendel und den Duft frisch gebackenen Brotes. Die kreativsten Ideen kommen der Autorin zu den ungünstigsten Zeitpunkten – nämlich dann, wenn sie keine Zeit hat, sie festzuhalten. Bei ausgedehnten Waldspaziergängen mit ihrer Border-Collie-Mix-Hündin spinnt die Autorin ihre Geschichten weiter. Dabei sind sich Hündin und Autorin nie einig, ob man die besseren Ideen im Unterholz oder auf Spazierwegen findet.

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    Buchvorschau

    Oma spielt Amor - Gitti Gold

    Konstanz, 14. September

    Unendlich langsam hob sie die Spitzengardine an und spähte vorsichtig in den Hof hinunter. Ihr gutaussehender, charmanter und liebevoller Enkel half gerade seiner aktuellen Freundin in sein Auto. Warum durchschaute er diese launische, berechnende, eitle, falsche Katze nicht? Oh ja, diese Person empfand viel für ihren Enkel. Nämlich für sein Geld, seine gesellschaftliche Stellung, sein Prestige, vielleicht noch für seinen trainierten Körper. Aber nicht einen Deut für ihn als Menschen. Sie seufzte und fragte sich, warum junge Männer immer dieser Sorte Frau auf den Leim gingen. Äußerlich hübsch, innerlich das genaue Gegenteil. Nun ja, ihrem Enkel fehlte einfach ihr langes Leben voller Erfahrungen. Außerdem durchschaute man sein eigenes Geschlecht ja immer leichter. Das andere Geschlecht dagegen blieb einem lange ein Buch mit sieben Siegeln. Oh, wie sie ihm wünschte, dass er diese falsche Katze durchschaute, bevor es zu spät war. Die hatte ja so was von offensichtlich die Absicht, ihn sich dauerhaft zu angeln und nach Strich und Faden auszunutzen. Die alte Dame schnalzte ärgerlich mit der Zunge und wandte sich plötzlich entschlossen ab. Sie würde zur Heiligen Jungfrau Maria und der Heiligen Rosalia von Palermo um Hilfe beten!

    Möge dieses blonde Biest schnell und deutlich ihren wahren Charakter zeigen und ihr Enkel ihn erkennen! Möge ihr Enkel eine liebevolle, treue und aufrichtige junge Frau finden!

    Stuttgart, 14. September

    Die ersten Takte von „Por una cabeza" erschollen. Rosalie war sofort wach. Es juckte sie in den Füßen, aus dem Bett zu springen und einen flotten Tango hinzulegen. Dies war die einzig wahre Art, um sechs Uhr morgens aufzustehen. Leider weigerte sich ihr Freund standhaft, zu tanzen. Er wachte noch nicht mal auf, wenn ihr Wecker diese Melodie spielte. Rosalie drehte sich auf die Seite und streckte ihre Hand aus, um Kilian wach zu streicheln. Sie stutzte. Komisch, die Betthälfte neben ihr war leer. Aus der Küche drang Geklapper. Also war ihr Freund, der Langschläfer, schon aufgestanden, um sie mit einem Geburtstagsfrühstück zu überraschen. Wie süß! Rosalie hoffte auf Kilians köstlichen Grießbrei mit heißen Himbeeren oder ihren absoluten Favoriten, Pflaumenporridge mit Zimt. Sie schnupperte erwartungsvoll. Speckpfannkuchen! Rosalie zog die Nase kraus. Kilian liebte Speckpfannkuchen. Sie nicht. Warum merkte er sich das nie? Rosalie seufzte. Die gute Absicht zählte.

    Sie beschloss, sich zuerst frisch zu machen. Dann hatte Kilian noch etwas Zeit, um den Geburtstagstisch vorzubereiten. Rosalie hüpfte aus dem Bett und tanzte ins Bad.

