Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Nicht verfügbar
Mädcheniade: Erzählungen
Nicht verfügbar
Mädcheniade: Erzählungen
Nicht verfügbar
Mädcheniade: Erzählungen
eBook122 Seiten2 Stunden

Mädcheniade: Erzählungen

Bewertung: 5 von 5 Sternen

5/5

()

Derzeit nicht verfügbar

Derzeit nicht verfügbar

Über dieses E-Book

Inhalt:
Keine Hexen
Und ich glaubte, ich träume
Unverhofft
Das Marmormädchen
Engel
In einer Balthus-Ausstellung
Cybervamp
Der Gottesmann
Reiten und reiten
Mädcheniade


Leseprobe:
Kleine Hexen

Immer wenn Birgit aus der Schule nach Hause kam und ich ihr die Tür aufmachte, wunderte ich mich, wie winzig sie noch war, hatte ich sie doch viel größer in Erinnerung, vielleicht weil sie für mich wuchs, wenn sie da war, riesig wurde mit ihrem Geschrei und Gehüpfe, womit sie die Stille und Leere ausfüllte, die mich eben noch umgeben hatte, als ich mit dem Rad hierher gefahren war, unter einem grauverhangenen Himmel, an abgeernteten Feldern vorbei, durch verlassene Parks mit laubbedeckten Rasenflächen und kahlen Bäumen, in diese Vorortsiedlung mit umgegrabenen Blumenbeeten in den Vorgärten, und ein Gefühl der Trostlosigkeit hatte sich in mir ausgebreitet, das sich bei ihrem Erscheinen schlagartig auflöste: da stand sie in der Tür, klein und zart vor dem großen Ranzen, der eckig über ihre schmalen Schultern hinausragte, die sie jetzt zurückbog, so daß er an ihrem Rücken runterrutschte und zu Boden polterte, von wo ich ihn aufhob, um ihn ihr hinterher zu tragen, dachte sie doch nicht daran, ihn selber aufzuheben, mochte ich auch noch so rufen, verschwand sie vielmehr lachend im Haus, riß sich Mütze, Schal und Handschuhe herunter, ließ alles mitsamt dem Anorak einfach fallen, rannte dann zum Schrank, schob einen Stuhl davor, kletterte hinauf und griff nach der Steingutschale mit den Süßigkeiten, erreichte sie aber nicht, öffnete die linke Schranktür, benutzte die Innenfächer als Stufen und kletterte affenartig hinauf, klemmte sich mit ihrem linken Arm an der hin- und herschwingenden Tür fest, griff mit der freien Hand in die

Schale, stopfte sich Bonbons und Plätzchen in die Hosentasche, verlor den Tritt, hing strampelnd an der pendelnden Tür und schrie um Hilfe, aber ich sammelte erst mal ihre Sachen auf, hängte sie an die Garderobe, sah aus den Augenwinkeln, wie sie sich bäuchlings über die Türkante schob, während sie mit den Schuhen gegen das Holz trat und mich herbeirief, ließ sie noch etwas zappeln, tat dann ganz verwundert, als ich schließlich doch hereinkam, gab der Tür noch einen Schubs, worauf Birgit loskreischte, und pflückte sie endlich herunter.
Der Weg zum Kindergarten, von dem wir Elsa, Birgits Schwester, abholten, war voller Hundekacke, ein Jux für die beiden Mädchen, die sich auf dem Rückweg gegenseitig in die Köttel hineinzurempeln versuchten, über die sie hinwegsprangen, bis sie auf die Idee kamen, sich gegen mich zu verbünden, mich gemeinsam zu schubsen, und ich machte Storchenbeine, taperte, stolperte in einen Haufen hinein, glitschte schlitternd aus, hüpfte auf einem Bein, kratzte mit einem Stöckchen das stinkende Zeug aus den Sohlenrillen, während Elsa mich von hinten schubste, was mich fast zu Fall brachte, und Birgit griff mich von vorne an, drückte ihren Kopf in meinen Magen, wobei ich durch den Gegenstoß mein Gleichgewicht wiederfand, und ich lief mit aufklatschenden Sohlen davon, um den Hundedreck aus dem Profil zu schlagen, der auf dem Pflaster zurückblieb und über den die Mädchen sprangen, die mich verfolgten, ärgerlich stehenblieben, als ich mich nicht einholen ließ, und ich ging in die Hocke, worauf sie angerannt kamen, mit flatternden Haaren, und sich in meine Arme warfen, und ich drehte mich mit ihnen im Kreis, bis uns schwindelig wurde – da spielten wir Betrunkene auf dem Heimweg von der Kneipe, taten so, als müßten wir uns übergeben, umschlangen Laternenpfähle und taumelten lallend nach Hause.
Unbeholfen zog Birgit mit der linken Hand einen Bogen, der ausrutschte, über die hellgraue Linie hinausfuhr, zu einem Spitzdach verunglückte, das sie wütend durchstrich, worauf sie zu einem neuen U ansetzte, dabei den Zeigefinger mit dem Trauerrand, der an ein Keepsmiling erinnerte, fest auf den störrischen Bleistift drückte, um ihn im Zaum zu halten, in Rechts- und Linkskurven zu zwingen, doch er brach immer wieder
SpracheDeutsch
HerausgeberTrotz Verlag
Erscheinungsdatum4. März 2020
ISBN9783966862295
Nicht verfügbar
Mädcheniade: Erzählungen

Mehr von Reinhard Knoppka lesen

Ähnlich wie Mädcheniade

Ähnliche E-Books

Allgemeine Belletristik für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Mädcheniade

Bewertung: 5 von 5 Sternen
5/5

1 Bewertung0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen