Winkel der Geborgenheit: Sophienlust Bestseller 15 – Familienroman
Von Marisa Frank
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Über dieses E-Book
Das Kinderheim Sophienlust erfreut sich einer großen Beliebtheit und weist in den verschiedenen Ausgaben der Serie auf einen langen Erfolgsweg zurück. Denise von Schoenecker verwaltet das Erbe ihres Sohnes Nick, dem später einmal, mit Erreichen seiner Volljährigkeit, das Kinderheim Sophienlust gehören wird.
»Mutti, was ist?« Erstaunt blieb Marita von Hauenstein stehen. Das soeben noch lachende Gesicht der Elfjährigen wurde jetzt ernst. »Hast du wieder Streit mit Großmama gehabt?« Jutta von Hauenstein erhob sich. Sie trat an das große Fenster und strich sich über die Augen. Sie hatte nie gewollt, daß ihre Kinder etwas von diesen Auseinandersetzungen mitbekamen. Ihre Gestalt straffte sich. So ging es nicht weiter. Sie hatte nicht die Absicht, sich länger von ihren Schwiegereltern demütigen zu lassen. Vor allem wollte sie ihre Kinder selber erziehen. Oft hatte sie das Gefühl, daß auf Schloß Hauenstein die Zeit stehengeblieben war. Die Ansichten, die ihre Schwiegermutter vertrat, stammten noch aus dem vorigen Jahrhundert. »Mutti!« Marita kam näher. »Nimm es nicht so tragisch.« Jutta von Hauenstein wandte sich zu ihrer Tochter, und sie brachte ein Lächeln zustande. »Wo ist Silvia?« »Die spielt im Park mit Hasso.« »Wenn das eure Großmama sieht, dann gibt es wieder Ärger.«
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Sophienlust (ab 351)
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Buchvorschau
Winkel der Geborgenheit - Marisa Frank
Sophienlust Bestseller
– 15 –
Winkel der Geborgenheit
Wir haben wieder eine Heimat
Marisa Frank
»Mutti, was ist?« Erstaunt blieb Marita von Hauenstein stehen. Das soeben noch lachende Gesicht der Elfjährigen wurde jetzt ernst. »Hast du wieder Streit mit Großmama gehabt?«
Jutta von Hauenstein erhob sich. Sie trat an das große Fenster und strich sich über die Augen. Sie hatte nie gewollt, daß ihre Kinder etwas von diesen Auseinandersetzungen mitbekamen. Ihre Gestalt straffte sich. So ging es nicht weiter. Sie hatte nicht die Absicht, sich länger von ihren Schwiegereltern demütigen zu lassen. Vor allem wollte sie ihre Kinder selber erziehen. Oft hatte sie das Gefühl, daß auf Schloß Hauenstein die Zeit stehengeblieben war. Die Ansichten, die ihre Schwiegermutter vertrat, stammten noch aus dem vorigen Jahrhundert.
»Mutti!« Marita kam näher. »Nimm es nicht so tragisch.«
Jutta von Hauenstein wandte sich zu ihrer Tochter, und sie brachte ein Lächeln zustande. »Wo ist Silvia?«
»Die spielt im Park mit Hasso.«
»Wenn das eure Großmama sieht, dann gibt es wieder Ärger.« Jutta seufzte.
»Ein Hund ist kein Spielzeug«, dozierte Marita mit erhobenem Zeigefinger. Sie versuchte, ihre Großmama nachzuahmen. Damit wollte sie ihre Mutter zum Lachen bringen, doch diese schüttelte nur ganz unwillig den Kopf.
