Was wird stärker sein?: Leni Behrendt Bestseller 61 – Liebesroman
Von Leni Behrendt
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Die Dame, die in einem Badeort an der Riviera gemächlich die schattige Promenade entlang spazierte, schrak zusammen, als sich von rückwärts ein Arm unter den ihren schob. »Tante Linda, du hast schon mal schlauer ausgesehen.« »Kann ich mir denken«, kam es gleichfalls lachend zurück. »Moment mal – so langsam beginnt es in meinem vor Schreck gelähmten Hirn zu tagen. Solltest du etwa Donata Hoog sein?« »Bin ich.« »Na, so was.« Sie besah sich kopfschüttelnd ihr reizendes Gegenüber. »Ausgerechnet hier müssen wir uns begegnen, nachdem wir seit dem Tod deiner Mutter nichts mehr voneinander hörten. Warum hast du dich auf meinen Brief nicht gemeldet, du böses Kind?« »Weil wir damals gerade im Umzug begriffen waren und der Brief in dem Wirrwarr verlorenging, bevor ich ihn gelesen hatte.« »Was war das denn für ein Umzug?« »Werde ich dir gleich erklären. Doch da es mit wenigen Worten nicht gesagt ist, setzen wir uns auf diese Bank – das heißt, wenn du willst.« »Natürlich will ich. Komm schon.« Als man Platz genommen hatte, musterte die Ältere ihre Nachbarin eingehend und sagte dann gedehnt: »Hübsch warst du ja schon immer, Dodo – aber jetzt bist du –« »Genier dich nicht«, lachte das Mädchen, als die Tante vielsagend innehielt.
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Was wird stärker sein? - Leni Behrendt
Leni Behrendt Bestseller
– 61 –
Was wird stärker sein?
Leni Behrendt
Die Dame, die in einem Badeort an der Riviera gemächlich die schattige Promenade entlang spazierte, schrak zusammen, als sich von rückwärts ein Arm unter den ihren schob.
Herumfahrend sah sie in ein strahlendes Mädchengesicht, und eine lachende Stimme sprach:
»Tante Linda, du hast schon mal schlauer ausgesehen.«
»Kann ich mir denken«, kam es gleichfalls lachend zurück. »Moment mal – so langsam beginnt es in meinem vor Schreck gelähmten Hirn zu tagen. Solltest du etwa Donata Hoog sein?«
»Bin ich.«
»Na, so was.« Sie besah sich kopfschüttelnd ihr reizendes Gegenüber. »Ausgerechnet hier müssen wir uns begegnen, nachdem wir seit dem Tod deiner Mutter nichts mehr voneinander hörten. Warum hast du dich auf meinen Brief nicht gemeldet, du böses Kind?«
»Weil wir damals gerade im Umzug begriffen waren und der Brief in dem Wirrwarr verlorenging, bevor ich ihn gelesen hatte.«
»Was war das denn für ein Umzug?«
»Werde ich dir gleich erklären. Doch da es mit wenigen Worten nicht gesagt ist, setzen wir uns auf diese Bank – das heißt, wenn du willst.«
»Natürlich will ich. Komm schon.«
Als man Platz genommen hatte, musterte die Ältere ihre Nachbarin eingehend und sagte dann gedehnt: »Hübsch warst du ja schon immer, Dodo – aber jetzt bist du –«
»Genier dich nicht«, lachte das Mädchen, als die Tante vielsagend innehielt. »Womit du zurückhältst, habe ich schon zur Genüge zu hören gekriegt.«
»Natürlich von Herren«, kam es trocken zurück. »Ich will mich nicht wundern, wenn du bereits verheiratet bist.«
»Das zwar nicht – aber ich werde mich wahrscheinlich nächstens verloben.«
