Romanze in Venedig: Digital Edition
Von Anne Weale
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ew York, Paris, Venedig: Sophie reist an der Seite ihres neuen Chefs Marc Washington um die halbe Welt. Doch warum kommt ihr der erfolgreiche und überaus attraktive Unternehmer nur so vertraut vor? Erst der Zauber einer Laguneninsel weckt in Sophie die Erinnerung...
Anne Weale
Jay Blakeney alias Anne Weale wurde am 20. Juni 1929 geboren. Ihr Urgroßvater war als Verfasser theologischer Schriften bekannt. Vielleicht hat sie das Autorengen von ihm geerbt? Lange bevor sie lesen konnte, erzählte sie sich selbst Geschichten. