Hörst du das Plätschern?
Von Tom Hesse
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Über dieses E-Book
Tom Hesse
Tom Hesse ist das Pseudonym eines in Bayern lebenden Menschen, dem die Liebe zur Literatur dazu inspiriert hat sich selbst zu verwirklichen.
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Buchvorschau
Hörst du das Plätschern? - Tom Hesse
Kapitel 1
Hörst du das Plätschern?
von
Tom Hesse
Schwacher Mondschein schimmerte durch ein offenes Fenster eines Schlafzimmers. Es war bereits nach zwölf und eine frische Frühlingsbrise kühlte den Raum angenehm ab. Ein Mann stand vor dem Fenster. Er schloss es eilig und ließ die Jalousien zur Hälfte runter, damit noch etwas Licht hineinschien. Mit hektischen Schritten lief er zum Ehebett; seine Frau lag schon darin. Kritischen Blickes beugte er sich über die noch leere Bettseite, neigte sich in gewohnter Manier leicht hinunter, um sodann dem altbewährten Usus Folge zu leisten und das Spanntuch straff zu ziehen. Obwohl es nur geringfügig Falten warf, blieb dies dem geschulten Auge nicht verborgen. Da sich das Tuch noch immer nicht harmonisch in das Gesamtbild einfügte, sah sich der Gezwungene genötigt, weitere Anstrengungen gegen die vorherrschende Disharmonie in die Wege zu leiten. Seine Frau beobachtete ihn dabei. Diesen Kampf, zwischen ihm und dem Tuch, sah sie sich jede Nacht mit an. Sie war es inzwischen leid und äußerte ihren Unmut darüber mit einem gelangweilten: „Bist du dann mal fertig? Leise murmelnd entgegnete dieser: „Nun nerv doch nicht schon wieder. Hättest du die Betten heute Morgen gleich richtig hergerichtet, dann müsste ich jetzt nicht nachbessern.
Darauf erwiderte die Frau in genüsslichem Ton: „Weißt du mein Lieber, wir haben im Wohnzimmer noch ein sehr gemütliches Sofa stehen, da hättest du dann auch nicht das Problem mit dem Tuch. Mit einem tiefen Knurren und grimmiger, aber nicht ganz ernstzunehmender Miene, blickte er zu seiner Frau hinüber. Mit den Lippen einen Kussmund formend, gab sie ihm ein: „Ich lieb dich auch
, zu verstehen, und drehte sich von ihm weg. Der Mann konnte noch immer nicht vom Tuch ablassen, zog und zerrte weiter unbeirrt daran. Als er schließlich die erwünschte Harmonie zum Vorschein brachte, setzte er sich auf das Bett und richtete seinen Blick auf das auf dem Nachttischchen liegende Smartphone. Er nahm es in die Hand, um noch einmal sein E-Mail-Postfach auf neue Mails zu überprüfen. Eine gleichermaßen unnötige und wenig erfolgversprechende Handlung wie der Spanntuchkrieg hatte er dies doch, unmittelbar bevor er das Fenster schloss, bereits getan und enttäuscht feststellen müssen, dass keine neuen Mails eingegangen waren. Seine Frau bemerkte das, richtete sich auf, räusperte sich und sagte zu ihm in unmissverständlichem Ton: „Musst du denn deine blöden E-Mails jeden Abend noch einmal kontrollieren? Das hat doch wohl bis Morgen Zeit! Pampig und genervt erwiderte dieser: „Ach, dir ist ja gar nicht bewusst, wie wichtig manche von diesen E-Mails sind. Weißt du, nur durch meine harte Arbeit können wir uns so ein tolles Haus und so eine schicke Einrichtung überhaupt erst leisten. Sei mal etwas dankbarer!