    Zu den Klängen von „Bella Ciao schlüpfte sie schwungvoll in ihr übliches Outfit: XXL-Sweater und eine lockere Hose. Ihre Locken drehte sie wie immer zu einem lockeren Knoten zusammen. „Morto per la liberta!, sang Rosalie die letzte Zeile ebenso schief wie laut mit. Ihr Magen knurrte hungrig. Auf zum Frühstück!

    „Guten Morge…eeeeä Rosalie entfuhr ein Keuchen. Sie blinzelte zweimal. Die Küche sah aus wie ein Schlachtfeld. Rosalie stieg hastig über einen pudrig weißen Berg Mehl am Boden, um die umgestoßenen Flasche Chiliketchup aufzurichten, aus der es stetig auf die Küchenfließen tropfte. Der Herd strotzte vor Fettspritzern und Teigkleksen. Mitten in dem Chaos aus schmutzigem Kochgeschirr und wüst verstreuten Zutaten erspähte Rosalie auf ihrem Platz einen Teller mit zwei Speckpfannkuchen, ertränkt in Chiliketchup. Rosalie hasste Chiliketchup, nur Kilian mochte es! Wo war er überhaupt? „Kilian!, rief Rosalie. „Kilian, wo bist du?" Ihr Blick fiel auf einen Zettel. Sie schob zwei klebrige Eierschalen beiseite und las: Bin schon los.

    Kilian war wohl schon unterwegs zur Arbeit. Rosalie verspürte einen Stich der Enttäuschung. Ausgerechnet an ihrem Geburtstag? Dann kam ihr ein schrecklicher Gedanke: Hatte Kilian etwa vergessen, dass sie heute Geburtstag hatte? Bei dieser Vorstellung begann ihr Herz wild zu klopfen. Doch dann erinnerte sie sich daran, wie Kilian sie letztes Jahr gefoppt hatte. Den ganzen Tag über hatte er so getan, als wäre es ein Tag wie jeder andere. Abends hatte er ihr mit den Worten: „Für meine Schöne nur das Schönste! ein traumhaft schönes, weinrotes Wickelkleid aus Seide überreicht und grinsend hinzugefügt: „Ha! Du solltest mal dein Gesicht sehen! Du hast gedacht, ich hab deinen Geburtstag vergessen, stimmt’s? Dazu hatte er so süß gegrinst, dass Rosalie ihm nicht böse sein konnte.

    Er liebte es eben, sie zu necken. Sicher war Kilian losgezogen, um noch irgendwas für seine diesjährige Geburtstagsüberraschung vorzubereiten.

    Obwohl es erst Mitte September war, ging ein ungemütlich kalter Wind. Er heulte laut und strich mit seinen eisigen Fingern über ihre Haut. Rosalie zog die Kapuze ihres Sweatshirts tiefer in die Stirn und beeilte sich.

    Sie war die Treppe zur doppelflügeligen Eingangstür des Stuttgarter Marie-Curie-Gymnasiums schon halb hinaufgeeilt, als sie abrupt stehen blieb. Was war das für ein Geräusch? Der Wind ächzte und seufzte, aber da war doch noch etwas? Sie lauschte, blickte sich suchend um. Dann rannte sie die Treppe zurück nach unten. Am Gartentor der Hausmeisterwohnung kauerte Flocke. Die braune Dackeldame war ebenso klein, kugelrund und freundlich wie ihre Besitzer, das alte Hausmeisterehepaar Kalle. Doch statt Rosalie mit ihrem üblichen, fröhlichen Bellen zu begrüßen, winselte Flocke herzzerreißend. „Hey, Flocke! Was hast du denn, meine Süße? Rosalie ging neben der Hündin in die Knie. Oh je! Das Gartentor stand einen kleinen Spalt offen. Flocke hatte wohl versucht, sich durch den Spalt zu quetschen und es dabei irgendwie geschafft, sich mit ihrem Halsband zu verfangen. „Schhh… ganz ruhig. Ich helf dir ja. Halt still, damit ich dich losmachen kann. Die Hündin wand sich und zappelte aufgeregt, aber schließlich schaffte Rosalie es doch, sie zu befreien. Flocke schleckte ihr dankbar die Hände ab. „Hey, meine Süße, ist ja gut!" Rosalie streichelte die Hündin und flüsterte ihr tröstende Worte und Kosenamen ins Ohr, um das Tier zu beruhigen.