»Sieh lieber nach der Kleinen, bevor sie etwas anstellt.«
»Silvia stellt nichts an, Mutti. Sie wird doch wohl noch im Park sein dürfen.«
»Du weißt, daß Großmama das nicht wünscht. Silvia soll sich dort nicht ohne Aufsicht bewegen.« Jutta lächelte ihrer Tochter bittend zu. »Sei so lieb und hole sie.«
»Ihr passiert sicher nichts«, meinte Marita. »Wenn es nach Großmama ginge, dürften wir uns den ganzen Tag nicht rühren.« Sie stöhnte. Bevor ihre Mutter noch etwas sagen konnte, hob sie die Hände. »O.K., Mom, ich gehe ja schon.«
»Marita«, mahnte Jutta. »Mußt du immer solche amerikanischen Ausdrücke verwenden?«
»Aber Mom, das sagen doch alle aus unserer Klasse.«
Marita nickte. »Ich weiß – du brauchst nichts mehr zu sagen. Für die erlauchten Ohren meiner Großmama ist so etwas nicht geeignet.«
Marita wirbelte herum, und schon war sie aus dem Zimmer gesprungen. Jutta seufzte erneut. Noch waren ihre Kinder keine affektierten Puppen. Sie lachten, wenn es ihnen danach zumute war, und tobten unternehmungslustig durch den Park. So sollte es auch bleiben. Sie trat ans Fenster und sah hinunter. Ihr Zimmer lag auf der Südseite. Sie blickte auf einen gepflegten Rasen, in dessen Mitte ein Springbrunnen seine Fontäne gegen den Himmel sprühte. Rundherum gab es Blumenbeete, Ziersträucher und viele exotische Pflanzen. Zur Pflege dieser Anlagen war auf Schloß Hauenstein ein Gärtner angestellt – ein älterer Mann. Für ihn zählte nur die Ordnung. Ein Fußabdruck in einem der Beete war für ihn eine Katastrophe. Kaum verging ein Tag, an dem er sich nicht über die Kinder beschwerte.
Von ihrem Fenster aus konnte Jutta auch die ersten Bäume des großen Parks sehen. Schloß Hauenstein war einst für sie ein Märchenschloß gewesen. Es war ein wunderbarer Besitz. Zusammen mit ihrem Mann hatte sie alles Schöne entdeckt. Damals hatte es ihr nichts ausgemacht, daß Graf und Gräfin von Hauenstein mit der Wahl ihres Sohnes nicht einverstanden waren. Siegfried hatte zu ihr gehalten, das allein hatte gezählt. Nun war Siegfried bereits ein Jahr tot.
Jutta lehnte die Stirn an das Glas der Scheibe. Jetzt hatte sie niemanden mehr, der sie verteidigte. Sie war völlig der Gnade oder Ungnade ihrer Schwiegereltern ausgesetzt. Schloß Hauenstein war für sie zu einem Gefängnis geworden. Und nicht nur für sie – auch ihre Kinder litten. Plötzlich war alles verboten.
Poltern und Geschrei holten Jutta in die Gegenwart zurück. Erschrocken lief sie zur Tür, hinaus in den Gang. »Nicht so laut«, rief sie ihren Kindern entgegen, aber diese waren nicht zu bremsen.
»Ich will nicht mehr hierbleiben«, zeterte Silvia. »Ich mag Großmama nicht mehr. Sie ist eine ganz böse Frau. Noch böser als die Hexe in Hänsel und Gretel.«
»Silvia, das darfst du nicht sagen«, tadelte Jutta.
»Das habe ich ihr auch schon gesagt«, beteuerte Marita.
»Ich will weg von hier, ganz schnell, Mami.« Dicke Tränen rollten der
Fünfjährigen über die Wangen. »Hier ist es überhaupt nicht mehr schön.«
»Nicht doch.« Jutta hob ihre Jüngste hoch. Sie hörte Schritte. Das konnte nur ihre Schwiegermutter sein. Da sie keine Lust auf eine weitere Auseinandersetzung hatte, trug sie Silvia rasch in ihr Zimmer. Marita folgte. Sie machte die Tür zu und erklärte: »Großmama lassen wir nicht herein.«
Ehe Jutta etwas sagen konnte, wurde herrisch gegen die Tür geklopft. »Jutta, ich weiß, daß deine Kinder bei dir sind«, hörte die junge Frau ihre Schwiegermutter sagen. »Sie haben sich wieder unmöglich benommen. Ich werde dafür sorgen, daß sie eine gerechte Strafe erhalten.«
In Jutta begann es zu kochen. Sie konnte sich einfach nicht länger beherrschen. Sie riß die Tür auf und fragte: »Wie stellst du dir eine gerechte Strafe vor?«
Gräfin Dorothea musterte ihre Schwiegertochter kühl. »Das ist mal wieder typisch für dich. Es interessiert dich nicht einmal, was vorgefallen ist. Aber damit soll jetzt endgültig Schluß sein. Wir werden ein Kindermädchen engagieren. Dir die Erziehung der Kinder länger zu überlassen, wäre unverantwortlich.«
»Wir haben nichts getan«, sagte Marita trotzig. »Großmama kann man nichts recht machen.«
»Großmama soll weggehen«, jammerte Silvia auf dem Arm der Mutter. »Ich mag Großmama nicht mehr. Sie hat gesagt, ich darf den Hasso nicht mehr anfassen. Der Hasso ist ein so lieber Hund.« Schluchzend verbarg die Kleine ihr Köpfchen an der Schulter der Mutter.
