Die Ehe auf Abbruch: Leni Behrendt Bestseller 19 – Liebesroman
Von Leni Behrendt
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Die Morgensonne spiegelte sich in der Kristallvase, daß sie funkelte und sprühte, sie überflutete die Rosen, die in ihr dufteten, huschte über die Gedecke und schien überhaupt eifrig bemüht zu sein, das ganze Gemach mit ihren goldenen Strahlen zu durchdringen. Die beiden Menschen, die ihr Frühstück beendet hatten, griffen nun nach den Briefen, die der Diener neben die Gedecke gelegt hatte. Wohltuend empfanden sie dabei die Stille, die nur von dem geruhsamen Tick-Tack der Standuhr, dem Summen der Kaffeemaschine und den Schnarchtönen des Dackels Schalk, der auf einem weichen Sessel sein Schläfchen hielt, unterbrochen wurde. Lächelnd las Gräfin Liane den Brief, der von einer Freundin stammte. Man sah der Dame ihre fünfundvierzig Jahre nicht an, obgleich das dunkelblonde Haar bereits von Silberfäden durchwoben war. Es machten wohl das feine, faltenlose Antlitz und die märchenhaft schlanke Figur, die diese Frau so jung und immer noch schön erscheinen ließen. Jedenfalls war Harro Regglin sehr stolz auf seine Stiefmutter, die es wiederum auf ihren großen Jungen sein konnte. Denn er verfügte über eine blendende Erscheinung, der er die Gunst der Damenwelt zu verdanken hatte. Trotz seiner spöttischen, arroganten Art himmelten Frauen und Mädchen ihn an, der gern mit ihnen flirtete, aber doch stets der vornehme, guterzogene Kavalier blieb, was mancher Weiblichkeit nicht immer recht war. Jedenfalls war Harro Regglin, dessen ungewöhnliche Persönlichkeit außerdem noch die Gloriole des Reichtums umwob, der begehrteste Mann im Umkreis. Mochte er die Bemühungen der Damenwelt um ihn auch noch so ironisch belächeln, gerade das machte ihn in ihren Augen so außerordentlich interessant. Auch jetzt, beim Lesen des Briefes, stand wieder das berühmte Lächeln in dem schmalen, rassigen Antlitz, über dessen linke Wange sich eine Säbelnarbe zog, die Feindeshand im heißen Ringen des ersten Weltkrieges ihm geschlagen hatte. Die Hand mit den beiden kostbaren Ringen hielt das Briefblatt, mit der anderen fuhr er sich durch das blonde leichtgewellte Haar. Dann sah er zu seiner Mutter hin. Es waren Augen von kaltem Grau, deren Blick nicht jeder Mensch ruhig ertragen konnte, hauptsächlich dann nicht, wenn sie Verachtung widerspiegelten wie eben jetzt. Die sonore Stimme des Mannes durchbrach die Stille: »Darf ich dich einmal stören, Mutti?« »Gewiß, mein Junge.« »Dann lies – und bleibe deiner Sinne Meister«, lächelte er ironisch und öffnete dann gleichmütig ein anderes Schreiben, während die Gräfin das ihr Gereichte hastig überflog. Erschrocken war der Blick, der dann zu dem Sohn hinging, der so interessiert seinen Brief las, als ginge der in der Mutter Händen ihn gar nichts an.
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Die Ehe auf Abbruch - Leni Behrendt
Leni Behrendt Bestseller
– 19 –
Die Ehe auf Abbruch
Leni Behrendt
Die Morgensonne spiegelte sich in der Kristallvase, daß sie funkelte und sprühte, sie überflutete die Rosen, die in ihr dufteten, huschte über die Gedecke und schien überhaupt eifrig bemüht zu sein, das ganze Gemach mit ihren goldenen Strahlen zu durchdringen.
Die beiden Menschen, die ihr Frühstück beendet hatten, griffen nun nach den Briefen, die der Diener neben die Gedecke gelegt hatte. Wohltuend empfanden sie dabei die Stille, die nur von dem geruhsamen Tick-Tack der Standuhr, dem Summen der Kaffeemaschine und den Schnarchtönen des Dackels Schalk, der auf einem weichen Sessel sein Schläfchen hielt, unterbrochen wurde.
Lächelnd las Gräfin Liane den Brief, der von einer Freundin stammte. Man sah der Dame ihre fünfundvierzig Jahre nicht an, obgleich das dunkelblonde Haar bereits von Silberfäden durchwoben war. Es machten wohl das feine, faltenlose Antlitz und die märchenhaft schlanke Figur, die diese Frau so jung und immer noch schön erscheinen ließen.