    „Einen schönen guten Morgen, Frau Pfeiffer! Ich wünsche alles Gute zum Geburtstag! Na, schmusen Sie mal wieder eine Runde mit meiner Flocke?", brüllte ihr jemand ins Ohr. Rosalie, die niemanden hatte kommen hören, zuckte zusammen.

    Sie blickte hoch und erkannte das hutzelige Gesicht von Hausmeister Kalle, der sie breit anlächelte.

    „Danke! Herr Kalle, ihre Flocke hat…", setzte Rosalie zu einer Antwort an, doch der Wind verschluckte ihre Worte.

    „Wie bitte?", rief der alte Kalle und hielt seine Hand hinters Ohr, um sie besser verstehen zu können.

    Lauter, Rosalie, du schaffst das, redete sie sich gut zu. Sie atmete tief durch und hob ihre Stimme.

    „Danke! Flocke hat sich mit dem Halsband im Gartentor verfangen. Weil es nicht ganz zu war."

    Na also, sie konnte das!

    Kalles Gesicht nahm einen bestürzten Ausdruck an. „Ja du liebe Güte! Wie konnte denn das passieren? Meine arme Flocke! Wie gut, dass Sie gerade da waren, Frau Pfeiffer! Vielen herzlichen Dank!" Der Hausmeister bedankte sich ein ums andere Mal bei ihr. Rosalie trat verlegen von einem Bein aufs andere und spürte, wie sie rot anlief.

    Als Rosalie kurz darauf das Schulsekretariat betrat, begrüßten ihre Kolleginnen Gabi und Betti sie mit einem fröhlichen, zweistimmigen: „Alles Gute zum Geburtstag, Rosalie!"

    „Danke!" Rosalie blinzelte überrascht. Gabi musste sich besondere Mühe gegeben haben. So freundlich klang sie sonst nicht.

    Das Telefon auf dem langen Tresen klingelte.

    „Ich geh schon!, zwitscherte Betti, eine redselige Rothaarige Anfang vierzig und hob ab. Sie schnitt eine Grimasse und flötete: „Guten Morgen, Frau Barnickel. Sie haben den Bus verpasst? Nein, nein, machen Sie sich keine Sorgen, das ist nicht schlimm, wenn Sie erst zehn Minuten später da sind! Natürlich, ich richte es Ihrem Onkel aus. Bis nachher dann!

    Gabi, die Chefsekretärin, eine ebenso diensterfahrene wie energische Dame Anfang sechzig, rollte mit den Augen und knurrte: „Hat sie schon wieder den Bus verpasst und meint, sie muss hier anrufen und sich entschuldigen? Sie muss heute erst zur zweiten Stunde da sein. Und außerdem ist sie Referendarin, keine Fünftklässlerin, Herr Gott noch mal! Irgendjemand müsste ihr das mal sagen."

    „Ich sag es ihr bestimmt nicht, entgegnete Betti spitz. „Sie ist die Nichte des Direktors.

    In diesem Moment streckte besagter Direktor, ein freundlicher Herr um die Fünfzig, seinen kahlen Kopf durch die Verbindungstür herein. „Da ist ja unser Geburtstagskind! Alles Gute, Frau Pfeiffer! Wenn ich das bei dieser Gelegenheit sagen darf: Wir alle sind froh, Sie in unserem Team zu haben. Sie leisten hervorragende Arbeit! Er schüttelte ihr feierlich die Hand. Verflixt! Rosalie fühlte, dass sie schon wieder rot anlief. „Vielen Dank, Herr Direktor Barnickel! Sollte sie noch irgendetwas sagen? Ihre Kollegin Gabi nahm ihr die Entscheidung ab, denn sie wirbelte auf ihrem Drehstuhl herum und raunzte im Ton eines Feldwebels: „Guten Morgen, Herr Direktor! Ihre Nichte lässt ausrichten, dass sie den Bus verpasst hat und sich verspätet."

