Die Enkel der Frau Baronin: Fürstenkinder 83 – Adelsroman
Von Marianne Schwarz
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Über dieses E-Book
Ihre Lebensschicksale gehen zu Herzen, ihre erstaunliche Jugend, ihre erste Liebe – ein Leben in Reichtum, in Saus und Braus, aber oft auch in großer, verletzender Einsamkeit.
Große Gefühle, zauberhafte Prinzessinnen, edle Prinzen begeistern die Leserinnen dieser einzigartigen Romane und ziehen sie in ihren Bann.
Dr. Christian Baltes betrachtete schmunzelnd die junge Dame, die, genau wie er, auf dem Bahnhof der kleinen Stadt aus dem Zug gestiegen war. Der Fernschnellzug donnerte bereits weiter. Er hatte an dieser Station nur einen sehr kurzen Aufenthalt, und sie beide waren auch die einzige Reisenden, die ihn hier verlassen hatten. Fast zwei Stunden lang hatten sie im selben Abteil gesessen. Dr. Baltes hatte mehrmals versucht, ein Gespräch in Gang zu bringen, aber die junge Dame erwies sich als außerordentlich wortkarg. Ihre Antworten beschränkten sich fast immer auf ja oder nein. Schließlich hatte er es aufgegeben und sich hinter seiner Zeitung verschanzt. Nun standen sie also hier auf dem Bahnsteig. Die junge Dame blickte sich unschlüssig und auch ein wenig unsicher um. Sie hatte kurz geschnittenes blondes Haar und herrliche dunkle, samtbraune Augen. Das Gesicht war schmal und zart, der rote Mund wirkte ein wenig herb, doch das unterstrich nur noch den aparten Reiz dieses Gesichts. Ein weißer, glockig geschnittener Rock und ein blauer Blazer ließen ahnen, daß sie eine makellose Figur besaß. Die langen, schlanken Beine steckten in hellen Strümpfen, die weißen Sandalen waren schick und wohl trotzdem bequem – alles in allem also ein recht erfreulicher Anblick. »Kann ich Ihnen behilflich sein?« fragte Dr. Baltes jetzt, denn es war ihm klar, daß die junge Dame sich hier nicht auskannte. Sie blickte ihn unsicher an. »Ich weiß nicht«
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Die Enkel der Frau Baronin - Marianne Schwarz
Fürstenkinder
– 83 –
Die Enkel der Frau Baronin
Unveröffentlichter Roman
Marianne Schwarz
Dr. Christian Baltes betrachtete schmunzelnd die junge Dame, die, genau wie er, auf dem Bahnhof der kleinen Stadt aus dem Zug gestiegen war.
Der Fernschnellzug donnerte bereits weiter. Er hatte an dieser Station nur einen sehr kurzen Aufenthalt, und sie beide waren auch die einzige Reisenden, die ihn hier verlassen hatten.
Fast zwei Stunden lang hatten sie im selben Abteil gesessen. Dr. Baltes hatte mehrmals versucht, ein Gespräch in Gang zu bringen, aber die junge Dame erwies sich als außerordentlich wortkarg. Ihre Antworten beschränkten sich fast immer auf ja oder nein. Schließlich hatte er es aufgegeben und sich hinter seiner Zeitung verschanzt.
Nun standen sie also hier auf dem Bahnsteig. Die junge Dame blickte sich unschlüssig und auch ein wenig unsicher um.
Sie hatte kurz geschnittenes blondes Haar und herrliche dunkle, samtbraune Augen. Das Gesicht war schmal und zart, der rote Mund wirkte ein wenig herb, doch das unterstrich nur noch den aparten Reiz dieses Gesichts.
Ein weißer, glockig geschnittener Rock und ein blauer Blazer ließen ahnen, daß sie eine makellose Figur besaß. Die langen, schlanken Beine steckten in hellen Strümpfen, die weißen Sandalen waren schick und wohl trotzdem bequem – alles in allem also ein recht erfreulicher Anblick.
»Kann ich Ihnen behilflich sein?« fragte Dr. Baltes jetzt, denn es war ihm klar, daß die junge Dame sich hier nicht auskannte.
Sie blickte ihn unsicher an.
»Ich weiß nicht«, meinte sie leicht verlegen. Es war ihr wohl unangenehm, nun die Hilfe des Mannes in Anspruch zu nehmen, den sie während der Fahrt nicht gerade freundlich behandelt hatte.
Doch Christian Baltes war nicht nachtragend.
»Es sieht nicht so aus, als wenn Sie hier erwartet würden«, sagte er, sich umblickend.
