Sieben Tage: Der Hof
Von Oliver Auschner
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Buchvorschau
Sieben Tage - Oliver Auschner
Der Hof
Es ist stockdunkel im Zimmer, kein Licht, nicht mal der Mond kann etwas dazugeben. Josef liegt mit offenen Augen da und starrt an die Zimmerdecke. Er versucht es zumindest, „sind die Augen nun auf oder zu? Nur an den Muskelbewegungen der Augen bemerkt er, dass er ins Nichts sah. „Verflucht noch mal
schimpfte der Alte, es ist, als wäre man schon tot.
Neben ihm lag seine Frau im tiefen Schlaf. „Wenn sie so ruhig liegt, ist sie bestimmt wieder in einer anderen Welt und träumt murmelte er leise vor sich hin. Josef versuchte sich leise auf die andere Seite zu drehen und sich die Decke bis über die Augen zu ziehen, aber das Bett, das verfluchte Bett ließ das überhaupt nicht zu, ließ jede Bewegung in einem knarrenden und quietschenden Laut zum Inferno werden. „das halte ich nicht aus
wetterte Josef und schnellte hoch. Nun saß er auf dem Bett und war sich sicher, dass er gleich aufstehen würde, seine Pantoffeln suchen würde, um in die Küche zu gehen. Anna hat das alles nicht gestört, sie lag noch immer so da und schlief den Schlaf der Gerechten. „Na ja" dachte Josef und stieg aus dem Bett. Es war aus der guten alten Zeit, aus richtigem Holz und hatte Stahlfedern, die es jeden hören ließen, der sich auf sie setzte.
Vorsichtig angelte sich Josef die Latschen und stand nun fest auf seinen Beinen. Mit der rechten Hand suchte er nach dem Morgenmantel, der immer am hinteren Bettende lag und zog ihn sich in völliger Dunkelheit über. Eine Hand vors Gesicht, die andere Hand tastend ging er leise und vorsichtig zur Tür, ertastete die schmiedeeiserne Klinke, öffnete diese und schloss die Tür hinter sich. Kaum war sie zu, atmete er erleichtert in der Finsternis auf, machte sich auf dem Flur Licht und ging nun schlurfend in die Küche. „Gut, dass Anna nicht aufgewacht ist dachte der Alte. Es ist nicht gut, wenn sie merkt, dass er nachts aufsteht. „Was soll das, die Nacht ist zum schlafen da, leg dich hin und gib Ruhe
. Es fällt ihm nun mal schwer, die Stunden der Nacht über die Runden zu bekommen, aber wenn ihm Anna dann auch noch erzählt, dass er gefälligst liegen bleiben soll, ist es vorbei mit der Nachtruhe. Lieber stehe ich auf und gehe ein wenig hin und her. Das still liegen ist nichts für mich, dachte Josef, der sich gerade auf einem Stuhl in der Küche niederließ.
Die Küchenuhr an der Wand über der Kommode zeigte an, was er befürchtet hatte, es war erst 02.20 Uhr. „Es ist jedes Mal dasselbe" grummelte Josef vor sich hin und ärgerte sich über den gesunden Schlaf seiner Frau und darüber, dass er zu nachtschlafender Zeit im Haus herumschlich und sich langweilte.
„Ich werde mir einen Tee kochen und mal sehen, ob ich die gestrige Zeitung noch finden kann. Nachdem er sich Wasser in den Kessel gefüllt hatte und diesen auf die Herdplatte stellte, ging er auf die Suche. „Hoppla na das ist ja ein Ding, dachte der Alte und freute sich, die Suche gar nicht erst beginnen zu müssen. Anna hatte die Zeitung auf seinen Stuhl gelegt, in der weisen Voraussicht, dass ihr lieber Mann sie sowieso wieder in der Nacht suchen würde. Das Teewasser fing an zu summen und schließlich goss sich Josef ein Glas mit dem kochenden Wasser ein, ließ ein Teeei mit Inhalt hinein und schüttete sich zwei Teelöffel Zucker hinterher. „So lasse ich mir das gefallen
dachte er, setzte sich auf seinen Stuhl, rückte näher zum Licht heran und vertiefte sich in die Lektüre.