    „Meine Julia. Das kleine Schusselchen", murmelte Direktor Barnickel mehr zu sich selbst, nahm die geöffnete Post vom Tresen und verschwand wieder in seinem Büro.

    „Heute sind eine ganze Menge Unterlagen zu tippen, Rosalie, verkündete Gabi im Kommandoton. „Ich hab sie auf deinen Schreibtisch gelegt. Das klang schon eher nach Gabi. Rosalie seufzte leise. Natürlich blieb die ganze Tipperei wieder an ihr hängen.

    Um halb zehn schellte der Gong zur ersten Pause. Die Klassenzimmertüren flogen auf und sogleich brandete fröhliches Geschrei und Gelächter durch die Schule. Wegen des heftigen Regens, der vor zehn Minuten eingesetzt hatte, drängten sich die gut 700 Schülerinnen und Schüler lärmend drinnen in der Eingangshalle und auf den Fluren. Heute am Freitag waren sie angesichts des bevorstehenden Wochenendes besonders ausgelassen.

    „Oh nein, schon Pause!, stöhnte Gabi, blickte von ihrem Computer auf und runzelte die Stirn. Dann murrte sie: „Rosalie, wieso steht denn die Türe zum Flur auf? Um Himmels Willen, mach sie zu!

    Rosalie nickte und schloss die Tür. Gabi hasste nun mal Lärm. Rosalie hatte eigentlich nach Kilian Ausschau halten wollen, aber daraus wurde jetzt wohl leider nichts.

    „Diese frechen Brüllaffen! Bin ich froh, wenn ich in fünf Jahren endlich in Rente gehe und die nicht mehr sehen muss!, schimpfte Gabi. „Verflixt, den wollte ich doch noch draußen aufhängen, bevor der Höllenzirkus wieder losgeht. Missmutig sah Gabi auf den aktualisierten Vertretungsplan auf ihrem Schreibtisch.

    Rosalie sah eine gute Gelegenheit, sich die Beine zu vertreten und gleichzeitig nach Kilian Ausschau zu halten. Sie brauchte zwei Anläufe, bevor die Worte ihren Mund verließen: „Soll ich den Plan schnell für dich aufhängen? Das mach ich gerne." Sie hasste es, wie leise ihre Stimme dabei klang. Aber Gabis herrische Art schüchterte sie ein. Gabis Miene hellte sich sofort auf. Sie nickte zustimmend.

    Mit dem ausgedruckten Vertretungsplan in der Hand bahnte Rosalie sich ihren Weg durch die Schülerschar. Im Gegensatz zu Gabi hatte Rosalie nichts gegen das lebhafte Gewusel auf den Fluren. Sie mochte die Kinder und die Kinder mochten sie. „Hallo, Frau Pfeiffer!", tönte es von allen Seiten.

    Rosalie balancierte auf den Zehenspitzen, um den aktualisierten Vertretungsplan auf der Anschlagtafel anbringen zu können. Der Plan von heute musste ganz nach oben. Rosalie streckte sich. Mit ihren knapp 1,63 kam sie gerade so hoch.

    Da tippte ihr jemand von hinten auf die Schulter. Rosalie wirbelte herum.

    „Hallo, Rosalie. Gut, dass ich dich treffe", sagte Kilian mit ernstem Gesicht, die Hände hinter dem Rücken.

    „Hallo, Kilian! Sag mal, die Küche heute Morgen…"

    Es hatte Rosalie eine Menge Zeit gekostet, die Sauerei zu beseitigen.

