Ich will nicht mehr allein sein: Fürstenkinder 84 – Adelsroman
Von Gisela Heimburg
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Über dieses E-Book
Ihre Lebensschicksale gehen zu Herzen, ihre erstaunliche Jugend, ihre erste Liebe – ein Leben in Reichtum, in Saus und Braus, aber oft auch in großer, verletzender Einsamkeit.
Große Gefühle, zauberhafte Prinzessinnen, edle Prinzen begeistern die Leserinnen dieser einzigartigen Romane und ziehen sie in ihren Bann.
»Schau, Birte, da unten liegt das Haus deiner Tante Juliane. Dort wirst du nun in Zukunft leben.« »Prrrr!« machte Birte, und der Esel, auf dem sie saß, verhielt den Schritt. Das kleine Mädchen starrte in die Richtung, in die ihre alte Tante Dörthe wies. Eigentlich war Dörthe Paulsen ja nicht die richtige Tante, aber Birte kannte die Haushälterin ihres Großvaters, solange sie zurückdenken konnte. »Oh!« Birtes Augen wurden so groß und rund wie der Mund. »Das ist ja ein richtiges Schloß, so weiß, und wie das in der Sonne flimmert! Es ist das Schloß der Schneekönigin und hat goldene Fenster.« Die Sonne ließ die unzähligen Fenster tatsächlich golden aufblitzen. »Ist nicht alles Gold, was glänzt«, murmelte die alte Dörthe Paulsen. »Und überhaupt, Birte, du solltest jetzt aufhören, solche Geschichten zu erzählen. Die Leute denken sonst, daß du spinnst. Oder sie glauben, du willst sie anlügen, denn sie kennen dich ja nicht genau.« »Hm!« machte Birte. Sie war mit ihren Gedanken bereits im Märchenschloß und hatte gar nicht richtig hingehört. Außerdem waren ihr diese Ermahnungen doch sehr geläufig.
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Buchvorschau
Ich will nicht mehr allein sein - Gisela Heimburg
Fürstenkinder
– 84 –
Ich will nicht mehr allein sein
Unveröffentlichter Roman
Gisela Heimburg
»Schau, Birte, da unten liegt das Haus deiner Tante Juliane. Dort wirst du nun in Zukunft leben.«
»Prrrr!« machte Birte, und der Esel, auf dem sie saß, verhielt den Schritt.
Das kleine Mädchen starrte in die Richtung, in die ihre alte Tante Dörthe wies. Eigentlich war Dörthe Paulsen ja nicht die richtige Tante, aber Birte kannte die Haushälterin ihres Großvaters, solange sie zurückdenken konnte.
»Oh!« Birtes Augen wurden so groß und rund wie der Mund. »Das ist ja ein richtiges Schloß, so weiß, und wie das in der Sonne flimmert! Es ist das Schloß der Schneekönigin und hat goldene Fenster.«
Die Sonne ließ die unzähligen Fenster tatsächlich golden aufblitzen.
»Ist nicht alles Gold, was glänzt«, murmelte die alte Dörthe Paulsen. »Und überhaupt, Birte, du solltest jetzt aufhören, solche Geschichten zu erzählen. Die Leute denken sonst, daß du spinnst. Oder sie glauben, du willst sie anlügen, denn sie kennen dich ja nicht genau.«
»Hm!« machte Birte. Sie war mit ihren Gedanken bereits im Märchenschloß und hatte gar nicht richtig hingehört. Außerdem waren ihr diese Ermahnungen doch sehr geläufig.
Dörthe Paulsen deutete das Schweigen des Mädchens auf ihre Art. »Sei nicht traurig, Birte. Vielleicht ist sie ja auch sehr nett zu dir.« Sie strich mit ihrer verarbeiteten Hand ein paar lose Haare aus Birtes Stirn –, kleine Locken, die sich trotz der straff geflochtenen Zöpfe immer selbständig machten.
Birte sah erstaunt auf. Warum sollte sie traurig sein, wenn sie in so ein Märchenschloß kam?
»Ich hätte dich ja gern behalten, aber ich…« Dörthe Paulsen fingerte ein blaukariertes Taschentuch aus ihrer unergründlichen Handtasche und fuhr sich über die Augen.
