Bräutigam und Braut
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Buchvorschau
Bräutigam und Braut - Nataly von Eschstruth
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Kapitel 1
Da kam mal ein Prinz,
mit dem ward sie getraut —
und er war der Bräutigam
und sie war die Braut! —
Quickborn
Bald heissts „Bräutigam und Braut"
Freischütz
Die Sonne ging auf. — Ein sieghaft strahlendes Licht.
Durch das Gewirr des im ersten Grün sprossenden wilden Weins flutete sie hinein in das stille Erkerstübchen, in welchem soeben eine schlanke Mädchengestalt mit ernsten, übermüdeten Augen an das Fenster trat, es zu öffnen. Ein tiefer Seufzer hob die flache Brust. — Sie strich noch einmal mit der Hand über die feuchten Wimpern und blickte wie in stiller, schwermütiger Ergebung zu dem Himmel empor. Leuchtende Strahlen zuckten über denselben wie verheissende Botschaft von Keimen, Wachsen, Blühen und Fruchttragen.
Noch wogten die knospenden Baumzweige im entscheidenden Wipfelkampf, aber sie reckten sich in der kommenden Ruhe schon jetzt so gewaltig empor, als seien sie das Wahrzeichen jener wonnesamen Verheissung: Die Glocken läuten von fern und nah — sie wollen frohlocken, der Lenz ist da!
Wird er auch für sie kommen? Für sie, das einsame alternde Mädchen, welchem das Leben nur Sturm gebracht bisher, von dem ersten Frühlingsbrausen bis zu dem grausamen Eiseshauch des Winters, welcher so manches — für sie wohl jedes grüne Blatt der Hoffnung unbarmherzig von dem Lebensbaum gerissen?
Was hatte sie erreicht? — Was hatte sich von all den goldenen Jugendträumen erfüllt? Sie war so einsam gewesen inmitten der lauten, bunten, geselligen Welt.
Ihr Vater, als Rechnungsrat, hatte wohl sein gutes Auskommen, aber kein Vermögen. Jahrelang eine kränkelnde Frau und wenig Hoffnung auf eine Aufbesserung seiner Verhältnisse. Da galt es sparen, sich einrichten, abknapsen wie und wo es nur anging. Die Tochter! — es war so gut, dass sie die einzige blieb, denn der Vater hatte kein Geld und Interesse für den Luxus, Bräute ausstatten zu müssen; ein Sohn wäre ihm als Erfüllung seines ehrgeizigsten Wunsches willkommen gewesen, denn so einem flotten Streber steht die Welt offen, und die Eltern haben Aussicht, von ihm — vielleicht noch einmal in glänzendster Weise — bedacht zu werden.
Aber sie, die so wenig hübsche, ernste, zu allen Sorgen neigende und im Schatten verkümmernde Gerda, — sie kostete nur Geld, als sie ihr Lehrerinnenexamen machte und alsdann nicht einmal eine Stelle annehmen konnte, wo sie die Ausgaben wieder einzubringen vermochte!
Die Mutter starb.
Schon seit den letzten Jahren hatte Gerda den Haushalt geführt, und nun war sie in ihrem kleinen Wirkungskreis unentbehrlich geworden, denn der Vater verlangte seine gewohnte Bequemlichkeit. Da ging alles in der alten Tretmühle weiter, und Gerda war zufrieden und Gott dankbar, dass sie noch ein Plätzchen auf der Welt hatte, was ihr Zuflucht gab. — Bis vor kurzer Zeit war es so gewesen, dann kam ein furchtbarer Tag, welcher in wildem Schicksalsbrausen abermals über sie dahinfegte, als wolle er auch den letzten Rest eines friedlichen Daseins im Vaterhause vor ihr niederreissen.
Ihr Vater hatte eine junge Dame kennen gelernt, sehr gute Familie, — jung, hübsch, anspruchsvoll, ein wenig kokett, aber ohne alle Existenzmittel, — und diese allerliebste kapriziöse, kleine Ballkönigin — verlobte sich mit einem stillen, verknöcherten Zahlenmenschen, dessen Haar und Bart bereits ergrauten!
