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Die gekaufte Frau: Leni Behrendt Bestseller 21 – Liebesroman
Die gekaufte Frau: Leni Behrendt Bestseller 21 – Liebesroman
Die gekaufte Frau: Leni Behrendt Bestseller 21 – Liebesroman
eBook199 Seiten2 Stunden

Die gekaufte Frau: Leni Behrendt Bestseller 21 – Liebesroman

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Über dieses E-Book

Leni Behrendt nimmt längst den Rang eines Klassikers der Gegenwart ein. Mit großem Einfühlungsvermögen charakterisiert sie Land und Leute. Über allem steht die Liebe. Leni Behrendt entwickelt Frauenschicksale, wie sie eindrucksvoller nicht gestaltet werden können.

Die gepolsterte Tür, die zum Arbeitszimmer des Chefs führte, öffnete sich geräuschlos, und der Gestrenge wurde sichtbar. Er wollte das Gemach durchschreiten, verharrte dann jedoch vor dem reizvollen Bild, das sich seinen Augen bot. Da saß seine Privatsekretärin, völlig in die Arbeit vertieft. Die lachende Frühlingssonne gleißte in ihrem Haar, das funkelnd wie Altgold den schmalen Kopf in dicken Locken umbauschte. Tief war dieser entzückende Kopf über ein Stenogramm gebeugt. In dem Gesichtchen, zart und fein, stand ein Ausdruck von Ungeduld. Jetzt hoben sich die Augen, große grünblaue Sterne, wie sie wohl die Nixen haben mochten, die ihre Opfer damit betören und sie hinunter ins Verderben ziehen. Träumend schauten sie sekundenlang in die strahlende Sonne hinaus, bis sie dann wieder zu den Schreibmaschinentasten zurückkehrten. Zehn überaus zarte Finger hieben sie mühelos hinunter wie in wechselvollem Spiel. Der Smaragd an ihrer Linken funkelte und sprühte bei diesem Auf und Ab. Das Näschen krauste sich, und dem echtroten Mund entglitt das Zünglein, fuhr blitzschnell über die Lippen im rhythmischen Takt. »Re-ha-bi-li-ta-ti-on«, buchstabierte das Mädchen eifrig in die Maschine hinein. »Re-ha-bi-li-ta-ti-on. Endlich hab' ich dich nun schon. Was für ganz verrückte Worte es doch gibt, tralalala, und dazu scheint hell die Sonne, widihopsassasasa. Und die blauen Veilchen blühen, und ich habe nichts davon, muß hier sitzen und mich schinden in der Arbeit harter Fron. Ist das nicht ein dummer Esel, widewidewittbumbumjuchhe, hat geschrieben und kann nicht lesen, ach herrjeh, herrjemine…« Alles in allem war es ein sinnbetörendes, frohgemutes Menschenkind, das der Arbeit grauer Sachlichkeit die beste Seite abzugewinnen wußte, indem es bei der Ausführung seiner Pflicht durcheinandersang in kunterbuntem Kuddelmuddel. Die bauschigen Ärmel der weißen Seidenbluse wehten bei der schnellen Armbewegung wie ein Segel hin und her, und der Saum des dunkelblauen Wollrocks wippte lustig auf und nieder.
SpracheDeutsch
HerausgeberKelter Media
Erscheinungsdatum23. Nov. 2021
ISBN9783740987527
Die gekaufte Frau: Leni Behrendt Bestseller 21 – Liebesroman

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    Buchvorschau

    Die gekaufte Frau - Leni Behrendt

    Leni Behrendt Bestseller

    – 21 –

    Die gekaufte Frau

    Leni Behrendt

    Die gepolsterte Tür, die zum Arbeitszimmer des Chefs führte, öffnete sich geräuschlos, und der Gestrenge wurde sichtbar.

    Er wollte das Gemach durchschreiten, verharrte dann jedoch vor dem reizvollen Bild, das sich seinen Augen bot.

    Da saß seine Privatsekretärin, völlig in die Arbeit vertieft. Die lachende Frühlingssonne gleißte in ihrem Haar, das funkelnd wie Altgold den schmalen Kopf in dicken Locken umbauschte. Tief war dieser entzückende Kopf über ein Stenogramm gebeugt. In dem Gesichtchen, zart und fein, stand ein Ausdruck von Ungeduld.

    Jetzt hoben sich die Augen, große grünblaue Sterne, wie sie wohl die Nixen haben mochten, die ihre Opfer damit betören und sie hinunter ins Verderben ziehen.