Jedenfalls war Harro Regglin sehr stolz auf seine Stiefmutter, die es wiederum auf ihren großen Jungen sein konnte. Denn er verfügte über eine blendende Erscheinung, der er die Gunst der Damenwelt zu verdanken hatte. Trotz seiner spöttischen, arroganten Art himmelten Frauen und Mädchen ihn an, der gern mit ihnen flirtete, aber doch stets der vornehme, guterzogene Kavalier blieb, was mancher Weiblichkeit nicht immer recht war.
Jedenfalls war Harro Regglin, dessen ungewöhnliche Persönlichkeit außerdem noch die Gloriole des Reichtums umwob, der begehrteste Mann im Umkreis. Mochte er die Bemühungen der Damenwelt um ihn auch noch so ironisch belächeln, gerade das machte ihn in ihren Augen so außerordentlich interessant.
Auch jetzt, beim Lesen des Briefes, stand wieder das berühmte Lächeln in dem schmalen, rassigen Antlitz, über dessen linke Wange sich eine Säbelnarbe zog, die Feindeshand im heißen Ringen des ersten Weltkrieges ihm geschlagen hatte. Die Hand mit den beiden kostbaren Ringen hielt das Briefblatt, mit der anderen fuhr er sich durch das blonde leichtgewellte Haar.
Dann sah er zu seiner Mutter hin. Es waren Augen von kaltem Grau, deren Blick nicht jeder Mensch ruhig ertragen konnte, hauptsächlich dann nicht, wenn sie Verachtung widerspiegelten wie eben jetzt.
Die sonore Stimme des Mannes durchbrach die Stille: »Darf ich dich einmal stören, Mutti?«
»Gewiß, mein Junge.«
»Dann lies – und bleibe deiner Sinne Meister«, lächelte er ironisch und öffnete dann gleichmütig ein anderes Schreiben, während die Gräfin das ihr Gereichte hastig überflog. Erschrocken war der Blick, der dann zu dem Sohn hinging, der so interessiert seinen Brief las, als ginge der in der Mutter Händen ihn gar nichts an.
»Harro!«
»Nun, kleine Mama?«
»Junge, ich begreife nicht, wie du so gelassen sein kannst.«
Lächelnd legte er das Schreiben zur Seite und griff über den Tisch hinweg nach der Mutter Hand, die er zart mit den Lippen berührte.
»Du zitterst ja förmlich vor Erregung, Mutti. Wie töricht! Wir wissen doch schon seit länger als einem Jahr, daß dieser Brief einmal kommen mußte, und haben uns mit dem, was darin von mir verlangt wird, abgefunden.«
»Gewiß, mein Junge, und doch habe ich immer noch gehofft, daß Fräulein Bracht von ihrem Ansinnen Abstand nehmen würde. Was wirst du tun?«
»In das Seebad fahren, wie sie es verlangt.«
»Und weiter?«
»Den Dingen ihren Lauf lassen.«
»Harro, deine Gelassenheit kann einen Menschen manchmal direkt peinigen. Fällt es dir denn gar nicht schwer, diese geschmacklose Komödie zu spielen?«
»Im Gegenteil, ich finde das alles höchst interessant. Vom Schicksal die Frau in die Arme gelegt bekommen, ist gewiß nicht alltäglich und daher äußerst reizvoll für mich.«
»So leicht kannst du dich darüber hinwegsetzen, daß diese – Krämerstochter Gräfin Regglin werden soll!?«
»Nur in einer Ehe auf Abbruch! Das darfst du nämlich nicht vergessen, Mutter. Ein Jahr, und ich bin von dieser Verpflichtung frei.«
»Und wenn doch nicht alles so glatt geht, wie du es annimmst, mein Junge? Es ist verlockend genug, Gräfin Regglin zu werden. Und das erstrebt das Mädchen doch nur deshalb, weil es etwas ist, das es in seinem übersättigten Leben noch reizen kann. Denke es dir nicht so einfach, mit einem Menschen leben zu müssen, von dem man nicht einmal das Notwendigste weiß.«
»Ist ja auch nicht erforderlich«, entgegnete er gleichmütig. »Du weißt doch, kleine Mama: ›Nie sollst du mich befragen‹. Daß ich die mir aufgedrängte Frau wieder los werde, das laß nur meine Sorge sein. Gräfin Regglin zu werden, das ist für dieses anspruchsvolle Fräulein unter solchen Umständen nicht schwer. Aber Gräfin Regglin s e i n…«, schloß er achselzuckend, und die Mutter sah ihn bekümmert an.
