Die Kinder von Gut Rodendahl: Fürstenkinder 78 – Adelsroman
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Über dieses E-Book
Ihre Lebensschicksale gehen zu Herzen, ihre erstaunliche Jugend, ihre erste Liebe – ein Leben in Reichtum, in Saus und Braus, aber oft auch in großer, verletzender Einsamkeit.
Große Gefühle, zauberhafte Prinzessinnen, edle Prinzen begeistern die Leserinnen dieser einzigartigen Romane und ziehen sie in ihren Bann.
Der Tag ist für diese Jahreszeit – es ist Anfang Juni – unnatürlich heiß gewesen, und selbst die abendlichen Stunden bringen nicht die ersehnte Abkühlung. Tief und dicht hängt eine Wolkenschicht am Himmel, bleiern und schwer. Bleiern und schwer sind auch die Glieder der Menschen bei dieser ungewohnten Witterung. Sie warten auf den Wind, der die lähmenden Wolken in Bewegung bringt, vor sich hin treibt, damit ihre Leiber sich öffnen und das erfrischende Naß über die Erde verteilen. die herniedersinkende Dämmerung starrt. Eine auffallende Erscheinung mit dem braungebrannten Gesicht, den stahlblauen Augen und den angegrauten Schläfen. Klar und zielbewußt ist sein Blick, und um den vollen Mund liegt ein Zug von Entschlossenheit. Und doch scheint er ein wenig gebeugt – wie unter einer unsichtbaren Last, und in seinen Augen fehlt der helle, leuchtende Schein, der den innerlich erfüllten, glücklichen Menschen verrät. Der Tag war lang gewesen für Bernd von Rodendahl. Man hatte den tüchtigen Gutsbesitzer mit dem klaren Blick und dem offenen, sympathischen Wesen in den Landtag berufen, damit er die Interessen der Landwirtschaft auf zielbewußte Art vertrete. Man, das waren die Bauern und Landwirte des niedersächsischen Landkreises, in dem sich auch das Anwesen der Rodendahls, das Rittergut Sonnenfelde, befand. Nun, diese Berufung, so ehrenhaft sie auch für den noch verhältnismäßig jungen Mann war, brachte Aufgaben mit sich, Aufgaben, die ihn manche Nachtruhe kosteten. An diesem Morgen waren es die Besuche bei den verschiedenen Ministerien, Besprechungen und maßgeblichen Leuten, Abgeordneten und dergleichen, die sich bis in den frühen Nachmittag ausdehnten. Kurz entschlossen war er dann weitergefahren nach Godesberg zu dem bekannten Jungeninternat, welches ihm ein alter Freund empfohlen hatte. Bernd von Rodendahl schließt die Augen. Vor ihm tauchen die lachenden Gesichter seiner beiden Jungen auf. Zwölf Jahre sind sie alt, die Zwillinge Carl und Fried. Frische, aufgeweckte Jungen mit sympathischen Lausbubengesichtern, die auf dem väterlichen Anwesen sorglos unbekümmert aufwachsen. Und gleichzeitig sieht er auch das graue, etwas düstere Gebäude des Internates, er sieht die Mauer um den Park. Er seufzt leise auf.
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Fürstenkinder
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Buchvorschau
Die Kinder von Gut Rodendahl - Barbara Wiedenberg
Fürstenkinder
– 78 –
Die Kinder von Gut Rodendahl
Alle sehnen sich nach Hanne!
Barbara Wiedenberg
Der Tag ist für diese Jahreszeit – es ist Anfang Juni – unnatürlich heiß gewesen, und selbst die abendlichen Stunden bringen nicht die ersehnte Abkühlung.
Tief und dicht hängt eine Wolkenschicht am Himmel, bleiern und schwer. Bleiern und schwer sind auch die Glieder der Menschen bei dieser ungewohnten Witterung.
Sie warten auf den Wind, der die lähmenden Wolken in Bewegung bringt, vor sich hin treibt, damit ihre Leiber sich öffnen und das erfrischende Naß über die Erde verteilen.
Vierzig Jahre alt ist der große, breitschultrige Mann im eleganten Zweireiher, der dort am Fenster
seines Hotelzimmers steht und in
die herniedersinkende Dämmerung starrt. Eine auffallende Erscheinung mit dem braungebrannten Gesicht, den stahlblauen Augen und den angegrauten Schläfen. Klar und zielbewußt ist sein Blick, und um den vollen Mund liegt ein Zug von Entschlossenheit.
Und doch scheint er ein wenig gebeugt – wie unter einer unsichtbaren Last, und in seinen Augen fehlt der helle, leuchtende Schein, der den innerlich erfüllten, glücklichen Menschen verrät.