„Mein Gott, die Zeit vergeht aber heute überhaupt nicht. Josef sah erneut auf die Uhr 03.38 Uhr. Die Zeitung hatte auch nicht viel Neues zu bieten, außerdem hatte er sie am Nachmittag schon so gut wie ausgelesen. Josef erhob sich, faltete die Zeitung zusammen und legte sie wieder auf seinen Stuhl, so als ob er sie gar nicht angefasst hätte. Als er an das Küchenfenster ging, um heraus zu sehen, kam urplötzlich dieser verdammte Schmerz wieder, der ihn fast lähmte und zwang, sich an der Tischkante festzukrallen. „Verflucht
zischte er durch die Zähne und zwang sich, sich nicht setzen zu müssen. Sein Kopf fühlte sich an, als ob er an einem Stromkabel angeschlossen wäre, seine Arme fingen an zu kribbeln und die Luft wurde ihm knapp. „Gehe hin, wo du hergekommen bist und lass mich in Ruhe, du Teufel keuchte er. Langsam, ganz langsam kamen seine Lebensgeister zurück. Schweiß- gebadet stand er vor dem Fenster und hielt sich noch immer am Tisch geklammert, so dass seine Finger ganz weiß wurden... Zwei, dreimal holte er tief und lange Luft, immer noch in sich hineinhorchend, um nicht noch mal die Schmerzen heraufzubeschwören und schlich gebückt nach Halt suchend zur Abwäsche, wo er sich mit dem kalten Wasser das Gesicht kühlte und die heißen Hände immer wieder unter den Hahn hielt. „Lange mach ich das nicht mehr mit
dachte Josef und überlegte, wie er das seiner Frau sagen sollte und ob es sich überhaupt lohne, darüber zu sprechen. Er wusste genau, was sie sagen würde. Da er aber die Ärzte hasste und noch nie in einem Krankenhaus war, was das Thema für ihn auch schon wieder erledigt.
Josef ging wieder auf den Flur, nahm sich den Türschlüssel zum Hof und schloss die Holztür auf. Sofort schlug der Hund an. Sein Gebell weckte auch die anderen Hunde im Dorf, die aber nach kurzer Zeit wieder Ruhe gaben.
Die kalte Winterluft raubte ihm für kurze Zeit die Sinne. Lichtblitze durchzuckten ihn und die Augen fingen an zu tränen. Er hatte nicht mal die Zeit sich umzuschauen und nach dem Hund zu suchen, so fror er plötzlich. Er verschloss die Tür wieder, legte den Schlüssel wieder auf die Anrichte und schlurfte in die Küche. Das Teeglas stellte er vorsichtig in die Abwäsche, sah sich noch einmal um und ging wieder ins Bett. Vorher hatte ihm die Uhr 04.45 Uhr angezeigt. „Gott sei Dank" dachte Josef, die Nacht ist so gut wie vorbei. Er fühlte sich jetzt müde und zerschlagen, wie nach einem Tage auf seinem Hof.
Langsam fielen ihm die Augen zu und der Schlaf überkam ihn und hüllte ihn die gleiche Dunkelheit ein, wie der Raum war, schwarz und unendlich. Anna drehte sich zu ihm und sah ihn kurz an, dann lächelte sie in sich hinein, rollte kurz mit den Augen und schüttelte kurz den Kopf. Sie hatte wohl bemerkt, dass Josef sich wieder heimlich aus dem Bett geschlichen hatte. Nach kurzer Zeit lagen beide wieder in ruhigem tiefen Schlaf und die Nacht hatte Zeit, sich an den folgenden Tag zu verlieren.
Im Dorf herrschte absolute Stille, wie man sie nur aus eiskalten Winter- tagen kennt, wenn alle Fenster geschlossen sind, alle Geräusche gedämmt werden durch den Schnee und die eisige Luft, wo sich die Tiere aneinander schmiegen, um die Wärme zu halten. Nur die weißen Rauchfahnen aus den Schornsteinen waren sichtbar als der Tag anbrach.