»Und wenn sie sich in dich verliebt, Harro?«
»Das ist ihre Privatangelegenheit«, tat er es gelassen ab. Sekundenlang herrschte Schweigen, bis die Gräfin leise fragte:
»Und – Iris?«
Verständnislos sah Harro die Mutter an.
»Iris? Was hat sie damit zu tun!«
»Sie betrachtet sich als deine Braut.«
Nun trat der arrogante Zug in Regglins Gesicht, der ihn in den Augen der Weiblichkeit so interessant machte. Und arrogant war auch der Tonfall seiner Stimme, als er sagte:
»Tut sie das? Wie nett. Doch meiner Ansicht nach hat sie absolut keine Veranlassung dazu.«
»Du bist ein entsetzlicher Junge!« entrüstete die Mutter sich. »Nichts nimmst du ernst, spielst mit dem Leben wie ein Knabe. Daß du Iris jetzt nicht heiraten kannst, das weiß ich wohl. Aber du darfst dem Mädchen die Hoffnung nicht nehmen, daß es später geschieht.«
O doch, Graf Regglin konnte schon ernst sein, wenn er es für notwendig hielt. Er kniff ein wenig die Augen zusammen, was seinem Gesicht einen hochmütigen Ausdruck gab, und antwortete in einem Ton, den er sonst der geliebten Mutter gegenüber nicht hatte:
»Da ich Iris nie Hoffnungen gemacht habe, kann ich sie ihr folglich auch nicht nehmen. Alles weitere ist leeres Geschwätz, von dem ich verschont zu bleiben wünsche.
Und nun mach nicht so ein betrübtes Gesicht, Mutti«, schwächte er seine scharfen Worte ab. »Wir wollen nicht weiter um Wenn und Aber herumreden, sondern alles auf uns zukommen lassen. Oder wäre es dir lieber, wenn ich um etwas plärren würde, was doch nicht zu ändern ist?«
»Um Gott, mein Sohn«, sie hob abwechselnd die Hände, »das dürfte dir schlecht anstehen.«
»Na also!« Er lachte und griff nach dem Brief, um ihn zu Ende zu lesen, während die Mutter an vergangene Zeiten dachte und sich den Tag ins Gedächtnis zurückrief, an dem sie als Herrin in Regglinsgrund eingezogen war und als Mutter des damals fünfjährigen Harro, den sie sofort von ganzem Herzen lieb gewann. Zuerst stand das trotzige und sehr verwöhnte Kind der neuen Mutter wohl mißtrauisch gegenüber, doch bald kapitulierte es vor so viel rührender Liebe und Geduld. Die Mutter wurde fortan das Schönste und Köstlichste in seinem Leben.
Die erste Ehe des Bodo Regglin war nicht glücklich gewesen. Er hatte die Gattin ja auch nicht aus Liebe erwählt, sondern um ihres Geldes willen, mit dem er das stark heruntergewirtschaftete Regglinsgrund sanieren wollte. Merkwürdig war es nur, daß dieser Reichtum zwei Tage vor der Hochzeit zusammenbrach. Trotzdem kam sie zustande, weil es Bodo Regglin ehrlos erschien, der Braut so kurz vor der Eheschließung den Laufpaß zu geben.
So stand es denn weiter schlecht um die Regglinsgrunder Herrschaft, und die Ehe, die der Tod der Gräfin sechs Jahre später löste, wurde alles andere als harmonisch. Man munkelte wohl, daß sie keines natürlichen Todes gestorben sei; doch niemand wußte darüber Genaues.
Graf Bodo trauerte auch nicht lange um die Gattin; denn schon nach Jahresfrist hielt eine neue Herrin ihren Einzug in Regglinsgrund, die außer viel Geld auch die leidenschaftliche Liebe des Gatten besaß.
So herrschte denn eine traute Harmonie in Regglinsgrund, an der allerdings nur wenige Außenstehende teilhaben durften. Denn Gräfin Liane war sehr zurückhaltend und liebte keinen großen Verkehr. Nur zwei Familien hatte sie sich näher angeschlossen, den Halldungen auf Hermeshöh und den Illsunds auf Laubern.
