Wer sind meine Eltern?: Der Bergpfarrer 403 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Über dieses E-Book
Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert.
Es fiel Kathrin furchtbar schwer, die Wohnung ihrer verstorbenen Mutter zu betreten, aber sie wußte, daß es sein mußte. Vier Wochen nach der Beisetzung erwartete der Hauswirt nun, daß endlich alles ausgeräumt wird. Die Handwerker warteten darauf, renovieren zu können, und ein Nachmieter stehe auch schon fest. Die Dreiundzwanzigjährige atmete tief durch und schloß auf. Drinnen erwartete sie der typische Geruch, den sie seit ihrer Kindheit kannte. Schließlich hatte sie selber zwanzig Jahre hier gewohnt, und ihr altes Zimmer hatte immer noch dieselbe Tapete, wie bei ihrem Auszug. Das junge Madel sah sich um. Nichts hatte sich verändert, sei es das letzte Mal hier gewesen war, außer, daß die Mutter nicht mehr da war. Nie war Kathrin sich einsamer vorgekommen, als in diesem Augenblick. Sie war froh, als es an der Tür klingelte. Das konnten nur die Leute von der Caritas sein. Sie hatte dieser Einrichtung das Mobiliar, und alles, was sie selber nicht mehr brauchen konnte, zukommen lassen. In deren Werkstatt würden die besten Stücke überholt und aufgearbeitet werden und dann an Bedürftige weitergegeben. Kathrin hatte keine Verwendung für die Hinterlassenschaft. Zum einen paßte sie nicht zu ihrem Geschmack, mit den Kleidern ihrer Mutter konnte sie ohnehin nichts anfangen, und für Möbelstücke hatte sie in der kleinen Zweizimmerwohnung, die sie bewohnte, keinen Platz. Außer einigen persönlichen Dingen, etwas Schmuck, ein paar Fotoalben und ein Bild, das immer über dem Sofa hing, wollte sie nichts davon behalten. Das Ölgemälde hatte Kathrin schon als Kind fasziniert. Es zeigte eine Berglandschaft. Stundenlang konnte sie davor sitzen und es betrachten. Sie sah große, majestätisch wirkende Berge, eine Almhütte, darunter, viel kleiner, einen einsamen Bauernhof, auf der anderen Seite eine Sägemühle, deren Wasserrad von einem Gebirgsfluß gedreht wurde.
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Buchvorschau
Wer sind meine Eltern? - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer
– 403 –
Wer sind meine Eltern?
Toni Waidacher
Es fiel Kathrin furchtbar schwer, die Wohnung ihrer verstorbenen Mutter zu betreten, aber sie wußte, daß es sein mußte. Vier Wochen nach der Beisetzung erwartete der Hauswirt nun, daß endlich alles ausgeräumt wird. Die Handwerker warteten darauf, renovieren zu können, und ein Nachmieter stehe auch schon fest.
Die Dreiundzwanzigjährige atmete tief durch und schloß auf. Drinnen erwartete sie der typische Geruch, den sie seit ihrer Kindheit kannte. Schließlich hatte sie selber zwanzig Jahre hier gewohnt, und ihr altes Zimmer hatte immer noch dieselbe Tapete, wie bei ihrem Auszug.
Das junge Madel sah sich um. Nichts hatte sich verändert, sei es das letzte Mal hier gewesen war, außer, daß die Mutter nicht mehr da war. Nie war Kathrin sich einsamer vorgekommen, als in diesem Augenblick. Sie war froh, als es an der Tür klingelte. Das konnten nur die Leute von der Caritas sein. Sie hatte dieser Einrichtung das Mobiliar, und alles, was sie selber nicht mehr brauchen konnte, zukommen lassen. In deren Werkstatt würden die besten Stücke überholt und aufgearbeitet werden und dann an Bedürftige weitergegeben.
Kathrin hatte keine Verwendung für die Hinterlassenschaft. Zum einen paßte sie nicht zu ihrem Geschmack, mit den Kleidern ihrer Mutter konnte sie ohnehin nichts anfangen, und für Möbelstücke hatte sie in der kleinen Zweizimmerwohnung, die sie bewohnte, keinen Platz. Außer einigen persönlichen Dingen, etwas Schmuck, ein paar Fotoalben und ein Bild, das immer über dem Sofa hing, wollte sie nichts davon behalten. Das Ölgemälde hatte Kathrin schon als Kind fasziniert. Es zeigte eine Berglandschaft. Stundenlang konnte sie davor sitzen und es betrachten. Sie sah große, majestätisch wirkende Berge, eine Almhütte, darunter, viel kleiner, einen einsamen Bauernhof, auf der anderen Seite eine Sägemühle, deren Wasserrad von einem Gebirgsfluß gedreht wurde. Dazwischen verstreut, Menschen bei der Arbeit.
Auch später hatte Kathrin Berger dieses Bild immer wieder gerne angeschaut, ohne sich erklären zu können, woher diese magische Anziehungskraft rührte. Auf ihre Frage, ob es diese Landschaft wirklich gebe, oder ob sie das Phantasieprodukt des Malers sei, dessen Initialien A.B. waren, hatte ihre Mutter immer nur geheimnisvoll gelächelt und gemeint, eines Tages würd’ sie es selbst herausfinden.