    Träumend schauten sie sekundenlang in die strahlende Sonne hinaus, bis sie dann wieder zu den Schreibmaschinentasten zurückkehrten.

    Zehn überaus zarte Finger hieben sie mühelos hinunter wie in wechselvollem Spiel. Der Smaragd an ihrer Linken funkelte und sprühte bei diesem Auf und Ab. Das Näschen krauste sich, und dem echtroten Mund entglitt das Zünglein, fuhr blitzschnell über die Lippen im rhythmischen Takt.

    »Re-ha-bi-li-ta-ti-on«, buchstabierte das Mädchen eifrig in die Maschine hinein. »Re-ha-bi-li-ta-ti-on. Endlich hab’ ich dich nun schon. Was für ganz verrückte Worte es doch gibt, tralalala, und dazu scheint hell die Sonne, widihopsassasasa.

    Und die blauen Veilchen blühen, und ich habe nichts davon, muß hier sitzen und mich schinden in der Arbeit harter Fron.

    Ist das nicht ein dummer Esel, widewidewittbumbumjuchhe, hat geschrieben und kann nicht lesen, ach herrjeh, herrjemine…«

    Alles in allem war es ein sinnbetörendes, frohgemutes Menschenkind, das der Arbeit grauer Sachlichkeit die beste Seite abzugewinnen wußte, indem es bei der Ausführung seiner Pflicht durcheinandersang in kunterbuntem Kuddelmuddel. Die bauschigen Ärmel der weißen Seidenbluse wehten bei der schnellen Armbewegung wie ein Segel hin und her, und der Saum des dunkelblauen Wollrocks wippte lustig auf und nieder. Die schlanken seidenbestrumpften Beine waren lang unter den Schreibmaschinentisch gestreckt, die hohen Absätze der hellen Schuhe klappten fröhlich im Rhythmus. Ganz einfach war das Mädchen gekleidet, wie es sich für den Dienst gehörte, und doch wirkte alles an ihm ausgesucht und elegant.

    Der Mann, der das alles ganz heimlich, still und leise mit Ergötzen in sich aufnahm, wurde nachdenklich, wieso es wohl kommen mochte, daß seine Sekretärin hier noch arbeitete, während alle anderen Angestellten ihren Arbeitsplatz schon längst verlassen hatten, wie es an den Sonnabendnachmittagen üblich war. Sie allein nur machte Überstunden, mußte also die Arbeit, die er ihr aufbürdete, trotz ihrer Tüchtigkeit nicht bewältigen. Darüber hatte sie jedoch in den zwei Jahren, die sie bereits hier arbeitete, noch kein Wort gesagt.

    Er trat schnell zurück, denn die gegenüberliegende Tür wurde vorsichtig geöffnet, und ein Mann huschte hinein, zu der emsig Arbeitenden hin. Sie bemerkte ihn nicht in ihrem Eifer und fuhr erschrocken herum, als sich seine Hände auf ihre Augen legten.

    »Toi, toi, toi. Haben Sie mich ­erschreckt!« schrie sie leise auf, ihrem Drehstuhl einen verwegenen Schwung gebend, so daß sie dem Mann nun gegenübersaß, der sie mit heißen Augen betrachtete.

    »Thora, wie kommt es, daß du noch arbeitest?« fragte er unwillig. Doch sie lachte ihn aus.

    »Erstens haben wir beide noch keine Duzkeilchen miteinander gegessen, und dann arbeite ich, weil ich mein Pensum früher nicht geschafft habe.«

    »Es ist unerhört, daß der Chef dich so ausnutzt. Na, lange hast du diese Fron ja nicht mehr nötig. Schau her!«

    Er zog ein Kästchen aus seiner Rocktasche und hielt dem Mädchen zwei Ringe hin, zwei goldfunkelnde glatte Reifen.

    Nun war sie doch verwirrt, schlug die Augen nieder und sah dabei so unglaublich reizend aus, daß der Mann sie hochriß an sein Herz. Doch mit einer energischen Bewegung machte sie sich frei. In ihren Augen funkelte es vor Unwillen und aufreizender Überlegenheit.

    »Na, man immer sachte mit den jungen Pferdchen, mein stürmischer Herr Ingenieur«, spottete sie. »Sooooo weit sind wir noch lange nicht!«

    »Thora, du machst mich verrückt mit deiner verflixten Überlegenheit und Kälte«, knirschte der Zurückgewiesene schweratmend hervor.

