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Krafft von Broede: Leni Behrendt Bestseller 47 – Liebesroman
Krafft von Broede: Leni Behrendt Bestseller 47 – Liebesroman
Krafft von Broede: Leni Behrendt Bestseller 47 – Liebesroman
eBook171 Seiten2 Stunden

Krafft von Broede: Leni Behrendt Bestseller 47 – Liebesroman

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Über dieses E-Book

Leni Behrendt nimmt längst den Rang eines Klassikers der Gegenwart ein. Mit großem Einfühlungsvermögen charakterisiert sie Land und Leute. Über allem steht die Liebe. Leni Behrendt entwickelt Frauenschicksale, wie sie eindrucksvoller nicht gestaltet werden können.

Herr Schmehlich, der Besitzer des vielbesuchten Nervensanatoriums Seelenruh, saß gedankenverloren in einem der tiefen Sessel seines Arbeitszimmers. Er sog an einer dicken Zigarre und rauchte wie ein Schlot. Herr Schmehlich kam nur einmal in der Woche nach Seelenruh, um sich darin umzusehen. Er hatte noch weitere Unternehmungen, war ein gewiegter Geschäftsmann, der es zu großem Reichtum gebracht hatte. Heute war er auf einen Brief Doktor Meders hin hergekommen. Und was er vorhatte, das mußte ernstlich und reiflich erwogen werden. Endlich schien er zu einem Entschluß gekommen zu sein; denn er richtete sich im Sessel auf und rief den Diener herbei. »Sagen Sie Fräulein Rainer, ich ließe sie zu einer Unterredung hierher bitten.« Gleich darauf stand die gewünschte Dame vor Herrn Schmehlich. Ein wohlgefälliges Lächeln huschte über sein rotes Gesicht, in seinen verschwommenen Äuglein zuckte es begehrlich auf. So ein wunderschönes Geschöpf bekam er aber auch nicht alle Tage zu sehen! Der begehrliche Herr mußte wieder einmal feststellen, daß das Mädchen von einer bestrickenden Süße war, die selbst auf kühle, sachliche Menschen verwirrend wirken mußte. Die lässige Haltung des biegsamen, gepflegten Körpers, das stolzgetragene Köpfchen, um das sich wunderbares Blondhaar bauschte und wellte. Und dann die Augen – diese rätselhaften Märchenaugen von weichem dunklem Grau! »Nehmen Sie Platz, mein Fräulein«, forderte er die junge Dame auf, die erwartungsvoll auf ihn schaute. »Ich habe Ihnen eine Eröffnung zu machen. Zuerst will ich Ihnen erklären, weshalb Sie so lange in meinem Sanatorium weilen mußten, dessen Aufsicht und Pflege Sie nur kurze Zeit nötig hatten. Doch Ihr Vater verlangte Ihr Bleiben, weil er sich mit einer jungen Schönen verheiratete und ihm die erwachsene Tochter daher unbequem war. Und da Sie sich hier wohl fühlten und das Pensionsgeld auch einigermaßen pünktlich gezahlt wurde, machte Ihr Bleiben weiter keine Schwierigkeiten.
SpracheDeutsch
HerausgeberKelter Media
Erscheinungsdatum15. Nov. 2022
ISBN9783740914790
Krafft von Broede: Leni Behrendt Bestseller 47 – Liebesroman

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    Buchvorschau

    Krafft von Broede - Leni Behrendt

    Leni Behrendt Bestseller

    – 47 –

    Krafft von Broede

    Leni Behrendt

    Herr Schmehlich, der Besitzer des vielbesuchten Nervensanatoriums Seelenruh, saß gedankenverloren in einem der tiefen Sessel seines Arbeitszimmers. Er sog an einer dicken Zigarre und rauchte wie ein Schlot.

    Herr Schmehlich kam nur einmal in der Woche nach Seelenruh, um sich darin umzusehen. Er hatte noch weitere Unternehmungen, war ein gewiegter Geschäftsmann, der es zu großem Reichtum gebracht hatte.