»Ich kenne mich hier gut aus. Wenn Sie mir Ihr Ziel nennen wollten, könnte ich Ihnen sagen, wie Sie es am bequemsten erreichen.«
»Danke, Sie sind sehr liebenswürdig. Ich werde tatsächlich nicht abgeholt, weil ich den genauen Zeitpunkt meiner Ankunft nicht mitgeteilt habe. Ich dachte, es müßte hier doch ein Taxi geben.«
Dr. Baltes lachte. Sie hatten inzwischen den Bahnhofsvorplatz erreicht, in dessen Mitte ein kreisrundes Rosenbeet in üppiger Blütenpracht prangte.
»Natürlich haben wir ein Taxi«, entgegnete Dr. Baltes vergnügt, »aber man muß es erst herbeitelefonieren. Und manchmal muß man da Geduld haben, denn unser Taxiunternehmer ist hauptberuflich Landwirt, und wenn er gerade auf dem Feld ist…«
»Das wäre dumm. Aber ich müßte trotzdem warten, denn zum Laufen dürfte der Weg wohl zu weit sein. Kennen Sie Gut Ferner?«
Dr. Baltes machte ein überraschtes Gesicht.
»Zum Gut wollen Sie also hinaus? Hm, hm!« Dann schmunzelte er wieder, und im Stil eines Jahrmarktausrufers rasselte er: »Sie heißen Elke Lensink, sind zwanzig Jahre alt, sind ausgebildete Kindergärtnerin, besitzen hervorragende Zeugnisse und werden von Frau von Ferner sehnlichst erwartet.«
Die junge Dame war verblüfft.
»Woher…, woher wissen Sie das alles?«
»Ich bin Hellseher. Haben Sie mich denn noch nicht erkannt? Ich bin berühmt, mein Foto klebt an allen Plakatsäulen, erscheint in allen Gazetten. Doch, nein, jetzt im Ernst, gestatten Sie, daß ich mich vorstelle, gnädiges Fräulein. Ich bin Dr. Christian Baltes, Kinderarzt in der hiesigen Gegend und als solcher fast ständiger Gast im Kinderheim der Frau von Ferner, deren Freundschaft ich außerdem auch genießen darf. So bin ich natürlich darüber unterrichtet, daß in diesen Tagen eine neue Helferin erwartet wird, denn Frau von Ferner hat mit mir darüber gesprochen. Nun, zufrieden?«
Elke Lensink nickte lächelnd und auch ein wenig erleichtert.
»Da habe ich aber wirklich Glück. Wenn ich das gewußt hätte. Entschuldigen Sie, Herr Doktor, daß ich während der Fahrt so unfreundlich war, aber ich…«
»Schon gut, schon gut! Im Grunde genommen hat mir Ihre Sprödigkeit sogar ganz gut gefallen. Man findet so etwas nicht mehr oft heutzutage.«
Elke Lensink errötete leicht, und es war ihr natürlich nicht bewußt, daß sie gerade jetzt ganz entzückend aussah.
Wenn die Kleine in ihrem Wesen auch so nett ist, wie sie aussieht, dachte Dr. Baltes, hat Frau von Ferner wirklich einen guten Griff getan.
»Also, Fräulein Lensink, Sie müssen zum Gut hinaus«, sagte er dann sachlich. »Da haben wir beinahe den gleichen Weg. Erlauben Sie, daß ich Sie mitnehme? Ich habe meinen Wagen dort drüben abgestellt.«
Er wies zu einem kleinen Parkplatz seitlich des Bahnhofsgebäudes.
»Das mache ich immer, wenn ich unterwegs bin. Es erleichtert das Heimkommen. Ich würde mich freuen, wenn Sie mit mir fahren wollten.«
Elke Lensink hängte sich ihre weiße Schultertasche um.
»Kann ich das denn annehmen, Herr Doktor?«
»Aber selbstverständlich, warum denn nicht? Offen gestanden, ich wäre sogar gekränkt, wenn Sie ablehnen würden. Also, machen wir uns auf den Weg.«
Er griff nach Elkes nicht allzu großem Koffer und setzte sich in Bewegung.
»Bitte, Herr Doktor«, wollte Elke protestieren, »den Koffer kann ich doch selbst tragen.«
»Natürlich können Sie, aber ich kann es auch, und es macht mir Spaß.«
Er ging zum Wagen hinüber und verstaute den Koffer im Gepäckraum. Dann forderte er sie höflich zum Einsteigen auf.
»Ist es weit bis zum Gut?« fragte Elke, als sie bereits durch den kleinen Ort fuhren.