»Also. Und nun erzähle, wie es dir in den zwei Jahren, da wir nichts voneinander hörten, ergangen ist. Wie ich mich erinnere, wolltest du studieren.«
»Dazu kam es nicht, Tante Linda. Ich hatte gerade das Abitur gemacht, als meine Mutter starb. Auf Wunsch meines Vormunds und Onkels – des Rechtsanwalts und Notars Doktor Erwin Hoog, den du ja auch kennst – löste ich die Wohnung auf und siedelte in sein Haus über. Kurz darauf erbte er von einem uralten Onkel ohne Anhang in Kanada eine riesige Farm, mit der er als Jurist zuerst nichts anzufangen wußte. Doch da er der Erbschaft, wozu noch eine Menge Geld gehörte, nicht verlustig gehen wollte, sah er sich den landwirtschaftlichen Betrieb zuerst einmal an Ort und Stelle an. Aber nicht allein. Dafür hängt er zu sehr an seiner Familie, die aus seiner Frau, seinem Sohn, Schwiegertochter, Enkel und einer nachgeborenen Tochter besteht, die jetzt zwölf Jahre alt ist. Sie alle mußten mit – und ich auch. Denn er hatte meinem Vater, der, wie du ja weißt, sein Vetter und Sozius war, kurz vor dessen Tod in die Hand versprochen, väterlich über sein Kind zu wachen und es nie aus den Augen zu lassen. So nahm er mich denn mit, und ich muß schon sagen, daß ich als vollwertiges Mitglied der Familie ein herrliches Leben führte –«
»Wahrscheinlich als Luxusgeschöpf«, warf ihre aufmerksame Zuhörerin ein. »Denn so siehst du nämlich aus. Und was wurde aus der gutgehenden Anwaltspraxis?«
»Die übergab er einem langerprobten Mitarbeiter zu treuen Händen und sah außerdem jedes Vierteljahr selbst nach dem Rechten. Sein neuer Beruf, von dem er ja keine Ahnung hatte, machte ihm zuerst Schwierigkeiten. Sein Sohn jedoch, auch ein Jurist, fand sich mit erstaunlicher Sicherheit in die neuen Verhältnisse hinein.
Natürlich ging diese Umstellung nicht von heute auf morgen. Es gehörte schon längere Zeit dazu, um so richtig fit zu werden. Jetzt ist er es längst, und seine Frau ist ihm die beste Mitarbeiterin. Das Ehepaar fühlt sich in den glänzenden Verhältnissen so wohl, daß es keine Lust verspürt, in die alten zurückzukehren.
Auch Onkel Erwin fühlt sich dort ganz wohl, zumal er ja, wie ich bereits erwähnte, jedes Vierteljahr in die alte Heimat zurückkehrt und dort ungefähr zwei Wochen bleibt. Seiner Frau hingegen machte das Heimweh so arg zu schaffen, daß sie nach und nach fast tiefsinnig wurde.
So kehrte denn der besorgte Gatte mit ihr, seiner Tochter und auch mit mir in die alte Heimat zurück, wo wir nun seit einem halben Jahr wieder unseren festen Wohnsitz haben. Wenn wir Sehnsucht nach drüben verspüren, können wir ja jederzeit hinfahren; denn Kanada ist ja schließlich nicht aus der Welt.
Na ja – und dann lernte ich einen Mann kennen, der mir so gut gefiel, daß ich mich am Tag meiner Volljährigkeit mit ihm verloben wollte.
Allein dazu sollte es nicht kommen, weil ich vorher erkrankte. Eine verschleppte Grippe, die mir so zusetzte, daß man mich auf Rat des Arztes zur völligen Genesung nach Italien schickte, und zwar in Begleitung einer Dame unseres Bekanntenkreises, der es so ähnlich erging wie mir.