    Heute war er auf einen Brief Doktor Meders hin hergekommen. Und was er vorhatte, das mußte ernstlich und reiflich erwogen werden.

    Endlich schien er zu einem Entschluß gekommen zu sein; denn er richtete sich im Sessel auf und rief den Diener herbei.

    »Sagen Sie Fräulein Rainer, ich ließe sie zu einer Unterredung hierher bitten.«

    Gleich darauf stand die gewünschte Dame vor Herrn Schmehlich. Ein wohlgefälliges Lächeln huschte über sein rotes Gesicht, in seinen verschwommenen Äuglein zuckte es begehrlich auf.

    So ein wunderschönes Geschöpf bekam er aber auch nicht alle Tage zu sehen! Der begehrliche Herr mußte wieder einmal feststellen, daß das Mädchen von einer bestrickenden Süße war, die selbst auf kühle, sachliche Menschen verwirrend wirken mußte.

    Die lässige Haltung des biegsamen, gepflegten Körpers, das stolzgetragene Köpfchen, um das sich wunderbares Blondhaar bauschte und wellte. Und dann die Augen – diese rätselhaften Märchenaugen von weichem dunklem Grau!

    »Nehmen Sie Platz, mein Fräulein«, forderte er die junge Dame auf, die erwartungsvoll auf ihn schaute. »Ich habe Ihnen eine Eröffnung zu machen. Zuerst will ich Ihnen erklären, weshalb Sie so lange in meinem Sanatorium weilen mußten, dessen Aufsicht und Pflege Sie nur kurze Zeit nötig hatten. Doch Ihr Vater verlangte Ihr Bleiben, weil er sich mit einer jungen Schönen verheiratete und ihm die erwachsene Tochter daher unbequem war. Und da Sie sich hier wohl fühlten und das Pensionsgeld auch einigermaßen pünktlich gezahlt wurde, machte Ihr Bleiben weiter keine Schwierigkeiten. Aber seit zwei Monaten blieb die Bezahlung aus und wird es auch fernerhin, da Ihr Vater nicht mehr unter den Lebenden weilt. Seine eifersüchtige Gattin hat ihn und sich nach einem heftigen Streit erschossen. Die Villa fiel in die Hände der Gläubiger – und Sie, mein Kind, sind nun allein und bettelarm. Nachdem die Verhältnisse sich so gestaltet haben, ist Ihres Bleibens hier nicht länger.«

    Forschend sah er zu dem Mädchen hin, das seine Eröffnung nicht erregt zu haben schien. Vielleicht war das hochmütige Antlitz etwas blasser als sonst. Da es jedoch immer von durchsichtiger Zartheit war, ließ sich das schwer feststellen. Als sie nicht antwortete, räusperte sich der kleine Dicke: »Haben Sie mir nichts zu antworten, Fräulein Rainer? Geht Ihnen die Tragödie Ihres Vaters denn gar nicht zu Herzen?«

    »Nein!«

    Kalt, schroff klang es, man hätte der weichen Stimme einen solchen Ton nicht zugetraut. Schmehlich sah sie betroffen an.

    »Aber ja – aber nein –«, meinte er ratlos – und da erschien ein Lächeln auf dem zarten Antlitz, das den guten Dicken ganz und gar betörte.

    »Ich kann um meinen Vater nicht trauern, da er mir nie nahe stand. Er hat sein Unglück selbst verschuldet. Daß ich arm bin, weiß ich. Auch daß ich die Betreuung hier längst nicht mehr nötig hatte. Warum mein Vater mich trotzdem im Sanatorium ließ, darüber habe ich mir wohl manchmal den Kopf zerbrochen, forschte aber nicht weiter nach, da es mir hier gutging. Nun allerdings muß ich diese friedliche Stätte verlassen. Schade!«

    Jetzt war der Augenblick für Herr Schmehlich gekommen. Er setzte sich in Positur, legte sein fettes Gesicht in wichtige Falten und sah mit etwas herablassendem Wohlwollen das Mädchen an.