„Josef, .... Joooseff, langsam öffnete Josef die Augen. Jetzt, wo die Wintersonne durch das beschlagene Fenster brach und die Sonnenstrahlen sich im gesamten Zimmer verfingen und in den Gardinen verschwanden, war ihm doch etwas seltsam. „In der Nacht nicht schlafen können und Tags am liebsten im Bett bleiben wollen, das sind die richtigen
grummelte Anna. Hatte Anna ihn gerufen oder war das ein Traum? Er dreht seinen Kopf zur Seite und sah die leere Betthälfte. War dann wohl doch nicht geträumt, dachte er und überlegte, ob er nun einfach liegen bleiben soll oder um des lieben Frieden willen sich erheben und das Tagwerk beginnen sollte. Anna kam wieder ins Zimmer. Sie sah ihn mit einer Mischung aus Mitleid und einem Lächeln an, „komm Josef, du musst noch einheizen. In der Küche habe ich schon geheizt, aber die Wohnstube ist noch kalt, steh auf und beweg dich.
Ehe er zum Sprechen kam, zog sie die Gardinen mit einem Ruck zur Seite und Josef hielt die Hand vor die Augen. „Himmel, ich steht ja schon auf. Schwerfällig rollte er sich auf die Seite und setzte sich auf die Bettkante. „Also
..., was „also fragte Anna, die vor ihm stand und die Hände in die Hüften stützte. „Also heißt, du hast gewonnen und ich meine Ruhe
, sagte Josef in einem verschmitzten Ton und verzog sein Gesicht zu einem Grinsen. Beide standen sich jetzt am Sonntagmorgen in ihrer Schlafstube gegenüber und sahen sich an. „Guten Morgen Frau sagte Josef und erwartete den Gegengruß – „Guten Morgen du alter Narr
war die etwas barsche Antwort seiner Frau. Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange und verschwand wieder in Richtung Küche, wo sich der Wasserkessel lautstark bemerkbar machte.
Josef holte tief Luft und verschwand in die Badestube, wo man ihn laut pfeifen hörte. Das konnte ihm keiner nachmachen, er konnte trällern wie eine Nachtigall. Mit seinen 85 Jahren war er sowieso nicht wie seine Altersgefährten. Er war eine kleiner drahtiger Mann, dessen Gesichtszüge sich in den Jahren verhärtet hatten, aber die Lachfalten an den Augen verrieten einen umgänglichen und lustigen Opa, wie seine Enkel ihn letztens riefen. „Lustiger Opa", so was dachte Josef, als er sich mit dem Rasiermesser langsam den Hals hoch die Barthaare rasierte.
Kurze Zeit später hörte man ihn in der Wohnstube den Ofen in Gang bringen. Anna hatte in der Zeit schon die Betten aufgeschüttelt und die Fenster weit geöffnet. Die klare Winterluft durchzog das ganze Haus, machte einen fröstelnd aber war eine Wohltat für die Lungen der beiden Alten.
Beim Frühstück fragte Anna ganz beiläufig, ob Josef in der Nacht mal wieder aufgestanden sei. Dieser schielte mit einem Blick auf die zusammengefaltete Zeitung und wollte die Frage gerade mit Entrüstung verneinen, als sein Blick auf das Teeglas fiel. „Ja, ich konnte mal wieder nicht schlafen und da bin ich halt wieder aufgestanden gab er zu und schlürfte seinen Kaffee ganz langsam herunter, um Zeit für die anstehende Diskussion zu sammeln. „Weißt du
sagte Anna, es ist mir ja eigentlich egal, aber andererseits auch wieder nicht. „Du solltest dich doch vielleicht mal dem Doktor vorstellen, der wird dir schon helfen.
„Der wird mir schon helfen dachte Josef, in die Holzkiste wird er mir helfen. „Nein, ich brauche keinen Medizinmann
sagte Josef und erhob sich, stellte seinen Stuhl ordentlich an den Tisch und ging hinaus.
Anna hatte schon des Öfteren mit ihm über seine Schlafstörungen gesprochen, genützt hat es jedoch gar nichts. Er ist ein richtiger „Sturkopf" dachte sie. Den Kopf in die Arme gestützt, saß sie noch immer am Tisch und hatte sich am Rand der Kaffeetasse fest geguckt. Erst das Hundebellen auf dem Hof brachte sie