Der Willkür der alten Gräfin ausgeliefert...: Fürstenkinder 53 – Adelsroman
Von Sandra Werden
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Über dieses E-Book
Ihre Lebensschicksale gehen zu Herzen, ihre erstaunliche Jugend, ihre erste Liebe – ein Leben in Reichtum, in Saus und Braus, aber oft auch in großer, verletzender Einsamkeit.
Große Gefühle, zauberhafte Prinzessinnen, edle Prinzen begeistern die Leserinnen dieser einzigartigen Romane und ziehen sie in ihren Bann.
Ähnlich wie Der Willkür der alten Gräfin ausgeliefert...
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Buchvorschau
Der Willkür der alten Gräfin ausgeliefert... - Sandra Werden
Fürstenkinder
– 53 –
Der Willkür der alten Gräfin ausgeliefert...
Sandra Werden
»Stefanie, Frank, endlich finde ich euch! Marsch ins Bett! Für heute ist genug gespielt worden!«
»Och, schon?« wandte die fünfjährige Stefanie schüchtern ein. Ernst sahen die großen blauen Kinderaugen Miß Blackwood an.
Das hagere, spitze Gesicht der englischen Gouvernante wurde noch strenger.
»Du wagst zu widersprechen? Das sind ja völlig neue Methoden!«
»Frank ist auch noch nicht müde. Ich dachte nur, weil es noch so früh ist.«
»Was macht ihr übrigens hier?« fragte Miß Blackwood und sah sich dann etwas mißbilligend im Treibhaus um.
»Spielen«, antwortete der dreijährige Frank unschuldig und strahlend.
Seine Schwester Stefanie, wohl wissend, daß Miß Blackwood es nicht gern sah, wenn sie sich im Treibhaus aufhielten, senkte den Blick kurz zu Boden.
»Es ist schön hier«, flüsterte sie dann und hob den Kopf. »Dürfen wir noch ein wenig hierbleiben? Es ist ja noch so früh.«
»Ausgeschlossen, Kinder!« erklärte Miß Blackwood, und diesmal erlaubte ihre Stimme keinen Widerspruch. »Eure liebe Großtante erwartet heute abend Gäste. Bis zu deren Eintreffen müßt ihr im Bett sein.«
»Mami kann uns ja später zu Bett bringen«, schlug Stefanie mit aufleuchtendem Blick vor.
»Eure Mami muß beim Empfang der Gäste helfen, das weißt du doch!« rügte Miß Blackwood.
»Können Sie das nicht? Und Mami bringt uns zu Bett?« fragte Stefanie hoffnungsvoll.
»Ich gehöre nicht zur Familie, und das ist nicht meine Aufgabe«, entgegnete die Engländerin. »Außerdem hat Gräfin Anita es so angeordnet. Eure Großtante will ja nur euer Bestes. Wie sie es einteilt ist es gut. Und so wird es gemacht.«
»Ich weiß.« Stefanie nickte ergeben. »Komm, Frank!«
Sie nahm ihren kleinen Bruder bei der Hand und führte ihn zu dem alten Gärtner Hermannsen, der zähneknirschend im Hintergrund des Treibhauses stand und überlegte, ob er nicht sein Hausrecht geltend machen und diese giftige Erzieherin einfach hinausweisen solle.
Aber er wußte, daß er den Kindern damit einen schlechten Dienst erweisen würde; denn möglicherweise durften sie danach überhaupt nicht mehr hierherkommen.
»Gute Nacht, Onkel Hermannsen!« sagte Stefanie und gab dem alten Mann die Hand.
Sie machte ihren schönsten Knicks und schob danach den kleinen Frank vor.
»Gute Nacht«, plapperte der Dreijährige gehorsam nach. Er beeilte sich mit seinem Diener und drängte sich an Stefanie vorbei aus der Tür.
Frank begriff noch nicht ganz, was sich hier abgespielt hatte und daß sie für heute wieder einmal aus ihrem Paradies vertrieben worden waren.
Er hatte etwas von seiner Mami gehört und wollte zu ihr, um ihr die neuesten Tagesereignisse zu erzählen.
»Ihr sollt mit dem Personal nicht so vertraut sein!« rügte Miß Blackwood streng, als sie an Stefanies Seite eiligen Schrittes hinter Frank herstrebte. »Es ist ungehörig, dem Gärtner die Hand zu geben.«
»Warum?« erkundigte Stefanie sich. »Nur weil seine Hand schmutzig ist? Meine Hände müssen auch gewaschen werden.«
Zum Beweis dafür hielt sie Miß Blackwood ihre ebenfalls nicht mehr sauberen kleinen Hände hin.
»Es schickt sich nicht, sich mit dem Personal auf eine Stufe zu stellen! Ihr seid die Herrschaftskinder, und euch wird dies alles einmal gehören.«
»Onkel Hermannsen ist kein Personal«, entgegnete Stefanie mit ernstem Gesicht. »Er kennt die schönsten Geschichten der Welt, und in seiner Gärtnerei ist es wunderschön.«
»Seine Gärtnerei, wie du es nennst, ist die Schloßgärtnerei, und sie gehört ebenfalls deiner Großtante, wie alles hier. Du würdest gut daran tun, dir das endlich einzuprägen und dich ihren Wünschen zu fügen.«
»Tante Anita meint sicher, daß ich mich genug füge. Sie ist zufrieden mit mir.«
»Schluß jetzt ! Beeil dich mit dem Waschen, und komm dann ins Spielzimmer zum Abendbrot! Wo ist denn nur dein Bruder? Frank!« rief sie.