    »Tja«, meinte er salbungsvoll. »Über diesen Punkt möchte ich mit Ihnen reden, meine liebe, verehrte Ilse-Sibylle. Ihretwegen bin ich heute hierher gekommen, obgleich ich viel Geschäftliches zu erledigen habe. Ich habe mir die Sache reiflich überlegen müssen. Sie sind immerhin das Kind Ihres leichtsinnigen Vaters, und für Künstler habe ich nie viel übrig gehabt. Trotzdem habe ich mich entschlossen, Sie zu heiraten. Hoffentlich erkennen Sie das Glück, das ich Ihnen zu geben imstande bin, auch genügend an.«

    So, nun war es heraus. Herr Schmehlich blähte sich ordentlich auf vor Edelmut und Selbstgefälligkeit. Er wappnete sich, um mit Würde die Dankesbezeigungen des Fräuleins entgegenzunehmen. Allein, es sah ja fast so aus, als kämpfe es mit einem Lachen. Und auch die Stimme klang ganz danach: »Ihr Opfermut ist sehr anerkennenswert, Herr Schmehlich. Daher verzeihen Sie meine Undankbarkeit. Wie mich Ihr Antrag auch ehrt – ich muß ihn dennoch ablehnen.«

    »Was – ablehnen?« wiederholte er, als habe er nicht recht gehört.

    »Leider.«

    Das genügte, um den Herrn aus seiner selbstgefälligen Ruhe zu reißen. Er schnappte nach Luft, sein Gesicht wurde dunkelrot.

    »Hören Sie, Fräulein, haben Sie etwa den Verstand verloren?!« schrie er sie an. »Mich weisen Sie ab – mich? Na da hört doch alles auf! Ich habe Geld, mein Fräulein – Geld! Verstehen Sie? Was wollen Sie denn anfangen?«

    »Mir eine Stellung suchen.«

    »So sehen Sie aus –!« erboste er sich immer mehr. »Für derartige Angestellte wie Sie bedankt sich jeder. Sie haben bestimmt keine Veranlassung, sich aufs hohe Pferd zu setzen. Arm wie eine Bettlerin, aus so verlotterter Familie –«

    »Das gehört nicht hierher«, unterbrach sie ihn hochmütig. »Meine Verhältnisse gehen Sie nichts an, da ich Ihren Antrag ablehne und noch heute Ihr Sanatorium verlassen werde.«

    Ihr stolzer Blick streifte seine Gestalt, die klein und dick vor ihr saß. Sie sah das Mopsgesicht, den großen kahlen Schädel, über den einige Härchen mit Sorgfalt gebürstet waren – und schon kämpfte sie wieder mit einem Lachen.

    »Nichts für ungut –«, meinte sie tröstend, indem sie sich erhob und der Tür zuging.

    »Sie werden es noch einmal bitter bereuen!« rief er ihr nach.

    »Ich glaube nicht«, gab sie lachend zurück. Dann ging sie, den abgewiesenen Freier in heller Wut zurücklassend.

    *

    Daß ihm das passieren mußte – ihm, dem Eduard Schmehlich! Dazu noch von einem so grünen Ding, das mit seinen dreiundzwanzig Jahren wie ein Backfisch aussah.

    Mit gewichtigen Schritten suchte er Doktor Meder auf, um sich seinen Ärger von der Leber zu wettern. Der Arzt sah erschrocken seinem Gebieter entgegen, der hochrot im Gesicht anpustete.

    »Unerhört!« polterte er ohne Einleitung los. »Was man sich so alles bieten lassen muß! Auf den Knien müßte sie mir danken, daß ich sie zu meiner Frau machen will. Sofort verläßt das impertinente Mädchen das Sanatorium!«

    Doktor Meder war sofort im Bilde. Oh, wie gern hätte er herzlich gelacht! Da das nicht anging, beschwichtigte der den erbosten Herrn.