Der Tag war lang gewesen für Bernd von Rodendahl. Man hatte den tüchtigen Gutsbesitzer mit dem klaren Blick und dem offenen, sympathischen Wesen in den Landtag berufen, damit er die Interessen der Landwirtschaft auf zielbewußte Art vertrete. Man, das waren die Bauern und Landwirte des niedersächsischen Landkreises, in dem sich auch das Anwesen der Rodendahls, das Rittergut Sonnenfelde, befand.
Nun, diese Berufung, so ehrenhaft sie auch für den noch verhältnismäßig jungen Mann war, brachte Aufgaben mit sich, Aufgaben, die ihn manche Nachtruhe kosteten.
An diesem Morgen waren es die Besuche bei den verschiedenen Ministerien, Besprechungen und maßgeblichen Leuten, Abgeordneten und dergleichen, die sich bis in den frühen Nachmittag ausdehnten. Kurz entschlossen war er dann weitergefahren nach Godesberg zu dem bekannten Jungeninternat, welches ihm ein alter Freund empfohlen hatte.
Bernd von Rodendahl schließt die Augen.
Vor ihm tauchen die lachenden Gesichter seiner beiden Jungen auf. Zwölf Jahre sind sie alt, die Zwillinge Carl und Fried. Frische, aufgeweckte Jungen mit sympathischen Lausbubengesichtern, die auf dem väterlichen Anwesen sorglos unbekümmert aufwachsen.
Und gleichzeitig sieht er auch das graue, etwas düstere Gebäude des Internates, er sieht die Mauer um den Park. Er seufzt leise auf. Ein Gefängnis denkt er. Ein Gefängnis für meine Jungen, die an Sonne und Freiheit gewöhnt sind. Mein Gott, wie werden sie es aushalten?
Noch hat er sich nicht endgültig entschieden, aber er weiß, daß er im Grunde keine Wahl hat.
Denn zu Hause, in dem prächtigen Herrenhaus von Sonnenfelde, liegt die Mutter der Zwillinge seit Jahren in dem stillen Krankenzimmer.
Leukämie nennen die Ärzte die schleichende Krankheit, die sie von Tag zu Tag hinfälliger macht. Und sie zucken die Achseln und schütteln die Köpfe, wenn er sie fragt, was er tun kann, um der blassen Frau das Blut zu geben, das sie so dringend braucht.
Und von Tag zu Tag wird ihr schlanker Körper hinfälliger.
Wenn Bernd daran denkt, dann weiß er auch, daß es kein Zurück mehr gibt für seine Jungen. Noch ahnen sie es nicht, aber er will der kranken Frau die Sorge um das wilde, ungebärdige Wesen der Zwillinge für die letzte, vielleicht nur mehr kurze Zeit ihres Lebens ersparen. Es tut ihm selbst weh, aber es muß sein!
Noch einmal atmet er tief. Dann fällt sein Blick auf die Uhr. Mein Gott, schon acht vorbei! Um zehn ist er verabredet mit Baron Solmar, einem Bruder seiner verstorbenen Mutter.
Mit wenigen Schritten ist er nun an die Verbindungstür zum Nebenraum getreten.
»Tobias! Meinen Frack!«
Schon wenig später besteigt der große Mann den wartenden Wagen. Tobias schaut ihm noch eine Weile nach, wie er über die breite Allee davonflitzt in die niedersinkende Dunkelheit hinein.
Eine Stunde später betritt Bernd von Rodendahl das Spielkasino. Er legt die Garderobe ab und wechselt einige größere Scheine in Chips ein. Er ist kein leidenschaftlicher Spieler und macht nur mit, um Baron Solmar die Freude nicht zu verderben. Manchmal muß man den alten Herrn eben in Stimmung halten, das weiß er ganz genau. Sein Auge freut sich einen Moment lang an dem bunten, von einer eigenartig prickelnden Spannung umfangenen Bild. Bunte schwere Teppiche schlucken jeden kleinsten Laut auf, gleißende Kronleuchter verschwenden ihr helles Licht. Brillanten und Edelsteine an schönen Frauenhälsen funkeln wie kleine Feuer.
Eine leise Unterhaltung liegt über dem Raum. Die Pagen flitzten hin und her, erfüllen jeden Wunsch, gehorchen jedem Wink.
Bernd blickt durch die Halle. Er versucht einen Blick in die einzelnen Räume zu werfen, aus denen die Stimmen der Croupiers zu ihm dringen.
Mit der ihm angeborenen gelassenen Sicherheit betritt er Augenblicke später den kleinen Speisesaal. Seine Augen suchen Baron Solmar. Er kennt den Onkel und weiß, daß er nur an einem der Spieltische zu finden ist.