Es gibt wunderliche Rätsel im Leben, welche oft nur die Zukunft löst, welche auch gar manchmal ungelöst bleiben wie etwas Dunkles, Unheimliches, welches das Kainsmal auf der Stirn trägt.
Wie ein schneidender Schmerz ging es durch die Seele der Tochter.
Sie konnte nicht an ein Glück glauben, welches nicht da war.
Wenn sie in das hagere Angesicht des Vaters sah, in welchem Eitelkeit und Ehrgeiz sich stritten, und die kleine Braut ansah, welche mit wissenden Augen den betagten Bräutigam anlächelte, als ob sie ihn auslachte, — dann — ja dann presste sie die Hände auf das wehe Herz und seufzte: „um wie wenig bin ich abermals von einem grausamen Schicksal verschachert!"
Da oben aber ging die Sonne auf wie das grosse leuchtende Auge Gottes, welches auch auf sie herabschaut und mit segnendem Strahl versichert: „Ich übersehe auch das kleinste, unscheinbarste Wegkräutlein nicht, wenn es mich nicht übersieht!"
Und nun sass sie schon die ganze lange Nacht hier in ihrem Zimmerchen und wartete auf die Entscheidung, wie die Würfel fallen würden.
Als der Vater sich verheiratete, sollte sie fürerst im Hause bleiben, um die leidende junge Frau, bis sie Mutter geworden, zu pflegen.
Sie hatte es treu und aufopfernd getan, obwohl sie wenig Dank, geschweige denn herzliche Sympathien von ihrer lebenslustigen Stiefmutter dafür erworben hatte.
Heute nacht sollte das Kind geboren werden. Auf dem Korridor ein heftiges Hin- und Herlaufen, zweimal schlagende Türen, dann wieder alles still.
Jetzt ein lautes jubelndes Lachen, ein ungestümes Herzueilen im Nebenzimmer: „Gerda! — Gerda! — ein Sohn!!"
Der Vater steht auf der Schwelle, sein Angesicht gerötet wie vom Wein.
„Gerda! ein Sohn!"
Er schreit es ihr zu, er wirft die Arme in die Luft und keucht: „endlich! endlich, das einzige, was ich mir zu dem Leben gewünscht habe! — Prachtjunge! ein Prachtjunge!!"
Er sieht nicht, wie seine Tochter erblasst und die Hände qualvoll zusammenschlingt.
Nein, — sie war nie seine Sehnsucht, nie sein Stolz — nie sein Glück gewesen.
Und die Sonne steht über den knospenden Wipfeln und wirft plötzlich einen Mantel von Gold und Licht um die arme Paria — und ein Windstoss kommt und beugt die triumphierenden Baumkronen tief hernieder.
Die Taufe von dem kleinen Amadeus Freienfeld hatte stattgefunden.
Ein Vetter des Rechnungsrats, der sehr repräsentabele junge Hauptmann Amadeus Freienfeld war zum Gevatter des Kleinen erkoren, und zwar hatte die sehr übermütige, junge Mama den Ausschlag dabei gegeben.
„Er heisst Amadeus! lachte sie. „Das ist, soviel ich weiss, in freier Übersetzung ‚Liebesgott‘ — nun, und welch ein Name wäre mir für unsern süssen Jungen lieber wie der? — Nomen est omen!
So geschah es, und der kleine, blondlockige Bub lachte mit so grossen, „göttlich"-schönen Blauaugen in die Welt, dass er nach allgemeiner Ansicht den wundervollen Namen mit Fug und Recht trug!
Nur der Patenonkel hatte sich in längerem, sehr wissenschaftlichem Schreiben an die Taufeltern energisch dagegen verwahrt, dass er mit Amor in irgendwelchen verwandtschaftlichen Beziehungen stünde, denn nach § 20 des Deutschen Reichsgesetzbuches sei das unerlaubte Tragen von Schiesswaffen, vorsätzliche Körperverletzung, sowie Vagabundieren in aller Herren Länder und Strafentziehung durch Fahnenflucht für einen strengen Haudegen wie ihn etwas direkt Kompromittierendes!