    »Willst du noch einen deutlicheren Beweis für meine ernsten Absichten als diese Ringe? Ich liebe dich bis zum Wahnsinn, und du stößt mich immer wieder zurück. Ob du mir den Verlobungskuß jetzt gibst oder heute abend…«

    »Ist noch lange nicht dasselbe«, lachte sie ihn ganz freundlich an, wobei es in ihren Augen lockte und flirrte. Es war dem Mann nicht zu verdenken, daß alles in ihm diesem sinnverwirrenden Geschöpf entgegenfieberte. Es konnte einen Mann schon um den Verstand bringen.

    »Thora, du bist das grausamste Geschöpf unter der Sonne«, würgte er hervor. »Mach der Qual nun endlich ein Ende.«

    Wieder wollte er sie an sich reißen, und wieder wehrte sie ihm entschieden.

    »Sie kennen meine altmodischen Ansichten und müssen sich danach richten«, erklärte sie seelenruhig, indem sie sich ihrer Arbeit wieder zuwandte. »Heute abend ist die Verlobung, dann dürfen Sie Ihre Braut küssen. Früher nicht.«

    »Ich kann mir nicht helfen, Thora. Du liebst mich nicht. Sonst würdest du anders zu mir sein.«

    »Immer jeder, wie er kann, mein Herr.« Sie tippte ungerührt noch fünf Minuten lang. Dann legte sie die Briefe fein säuberlich in eine Mappe, schloß sie in das Seitenfach des Rolltisches und stülpte den Wachstuchüberzug über die Maschine. Dann erst erhob sie sich und stand nun vor dem Mann, der sie mit seinen Augen schier zu verschlingen drohte.

    Es war ein schönes Paar, ein elegantes Paar, die Privatsekretärin der Großfirma Farnheimb und Söhne und der Ingenieur. Das Mädchen von taufrischer, bezaubernder Schönheit, der Mann das, was man einen bildhübschen Schwerenöter nennt, auf den die Frauen stets hereinfallen.

    »Du, Thora, ich habe eine große Bitte.« Er legte nun seine ganze Unwiderstehlichkeit in Stimme und Blick. »Wollen wir heute nicht das alberne Fest schwänzen und unsere Verlobung feiern? Allein, bei dir?«

    Sie sah ihn so erstaunt an, daß er unbehaglich zur Seite schaute. Und das grenzenlose Erstaunen schwang nun auch in ihrer Stimme, als sie ironisch sagte:

    »Bei mir? Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst. Sie wissen doch, daß ich allein wohne.«

    »Das macht doch nichts. Du als modernes Mädchen…«

    »Meinen Sie? In dieser Beziehung bin ich noch altmodischer als zu Urgroßmutters Zeiten. Mein guter Ruf ist nämlich alles, was ich noch zu verlieren habe.«

    »Himmel, deine Ironie ist fürchterlich! Kein Mensch wird etwas dabei finden, wenn ich meine Braut besuche.«

    »Ich bin es noch nicht, Herr Dr. Ing. Adolar Galbetz.«

    »Thora, ich schwöre dir…«

    »Schwören Sie nicht, warten Sie lieber mit den gewünschten Chambre séparée bis nach der Hochzeit.«

    Das war so fest gesagt, daß er nichts darauf zu erwidern wagte.

    Er half ihr in den Mantel und verließ mißgestimmt mit ihr das Zimmer.

    Nun konnte sich auch der Lauscher hervorwagen. Rasch durchschritt er das Verwaltungsgebäude der Riesenfabrik und eilte hinüber zu seiner Villa, dessen Vornehmheit ein prächtiger Park von dem Arbeitsgelände abschloß.

    »Franz«, sagte er zu seinem Diener, der ihm in der Halle Mantel und Hut abnahm. »Sie sorgen dafür, daß ein Blumenarrangement Nummer eins auf die heutige Festtafel des Hotels an den Platz meiner Privatsekretärin kommt. Sie feiert ihre Verlobung.«

    Der gutgeschulte Diener verbeugte sich. Doch während sein Antlitz unbeweglich blieb, ironisierte es in seinem Innern:

    »Schau an, Nummer eins für die Privatsekretärin! Alle Wetter!«

    Derartige Aufträge hatte er schon zu vielen Malen ausgeführt. Nummer eins, Nummer zwei, Nummer drei, so staffelten sich die Aufmerksamkeiten, die sein Herr der Damenwelt zukommen zu lassen pflegte.