Natürlich hatte Kathrin es versucht. Immer wenn sie in den Bergen Ferien machte, suchte sie eine Ähnlichkeit zu finden, zwischen dem, was sie gerade sah, und dem Ölbild. Es war ihr nie gelungen. Auch über den Maler erfuhr sie nichts weiter. Sie vermutete, daß er ein unbekannter Hobbykünstler war, der es nie zu Ruhm und Ehre gebracht hatte.
Die Leute von der Caritas hatten die Wohnung geräumt. Nun konnte sich das Madel daran machen, die Räume zu fegen und zu wischen. Besenrein sollte die Übergabe am nächsten Tag erfolgen. Nach zwei Stunden hatte sie es geschafft. Es war ein hartes Stück Arbeit gewesen, aber alles blitzte und blinkte. Zufrieden schaute Kathrin Berger sich um. Der Vermieter würde nichts beanstanden können.
Ein Karton mit den persönlichen Dingen und das Bild an der Wand – das war alles, was von einem Menschen übrig geblieben war, der mehr als fünfzig Jahre hier drinnen gelebt hatte.
Einen Moment verharrte Kathrin und sprach ein stummes Gebet für die Mutter, dann nahm sie das schwere Bild von der Wand. Es hatte einen massiven, verschnörkelten Rahmen, der mit Blattgold belegt war. Auf der Rückseite waren zwei Drähte über Kreuz gespannt, die dazu dienen sollten, den Rahmen mehr Stabilität zu verleihen.
Und zwischen diesen Drähten steckte ein vergilbter Briefumschlag!
Kathrin wurde plötzlich ganz aufgeregt. War in diesem Umschlag möglicherweise ein Hinweis auf den Maler? Sollte sie nun endlich erfahren, wonach sie all die Jahre gefragt, aber nur ausweichende Antworten erhalten hatte?
Der Brief mußte schon sehr lange hinter den Drähten klemmen, so verstaubt war er. Das Madel bemerkte, daß der Umschlag nicht zugeklebt war. Es öffnete ihn und zog ein Blatt Papier heraus. Die Finger zitterten vor Aufregung, als Kathrin es auseinanderfaltete und plötzlich ihren Namen las.
Liebe Kathrin..., stand dort...
*
Kein Zweifel, das war die Handschrift ihrer verstorbenen Mutter, und der Brief war an sie gerichtet!
Begierig las sie weiter, das Schreiben begann wie ein Vermächtnis.
Wenn Du diesen Brief in den Händen hältst, dann werde ich nicht mehr bei Dir sein. Erinnerst Du Dich, daß Du Papa und mich immer gefragt hast, ob es diese Berge wirklich gebe, oder ob der Maler sich das Motiv nur ausgedacht habe? Ja, es gibt sie, diese gewaltigen Berge. Sie erinnerten uns immer an unsere schönste Zeit, denn dort, im Wachnertal, haben wir Dich bekommen. Was Du siehst, wenn Du das Bild betrachtest, ist Deine Heimat, liebe Kathrin.
Sie ließ das Papier sinken. Merkwürdig, dachte sie, Mama und Papa haben mir nie erzählt, daß ich woanders geboren bin.
Solange sie zurückdenken konnte, lebte und wohnte die Familie in einem kleinen Ort in der Nähe von Kempten, im Allgäu, Kathrin hatte bisher immer geglaubt, daß sie hier zur Welt gekommen wäre.
Sie las weiter.
Was ich Dir jetzt schreibe, wird Dich überraschen, vielleicht wird es Dir sogar weh tun, denn es ändert alles, was Du bisher über Dich und Deine Eltern gewußt hast. Nein, ich muß sagen, von den Menschen gewußt hast, von denen Du glaubtest, sie wären Deine Eltern.
Papa und ich haben dich vor vielen Jahren adoptiert...
Kathrin konnte nicht weiterlesen. Das Blut rauschte in ihren Ohren, und ihr Herz klopfte bis zum Hals hinauf. Sie wollte es nicht begreifen, und doch stand es da, schwarz auf weiß – Hermann und Thea Berger waren nicht ihre leiblichen Eltern!
Sie schluckte den dicken Kloß hinunter, der in ihrem Hals steckte und schaute auf das Papier.
Bitte glaube uns, wir haben Dich geliebt, als wärest Du unser eigen Fleisch und Blut, und für uns bist Du das auch immer gewesen! Wir haben uns jahrelang Kinder gewünscht, doch ist uns dieser Wunsch versagt geblieben. Als wir dann die Möglichkeit geboten bekamen, Dich an kindesstatt anzunehmen, erschien uns diese Gelegenheit wie ein Geschenk des Himmels, und wir griffen zu. Durch einen Rechtsanwalt wurde die Adoption in die Wege geleitet, es dauerte eine Weile, bis wir Dich endlich in den Armen halten durften. Doch dann begann die schönste Zeit unseres Lebens.
Du fragst Dich vielleicht, warum wir nie mit Dir darüber gesprochen haben – Papa hatte befürchtet, daß der Schock zu groß für Dich sein würde, und Du Dich von uns zurückziehen könntest. Noch auf dem Sterbebett nahm er mir das Versprechen ab, dafür zu sorgen, daß Du erst alles erfahren sollst, wenn wir beide einmal nicht mehr sind. Nun, wo