    »Lassen Sie doch, Herr Schmehlich«, redete er dem in seiner Eitelkeit getroffenen Herrn gut zu. »Sie wird die Folgen ihrer Handlungsweise allein tragen müssen.«

    »Die und in Stellung gehen«, konnte der Dicke sich nicht beruhigen. »Die hochnäsige Prise setzen die Leute gleich nach den ersten Tagen vor die Tür!«

    »Das soll Ihre Sorge nicht sein, Herr Schmehlich.«

    Dieser brummte noch ein Weilchen vor sich hin, gab sich dann jedoch zufrieden und trollte sich. –

    Unterdessen war Ilse-Sibylle in ihr trauliches Stübchen geeilt, in dem sie zwei Jahre hindurch so sorglos gelebt hatte. Es war ihr gutgegangen, in dem stillen, vornehmen Hause. Und nun mußte sie in die Welt hinaus, vor der ihr graute. Wo sollte sie überhaupt hin, bis sie eine Stellung gefunden hatte? Welcher Art sollte diese Stellung sein? Sie besaß nichts als die Bildung der sogenannten höheren Tochter. Daß sie mehrere Sprachen beherrschte und außergewöhnlich musikalisch war, konnte ihr allein nicht viel nutzen.

    Nun kamen ihr die Tränen, als sie ihre Habseligkeiten zusammenpackte. Viel war es nicht. Von dem kleinen Taschengeld hatte sie sich nichts anschaffen können, daher war das, was sie an Kleidung besaß, wenig und recht abgetragen. Hätte sie den Antrag des vortrefflichen Herrn nicht doch lieber annehmen sollen? Dann wäre sie jetzt aus aller Sorge und Not. Doch da lachte sie wieder, während ihr die Tränen noch über das Gesicht liefen. Schnell packte sie zu Ende und ging dann in die Privatwohnung Doktor Meders, um sich von den ihr liebgewordenen Menschen zu verabschieden. Der Arzt sah ihr lachend entgegen.

    »Hallo, kleine Ilsibyll, da haben Sie ja was Schönes angerichtet! Wie kann man bloß die Hand eines Herrn Schmehlich ausschlagen!«

    »Sie wissen schon?«

    »Und ob! Wutschnaubend erschien der gute Dicke bei mir – die personifizierte Empörung! Er hatte es sich doch so schön gedacht, als Märchenprinz bei Ihnen zu erscheinen.«

    »Sie sind ein großer Spötter.«

    »Ilsibyllchen, es wäre doch so nett gewesen, Sie als Chefin zu haben. Die Vorteile, die mir daraus erwachsen wären… Na – Scherz beiseite. Jedenfalls ist Herr Eduard Schmehlich nicht ängstlich. Da möchte man fast singen: Nichts ist so traurig, nichts macht so betrübt, als wenn sich ein Kohlkopf in ’ne Rose verliebt.«

    Doch dann wurde er tiefernst.

    »Was soll nun aus Ihnen werden, gnädiges Fräulein?«

    »Etwas bestimmt«, entgegnete sie achselzuckend. »Ich muß versuchen, irgendwo unterzukriechen, bis ich eine Stellung gefunden habe. Wenn ich nur wüßte, wo das sein könnte! Die Verwandten meines Vaters kenne ich nicht und würde auch nicht zu ihnen gehen. Und die Verwandten meiner Mutter verstießen sie, weil sie einen Geigenkünstler heiratete. Nur eine Schwester hat sich ab und zu um sie gekümmert. Ich sah sie einmal bei uns – sehr vornehm, sehr kühl, ganz die Oberstgattin. Das wäre also die einzige Verwandte, an die ich mich wenden könnte. Nur weiß ich nicht, ob sie noch in Arnsburg lebt.«

    »Danach kann ich mich erkundigen«, sagte Meder lebhaft. »Mein Vater ist Arzt in Arnsburg. Vielleicht kennt er die Dame.«

    Als er den Vater fernmündlich sprach, stellte sich heraus, daß besagte Dame zu seinen Patienten zählte. Meder notierte ihre Anschrift und ging dann freudestrahlend zu Ilse-Sibylle zurück, die ihm für die Auskunft herzlich dankte.