    Nummer eins: Lilien, Flieder, zarte Nelken.

    Nummer zwei: Rosen, Orchideen.

    Nummer drei: Tulpen, Narzissen, Chrysanthemen.

    Oder:

    Verehrung, Liebe, Abschied.

    *

    Der Großindustrielle Normann Farnheimb gab seinen Beamten und Angestellten das große Fest, das er ihnen am ersten Mai zu geben pflegte. Es wurde im ersten Hotel der Stadt in aller Großzügigkeit und Noblesse gefeiert.

    Dieses Fest wurde dann auch ungeduldig herbeigesehnt, und die meisten Teilnehmer fanden sich schon lange vor Beginn zusammen, um sich alles in Ruhe anschauen zu können. Wenn erst alles im Gange war, blieb ihnen dazu wenig Gelegenheit.

    Mit glückseliger Freude wurde hauptsächlich die mächtig lange, wundervoll arrangierte Tafel in Augenschein genommen, die verschwenderisch mit Blumen geschmückt war. Trotzdem fiel der Strauß an dem einen Gedeck auf, dieses traumhaft schöne Gedicht von Lilien, weißem Flieder und zartrosa Nelken.

    Und der Name am Gedeck?

    Thora Wied.

    Ein verständnisvolles Lächeln stahl sich um den Mund der Neugierigen.

    Also doch! War das prächtige Menschenkind trotz aller Skepsis doch endlich in die Falle getappt, die dieser Windhund ihm schon so lange mit aller Raffiniertheit gestellt hatte. Schade!

    So dachten die Vernünftigen. Und die anderen, die Neidischen und Eifersüchtigen?

    Ausgerechnet dieser Thora Wied mußte das Glück blühen, diesen Vielgeliebten und Vielumschwärmten zu bekommen. Ihm würden schon die Augen aufgehen, wenn er erst diese gleißende hohle Puppe näher kennenlernte. Aber das geschah ihm dann recht. Warum ging er an treuen, aufrichtigen Herzen so achtlos vorbei?

    Dabei tat es der schöne Adolar, wie er allgemein genannt wurde, ja gar nicht. Er pflückte sich lachend jede Blume, die ihm entgegenblühte, um sie nach kurzem Besitz wegzuwerfen, wie man es eben mit einer Blume macht, an deren Duft man sich genügend berauscht hat.

    Je näher die Stunde der Festeröffnung rückte, um so ungeduldiger wurden die zahlreichen Gäste. Um so mehr, da man auf die Verlobung sehr neugierig war.

    Neugieriger jedenfalls als die Braut selber, die ganz gelassen bei dem herrlichen Wetter den Weg zum Hotel zu Fuß zurücklegte. Die glatte Straße war trocken. Da konnte sie getrost zuschreiten, ohne daß die Silberbrokatschuhe Schaden litten, konnte das silberschimmernde Ballkleid sie lang umbauschen, ohne Spritzer davonzutragen. Daher sah sie gar nicht ein, weshalb sie sich um den Genuß dieses Spazierganges bringen sollte.

    Eigentlich sonderbar, daß sie nicht ungeduldiger zu Adolar strebte. Aber das heutige stürmische Vorgehen des sonst immer so Zurückhaltenden hatte sie nachdenklich gemacht. Sie konnte sich nicht helfen. Sein ganzes Gebaren hatte sie angewidert.

    Schade, daß die heute steigende Verlobung schon so populär geworden war. Da durfte sie kein Aufsehen erregen und keinesfalls zurücktreten. Aber verlobt ist ja, Gott sei Dank, noch nicht verheiratet. Also alles hübsch auf sich zukommen lassen.

    Die vielgepriesene Liebe schien es sowieso nicht zu sein, also warum alles überstürzen? Ins Ehejoch kam sie noch früh genug. Heute hieß es wohl in den sauren Apfel zu beißen und sich als Braut feiern zu lassen, denn ihr Chef haßte nichts so sehr wie einen Skandal. Nicht nur bei sich, sondern auch bei seinen Untergebenen. Aber morgen wollte sie ihn um Urlaub bitten, den er ihr, soweit sie ihn kannte, bewilligen würde. So arrogant dieser Mann ohne Gnade, wie sie ihn bei sich nannte, auch sonst war, als Chef ließ er nichts zu wünschen übrig. Und wenn sie dann zurückkehrte, war die Sache fein säuberlich im Sand verlaufen.