Gräfin Halldungen, eine Schwester der verstorbenen Gräfin Regglin, führte an der Seite ihres Gatten ein sorgenfreies, glückliches Leben. Die Illsunds jedoch verfügten zwar über einen alten makellosen Namen, waren aber mit Glücksgütern nicht gesegnet. Der Graf wußte manchmal nicht, woher er das Geld nehmen sollte, um seine fünf Kinder standesgemäß erziehen zu können.
So setzte er seine Hoffnung auf Iris, die älteste Tochter, die alle Aussichten hatte, die Herrin auf Regglinsgrund zu werden. Illsund hegte diese Zuversicht seit dem Tage, an dem das Ehepaar Regglin ihm zu verstehen gegeben hatte, daß Iris ihnen als Schwiegertochter sehr willkommen wäre.
Seitdem galten Iris Illsund und Harro Regglin allgemein als heimliche Verlobte, zumal der Bräutigam in spe nichts dazu tat, um diesem Gerücht die Spitze abzubrechen. Daß er die Auserwählte immer noch nicht heimführte, begründete man damit, daß er sein Leben erst genießen wollte, bevor er sich ins Ehejoch spannte.
So saß denn die schöne Iris Jahr um Jahr bei ihren Eltern und träumte vom kommenden Glück. Natürlich verlangte sie eine Ausnahmestellung in der Familie, was der vernarrte Vater auch für richtig hielt. Er umgab sein Lieblingskind trotz seiner schwierigen finanziellen Lage mit Luxus und ließ seine anderen Kinder darunter empfindlich leiden. Die drei noch nicht erwachsenen Söhne empfanden die Zurücksetzung nicht als sehr bitter, doch um so mehr tat es die zweiundzwanzigjährige Adelheid, die zugunsten der älteren Schwestern immer zurückstehen mußte. Sie war überhaupt das Aschenputtelchen der Familie, das mit allem zufrieden zu sein hatte.
Davon ahnte man allerdings in Regglinsgrund nichts. Man lebte dort in so trauter Harmonie, daß man annahm, es müßte anderswo auch so sein. Zuerst hatte Bodo Regglin den Sohn oft ermuntert, ihm Iris als Töchterchen zu bringen, doch in den letzten Jahren schien er kein Verlangen mehr danach zu haben.
Überhaupt hatte sich der sonst so frohgemute Mann verändert. Er schien unter Stimmungen zu leiden, die Liane beunruhigten. Daß ihn etwas quälte, war unverkennbar.
Aber was war es?
Das sollte sie erfahren, als eine tückische Krankheit den Gatten ganz plötzlich überfiel. Und als er sein Ende nahen fühlte, war es Zeit, über das zu sprechen, was ihm so schwer über die Lippen wollte. Müde war der Blick, der zu seinem Sohn hinging, der neben der Mutter am Krankenbett saß. Und unendlich müde klang auch die Stimme des Kranken, als er mit seiner Beichte begann:
»Junge, um dir das zu sagen, was mich zwei Jahre lang so unendlich quälte, muß ich ein wenig zurückgreifen. Ich bin mit deiner Mutter nicht glücklich gewesen, weil wir beide die Liebe nicht aufbringen konnten, die zu einer harmonischen Ehe gehört. So konnte es kommen, daß die enttäuschte Frau ihr Herz an einen Mann hängte, der den Posten eines Inspektors auf Regglinsgrund bekleidete. Als ich dann hinter das Herzensgeheimnis meiner Frau kam, jagte ich Herrn Bracht vom Hof, obgleich er schuldlos war, wie ich später erfuhr.
Ich hörte fortan nichts mehr von ihm. Und hätte die feindliche Haltung deiner Mutter mich nicht stets an ihn erinnert, so hätte ich ihn wohl nach und nach vergessen.
Mit Regglinsgrund ging es immer mehr bergab. Ich mußte Geld herbeischaffen um jeden Preis.
Also spielte ich und gewann eine große Summe, mit der ich mich hätte zufrieden geben müssen. Doch wie ein Fieber kam es über mich –, ich wollte mehr haben, immer mehr!
Ich jeute, bis das Glück sich abwandte und ich in einer Nacht Haus und Hof verspielte. Nun hätte ich mir ja eigentlich eine Kugel durch den Kopf schießen müssen. Aber vorher wollte ich mir noch den Mann ansehen, dem ich mein Hab und Gut verpfändet hatte.
Es war Herr Bracht.