    Kilian wich ihrem Blick aus und murmelte: „Ja, sorry, tut mir leid. Ich musste schnell los, hatte noch was zu erledigen." Er fuhr sich mit der Hand durch seine dichten, schwarzen Locken. Seine wunderschönen, dunkelbraunen Augen waren auf ihre Schuhspitzen gerichtet. Er sah hinreißend aus, wenn er so zerknirscht dreinblickte. Sie konnte ihm nie lange böse sein.

    „Aber hör mal, Rosalie…"

    Rosalie blickte ihn erwartungsvoll an. Würde er ihr jetzt zum Geburtstag gratulieren und ein Geschenk hinter seinem Rücken hervorzaubern?

    Kilian räusperte sich. „Pass auf, Rosalie. Ich habe lange nachgedacht und eine wichtige Entscheidung getroffen. Wir sprechen heute Abend darüber. Halte dir das Wochenende frei." Er sah Rosalie immer noch nicht an.

    Wie süß, er genierte sich. Sicher hatte er etwas ganz besonders vor. Ob es das bedeuteten konnte, was sie hoffte? „Ja, Kilian. Mach ich doch gerne!, trällerte Rosalie und warf ihm einen forschenden Blick zu. „Gib mir doch einen kleinen Hinweis! Aufgeregt drehte sie eine ihrer Locken um ihren linken Zeigefinger. Es klingelte zur dritten Stunde.

    „Ich muss los." Kilian ging mit schnellen Schritten davon.

    Rosalie blickte ihm versonnen nach. Was für ein Glück sie doch hatte! Vor wenigen Monaten hatte Kilian sein Referendariat am Marie-Curie-Gymnasium beendet und war für dieses Schuljahr als Lehrer angestellt worden. Rosalie liebte es, ihren Freund auch untertags zu sehen.

    Ihr Handy klingelte. Rosalie schielte darauf. Vom Display strahlte sie ihre ein Jahr jüngere Schwester Tessa aus leuchtend grünen Augen an. Wie immer sah Tessa blendend aus, war nach der neusten Mode gekleidet und top gestylt. Kein Wunder, dass sie so erfolgreich in ihrem Beruf als Stylistin war. „Hi, Rosi! Alles Liebe zu deinem Geburtstag!", flötete Tessa.

    „Hi, Tess. Danke sehr! Lieb, dass du an mich denkst."

    „Du klingst ja fröhlich. Gute Neuigkeiten?"

    „Ach, Tess, ich bin ja so glücklich! Du glaubst nicht, was gerade passiert ist. Stell dir vor, Kilian möchte heute Abend etwas Wichtiges mit mir besprechen und ich soll mir das Wochenende freihalten. Er war ganz ernst und verlegen. Ich glaube, er will mir einen Antrag machen."

    „Naja, das wird langsam auch Zeit. Wie lange seid ihr jetzt zusammen? Sechs Jahre? Sieben? Seit ihr euch kennt, hat sich der Kerl schamlos von dir aushalten lassen. Und dabei noch gebummelt. Die Regelstudienzeit für Gymnasiallehramt beträgt doch nur…"

    Rosalie wusste, was jetzt kam. Sie hörte Tessas Einwände gegen Kilian nicht zum ersten Mal.

    „Ach, Tess, lass uns nicht schon wieder darüber diskutieren, unterbrach sie ihre Schwester daher. „Ich weiß, du willst mich nur glücklich sehen. Und niemand könnte mich glücklicher machen als mein Kilian!

    Tessa schnaubte. Dann lenkte sie ein: „Na, Gott sei Dank traut er sich endlich. Ich freu mich für dich! Ich dachte schon, der Schisser kriegt das nie auf die Reihe."