Also taten wir uns zusammen und hatten uns nach vier Wochen so prächtig erholt, daß wir, ohne Schaden zu nehmen, nach Hause zurückkehren konnten. Aber meine Begleiterin wollte noch ein bißchen durch die Gegend bummeln, wozu sich auch der Herr Gemahl einstellte. Da ich jedoch keine Lust hatte, mich ihnen anzuschließen, trat ich allein die Rückreise an, machte in diesem idyllischen Ort Station – und fand auf dem Spaziergang dich, Tante Linda. Bist du schon lange hier?«
»Fünf Wochen. Ich war nach einer schweren Operation so herunter, daß der Arzt einen Aufenthalt im Süden für unbedingt erforderlich hielt, solange das rauhe Wetter zu Hause anhält. Die Kur hier hat mir auch wirklich gutgetan. Ich fühle mich so frisch und gesund, daß ich nächste Woche nach Hause fahren werde. Wann gedachtest du deine unterbrochene Reise fortzusetzen?«
»Eigentlich morgen. Aber nun möchte ich solange bleiben, bis auch du abfährst, Tante Linda. Das heißt, wenn es dir recht ist.«
»Aber sehr, mein Kind.«
»Danke. Wo wohnst du?«
»In einer Pension, einfach, aber behaglich.«
»Ob auch ich da ein Zimmer bekommen könnte?«
»Ich glaube schon. Wenn nicht, könnten wir zusammenziehen.«
»O wie schön! Ich freue mich ja so sehr, daß ich dir hier begegnete. Habe oft genug an dich gedacht –«
»So?« warf die andere skeptisch ein. »Ei, wenn du dieses Gedenken mal schriftlich kundgetan hättest –«
Da lief das Gesichtchen rot an und senkte sich verlegen.
»Ach, weißt du, Tante Linda, ich bin so entsetzlich schreibfaul –«
»Aha! Na lassen wir das. Aber wird dein Vormund auch damit einverstanden sein, daß du die Heimreise, die du doch sicher schon angekündigt hast, hinausschiebst?«
»Er ist mein Vormund nicht mehr; denn seit drei Monaten bin ich mündig. Trotzdem respektiere ich immer noch sein Gebot und werde daher telefonisch seine Einwilligung zu dem Aufenthalt hier einholen. Allerdings müßtest auch du mit ihm sprechen, damit er weiß, daß ich ihm kein X für ein U machen will«, schloß Donata lachend, und amüsiert fiel die andere ein:
»Vorsicht ist immer besser als Nachsicht. Aber sag mal, mein Herzchen, hast du denn gar keine Sehnsucht danach, deinem Verlobten auf Flügeln der Liebe in die weitgeöffneten Arme zu fliegen?«
»Soweit sind wir noch lange nicht, meine spöttische Tante Linda.«
»Nein? Nun, was nicht ist, kann bestimmt noch werden. Und nun wollen wir uns in die Pension begeben, um dort die Lage zu peilen.«
So machten sie sich denn auf den Weg und hatten wenig später die nette Pension erreicht, wo gerade das Zimmer neben dem der Baronin Brandegg freigeworden war. Mit Freuden wollte Donata Hoog es beziehen – aber zuerst mußte ihr Exvormund damit einverstanden sein.
So meldete sie denn ein Gespräch an und bekam den Begehrten an den Apparat. Sie erklärte ihm ihr Vorhaben, das er mit Mißtrauen aufnahm.
Doch nachdem die Baronin, die dem Anwalt bekannt war, die Richtigkeit von Donatas Anliegen bestätigt hatte, gab der vorsichtige Herr seine Einwilligung.
»Na, siehst du, mein Kind, das war doch ganz einfach.« Die Baronin legte schmunzelnd den Hörer hin. »Ohne meine Bestätigung hättest du bei deinem Zerberus wohl kaum etwas ausgerichtet. Wohl dem jungen Menschenkind, das so treu behütet wird. Nun hole dein Gepäck her, und dann wollen wir uns hier gemütlich einrichten.«
*
Es war eine Woche später, als die beiden Damen auf dem Balkon beim Frühstück saßen, vor sich das südliche blaue Meer, über sich den unwahrscheinlich blauen Himmel. Und das zu Anfang März, wo in der Heimat der Winter dem herannahenden Frühling nicht weichen wollte.
Dennoch sehnte Baronin Linda von Brandegg sich nach Hause zurück, also hatte sie ihre Ankunft für nächste Woche avisiert bei ihrem Sohn, mit dem sie auf dem Stammgut Brandegg lebte. Ein großer Besitz, der von dem jetzigen Herrn trotz knappster Mittel in vorbildlicher Weise bewirtschaftet wurde. Daher mußte jede unnötige Ausgabe vermieden werden. Und den Aufenthalt hier hielt die Baronin jetzt für unnötig.