Jetzt fühlte sich Birte verpflichtet, sie ihrerseits zu trösten. »Weine man nicht, Tante Dörthe. Das Haus von deinen Kindern, in das du ziehst, ist sicher auch ganz schön! Und dann kannst du mich im Schloß ja auch mal besuchen.«
»Ach, Kind!« seufzte die alte Frau. Wie gut, daß Birte den großen Wandel gar nicht bgriff, der ihr bevorstand. Ein Schloß, ja, aber hoffentlich wird das Kind nicht darin frieren, Kinder brauchen ein warmes Nest, kein Schloß.
Dörthe Paulsen konnte es nicht ändern. Sie seufzte.
»Komm, wir wollen weiter!« Birte hieb ihrem Esel die Hacken in die Weichen, und sie setzten sich wieder in Bewegung. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
Ob das Schloß auch einen Stall hat? grübelte Birte besorgt.
Und Dörthe Paulsen dachte, daß der Großvater Birtes viel zu früh verschieden war. Jetzt hatte das kleine Mädchen außer ihrer Tante Juliane, die sie gar nicht kannte, überhaupt keinen Menschen mehr auf der Welt.
Schweigend erreichten sie das große schmiedeeiserne Tor. Es stand einen Spaltbreit offen.
Birte stieg ab und öffnete es weit, damit Ulli, ihr Esel, bequem hindurch konnte. Dann schloß sie das schwere Tor wieder sorgfältig hinter sich und warf den Zügel des Grautiers lässig über den nächsten Strauch. Der Esel begann sofort auf der großen Rasenfläche zu grasen, während Birte und ihre Tante Dörthe auf das Portal mit den vier weißen Säulen zugingen.
Verschüchtert blieb die alte Frau vor der wuchtigen, mit blitzendem Messing beschlagenen Eichentür stehen. Ratlos blickte sie sich um.
»Mußt klingeln«, sagte Birte.
»Ich sehe keine Klingel.« Dörthe Paulsen klopfte vorsichtig mit dem Fingerknöchel gegen das harte Holz.
»Das ist viel zu leise, das hört keiner!« Birte hatte zwar noch nie einen Türklopfer gesehen, aber ihr fiel auf, daß sich der goldene Löwenknopf bewegen ließ. Sie hob ihn an, und mehr aus versehen glitt er ihr aus den kleinen Fingern.
Dörthe Paulsen fuhr bei dem dumpfen Dröhnen erschreckt zusammen.
»Aber Kind, was machst du denn?« flüsterte sie. »Und nun kommt auch gleich einer. Ach, entschuldigen Sie, das war die Kleine.« Ehrfurchtsvoll sah sie zu dem großen Mann in der goldbetreßten Uniform auf.
Sein unbewegtes Gesicht irritierte die alte Frau. »Es war ein Versehen.«
Als er nun auch noch seine buschigen Augenbrauen in die Höhe zog, geriet sie völlig aus der Fassung und schwieg.
»Sie wünschen bitte?« Der dunkle Baß war nicht unfreundlich, klang aber absolut unpersönlich.
»Ich… wir… Frau von Bahlen…«
»Brauchst keine Angst zu haben«, flüsterte jetzt Birte, die nach der Hand ihrer Tannte Dörthe gefaßt hatte. »Er tut nur so streng.«
Jetzt erst wandte der Butler des großen Schlosses seine Aufmerksamkeit dem kleinen Mädchen zu.
»Los doch, Tante Dörthe!« flüsterte Birte.
Dann gab sie sich einen Ruck und sagte selbst, was sie für nötig hielt: »Wir möchten gern zu meiner Tante Juliane. Sind Sie ihr General?«
Der Butler verzog keine Miene. »Ach, dann ist dies das kleine Fräulein Birte Hansen?«
»Ja, aber sagen Sie einfach Birte, nicht Fräulein!
»Bitte warten Sie hier«, wandte sich der Butler an Dörthe Paulsen. »Ich werde Sie der Frau Gräfin melden.«
Sie traten in die große Diele, aus der viele Türen in alle Richtungen abgingen. Eine breite Treppe schwang sich in kühnem Bogen in die Höhe. Alles war in Weiß, Gold und Rot gehalten und forderte Birtes lebhafte Phantasie geradezu heraus. Der rote Teppich und der dicke rote Läufer auf der Treppe konnten nur eines bedeuten.
»Da oben wohnt ein Prinz«, flüsterte sie ehrfurchtsvoll.