    Rosalie musste sich insgeheim eingestehen, dass an Tessas Worten etwas dran war. Kilian war nicht gerade mutig. Aber Rosalie fand, dass es ihr nicht zustand, ihm das anzukreiden. Schließlich gab es kaum jemanden, der ängstlicher und schüchterner war als sie selbst. Rosalie protestierte daher: „Tessa! Hack doch nicht immer so auf dem armen Kilian rum. Du sprichst immerhin vom künftigen Vater deiner Nichten und Neffen!"

    „Das wird sich noch zeigen. Ich bezweifle, dass er dafür genug Eier in der Hose hat!", grummelte Tessa halblaut.

    Rosalie beschloss, diese Bemerkung zu überhören. Heute sollte der schönste Tag ihres Lebens werden. Den würde sie sich von niemandem verderben lassen, auch nicht von ihrer wohlmeinenden Schwester. „Tess, ich brauche deine Hilfe!, platzte es aus Rosalie heraus. „Die erste Frage: Was soll ich bloß anziehen?

    Es war schon 20 Uhr. Wo blieb Kilian nur? Da Rosalie nicht wusste, wie Kilian sich den Abend vorstellte, wartete sie seit Stunden herausgeputzt auf ihn. Sie fühlte sich unwohl in dem tief ausgeschnittenen, weinroten Wickelkleid. Es war wunderschön und saß perfekt, aber unter normalen Umständen trug sie nie so enge Kleidung. Doch für Kilian hatte Rosalie sich überwunden und das figurbetonte Kleid angezogen, das er zu ihrem Geburtstag so liebevoll für sie ausgesucht hatte. Es war das schickste Stück, das sie besaß. Ausnahmsweise einmal wollte Rosalie blendend aussehen. Leider hatte Tessa ihr dabei heute kaum helfen können, da sie beruflich in Berlin unterwegs war. Doch ihre Schwester hatte für Rosalie einen Termin im Beauty Paradise, Tessas Lieblingssaloon, ausgemacht. Dort hatte Rosalie sich bei Giselle eine elegante Hochsteckfrisur und ein glamouröses Make-up gegönnt. Vor vier Stunden hatte Rosalie phantastisch ausgesehen. Aber nun war das Kunstwerk aus Locken, Haarspray und 104 Haarnadeln in Auflösung begriffen und ihr Make-up floss mit ihrem Schweiß davon. Rosalie wusste nicht, wie sie den Zauber aufrechterhalten sollte. Da, die Haustür. Endlich kam Kilian! Mit angespannter Miene betrat er den Raum.

    Rosalie wollte ihn zur Begrüßung umarmen, doch er wehrte unwirsch ab.

    „Sag mal, wie siehst denn du aus?, fragte er irritiert. Rosalie spürte, wie sich Tränen in ihren Augen sammelten. „Heute ist doch mein Geburtstag. Ich dachte, du wolltest mit mir feiern, rechtfertigte sie sich.

    „Dein Geburtstag? Kilian wirkte kurz aus dem Konzept gebracht. Rasch fing er sich wieder. „Dann auch von mir alles Gute!

    Kilian hatte ihren Geburtstag vergessen! Rosalie konnte die Tränen fast nicht mehr zurückhalten.

    „Du hast dir doch trotzdem das Wochenende freigehalten, wie ich dir gesagt habe, oder?", fragte Kilian.

    „Ja, habe ich", rang sie sich ab. Offenbar hatte er doch etwas für das Wochenende vorbereitet.

    „Das ist gut. Rosalie, ich muss zugeben, du hast mich immer umsorgt." Kilian räusperte sich.

    Kam jetzt sein Antrag?

    „Aber ich habe entschieden, dass ich nicht länger mit dir zusammen sein will."

    Was? Was sagte Kilian da bloß? Rosalie musste sich verhört haben.

    Doch Kilian fuhr fort: „Das mit uns passt einfach nicht mehr für mich. Ich muss in die Zukunft blicken."