Die Frau rümpfte die Nase und kehrte in ihre alte Liegeposition zurück. Der Mann platzierte das Smartphone auf seinen gewohnten Ort und legte sich, nicht ohne den Versuch zu starten mit einem: „Es tut mir leid. Ich habe das nicht so gemeint, die Wogen zu glätten, ins Bett. „Schon gut. Ich kenne das ja mittlerweile
, entgegnete sie halb gereizt, halb versöhnlich. Die beiden lagen nur kurze Zeit still nebeneinander, als der Mann seine Frau fragte: „Hast du eigentlich den Herd abgeschaltet? „Ja, ich habe vorm Schlafengehen extra nochmal nachgeschaut
, antwortete diese, bemüht, nicht aus der Fassung zu geraten. Nur wenig später schaltete sich der umtriebige Geist des Mannes erneut ein, um sich über Folgendes zu erkundigen: „Und weißt du auch, ob ich die Haustür abgeschlossen habe? Zähneknirschend, mit dem Bedürfnis, ihrem Mann ein Kissen ins Gesicht zu drücken, erwiderte sie: „Ja, hast du. Ich habe dich gesehen, als du sie verschlossen hast. Und jetzt schalt endlich ab und schlaf!
Der Mann blieb still im Bett liegen. Er dachte allerdings noch viel über den kommenden Tag nach, wie er es üblicherweise tat, wenn ein wichtiges Meeting anstand.
Kapitel 2
Erbarmungslos schellte der Wecker Alexander aus seinen Träumen. Mit verschlossenen Augen drückte er beherzt die Schlummer-Taste, um sich noch ein wenig den herrlichen Freuden des Müßiggangs hinzugeben. Eine angenehme Woge von Wärme und Geborgenheit umhüllte Alexanders Bewusstsein und zog ihn sanft zurück in die Welt des Schlafs. Nur sieben Minuten währte sein kleines Glück, ehe schrille Töne dem erneut ein jähes Ende bereiteten. Erzürnt über diese neuerliche Lärmbelästigung, schaltete Alexander den Wecker aus und warf mit knurrenden Lauten das Bettlaken zur Seite. Wach. Der erste bewusste Gedanke, das erste Wort, das ihm in den Sinn kam und welches ihm schon jetzt Kummer bereitete, wusste er doch, was ihm mal wieder bevorstand.
Behäbig, nur unmerklich der Schwerkraft trotzend, setzte er sich aufs Bett, um sodann den noch härteren Gang des Aufstehens zu wagen. Gemächlich machte er sich auf ins Badezimmer, nebenbei unermüdlich damit beschäftigt, die Müdigkeit aus seinem Körper zu gähnen. Wasser lassen. Zähne putzen. Gesicht waschen und rasieren. Haare kämmen. Routine pur. Vor einiger Zeit kam noch die tägliche Einnahme von Medikamenten hinzu. Rückkehr ins Schlafzimmer. Schlafanzug ausziehen, Socken, Jeans und T-Shirt anziehen. Armbanduhr überstreifen. Ein tiefer Seufzer der Verdrossenheit beendete dieses allmorgendliche Ritual dem er, nolens volens, beiwohnte.
Er begab sich hinunter in die Küche. Ein wohltuender Geruch von frisch aufgebrühtem Kaffee umschmeichelte seine Nase und ließ Anlass zu hoffen, der Tag könnte mehr bringen, als erwartet. Mit einem lustlosen „Morgen, betrat Alexander die Küche, seine Frau Julia damit begrüßend. „Was ist morgen?
, fragte Julia. „Das Ende aller Tage, wenn ich Glück hab, entgegnete er. „Aber das hast du ja meistens nicht, stimmt´s?
„Stimmt. Alexander holte eine Tasse aus dem Küchenschrank, goss Kaffee ein und setzte sich ihr gegenüber an den Küchentisch. Julia, nebenbei damit beschäftigt eine Scheibe Toast mit Butter zu bestreichen, sagte: „Du verblüffst mich wirklich immer wieder mit deinem strahlenden Optimismus. Du solltest Lebensberater werden.
Mit zusammengekniffenen Augen und einem angriffslustigen Lächeln auf den Lippen, fixierte Alexander Julia. Schweigend sahen sie sich einen Moment an. „Dir fällt nichts Schlagfertiges mehr ein, was? Warst auch schon mal besser, zog sie ihn auf. „Bin nur etwas aus dem Training
, beendete Alexander das Gespräch, trank einen Schluck heißen Kaffee, verbrannte seine Zunge, jammerte und widmete sich der auf dem Küchentisch liegenden Tageszeitung. Versunken in den weiteren Entwicklungen des derzeit alles beherrschenden Themas driftete sein Geist langsam ab in andere Welten.