Lächelnd erzählte er mir, daß er vor Jahren nach Amerika ausgewandert sei, um dort eine Erbschaft anzutreten. Geschäfte hätten ihn in die Heimat geführt, wo er eigentlich nur aus Zeitvertreib ein Spielchen riskiert hatte. Daher möchte er mich bitten, die unangenehme Geldgeschichte ruhen zu lassen.
Als ich aufbrauste, erinnerte er mich an Weib und Kind, die ich nicht mit ins Verderben ziehen dürfte. Ich war nicht stark genug, um Brachts lockendem Angebot zu widerstehen, und wurde so der Schuldner des Mannes, den ich einst schuldlos von meinem Hof jagte, der nun von Rechts wegen ihm gehörte.
Wie erbärmlich ich mir damals vorkam, kann ich euch unmöglich beschreiben. Ich drang in Bracht, doch irgendeinen Gegenwert meiner Schuld zu verlangen. Mit dem nachsichtigen Lächeln, das mich meine ganze Erbärmlichkeit immer stärker fühlen ließ, versprach er mir, sich zu melden, falls ihm etwas einfallen würde, und ich verpflichtete mich, jedem seiner Wünsche Rechnung zu tragen. Verpflichtete mich ehrenwörtlich, obgleich er keinen Wert darauf legte.
Nach einem halben Jahr starb deine Mutter, Harro. Ich gewann bald darauf das Herz meiner Liane und wurde durch sie zum reichen Mann. Ich wollte meine Schuld an Herrn Bracht abtragen, zog über ihn Erkundigungen ein und erfuhr, daß er eine vermögende Witwe geheiratet hatte, deren Geld er in sein ohnehin schon erstklassiges kaufmännisches Unternehmen steckte, so daß es nun an führender Stelle stand.
Diese Nachricht entmutigte mich, denn Geld schien bei dem Finanzgenie keine Rolle zu spielen. Trotzdem bot ich ihm brieflich die Begleichung meiner Schuld an. Wie erwartet, antwortete er mir, daß er nach wie vor auf das Geld verzichte, mich jedoch benachrichtigen würde, wenn er einen Ausgleich dafür wüßte.
Jahre vergingen –, und in meinem Glück, das mir durch meinen geliebten Ehekameraden zuteil wurde, vergaß ich Herrn Bracht. Frohgemut und sorglos lebte ich dahin, bis ein Schreiben des Mannes mich vor zwei Jahren aufs Grausamste dieser Sorglosigkeit entriß.
Er verlangte als Begleichung der Schuld meinen Sohn als Gatten für seine damals achtzehnjährige Tochter, falls diese bis zu ihrem einundzwanzigsten Geburtstag nicht verheiratet sein sollte. Wenn er bis dahin nicht mehr lebte, würde ein Schreiben, das er bei einem Notar hinterlegte, die Tochter von des Vaters Wunsch unterrichten.
Nun hieß es weiter: ›Wird die Ehe unglücklich sein, kann sie nach einem Jahr geschieden werden, vorausgesetzt, daß beide Ehepartner damit einverstanden sind. Sonst muß sie bestehen bleiben‹.
Und Fräulein Bracht, ein hübsches, launenhaftes und sehr verzogenes Persönchen, wie ich aus Erkundigungen weiß, wird gegen eine Scheidung sein.
Denn eine Krämerstochter gibt die Stellung einer Gräfin Regglin bestimmt nicht auf. Somit wärest du, mein armer Junge, durch den Leichtsinn deines Vaters dazu verurteilt, zeitlebens an eine Frau gebunden zu sein, die deiner unwürdig ist. Kannst du mir das verzeihen?«
Erst als der Sohn fest versprochen hatte, die Schuld des Vaters auf sich zu nehmen, wurde der gequälte Mann ruhiger. Er dämmerte in halber Bewußtlosigkeit dahin, bis er am nächsten Tage die Augen für immer schloß und eine verzweifelte Gattin und einen erschütterten Sohn zurückließ.
Das war vor mehr als einem Jahr gewesen, und heute traf der gefürchtete Brief ein, in dem Fräulein Bracht Harro Regglin ersuchte, zur Unterredung in ein nahegelegenes Ostseebad zu kommen.
Was würde diese Unterredung dem geliebten Jungen bringen? Eine quälende Ehefessel oder vielleicht…?
Die in peinigende Gedanken versunkene Mutter bemerkte nicht Harros Blick, der schon eine Weile