    „Nein, wimmerte Rosalie „das kann nicht wahr sein. Du machst Scherze. Sie musste sich setzen. Was um Himmels Willen sagte er da? Das konnte sie nicht glauben. Die Welt verschwamm vor ihren Augen. „Aber Kilian!", presste sie hervor.

    „Ich möchte dich bitten, dass du gleich ausziehst. Das macht es für uns beide leichter. Ich verbringe das Wochenende bei meinen Eltern, dann hast du die Wohnung solange für dich allein."

    Rosalie spürte ihr Herz in tausend Stücke brechen. Sie glaubte, den Schmerz nicht ertragen zu können. Unkontrollierbares Schluchzen schüttelte sie. Kilian trat ihre Liebe mit Füßen. Wie konnte er ihr das antun?

    „Aber Kilian, wir lieben uns doch! Warum willst du das alles wegwerfen?", brachte sie schließlich hervor.

    „Ganz einfach. Ich liebe dich nicht."

    Was war nur in ihn gefahren? Erst vor kurzem hatten sie noch Zukunftspläne geschmiedet. Rosalie konnte nicht akzeptieren, dass plötzlich alles vorbei sein sollte.

    „Aber … aber, stottere sie. „Was ist denn mit unserem Silvesterurlaub? Den habe ich doch erst letzte Woche gebucht, wie du gesagt hast.

    „Ach. Der Urlaub. Stimmt. Stornier den. Ich zahle dir die Hälfte der Stornokosten."

    „Warum um alles in der Welt bist du auf einmal so, Kilian? Was ist mit dir los?"

    „Hab ich dir doch schon gesagt: Ich kann mir mit dir keine Zukunft vorstellen, entgegnete Kilian ungehalten. „Und jetzt muss ich wirklich los. Wirf deinen Schlüssel einfach in den Briefkasten, wenn du fertig bist. Ich habe unserem Vermieter schon gesagt, dass du ausziehst. Mach‘s gut.

    Überlingen, 15. September

    Salvatore! Wie bist du nur auf diese blöde Idee gekommen! Es ist eiskalt und meine Füße tun weh!", stieß Alessia hervor. Salvatore, von Freunden und Familie meist Salva genannt, wollte seiner Freundin fürsorglich sein marineblaues Jackett von Armani um die Schultern legen.

    Doch Alessia schubste ärgerlich seinen Arm beiseite und rief: „Du weißt doch, dass ich keine Männerkleidung trage! Lass das!"

    Salvatore entfuhr ein genervter Seufzer. Seit einer halben Stunde flanierten sie die belebte Überlinger Seepromenade entlang. Auch im September grünte und blühte die Uferbepflanzung noch üppig. Von den geschwungenen, weißen Bänken hatte man freien Blick auf den See. Der kalte Wind kräuselte das Wasser und trug den Geruch von See und Rosen mit sich. Alessia fror in ihrem engen, weißen Minikleid und den metallicfarbenen Stilettos mit Absätzen von gut 15 cm – beides aus der aktuellen Kollektion von Viktor & Rolf, wie sie ihm stolz erklärt hatte. Die ganze Zeit schon bemühte sich Salvatore, Alessia zum Anziehen seines Jacketts zu bewegen.

    Sie warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu und fuhr ihn an: „Salvatore! Du weißt doch, dass ich bei meinem Job immer phantastisch aussehen muss! Wer gibt einem Model schon Aufträge, wenn es wie eine deutsche Kartoffel aussieht? Du verstehst einfach nicht, was für ein Druck auf mir lastet!"

    Salvatore bereute sein mangelndes Einfühlungsvermögen. Er hasste es, mitansehen zu müssen, wie Alessia sich quälte und sich für ungenügend hielt. Seine wunderschöne Alessia! Und seine Aufgabe als ihr Freund war es doch, dafür zu sorgen, dass sie sich schön und begehrenswert fühlte.

