Alter schützt vor Liebe nicht: Der Bergpfarrer 319 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Über dieses E-Book
Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert.
Sigrun Hallermeier, die die zusammen mit ihrer Nichte Melissa Stiegler einen zweiwöchigen Urlaub in St. Johann verbrachte, war glücklich, dass Gerhard Aumann und zwei weitere Geschädigte, die sie aus Frust und Langeweile bestohlen hatte, von einer Anzeige abgesehen hatten. Den pensionierten Lehrer Gerhard Aumann, der den Winter über in St. Johann bleiben wollte und der – wie auch Sigrun – im 'Gästehaus Wachnertaler Hof' wohnte, hatte sie zur Wiedergutmachung zu einem gemütlichen Abend im Biergarten des Hotels 'Zum Löwen' eingeladen. Nun sollte Sigruns Urlaub und der ihrer Nichte in zwei Tagen enden. Die Sechsundsechzigjährige aber wollte in St. Johann bleiben. Nicht nur, weil sie sich in den Ort und das Tal regelrecht verliebt hatte, sondern auch, weil es ihr der siebzigjährige Gerhard angetan hatte. Das war allerdings noch ihr Geheimnis, das sie wohl zu hüten verstand. Wenn sie entspannt am Pool des Gästehauses im Liegestuhl lag oder am Achsteinsee auf ihrer Luftmatratze, erschien Gerhards Bild immer wieder vor ihrem inneren Auge, und sie stellte sich vor, wie es wäre, die Zeit bis zum Frühling hier im Wachnertaler Hof in seiner Nähe, oder vielleicht sogar mit ihm, zu verbringen. Beim Gedanken daran wurde sie regelrecht sentimental. Sie wusste, dass Gerhard verwitwet war. Sie selbst hatte sich nach einer großen Enttäuschung in jungen Jahren nie wieder auf einen Mann eingelassen. Aber nun, so schien es, hatte sie auf ihre alten Tage ein Pfeil Amors getroffen. Melissa telefonierte viel und oft mit ihrer neuen Liebe. Sie hatte Jonas Loreth am Achsteinsee kennengelernt. Jonas' Urlaub war allerdings schon zu Ende, und er war nach Freudenstadt im Schwarzwald zurückgekehrt. Es war jedoch beschlossene Sache, dass er so bald wie möglich zu Melissa nach Heilbronn ziehen würde, da er nicht an Freudenstadt gebunden war – weder privat noch beruflich. Ihre Herzen haben sich gefunden, dachte Sigrun des Öfteren. Und dann: Warum sollten sich nicht meins und Gerhard Aumanns auch finden?
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Buchvorschau
Alter schützt vor Liebe nicht - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer
– 319 –
Alter schützt vor Liebe nicht
Wird sich Gott Amor für Sigrun einsetzen?
Toni Waidacher
Sigrun Hallermeier, die die zusammen mit ihrer Nichte Melissa Stiegler einen zweiwöchigen Urlaub in St. Johann verbrachte, war glücklich, dass Gerhard Aumann und zwei weitere Geschädigte, die sie aus Frust und Langeweile bestohlen hatte, von einer Anzeige abgesehen hatten. Den pensionierten Lehrer Gerhard Aumann, der den Winter über in St. Johann bleiben wollte und der – wie auch Sigrun – im ‚Gästehaus Wachnertaler Hof‘ wohnte, hatte sie zur Wiedergutmachung zu einem gemütlichen Abend im Biergarten des Hotels ‚Zum Löwen‘ eingeladen.
Nun sollte Sigruns Urlaub und der ihrer Nichte in zwei Tagen enden. Die Sechsundsechzigjährige aber wollte in St. Johann bleiben. Nicht nur, weil sie sich in den Ort und das Tal regelrecht verliebt hatte, sondern auch, weil es ihr der siebzigjährige Gerhard angetan hatte. Das war allerdings noch ihr Geheimnis, das sie wohl zu hüten verstand.
Wenn sie entspannt am Pool des Gästehauses im Liegestuhl lag oder am Achsteinsee auf ihrer Luftmatratze, erschien Gerhards Bild immer wieder vor ihrem inneren Auge, und sie stellte sich vor, wie es wäre, die Zeit bis zum Frühling hier im Wachnertaler Hof in seiner Nähe, oder vielleicht sogar mit ihm, zu verbringen.
