Dein Bild in meinem Herzen: Der Bergpfarrer 435 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Über dieses E-Book
Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert.
Mit einer wütenden Bewegung führte Robert Demant den Pinsel über das Bild. Es gab ein knirschendes Gräusch, als der Druck seiner Hand die Leinwand zerriß. Noch wütender schlug er mit der Faust darauf und verschmierte die Farben, so daß das Motiv, das zuvor ein Stilleben dargestellt hatte, nun aussah, als wäre es das Experiment eines modernen Künstlers. Dabei stieß er einen gequälten Schrei aus. Der Maler ließ Pinsel und Palette fallen, und stützte seinen Arm an ein Regal, das an der Wand des Ateliers stand. Dort wurden Töpfe und Tuben mit Farben, Pinsel und Lösungsmittel aufbewahrt. Außerdem stand eine halbvolle Ginflasche darin. Robert nahm die Flasche und schaute sie nachdenklich an. Nein, ging es ihm durch den Kopf, sich zu betrinken war keine Lösung. Sein Blick schweifte durch das Atelier. Es war der größte Raum in der Wohnung, die Robert vor mehr als zehn Jahren im Münchener Stadtteil Schwabing gemietet hatte. Sie befand sich im obersten Stock des Hauses. Für den Arbeitsraum hatte der Kunstmaler ein riesiges Fenster in das Dach einbauen lassen, um genügend Licht hereinzulassen. Überall standen Bilder, Leinwände, Rahmen und Staffeleien herum. Es roch nach Farbe und Terpentin, und es war seiner Zugehfrau strengstens verboten, das Atelier, außer zum Fensterputzen, zu betreten. Robert war der einzige, der sich in diesem Chaos auskannte. Nun sah er sich um und dachte darüber nach, was mit ihm geschehen war. Robert Demant galt seit Jahren als der führende malende Künstler. Nur zu gut erinnerte er sich an die Zeit davor. Mit Aufträgen von Banken und Versicherungen, die irgendwelche Bilder für ihre »Paläste«
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Dein Bild in meinem Herzen - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer
– 435 –
Dein Bild in meinem Herzen
Toni Waidacher
Mit einer wütenden Bewegung führte Robert Demant den Pinsel über das Bild. Es gab ein knirschendes Gräusch, als der Druck seiner Hand die Leinwand zerriß. Noch wütender schlug er mit der Faust darauf und verschmierte die Farben, so daß das Motiv, das zuvor ein Stilleben dargestellt hatte, nun aussah, als wäre es das Experiment eines modernen Künstlers. Dabei stieß er einen gequälten Schrei aus.
Der Maler ließ Pinsel und Palette fallen, und stützte seinen Arm an ein Regal, das an der Wand des Ateliers stand. Dort wurden Töpfe und Tuben mit Farben, Pinsel und Lösungsmittel aufbewahrt. Außerdem stand eine halbvolle Ginflasche darin. Robert nahm die Flasche und schaute sie nachdenklich an. Nein, ging es ihm durch den Kopf, sich zu betrinken war keine Lösung.
Sein Blick schweifte durch das Atelier. Es war der größte Raum in der Wohnung, die Robert vor mehr als zehn Jahren im Münchener Stadtteil Schwabing gemietet hatte. Sie befand sich im obersten Stock des Hauses. Für den Arbeitsraum hatte der Kunstmaler ein riesiges Fenster in das Dach einbauen lassen, um genügend Licht hereinzulassen. Überall standen Bilder, Leinwände, Rahmen und Staffeleien herum. Es roch nach Farbe und Terpentin, und es war seiner Zugehfrau strengstens verboten, das Atelier, außer zum Fensterputzen, zu betreten. Robert war der einzige, der sich in diesem Chaos auskannte.
Nun sah er sich um und dachte darüber nach, was mit ihm geschehen war.
Robert Demant galt seit Jahren als der führende malende Künstler. Nur zu gut erinnerte er sich an die Zeit davor. Mit Aufträgen von Banken und Versicherungen, die irgendwelche Bilder für ihre »Paläste« kauften, hielt er sich über Wasser. Aber, das war nicht das, was er eigentlich malen wollte. Seine Bilder sollten etwas mitteilen, eine Botschaft haben, den Menschen etwas Schönes bieten. Er entwickelte sich vom Expressionisten zum Naturalisten, bildete seine Umwelt naturgetreu in ihrer ganzen Schönheit ab. Offenbar traf er damit den Nerv der Zeit, seine Bilder verkauften sich schneller, als er malen konnte, und Robert war ein begehrter Gast auf allen möglichen Festen und Empfängen.
So ging es eine lange Zeit, doch seit Monaten schon spürte der Maler, daß »die Luft raus war«. Er mußte sich regelrecht dazu zwingen, Pinsel und Palette in die Hände zu nehmen, und mit Sorge beobachtete sein Galerist, wie der Künstler offensichtlich in eine Schaffenskrise geriet. Hinzu kam, daß eine große Ausstellung mit Werken von Robert Demant keinen besonderen Anklang fand. Das Publikum hatte sich anderen Stilrichtungen zugewandt, und die Kritiker fanden nur Worte der Häme für den Maler.
Er habe sich nicht weiter entwickelt, hieß es, seine Bilder wirkten auf den Betrachter wie das Spätwerk eines Hobbymalers, und überhaupt sei der Stil, den Robert Demant male, nicht mehr länger gefragt.