Der Onkel konnte sehr amüsant sein, aber manchmal ward seine Originalität doch etwas schrullenhaft, denn obwohl er bei der Taufe sah, dass alle Anverwandten dem kleinen Liebesgott zum mindesten einen silbernen Löffel in den Kinderwagen legten, — tat er gar nicht desgleichen, sondern schmunzelte nur die Anwesenden an mit der wohl gut gemeinten, aber doch etwas allzu sparsamen Versicherung: „Ich schenke dem Schlingel meine Freundschaft, legt sie ihm man auf Zinsen!! Geld spielt bei mir ja gar keine Rolle — denn ich habe keins."
„Schade, schade! ironisierte der Rechnungsrat. „Meine kleine Frau überlegt meist erst nach Torschluss! Wenn sie schlau gewesen wäre, hätte sie sich für ihren Amor den Paten auch aus der Mythologie holen sollen, — am besten den leistungsfähigen Pluto als Inhaber aller Stammaktien von Gold-, Silber- und Kohlenbergwerken!!
— Da lachten alle hell auf, nur der Hauptmann lächelte.
— — — Wieder sass Gerda in ihrem Stübchen am Schreibtisch und schloss einen Brief. — Ihres Bleibens war nicht länger in ihrem Vaterhause.
Das Benehmen ihrer Stiefmutter ward von Tag zu Tag beleidigender, und es war nicht das erstemal, als sie ihr heute morgen als Antwort auf die Frage: ob Gerda Mutter und Kind noch nach dem Stadtgarten begleiten solle? — die satirische Bemerkung gab: „Amadeus ist noch zu klein — und ich bin schon zu gross für eine Gouvernante!" —
Auch der Rechnungsrat schien von ihr beeinflusst, dass es doch unerträglich für eine selbständige Frau sei, Tag und Nacht beobachtet und gegängelt zu werden, was solch alte Jungfer wie sein Fräulein Tochter wohl als Berufsnotwendigkeit auf dem Seminar mit gelernt habe? — Die Zeit war um. — Gerda musste der neuen Herrin im Hause Platz machen.
Der Zufall spielte ihr eine Zeitungsannonce in die Hand.
Eine Holländerin, nahe beim Haag auf dem Lande lebend, geborene Deutsche, suche liebenswürdige, junge Dame aus nur bester Familie zur Gesellschafterin mit Salär. Antritt der sehr angenehmen, familiären Stellung am liebsten sofort.
Welch ein Glück, wenn sie solch ein anscheinend glänzendes Unterkommen finden könnte.
Soll sie ihre Photographie mitschicken? Ist das vorteilhaft? — Sie hat so wenig Äusseres, sieht auf allen Bildern so elend und vergrämt aus. Eine Gesellschafterin soll lachen, fröhlich sein! Alle Ängste und Sorgen verscheuchen, nicht aber ihre Stempel auf dem Antlitz ins Haus tragen!
Und doch! — Es ist so viel ehrlicher, wenn sie sich selber, ihr Äusseres, ihr Wesen und Charakter vorher decouvriert, damit die Leute nicht den Hasen im Sack kaufen. Sie schreibt einen kurzen, sachlichen Brief, legt seufzend ihr Bild ein und trägt das Schreiben, welches für sie ein Spiel um die Zukunft bedeutet, selber zur Post.
Tage qualvollen Harrens vergehen. Die Zeit scheint stillzustehn, wenn man jede Sekunde zählt.
Endlich kommt ein dicker Brief, auf steifes, elegantes Büttenpapier mit sehr grossen, etwas eckigen Buchstaben geschrieben. Es ist schon ein gutes Zeichen, wenn überhaupt eine Antwort kommt.
Und Gerda liest.