»Ja, ja«, sagte Dörthe Paulsen nervös. »Nun sei mal still.« Ihr war zumute wie im Wartezimmer beim Zahnarzt.
Aber es erschien kein Prinz, sondern Tante Juliane.
Birte hatte genügend Zeit, sie zu begutachten, während sie die lange Treppe herabschritt.
Sie war groß und sehr schlank und hielt sich gerade. Sie hatte silberweiße Löckchen und ein rundes Gesicht mit ernsten, forschenden grauen Augen. Unter ihrem Kinn saß eine Jugendstilbrosche mit Perlen und Rubinen, die Birte ungemein interessierte. Dieses Schmuckstück gab dem schlichten grauen Kleid die entsprechende Vornehmheit.
Birte flüchtete sich wieder zu Dör-the Paulsen. Eine so feiner Tante war ihr unheimlich!
Als Juliane Gräfin Bahlen den beiden Ankömmlingen die Hand reichte, sah Birte einen Brillanten blitzen. Ehrfurchtsvoll versank sie in einen tiefen Knicks.
Ein sparsames Lächeln umspielte für eine Sekunde die dünnen Lippen der Gräfin.
»So, das ist also die Birte! Ich hoffe, es wird dir hier gefallen.«
Birte nickte begeistert. »Bestimmt!« sagte sie im Brustton der Überzeugung. Und sie fügte hinzu: »Wohnt da oben ein Prinz?«
»Aber nein! Wie kommst du da-rauf?« fragte die Gräfin.
»In diesem Haus lebt niemand außer mir.«
»Ganz allein in dem großen Schloß?« staunte Birte. »Und wo wohnt der General?«
»Was für ein General? Du stellst eigenartige Fragen, Kind.«
Dörthe Paulsen drehte nervös an ihrem Mantelknopf. »Birte denkt sich immer Geschichten aus. Na ja, sie hat bisher immer auf einer kleinen Insel gelebt«, setzte sie entschuldigend hinzu, als ob das alles erkläre.
»Du hast jetzt also zum ersten Mal eine größere Reise unternommen, Birte?« fragte die Gräfin.
»Hm!« machte Birte. Sie war viel zu sehr von ihrer Umgebung fasziniert, als daß sie ein Gespräch hätte führen können.
Die Gräfin wandte sich Dörthe Paul-sen zu. »Sie waren die Wirtschafterin meines verstorbenen Bruders, nicht wahr? Leider habe ich nicht zur Beerdigung kommen können, meine Gesundheit ließ es nicht zu.«
Dörthes Augen huschten scheu über die hohe Gestalt. Krank sah die Gräfin eigentlich nicht aus. Aber sie hatte mit ihrem Bruder kaum Verbindung gehabt. Seit sie Gräfin geworden war, konnte ein Kapitän in ihren Augen wohl nicht bestehen…
»Ja, dann will ich mal wieder gehen«, sagte Dörthe und ließ ihren Mantelknopf los. »Ich fahre heute noch weiter zu meinen Kindern.«
»Ach, aber dann lassen Sie sich doch wenigstens in der Küche eine Tasse Kaffee geben.«
»Gibt es Kuchen?« fragte Birte interessiert.
»Ja, Kuchen ist sicher auch da«, erklärte die Gräfin.
»Na, dann komm, Tante Dörthe«, sagte das Mädchen. »Ich habe auch Hunger.«
»Aber nein, Kind!« rief die Gräfin empört. »Du nimmst natürlich mit mir den Tee.«
»Ooooch«, machte Birte gedehnt. »Ich mag aber viel lieber Kaffee! Wenn du nicht allein trinken willst, Tante Juliane, dann komm doch auch mit in die Küche.«
Juliane Gräfin Bahlen lächelte dünn.
Dörthe Paulsen rettete die Situation.
»Ich glaube, ich habe gar keine Zeit mehr. Ich muß unbedingt den nächsten Zug erreichen. Meine Kinder holen mich vom Bahnhof ab.«
»Ja, dann will ich Sie nicht länger aufhalten«, erwiderte die Gräfin erleichtert.
Sie gingen zur Tür, und Birte rief noch: »Besuch mich bald mal, Tante Dörthe!«
Dörthe Paulsen hob die Hand, aber es war ein trauriges Winken. Sie wußte,