All dies führte dazu, daß der Maler sich mehr zurückzog, Einladungen ablehnte und, außer zu seinem Galeristen und der Putzfrau, jeden Kontakt vermied.
Robert wischte sich die Hände an einem alten Lappen ab, dessen ursprüngliche Farbe unter all den Farbtupfen nicht mehr zu erkennen war. Dann verließ er das Atelier und ging hinüber ins Wohnzimmer. Auch hier hingen und standen überall Bilder, Zeichnungen und Skizzen. Robert setzte sich in einen großen, alten Ohrensessel, den er vor Jahren, als er noch nicht so bekannt gewesen war, vom Sperrmüll gerettet hatte. Seither war es sein Lieblingssessel, in den sich außer ihm niemand setzen durfte. Obwohl der Maler inzwischen in der finanziellen Lage gewesen wäre, sich zehn solcher Sessel zu kaufen, mochte er sich doch nicht von dem guten, alten Stück trennen. Es erinnerte ihn immer wieder an die Zeit, als er vor der Frage stand, ob er das wenige Geld, das er hatte, für Farben oder Brot ausgeben sollte. Meistens hatte er sich für die Farben entschieden, denn Robert Demant war ein von seiner Kunst Besessener gewesen, der eher auf Essen verzichten konnte, als auf seine künstlerische Arbeit.
Mein Gott, wie lange war das schon her! Es kam ihm vor, als wäre es in einem anderen Leben gewesen.
Robert erinnerte sich an das letzte Gespräch mit Walter Murrer, dem Mann, dem er so viel zu verdanken hatte. Walters Galerie befand sich nahe dem Stachus in bester Lage. Seine Kunden kamen aus dem Adel und der Hochfinanz. Darunter waren etliche, die es als ihre Pflicht ansahen, junge Künstler als deren Mäzen zu unterstützen. Hatte Walter Murrer einmal einen Maler unter seine Fittiche genommen, so hatte dieser gute Chancen, eines Tages von seiner Kunst leben zu können. Das war auch bei Robert der Fall gewesen. Walter, der immer an ihn geglaubt hatte, vermittelte die Bekanntschaft eines reichen Geschäftsmannes, der den jungen Maler förderte. Damit begann sein Aufstieg.
»Du mußt fort aus München«, hatte Walter bei ihrem letzten Treffen gesagt. »Wann war dein letzter Urlaub? Vor beinahe drei Jahren. Also, setz’ dich in deinen Wagen und fahre irgendwohin. Spanne endlich einmal aus, tanke neue Kraft und komm mit neuen Ideen zurück!«
Warum nicht, dachte Robert. Es wäre wirklich einmal an der Zeit, alles hinter sich zu lassen. Etwas anderes zu sehen, andere Menschen kennenzulernen.
Am besten setzte er die Idee sofort in die Tat um, wenn er noch damit wartete – vielleicht überlegte er es sich dann doch wieder…
*
Sophie Tappert summte leise vor sich hin, während sie mit dem Staubsauger durch das Pfarrbüro fuhrwerkte. Wie alles, was sie tat, verrichtete Sophie auch diese Tätigkeit mit äußerster Sorgfalt. Dabei achtete sie darauf, ja nicht den Stapel Papiere durcheinander zu bringen, den Hochwürden auf seinem Schreibtisch liegen hatte. In der Küche simmerte unterdessen eine kräftige Fleischbrühe auf dem Herd. Frau Tappert warf einen Blick auf die Uhr. Gleich zwölf. Es würde nicht mehr lange dauern, und dann kam Max Trenker zum Essen. Eigentlich müßte er schon in der Tür stehen.
Der Bruder des Geistlichen, und Gendarm in St. Johann, war ein gern gesehener Gast im Pfarrhaus, der die Kochkünste der Haushälterin über alles zu schätzen wußte. Er ließ kaum eine Gelegenheit aus, an den Mahlzeiten teilzunehmen.
Nachdem auch das letzte Staubkörnchen im Sauger verschwunden war, schaltete Sophie Tappert das Gerät ab. Im gleichen Augenblick steckte Sebastian Trenker den Kopf durch die Tür.
»Ist mein Bruder noch net da?« fragte er.
Die Haushälterin hob die Schulter.
»Ich weiß auch net, wo er bleibt. Er müßt’ doch schon da sein.«
»Wie weit sind S’ denn mit dem Essen?« erkundigte Sebastian sich.
»Es ist alles soweit fertig. Bloß anrichten müßt’ ich noch.«
»Gut, dann warten wir halt noch fünf Minuten.«
Maximillian Trenker verspätete sich schließlich um eine geschlagene Viertelstunde. Als er endlich in der Pfarrküche am Tisch saß, machte er einen erschöpften Eindruck. Sophie Tappert hatte vorsorglich die Suppe auf kleiner Flamme gelassen, und füllte die Terrine neu.
»Was hat’s denn gegeben?« wollte Sebastian Trenker wissen.
Sein Bruder sah ihn an und rollte dabei mit den Augen.
»Ich komm’ g’rad vom Moosingerhof. Dem Anton haben’s in der Nacht sein nagelneues Auto gestohlen.«
»Was?« entfuhr es dem Pfarrer. »Schon wieder ein Autodiebstahl in