Beim Gedanken daran wurde sie regelrecht sentimental. Sie wusste, dass Gerhard verwitwet war. Sie selbst hatte sich nach einer großen Enttäuschung in jungen Jahren nie wieder auf einen Mann eingelassen. Aber nun, so schien es, hatte sie auf ihre alten Tage ein Pfeil Amors getroffen.
Melissa telefonierte viel und oft mit ihrer neuen Liebe. Sie hatte Jonas Loreth am Achsteinsee kennengelernt. Jonas‘ Urlaub war allerdings schon zu Ende, und er war nach Freudenstadt im Schwarzwald zurückgekehrt. Es war jedoch beschlossene Sache, dass er so bald wie möglich zu Melissa nach Heilbronn ziehen würde, da er nicht an Freudenstadt gebunden war – weder privat noch beruflich.
Ihre Herzen haben sich gefunden, dachte Sigrun des Öfteren. Und dann: Warum sollten sich nicht meins und Gerhard Aumanns auch finden? Daraus, dass Gerhard sie sympathisch fand, hatte dieser kein Geheimnis gemacht. Sie war zwar nicht mehr die Jüngste, aber ihr Leben war noch längst nicht zu Ende. Warum sollte ihr nicht noch ein gewisses Maß an Glück beschieden sein?
Es war Mittagszeit. Melissa befand sich auf dem gemeinsamen Zimmer und telefonierte. Sigrun hatte es sich auf der Terrasse des Gästehauses gemütlich gemacht, von der aus man freien Ausblick in den parkähnlichen, gepflegten Garten hatte, der zur Pension gehörte. Vor ihr stand eine Tasse Kaffee auf dem kleinen runden Tisch. Sie beobachtete einige Pensionsgäste, die sich in dem großen Garten aufhielten.
Ein Auto fuhr vor, wurde geparkt, und Mareile Frischholz, die zusammen mit dem Bauunternehmer Roland Wiedermann die Pension betrieb, stieg aus. Einer jähen Eingebung folgend, erhob sich Sigrun und rief: »Frau Frischholz! Hallo, Frau Frischholz! Hätten Sie ein paar Minuten Zeit für mich?«
Mareile bemerkte Sigrun, lächelte, betrat den Garten und stieg die fünf Stufen zur Terrasse zu ihr hinauf. Sie hatte Sigrun großmütig verziehen, dass sie wegen der Diebstähle die Pension um ein Haar in Verruf gebracht hätte. Die ganze Angelegenheit hatte sich in Wohlgefallen aufgelöst, und so war auch Mareile besänftigt worden.
»Was kann ich denn für Sie tun, Frau Hallermeier?«, erkundigte sie sich. Die schöne Frau hatte vor einiger Zeit sämtliche Brücken in Frankfurt hinter sich abgebrochen und sich mit dem Erwerb und dem Ausbau der Pension einen Traum erfüllt. Ganz nebenbei hatte sie sich unsterblich in Roland Wiedermann verliebt, der als stiller Teilhaber in die Finanzierung des Projekts eingestiegen war.
Mareile war sich sicher, das ganz große Los gezogen zu haben. Und jeder, der sie und Roland kannte, musste sich dieser Meinung anschließen. Man konnte bei den beiden ruhigen Gewissens von Seelenverwandtschaft sprechen.
»Bitte, Frau Frischholz, setzen Sie sich doch ein bisschen zu mir«, antwortete Sigrun und schaute Mareile geradezu verschwörerisch an. »Ich habe nämlich ein Anliegen.«
Mareile ließ sich nieder und musterte die Sechsundsechzigjährige fragend und abwartend zugleich. »Ich möchte gerne den Winter hier verbringen«, brachte Sigrun ihr Anliegen sofort auf den Punkt. »Es ist natürlich fraglich, ob Sie mir ein Zimmer vermieten können. Wenn ich mich recht erinnere, dann hat die junge Dame an der Rezeption mal geäußert, dass die Pension über einen längeren Zeitraum ausgebucht wäre.«
»Gefällt es Ihnen bei uns so gut?«, fragte Mareile.
»Ich würde am liebsten für immer hierbleiben«, erwiderte Sigrun.