    „Amore mio!, rief er aus, „Du bist immer wunderschön, egal was du trägst! Es gibt keine schönere Frau als dich! Aber wenn du das Jackett nicht anziehen willst, dann natürlich nicht, mein Engel. Obwohl du verdammt sexy damit aussehen würdest. Aber setzen wir uns doch auf die Bank da drüben und genießen den Blick auf den See, bis es deinen Füßen wieder bessergeht. Da sind wir auch raus aus dem Wind.

    Alessia stampfte mit dem Fuß auf, was Salvatore an ihr enorm mochte. Sie sah immer so putzig aus, wenn sie wütend wurde. Dann funkelten ihre aquamarinblauen Augen auch besonders hell.

    „Mein Kleid soll weiß bleiben!", verkündete sie empört. Galant breitete Salvatore sein Jackett auf der Bank aus, geleitete Alessia hinüber und wartete, bis sie sich gesetzt hatte. Er war froh, dass sie sich schon wieder Gedanken über die Farbe ihres Kleides machte. Offenbar zürnte sie ihm nicht länger. Frauen waren im Allgemeinen ja sehr empfindlich, was Kritik an ihrem Äußeren anging, aber Alessia als Model natürlich ganz besonders. Nie hätte er ihr gesagt, dass sie seiner Meinung nach nicht ganz passend gekleidet war für einen Bummel am Bodensee. Er wollte sie schließlich nicht verletzen.

    Im Gegenteil, er hatte diesen Ort ausgewählt, weil sie sich hier das erste Mal begegnet waren. Alessia hatte damals ein Fotoshooting für Garbor und Salva hatte während einer Fahrt mit seinem Ruderboot dort angelegt, um sich einen Espresso zu genehmigen. Er hatte die Augen von seinem Engel nicht mehr abwenden können.

    Salvatore sammelte seinen Mut. Nervös fuhr er sich durch sein volles, schwarzbraunes Haar, ließ die Schultern kreisen und fasste kurz in die rechte Tasche seines Jacketts. Er kniete vor Alessia nieder und räusperte sich.

    „Amore mio", begann er und blickte ihr tief in die Augen, während er ihre Hände zart mit den seinen umfasste.

    „Du bist die Frau meiner Träume, die Frau, die ich liebe und die Frau, mit der ich mein Leben verbringen möchte. Alessia, mein Engel, willst du meine Frau werden?" Salvatore zog das Etui aus der Tasche seines Jacketts, klappte es auf und beobachtete Alessia aufgeregt. Zu seiner Bestürzung sammelten sich Tränen in ihren wunderschönen, aquamarinblauen Augen und ihre Unterlippe begann zu zittern.

    Er sah bereits seine Welt einstürzen, als sie piepste: „Nur ein Aquamarin?. Eine Träne kullerte über ihre Wange. „Bin ich dir keine Diamanten wert? All meine Freundinnen werden mich auslachen! Du liebst mich nicht!, stieß sie hervor und schluchzte auf.

    „Doch, natürlich, mein Engel!", beeilte sich Salvatore zu versichern. Er bemühte sich, sie zu trösten. Sanft strich er ihr eine Strähne ihres langen, glatten blonden Haares zurück und trocknete die Tränenspur behutsam mit seinem Daumen. Innerlich empfand er Bestürzung, ließ sich aber nach außen hin nichts anmerken. Das sollte der glücklichste Tag ihres bisherigen Lebens werden und er hatte sie zum Weinen gebracht. Sie war ja noch so jung, gerade einmal 22 Jahre alt, und stammte – anders als er - nicht aus vermögenden Verhältnissen. Salvatore schalt sich in Gedanken. Natürlich wünschte sie sich da einen großen Diamanten, den sie stolz vor ihren Freundinnen herumzeigen konnte. Darauf hätte er von selbst kommen können.

    „Tesoro mio!", versuchte er zu erklären. „Du bist mir alle Juwelen dieser Welt wert! Ich wollte dir damit eine Freude

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