„Mein liebes Fräulein. — Das freut mich und meine Frau, dass Sie kommen wollen. Sie scheinen älter zu sein, nehmen das Leben, wie es ist. — Ernst, sehr ernst. — So kann man sich verstehen ohne grosses Larifari, was nur die Grossstadt hat; — hier auf dem platten Land sind wir alle von unserm Herrgott auf Vorposten gestellt, — jeder tut seine Pflicht. — Auf einliegendem Papier schrieb meine treue Hausfrau Eliza noch Näheres über Gehalt und Beschäftigung von Ihnen, — ist alles nicht schwer. Nur guter, braver Wille. So schreiben Sie, wann Sie abreisen wollen, — deutscher Konsul im Haag ist unser Wohlbekannter, da wenden Sie sich zuerst hin. So grüsse Sie Gott. Wir warten wohl nicht lang. Mit Respekt vermeldet sich
Willem van de Eskenboom.
Gerda liest voll atemloser Erregung. Sie faltet die Hände, blickt empor zum Himmel und dankt Gott.
Droben leuchtet die Sonne.
Als Fräulein Freienfeld abreist, ist eigentlich niemand da, von dem sie Abschied nehmen kann, oder der ihr noch einen letzten Gruss nachwinkt.
Ihre Stiefmutter ist mit dem Kleinen ausgefahren, das Wetter schien ihr unbestimmt, sie musste den günstigen Augenblick benutzen.
Von dem Kind hätte sie gern noch einen letzten lachenden Blick zur Erinnerung mitgenommen. Amadeus war der einzige, welcher sie freundlich ansah, nach ihrer Hand haschte und sich daran festhielt. Aber die Mutter war eifersüchtig.
„Es ist nicht praktisch, wenn er sich so sehr an dich gewöhnt, — er muss ja auch später mit mir allein fertig werden!"
So nahm sie ihr bescheidenes Gepäck und trug es sich selber zur Droschke hinab.
Ein paar Leute, welche obere Etagen und das Hinterhaus bewohnten, kamen und gingen, schauten gleichgültig über sie hin und schlugen die Haustür schmetternd ins Schloss.
Da schien es ihr, als wäre sie auf ewige Zeiten für eine Verwaiste geschlossen.
Was liess sie in der Heimat zurück? — Scherben.
Zertrümmertes Hoffen, zerschelltes Glück. Ein Jugendtraum ging wohl noch mit ihr, ein bleiches, tränenbetautes Blümlein, in kurzer Ballnacht erblüht, ein kleines Weilchen unter Qual und Herzweh gehegt und gepflegt, bis das Schicksal mit knöcherner Hand die welkenden Myrten von dem Zweig schlug und nur das Bild eines schlanken, eleganten, jungen Offiziers wie aus weiter Ferne ein Lebewohl zu ihr herüberwinkte.
Dazwischen aber lag ein Grab, — dahinein hatte sie ihre Jugend und Liebe gelegt.
Nun bahnte sie sich einen neuen Weg; in die Fremde.
Wird er rauh und steinig sein? Stürmisch und voller Dornen?
Sie weiss es nicht.
Wenn er nur nicht so kalt, so lieblos-einsam ist wie derjenige, welchen sie seit Kindesbeinen an wandeln musste, — wenn diesmal wenigstens eine einzige dauernde Blume darauf blühen möchte — diejenige der Vergessenheit.
„Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt!"
Wie oft hatte sie dieses schöne Zitat von Menschen sagen hören, welche nach genussreichen Reisen oder „Fahrten ins Blaue" voll köstlicher Erinnerungen und Eindrücke heimkehrten und dem blassen Hausmütterchen Gerda gar nicht genug erzählen konnten, wie schön es da draussen in Wald und Feld oder in den eleganten Sommerfrischen, Grossstädten und auf Sportplätzen sei! — Und nun sass sie selber in der Eisenbahn und sauste vorüber an neuen Wundern, welche wie im Kaleidoskop an ihr vorüberwirbelten. — Zum erstenmal hatte sie keine Sorgen, denn Herr van de Eskenboom hatte ihr im Namen seiner Frau ein sehr generöses Reisegeld geschickt, welches ihr, der so sparsam Beanlagten, sogar ermöglichte, ein paar notwendige Anschaffungen in Wäsche und Kleidung zu machen.
So war ihr schon das Bittere erspart geblieben, den Eltern noch Kosten zu verursachen, und hätte ihr das etwas missgünstige Forschen der jungen Stiefmutter nicht die Freude vergällt, so wären schon die Vorbereitungen für die Reise ein seltener Genuss für sie gewesen.