Mareile lächelte. Es war ein freudiges und zugleich stolzes Lächeln. »Wenn das so ist … Sie haben Glück, Frau Hallermeier. Gestern hat ein älteres Paar abgesagt, weil die Frau schwer erkrankt ist. Ich kann ihnen das Zimmer, das für das Ehepaar vorgesehen war, gerne zur Verfügung stellen.«
»Das ist ja wunderbar«, freute sich Sigrun und klatschte impulsiv in die Hände. »Ich nehme das Zimmer natürlich. Ist es möglich, dass ich bis zum März bleibe?«
Mareile nickte. »Wenn Sie so lange bleiben möchten – gerne.«
»So ein Glück«, jubelte Sigrun. »Ich kann es kaum fassen.«
»Wenn es definitiv ist, dass Sie sich bis zum Frühjahr einmieten möchten, Frau Hallermeier«, sagte Mareile, »dann werde ich Angie gleich Bescheid sagen, damit sie das Zimmer auf Ihren Namen bucht.«
»Ja, bitte. Ich bin fest entschlossen zu bleiben.«
»Angie wird Ihnen auch den Preis nennen und sie über die Leistungen informieren, die in dem Preis enthalten sind.« Mareile erhob sich. »Angie wird auf Sie zukommen, Frau Hallermeier. Was sagt denn Ihre Nichte zu Ihrem Entschluss?«
Sigrun lächelte verschmitzt. »Die weiß noch nichts davon. Besonders erbaut wird sie nicht sein, wenn sie alleine nach Hause fahren muss.«
»Wollen Sie nicht erst mit Frau Stiegler ihre Absicht besprechen?«, fragte Mareile. »Ich bin auch gerne bereit, das Zimmer freizuhalten, bis Ihre Entscheidung endgültig ist.«
»Befürchten Sie, dass mich Melissa noch umstimmen könnte?«
»Ich schließe es zumindest nicht aus«, versetzte Mareile lächelnd. »Und immerhin fungiert Ihre Nichte nicht ausschließlich als Ihre Urlaubsbegleitung und Gesellschafterin, sondern ein wenig auch als Ihre Betreuerin.«
»Sie haben, wenn Sie das sagen, mein Hüft- und Knieleiden im Hinterkopf, nicht wahr?«, fragte Sigrun. »Ja. Das ist leider nicht wegzudenken«, versetzte Mareile.
»Das habe ich im Griff«, behauptete die Sechsundsechzigjährige. »Es ist in Wirklichkeit auch bei Weitem nicht so gravierend, wie es möglicherweise aufgrund der hilfsbereiten Art meiner Nichte den Anschein hat. Ich denke, Frau Frischholz, ich bin bei Ihnen hier im Wachnertaler Hof gut aufgehoben. Nicht umsonst spricht man …«, Sigrun schmunzelte, »… von der ‚Pension mit Herz‘.« Sie sprach mit leicht gesenkter Stimme weiter: »Sie müssen auch nicht befürchten, dass ich noch einmal rückfällig werde. Ich weiß ja selber nicht, was mich geritten hat, als ich …, na, Sie wissen schon. So etwas wird nicht mehr vorkommen.«
»Dessen bin ich mir völlig sicher, Frau Hallermeier«, erklärte Mareile. »Okay, Frau Hallermeier, ich sage Angie Bescheid. Sie wird Ihnen dann die Buchungsunterlagen zur Unterschrift vorlegen.«
»Danke, Frau Frischholz. Ich bin richtig glücklich, weil das so reibungslos über die Bühne geht. Für das Ehepaar, das absagen musste, tut mir zwar sehr leid, für mich aber hat sich dies als Glücksfall erwiesen.«
»Ich muss mich bedanken, Frau Hallermeier«, erwiderte Mareile. »Mit Ihrer Absicht, die nächsten Monate in der Pension zu leben, beweisen Sie mir großes Vertrauen.«
»Das hatte ich vom ersten Tag an«, versicherte Sigrun, und es war kein Lippenbekenntnis, sondern kam von Herzen.
*
Wenig später erschien Melissa und setzte sich auf den Stuhl, auf dem vor einigen Minuten noch Mareile Frischholz gesessen hatte.
»Und?«, fragte Sigrun. »Ich vermute, deinem Jonas geht es gut, außer dass er vielleicht vor Sehnsucht nach dir vergeht und es kaum erwarten kann, dich wieder in die Arme zu nehmen.«
Melissa lachte hell auf. Sie war bester Laune und ausgesprochen beschwingt. »Ich soll dir schöne Grüße von ihm bestellen. Wir sollen die zwei Tage, die wir noch haben, voll und ganz auskosten, hat er mir aufgetragen.«
Eine Bedienung kam durch