    Vergnügt vor sich hin trällernd, schritt sie dahin. Das Klapp-Klapp der Absätze hallte auf der abendstillen Straße laut wider. Daher hörte sie nicht, daß ein Auto ihr schon einige Minuten folgte. Fast lautlos wie eine Katze glitt es dicht hinter ihr hart am Bordstein dahin. Als es dann ganz plötzlich vor ihr hielt, schrak sie zusammen. Der Schlag wurde geöffnet, und der Chef stieg aus.

    »Darf ich Ihnen einen Platz in meinem Wagen anbieten, Fräulein Wied?«

    Sie sah ihn an, den Mann, mit dem zusammen sie schon zwei Jahre arbeiteten, sah ihn so genau an, als sähe sie ihn heute zum ersten Mal, diese faszinierende Persönlichkeit, mit der Gloriole des Reichtums und der Vornehmheit umwoben. Wer sich diesen Mann erringen wollte, der mußte schon etwas Besonderes sein. Nach diesem Stern zu greifen, hieß für einen Dutzendmenschen, die Finger gehörig beklopft zu bekommen.

    Das alles ging ihr durch den Sinn, während sie in das Gesicht sah, in dessen Mundwinkel oft so ein ironischer Zug hockte, dessen rassiges Antlitz in Arroganz erstarren konnte, wenn man den gefährlichen Frauenfresser seine Bewunderung fühlen ließ.

    Na schön, mochte er, was ging es sie an? In den Werken war er der korrekteste, anständigste Chef, und das war ja die Hauptsache. Es arbeitete sich gut unter seinem Befehl.

    »Nach Ihrem weltentrückten Gesichtsausdruck zu schließen, müssen Sie überall sein, nur nicht gerade hier, Fräulein Wied«, spottete er, und da schrak sie zusammen. »Steigen Sie ein, der Liebste wird schon ungeduldig auf die Verlobung warten.«

    »Woher wissen Sie das schon wieder, Herr Doktor?«

    »Aber, aber, ein guter Hausvater wird doch seinen Hausstand kennen, mein Fräulein!«

    Er unterbrach seine Rede und horchte auf, denn an der Straßenecke wurden Stimmen laut. Die Bogenlampe beleuchtete ein Paar, das in Meinungsverschiedenheiten geraten zu sein schien. Ganz deutlich hörte man die männliche Stimme, bei der Thora zusammenzuckte.

    »Du gibst mir augenblicklich den Weg frei, du lästiges Frauenzimmer, sonst…«

    »Schlag zu, schlag doch zu!« kreischte nun eine Frauenstimme auf. »Ich bin noch lange kein Frauenzimmer. Ich will nur mein Recht für mich und das Kind, das ich von dir bekommen werde. Und wenn du von deiner heutigen Verlobung nicht absehen wirst, dann weiß deine Braut schon morgen…«

    Ein brutaler Stoß traf die Frau, die nun wimmernd am Boden lag, während der Mann wie gehetzt davoneilte.

    Farnheimb gelang es gerade noch, das wie erstarrt dastehende Mädchen ins Auto zu schieben. Da stob er schon vorbei, mit scheuen Augen das Auto am Bordstein musternd.

    Still saß Thora im Auto, ganz still. Den Kopf zurückgelegt, die Augen geschlossen, so verharrte sie. Auch der Mann verhielt sich ganz ruhig.

    Als jedoch Minuten vergingen und sie noch immer so dasaß, entnahm er seinem Etui eine Zigarette, schob sie ihr zart zwischen die Lippen und hielt ihr Feuer hin.

    »Danke«, sagte sie einfach. »Wissen Sie, Herr Doktor, wie mir zumute ist?«

    »Nun?«

    »Wie dem Reiter, der über den Bodensee ritt.«

    »Kann ich mir denken. Und was weiter, Fräulein Wied? Soll ich Sie nach Hause fahren?«

    »Nein!« entgegnete sie hart. »Dieser dunkle Ehrenmann soll mich heute kennenlernen. Fahren Sie bitte zum Hotel, Herr Doktor.«

    Vor dem Portal des großen Hauses half er Thora aus dem Wagen, den er dem Portier übergab. Dann stieg er an ihrer Seite die Stufen hinauf. In der großen Hotelhalle war es menschenleer. Nur

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