Aber die Stiefmama hatte seit kurzer Zeit ersichtlich schlechte Laune, versicherte ihrem Gatten in recht taktloser Weise, das Geschrei eines kleinen Kindes bei Tag und Nacht sei wahrlich kein Vergnügen, und wenn Gerda ginge, müsste sie unbedingt eine Bonne für den Kleinen haben!
Ja, sie seufzte ein paarmal recht rücksichtslos auf, dass es doch eine Torheit sei, sich so früh zu binden, und dass sie besser getan hätte, auch erst mal ins Ausland zu gehn, um zu erleben und zu geniessen, sich in moderner Freiheit auszuleben!
Wenn geheiratet werde, — dann nur eine reiche glänzende Partie, alles andere sei ja doch nur Misere in der Potenz, der leidige Katzenjammer nach kurzer Verblendung!
Der Rechnungsrat hörte gelassen zu, zuckte ein wenig ironisch die Achseln und sagte nur zum Schluss: „Ganz meine Ansicht, liebes Kind, — und ich hätte doch durch meine Studentenzeit, wo man allerhand Damen kennen lernt, gewarnt sein müssen!"
Das nahm Geheimrats Töchterlein nun vollends übel, und es deuchte Gerda, als werde das Verhältnis der Ehegatten täglich kühler.
Der kleine Amadeus aber bekam eine Bonne, denn seine hübsche, kleine Mama hatte ein enormes musikalisches Talent bei sich entdeckt und nahm ohne die mindesten Rücksichten auf die erheblichen Kosten Gesangunterricht bei einer der ersten Bühnenkünstlerinnen.
„Um alles in der Welt! wem willst du denn als verheiratete Frau vorsingen, Luzie? fragte der Rechnungsrat entsetzt, als seine kapriziöse Gattin ihm die erste Monatsrechnung für Gesangstunden überreichte. „Du weisst’s, ich bin gar nicht musikalisch, Musik macht meinen überanstrengten Kopf nur nervös und eine Geselligkeit, welche derartige Kunstleistungen verlangt, haben wir nicht.
„Das ist es ja! — tobte Frau Luzie entrüstet. „Auf alle und jede Freude muss ich in diesen vier Gefängniswänden des ‚home-sweet home‘!
— sie lachte scharf und ironisch auf — „so wie so schon verzichten, — und nun soll ich auch noch meine einzige Passion, welcher in meinem Elternhaus unbedingt Vorschub geleistet wäre, opfern, weil mein Herr Gemahl zu nervös und ... unmusikalisch ist um schöne Künste zu würdigen!"
„Wenn die schönen Künste nicht zu teuer und ich nicht zu elend wäre, würde ich gewiss nichts dagegen haben —. Der Sprecher hustete krampfhaft auf und tastete, wie in letzter Zeit öfter, zerstreut nach seiner schmalen Brust, als schmerze sie ihn. „Dein Vater war mein Vorgesetzter, Luzie! Er kannte mich und meine Verhältnisse, und doch machte er mir Mut, um dich zu freien!
„Ja, ja! er wusste, dass du kränklich — sogar recht bedenklich asthmatisch seist — antwortete sie kurz, voll grausamer Rücksichtslosigkeit, „darum nahm er wohl bestimmt an, dass du alles tun würdest, um mich sicherzustellen, falls ich Witwe werde und für deinen Sohn sorgen muss. Frag ihn nur! Er wird dir schon klar machen, dass es deine Pflicht ist, mich zur Sängerin ausbilden zu lassen, denn dies wäre doch der einzige Beruf, durch welchen ich noch mein Brot verdienen könnte!
Der alternde Gatte der jungen Frau blickte schweigend vor sich nieder. Er verzichtete auf eine derartige Rücksprache mit seinem „Brotherrn".
Wie gern hätte er mal etwas für seine angegriffene Gesundheit getan!
Der Arzt hatte schon im vergangenen Winter, als er sich so schwer erkältet hatte, davon gesprochen, dass ein Aufenthalt in Görbersdorf doch recht zu empfehlen sei. — Je nun, es