»Frank ist sicher zu Mami gelaufen«, sagte Stefanie hastig.
Wenig später öffnete sie die Tür zum Zimmer ihrer Mutter auf der gegenüberliegenden Seite des Flures und blieb aufatmend stehen.
Inmitten des Zimmers, in das die Strahlen der Abendsonne fielen, stand Gisela Spellberg, die Mutter der beiden hübschen Kinder.
Sie war mit Peter Spellberg verheiratet, dem einzigen Neffen der Gräfin Anita von Waßberg zu Wassenau, einer ungemein adelsstolzen Frau, die es ihrem Neffen nicht verzeihen konnte, nur bürgerlich zu sein und darüber hinaus ein bürgerliches Mädchen geheiratet zu haben.
Gisela war mittelgroß und sehr schlank. Sie hatte goldblondes Haar und leuchtendblaue Augen.
Die glatte Haut der schönen jungen Frau war von der Sommersonne leicht gebräunt.
Ihre Augen strahlten vor Mutterglück, als sie ihren kleinen Sohn Frank im Arm hielt und nun auch noch Stefanie auf sich zukommen sah.
Gisela Spellberg war schön wie immer. Trotzdem aber sah sie heute noch anders aus. Stefanie erkannte es auf den ersten Blick.
Wie gebannt blieb sie vor ihrer Mutter stehen und starrte sie bewundernd an.
»Schön siehst du aus, Mami!« erklärte sie im Brustton tiefster Überzeugung.
»Findest du?« meinte Gisela erfreut.
Frank strich unterdessen tastend über die weiche Seide ihres neuen Kleides. Er fühlte die Glätte und Schmiegsamkeit des Stoffes und fand offenbar Gefallen daran. Er achtete nicht auf seine nicht sehr sauberen Hände, sondern genoß es, den weichen Seidenstoff zu fühlen. Jetzt horchte er auf.
»Ja!« Er nickte ernsthaft. »Du bist wunderschön!«
»Danke!« lächelte Gisela beglückt. »Es ist hübsch, wenn eine Mutter ihren Kindern gefällt.«
»Sonst sagen wir es nur nicht«, entgegnete Stefanie. »Aber du bist immer schön!«
»Aber heute ganz besonders«, äußerte Frank wichtig, und er nickte nachdrücklich.
»Das macht das neue Kleid, das ich anhabe«, bemerkte Gisela.
»So schön blau«, lobte Stefanie. »Und so lang, bis auf den Boden. Dein Kleid ist ja noch länger als die von Tante Anita, Mami. Du bist doch so viel jünger als die Großtante. Warum trägst du heute so ein langes Kleid?«
»Es ist ein Abendkleid, Liebling«, erwiderte Gisela. »Solche Kleider trägt man nur zu besonderen Anlässen.«
»Und ist heute ein besonderer Anlaß?«
»Tante Anita hat Gäste eingeladen. Sie wünscht, daß wir uns festlich kleiden.«
»Und warum?« wollte Stefanie wissen. »Sie hat doch nicht Geburtstag?«
»Sie hat einen Orden bekommen, eine Auszeichnung für eine beachtliche Spende.«
»Was ist eine Spende?«
»Eine mildtätige Gabe für einen guten Zweck«, erklärte Gisela ihrer wißbegierigen kleinen Tochter. »Tante Anita hat eine bedeutende Summe für ein Krankenhaus gestiftet.«
»Ist sie denn so reich?«
»Sehr reich.«
»Und warum muß Papi dann so schrecklich viel arbeiten?«
»Er möchte sein Buch vollenden, deshalb arbeitet er so viel.«
Stefanies Stimme wurde zu einem Flüstern: »Wenn Tante Anita so reich ist, kann sie uns dann nicht Geld geben, damit wir uns selbst ein Haus kaufen können? Dann kann sie allein sein und braucht sich nicht mehr zu beklagen, daß wir zu laut sind und sie stören.«
»Deshalb arbeitet Vati ja so fleißig an seinem Buch«, erwiderte Gisela.
Stefanies roter Kindermund blieb vor Staunen weit offenstehen. »Deshalb?« fragte sie.
»Deshalb und auch aus anderen Gründen. Schau, wir möchten der Großtante nicht mehr so zur Last fallen. Wir möchten selbst etwas erreichen. Verstehst du das?«
»Ja!« Die Fünfjährige nickte ernst. »Dann können wir tun, was wir möchten, und Tante Anita braucht nicht mehr alles zu bestimmen, nicht wahr?«
»So ungefähr.«
»Darf die Tante das wissen?«
»Sie weiß es ja.«
»Auch, daß sie dann nicht mehr über uns bestimmen kann?«
»Sie ahnt es wohl.«
»Dann ist es gut!« sagte Stefanie erlöst. »Ach, Mutti, das wäre fein!«
»Aber Steffi«, entgegnete Gisela erschrocken, »du hast es doch so gut hier! Die Großtante erfüllt dir alle deine Wünsche, und sie ist sehr lieb zu dir.«
»Sehr lieb nicht, aber es geht einigermaßen. Nur Miß Blackwood ist so streng.«
»Das muß nun einmal sein.«
»Aber wir nehmen sie nicht mit?« vergewisserte Stefanie sich vorsichtshalber.
»Miß Blackwoods Gehalt könnten wir nie bezahlen«, antwortete die Mutter.
»Dann könnten wir ja später in eine richtige Schule gehen, Frank und ich.«
»Natürlich, Liebes!« stimmte Gisela lächelnd zu.