Die zierliche Frau, die mit ihren dreiundfünfzig Jahren noch so überraschend jugendlich wirkte und der man ihre vornehme Abstammung sozusagen sieben Meilen gegen den Wind ansah, hatte mit ihrem vor zwei Jahren verstorbenen, um fünfzehn Jahre älteren Gatten eine glückliche Ehe geführt. Ein feiner Mensch war er gewesen, herzensgut, verläßlich und treu. Nur ein Landwirt war er nicht. Hätte er nicht so tüchtige Mitarbeiter gehabt, so hätte er wohl mit der Zeit vollständig abgewirtschaftet, wie es in der Bauernsprache heißt.
Zum Glück war sein Sohn ein Landwirt durch und durch. Als Rüdiger nach dem landwirtschaftlichen Studium seinem Vater tatkräftig zur Hand ging, wehte in dem Betrieb gleich ein frischer Wind. Leider konnte der Baron sich nur wenige Jahre an der Tüchtigkeit seines prächtigen Jungen erfreuen, dann raffte eine tückische Krankheit ihn in wenigen Tagen dahin.
Es war ein harter Schlag für den jungen Baron, den Mann, der ihm ein so guter Vater und Freund gewesen war, so schnell und ungeahnt hergeben zu müssen. Außerdem begann seine Mutter, die dem treuen Lebenskameraden schmerzlich nachtrauerte, zu kränkeln. Ihr Zustand verschlimmerte sich immer mehr, so daß eine Operation notwendig wurde, von der sie sich nicht erholen konnte. Und als der Arzt dem besorgten Sohn riet, seine Mutter während der rauhen Witterung zu einer Kur nach dem Süden zu bringen, geschah es, ohne auf ihr Sträuben zu achten. Und wie gut er daran tat, bewies die völlige Genesung der Mutter.
Diese sah soeben gespannt dem Mädchen entgegen, das die Post brachte. Erfreut griff sie nach dem Brief des Sohnes, während Donata zwei Briefe in Empfang nahm. Einer war von dem früheren Vormund, der andere von dem Verlobten in spe.
Dieses Schreiben las sie zuerst. Es war der Erguß eines Verliebten, der sich beklagte, daß er jetzt noch länger auf der Angebeteten Rückkehr warten mußte – und auf den ersten Kuß, den er doch mit so großer Ungeduld ersehnte. Dann folgten noch verliebte Redensarten, die Donata zu langweilen begannen. Es war ja auch immer dasselbe, was er schrieb.
Von dem zweiten Brief jedoch wurde sie stark gefesselt. Was Onkel Erwin ihr da mitteilte, konnte schon zur Beunruhigung Anlaß geben.
Unsicher sah sie zu der Baronin hinüber, die sich nach dem Lesen ihres Briefes noch eine Tasse Kaffee eingeschenkt hatte, welchen sie mit Behagen trank. Als Donata auch den zweiten Brief in den Umschlag steckte, fragte sie mit einem forschenden Blick:
»Keine guten Nachrichten?«
»Woraus schließt du das, Tante Linda?«
»Aus deiner mißmutigen Miene. Von wem ist denn der Brief?«
»Von Onkel Erwin. Er schreibt – aber am besten ist, du liest es selbst.«
Nachdem die Dame es getan hatte, sagte sie betroffen:
»Wenn es wirklich stimmen sollte, was dein Onkel da schreibt, wirst du die Konsequenzen ziehen müssen. Würde dir das sehr nahegehen, mein Kind?«
»Es würde mir nicht gerade das Herz brechen, aber eine Enttäuschung wäre es schon. Jedenfalls werde ich nichts unternehmen, sondern abwarten, bis Onkel Erwin klare Beweise für das hat, was ihm zugetragen wurde. Dann allerdings kriegt der Charmeur den Laufpaß. Denn mit so einem Ehemann würde ich mir mein Leben verpfuschen.«
»Da hast du recht. Doch wie der Onkel schreibt, gedenkt der Herr dich hier mit seiner Ankunft zu überraschen. Da steht dir ja noch viel bevor.«
»Wozu ich es erst gar nicht kommen lassen will. Ich werde ihm ausweichen,