Da hat er den Baron entdeckt. Es dauert eine Weile, bis er sich zu ihm durchgeschlängelt hat. Und selbst dann bleibt er noch unbemerkt hinter Solmars Stuhl stehen. Eine kleine Weile beobachtet er das Rollen der elfenbeinernen Kugel und die gespannten Gesichter der Spieler. Es sind nackte Gesichter darunter, nackt, weil Gier und Leidenschaft alles andere auslöschen. Aber es gibt auch andere Gesichter darunter, die sein Mitleid erregen.
Es sind Gesichter, auf denen Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung stehen.
Eine Stunde mag Bernd so stehen. Er verspürt keine Lust, sich an dem Spiel zu beteiligen. Plötzlich aber schaut Baron Solmar auf.
»Na endlich, Junge!«
Bernd lächelt.
»Wenn du erlaubst, Onkel Ernst, ich bin schon über eine Stunde hier.«
»Na, und das sagst du jetzt erst? Läßt einen alten Mann in sein Verderben rennen?«
Bernd kennt diese freundschaftliche Art des Onkels, mit der er sich jung hält.
»Na, Onkel, laß man! Schenkst du mir das Sümmchen, das du übrigbehalten hast?«
Baron Solmar lächelt vergnügt und zieht an seiner dicken Zigarre.
»Bist noch immer der Lausebengel von früher! Na, denn komm, Jung-chen. Ich lade dich zu ’ner guten Flasche ein. Hunger habe ich auch! Gehen wir hinüber, dort haben wir Zeit zum Plaudern.«
Sie gehen hinüber ins Speiserestaurant. Der Baron bestellt Champagner.
»Für mich bitte nicht, Onkel. Ich bin mit dem Wagen hier und muß fahren.«
»Fährst du ihn immer noch selbst, Junge?«
»Ja, immer noch, Onkel. Zu Hause, da tun es die Pferde. In meinem Wald und auf den Feldern bin ich nicht so gern mit dem Wagen. Und wenn ich zu Sitzungen fahre, bin ich eigentlich immer froh, einen Grund zu haben, um diese Saufereien nicht mitmachen zu müssen.«
»Recht hast du. Na, einen Schluck wirst du schon vertragen. Aber nun schieß mal los, Junge, wie ist es denn noch auf Sonnenfelde?«
Über Bernds Gesicht fällt ein Schatten. Er denkt an seine beiden Jungen, die auf ihre Lederhosen warten. Statt dessen bringt er ihnen eine Nachricht mit vom Internat. Und er denkt auch an Maria.
Aber da bringt der Kellner schon den Sekt und serviert die Vorspeise.
So bleibt die Antwort, die er geben müßte, unausgesprochen.
Baron Solmar aber beobachtet den Neffen unauffällig, Bernd ißt hasti-
ger als sonst, seine Bewegungen wir-
ken irgendwie erschöpft und nervös. Und er ist auch nicht ganz bei der Sache.
Ja, das ist wirklich so. Bernd fühlt eine drängende Unruhe im Blut. Wenn er doch nur schon wieder im Wagen säße! Er antwortet einsilbig.
»Junge, was ist denn los mit dir? Ich beobachte dich schon die ganze Zeit. Stimmt etwas nicht mit Maria?«
Der Baron hat die Frage ausgesprochen. Bernd schaut auf.
»Ich habe keine Nachricht von ihr, Onkel Ernst. Als ich vorgestern wegfuhr, war ihr Zustand wie immer. Mal geht es einen Tag besser, mal schlechter. Und dieses Wetter wird ihr auch nicht gerade guttun.«
Baron Solmars Gesicht ist ernst geworden.
»Es ist schlimm für dich, mein Junge. Ich weiß. Was sagen denn die Ärzte?«
»Immer dasselbe, Onkel. Man drückt sich nicht klar und deutlich aus, weil die Wahrheit grausam ist.«
Er fühlt wieder dieses Dunkle, Unheimliche auf sich zukommen, das ihn schon den ganzen Abend bedrückt.
»Herr von Rodendahl! Herr von Rodendahl!«
Ein Page mit einem Telegramm auf einem silbernen Tablett macht seine Runde an allen Tischen vorbei.
Bernd hat den Kopf gehoben.
»Ja? Hier!«
»Herr von Rodendahl?« Der Page tritt an den Tisch. »Dies ist für Sie angekommen.«
Bernd greift nach dem Telegramm.
»Nanu? Ein dringendes Telegramm? Es ist vom Hotel aus nach hier übermittelt?«
Bernd ist blaß geworden. Entschlossen reißt er den Umschlag auf.
Sein Gesicht wird noch um einen Schein fahler. Die Buchstaben scheinen vor seinen Augen zu tanzen. Er begreift ihren Sinn nicht.
Sofort kommen, Maria.
Er schließt vor dem drohenden Schatten seine Augen.
Der alte Mann schaut seinen Neffen voll