»Es ist unerhört«, regte sich Dorothea von Hauenstein auf. »Du hetzt die Kinder gegen mich auf.«
»Mutter, bitte«, versuchte Jutta es im guten. »Ich weiß nicht einmal, was vorgefallen ist.«
»Das ist es ja. Das Verhalten deiner Kinder interessiert dich nicht.«
Jutta schoß das Blut ins Gesicht. Das konnte sie sich nicht gefallen lassen. »Du weißt genau, daß das nicht stimmt. Die Kinder sind das einzige, was ich noch habe.«
»Das berechtigt dich noch lange nicht dazu, sie bei allem gewähren zu lassen. Ich sagte dir ja schon, daß sich in Zukunft eine Erzieherin um sie kümmern wird.«
»Nein, Mutter!« Silvias Köpfchen liebevoll streichelnd, hielt Jutta dem Blick ihrer Schwiegermutter stand.
»Darf ich dich daran erinnern, daß du dich auf Schloß Hauenstein befindest. Du wirst dich wohl oder übel unseren Wünschen fügen müssen.«
»Das werde ich nicht.«
»Ich bitte dich, denke an das Personal.« Gräfin Dorothea zog ihre Augenbrauen in die Höhe. »Wie sollen die Kinder lernen, was sich gehört, wenn du offensichtlich keine Erziehung genossen hast.«
Das war zuviel. Jutta schlug ihrer Schwiegermutter die Tür vor der Nase zu.
»Bravo!« rief Marita. »Viel früher hättest du das tun müssen. Was erlaubt sich diese alte Ziege eigentlich!«
Jutta erschrak. »Marita, so etwas will ich nie wieder von dir hören«, sagte sie streng. »Wenn du so etwas sagst, dann ist das ein Zeichen, daß du schlecht erzogen bist.«
Marita senkte den Kopf. »Mom, sie hat dich doch beleidigt.«
Silvia, die sich bisher fest an die Mutter geklammert hatte, strampelte mit den Beinen. »Ich will nicht hierbleiben«, schluchzte sie. »Großmama hat gesagt, wenn ich noch einmal allein in den Park gehe, dann sperrt sie mich in den Turm. Auch Hasso darf ich nicht mehr anfassen. Ich will aber nicht in den Turm gesperrt werden.«
»Ich will auch nicht mehr hierbleiben. Mom, warum müssen wir eigentlich hier leben? Laß uns doch fortgehen, bitte.« Marita legte ihre Hände gegeneinander.
Jutta strich ihrer Tochter über den Kopf. Sie selbst hatte schon öfters diesen Gedanken gehegt. Sie war geblieben, weil Schloß Hauenstein die Heimat ihres Mannes war. Ihre Kinder trugen seinen Namen.
*
»Mom, sind wir schon bald da?« fragte Marita vom Rücksitz aus. Sie hatte sich aufgerichtet.
»Schläft Silvia noch?« stellte Jutta von Hauenstein die Gegenfrage.
»Ich glaube schon – jedenfalls rührt sie sich noch nicht«, erwiderte Marita leise.
»Das ist gut«, sagte Jutta. Sie war deprimiert, aber sie durfte diesem Gefühl nicht nachgeben. Sie mußte an ihre Kinder denken.
»Mom«, meldete sich nach einiger Zeit Marita. »Ich habe Hunger.«
Jutta unterdrückte einen Seufzer. »Ein wenig mußt du dich noch gedulden.«
»Mom, wo werden wir wohnen?«
Jutta atmete tief durch. »Wir werden uns vorerst eine Pension suchen.«
»Da schlafen wir dann alle drei im gleichen Zimmer«, freute sich Marita.
»Das werden wir wohl müssen«, meinte die Mutter.
»Mom, du brauchst dir keine Sorgen zu machen«, sagte Marita. »Ich bin doch schon groß. Ich kann gut für Silvia sorgen. Wichtig ist, daß wir von der Großmama weg sind. Jetzt kann sie uns nichts mehr tun.«
Jutta antwortete nicht. Der Wegweiser sagte ihr, daß es nicht mehr weit bis Stuttgart war. Dort sollten die Kinder etwas zu essen bekommen, und vor allem mußte sie für den Anfang eine nette Pension finden. Und dann… dann mußte sie sich eine Arbeit suchen. Seit ihrer Heirat hatte sie über kein eigenes Bankkonto verfügt. Zum