»Nun, wie man es nimmt. Zu Fuß wäre es wohl ein Marsch von mehr als einer Stunde, aber mit dem Wagen schaffen wir es natürlich wesentlich schneller. Sie waren noch nicht hier in der Gegend?«
»Nein, noch nie. Ich habe mich schriftlich beworben, und Frau von Ferner war so freundlich, mir ihre Zusage auch ohne vorheriges persönliches Kennenlernen zu geben. Natürlich wurde eine Probezeit vereinbart, aber das ist ja wohl allgemein üblich.«
»Ja, natürlich«, sagte Dr. Baltes.
Insgeheim wunderte er sich ein wenig, denn Frau von Ferner war an sich eine äußerst vorsichtige alte Dame, die ihre Mitarbeiter auf Herz und Nieren zu prüfen pflegte.
»Sie haben sich ein wirklich schönes Fleckchen Erde als neuen Wirkungskreis ausgesucht, Fräulein Lensink. Gut Ferner liegt wunderschön. Gleich an die hinteren Gebäude grenzt der Wald, nach vorn hinaus aber hat man in unserem hügeligen Gelände einen weiten Blick über Wiesen und Felder bis hinunter zum Fluß. Das Gutshaus selbst ist sehenswert. Es ist wuchtig gebaut und sehr alt. Aber innen hat Frau von Ferner alles modernisieren lassen. Da fehlt es wirklich an nichts. Soweit ich es beurteilen kann, sind alle Kinder auch sehr glücklich dort. Und ich wünsche Ihnen, daß Sie es auch sein werden, Fräulein Lensink.«
»Danke schön, Herr Doktor. Sie sind wirklich sehr nett.«
Christian Baltes lachte leise.
»Das gehört zur Imagepflege, kleines Fräulein. Ein grantiger Kinderarzt hätte seinen Beruf verfehlt, und die kleinen Patienten würden ihm davonlaufen.«
»Aber ich bin doch kein kleiner Patient!«
Elke verlor allmählich ihre schüchterne Zurückhaltung. Das frische Wesen des Arztes steckte an und machte auch sie sicher und frei.
»Aber Sie sind eine reizende junge Dame«, ging Dr. Baltes sogleich auf ihren Ton ein. »Und da fällt es einem Mann ja wirklich nicht schwer, nett zu sein.«
Elke wandte den Kopf zur Seite und lachte den Mann am Steuer strahlend an.
»Ich hätte nicht gedacht, daß ich gleich bei meiner Ankunft hier so nette Komplimente bekommen würde. Das ist sicher ein gutes Omen. Immerhin beginnt für mich jetzt ein neuer Lebensabschnitt. Meine Ausbildung ist abgeschlossen, und dies hier ist meine erste Stellung.«
»Ich wünsche Ihnen viel Glück dazu, Fräulein Elke. Darf ich Sie gleich so nennen? Wir werden ja jetzt doch öfter miteinander zu tun haben, denn ich bin ziemlich häufig auf Gut Ferner.«
»Schön, daß ich nun schon einen Menschen kenne in meiner neuen Heimat.«
»Sie werden sich rasch eingewöhnen, da bin ich ganz sicher. Frau von Ferner ist eine wirklich großartige alte Dame. Die Kinder vergöttern sie geradezu, und soweit ich das sehe, ist sie auch bei allen Angestellten sehr geschätzt.«
»War das Gut schon immer ein Kinderheim?«
»Aber nein. Frau von Ferner hat das Heim erst vor etwa fünfzehn Jahren gegründet. Früher war es ein großer Gutsbetrieb, der übrigens auch heute noch nebenbei weiterläuft. Sind Sie eigentlich darüber informiert worden, daß Frau von Ferner für ihr Heim praktisch kaum irgendwelche Zuschüsse erhält? Sie finanziert alles aus eigener Tasche.«
»Nein, das wußte ich nicht«, sagte Elke, und sie war sichtlich beeindruckt. »Dann ist Frau von Ferner wohl sehr vermögend?«
»Sieht so aus. Jedenfalls finden die Kinder, die bei ihr sein dürfen, ein kleines Paradies.«
*
Sie bogen auf den Gutshof ein, und Elke hielt unwillkürlich den Atem an. So großartig hatte sie es sich nicht vorgestellt.
Das Gutsgebäude war aus mächtigen grauen Basaltquadern errichtet, die durch die Zeit fast schwarz geworden waren. Um so freundlicher wirkten die vielen blankgeputzten Fenster mit ihren strahlend weißen Rahmen. Wie glänzende Augen schauten sie ins Land hinaus.
Blumenkästen gab es davor, weißgestrichene Blumenkästen mit leuchtendroten Geranien, die bestimmt sehr liebevoll gepflegt wurden.
Eine Freitreppe in der Mitte des Gebäudes führte zum Eingang hinauf, einer schweren, mächtigen Eichentür, der man ihr Alter ansah.