Sicher, man war sich bewusst, dass so etwas früher oder später kommen würde, und dennoch bildet sich der Mensch stets ein, Herr der Lage zu sein. Dieser Hochmut kannte bis zu jenem Tage, als sich das Unheil auf der ganzen Welt verbreitete, keine Grenzen. Schon jetzt, zu Beginn des Frühlings, gibt es viele Verluste zu beklagen und die Experten befürchten noch Schlimmeres, sprechen von einer zweiten Welle im Herbst.
„Welcher Tag ist heute? Julias Stimme zog Alexander zurück aus seiner Gedankenwelt in die Küche. Fragenden Blickes betrachtete er Julia. Diese wiederholte: „Welcher Tag ist heute?
Alexander überlegte. Mit den Fingern ungeduldig auf dem Tisch trommelnd fixierte sie ihn. Er grübelte weiter. Grübelte stirnrunzelnd und öffnete langsam seinen Mund: „Fr... „Wenn du jetzt sagst, es ist Freitag, dann scheuer ich dir eine.
Alexander geriet ins Schwitzen. Seine Augen kreisten nachdenklich umher. Julia riss der Geduldsfaden. „Heute ist unser 8. Hochzeitstag, Armleuchter. Julia stand genervt auf und verließ die Küche. „Alles Liebe zum Hochzeitstag!
, schrie er ihr hinterher. „Du kannst mich mal!", schallte es aus dem Flur zurück. Alexander seufzte laut auf, lehnte seinen Kopf zurück und schloss für einen Moment die Augen. Dann widmete er sich wieder der Zeitung. Schon kurz darauf legte er sie zur Seite, um Block und Stift zu holen. Fieberhaft kritzelte er drauf los. So etwas passierte ihm öfter. Er schrieb gerne, doch wie vieles andere auch nur halbherzig. Zu wenig Zeit, zu wenig Lust, zu wenig Geist, zu viel Frust. Ab und zu allerdings, wenn er überwältigt wurde von seinen Gefühlen, durfte er sich am Kuss der Muse erfreuen. Ebensolcher Kuss veranlasste Alexander dieses kurze Gedicht niederzuschreiben:
Dunkler Morgen, schwarzes Herz,
tiefe Trauer, blanker Schmerz.
Hoffnung für immer verloren,
als Toter wiedergeboren.
Schreie in der Nacht,
ziehen in die letzte Schlacht.
Lassen zurück ein blutend´ Herz
und auf ewig reinen Schmerz.
Alexander hörte auf zu schreiben. Er las sich seinen geistigen Erguss noch einmal durch und legte dann, mit befriedigtem Lächeln den Stift weg. „Und auf ewig reinen Schmerz, murmelte Julia die letzte Zeile des Gedichts leise vor sich hin, um auf sich aufmerksam zu machen. Diese hatte sich unbemerkt hinter Alexander gestellt und dabei das Gedicht gelesen. Alexander, der sich allein wähnte, fuhr erschrocken zusammen. „Dass du dich jetzt aber bitte nicht ins Buttermesser stürzt
, witzelte Julia in versöhnlichem Ton. „Klingt ziemlich düster, bemerkte sie, nun leicht Besorgnis erregt. Mit ernster Miene zu ihr heraufblickend entgegnete er fest überzeugt: „Ich beschreibe damit nur das Leben. Zumindest das, das nicht vom Blick des Optimisten getrübt ist.
Julia, die über die Worte ihres Mannes nachdachte, kam kurzerhand zu folgender Erkenntnis: „Lieber trüben Blickes Optimist sein, als klaren Blickes Pessimist." Er schenkte ihr ein zaghaftes Lächeln gefolgt von einer stetig ernster werdenden bis zuletzt versteinerten Miene. Julia kannte diesen Ausdruck in seinem Gesicht. Ein in den letzten Jahren zur Routine