    »Vielleicht findet sich dort sogar ein Aschenputtelposten für mich«, meinte sie bitter.

    »Sie in einer Aschenputtelrolle?« lachte Frau Meder, die hinzugekommen war.

    »Warum nicht? Ich habe keine Veranlassung, vom Schicksal etwas anderes zu verlangen. Als Tochter dieses Vaters.«

    Mitleidig sahen die Gatten das Mädchen an, das sie in ihre Herzen geschlossen hatten. Wie gerne hätten sie es bei sich behalten, aber das war wegen Herrn Schmehlich unmöglich. Die beiden Kinder, die nun auch herbeistürmten, brachen in Tränen aus, als sie hörten, daß ihre geliebte Ilsibyll sie verlassen wollte. Und auch die Eltern kämpften mit Tränen, als der schmerzliche Abschied kam.

    *

    Ilse-Sibylle Rainer stand in der Bahnhofshalle vor dem Fahrkartenschalter. Wenn das Geld für die Karte nicht reichte, dann wußte sie sich keinen Rat. Wohl hätten Meders ihr mit einer Summe ausgeholfen, doch bitten zu müssen war der stolzen Ilsibyll ein Greuel. Gottlob, das Geld genügte. Es blieb ihr sogar noch eine Kleinigkeit, um sich unterwegs eine Erfrischung zu kaufen. Der große Trubel, der um sie herrschte, verwirrte sie. Die zwei Jahre in der Abgeschiedenheit des Sanatoriums begannen sich bemerkbar zu machen. Sie war weltfremd geworden. Der Lärm machte sie nervös, ebenso die Blicke der Menschen, die ihrer Gestalt folgten. Daß man doch immer noch hinter ihr her gaffen mußte! An ihr war doch gewiß nichts Besonderes zu sehen. Höchstens an ihrer abgetragenen Kleidung, was sie immer unsicherer werden ließ.

    Auf dem Bahnsteig staute sich eine dichte Menschenmenge. Es war Herbstferienanfang und die Reiselust bei dem herrlichen Wetter besonders groß. Sie war dem Gewoge gegenüber machtlos. Ließ sich immer wieder zurückstoßen, bis ein freundlicher junger Schaffner sich ihrer annahm.

    »Zweiter Klasse, gnädiges Fräulein?« fragte er höflich.

    »Nein, dritter.«

    »Da wird schwer was zu machen sein«, musterte er sie überrascht. »Wohin soll die Reise gehen?«

    »Nach Arnstadt.«

    »Bis dahin begleite ich den Zug. Werde Ihnen daher einen Platz Zweiter besorgen. Das verantworte ich schon.«

    Er führte sie zu einem Wagen, in dem nur noch ein Herr saß. Sie dankte ihm, und befriedigt ging er davon.

    Sie musterte nun ihren Mitreisenden verstohlen. Viel sah sie allerdings nicht von ihm. Ein Paar lange Beine, die von einer tadellos gebügelten Hose umspannt waren, die schmalen Füße, die in eleganten Schuhen steckten. Der übrige Mensch war von einer Zeitung besonders großen Formats verdeckt. Auf ihren leisen Gruß senkte sich das Blatt, und sie sah flüchtig einen gutgekleideten Herrn, der sich knapp verneigte. Dann entzog die Zeitung ihr seinen Anblick wieder.

    Sie wählte nicht den Fensterplatz ihm gegenüber, sondern drückte sich in die Ecke an der Tür. Wie menschenscheu sie doch geworden war! So ganz anders als früher, da sie mit Mutter und Bruder viel gereist. Ganz still saß sie da, um den Herrn nicht auf sich aufmerksam zu machen. Als jedoch eine gute Weile verging, in der er keine Notiz von ihr nahm, atmete sie erleichtert auf. Schaute zum Fenster hinaus und gab sich ihren quälenden Gedanken hin.

    Ob

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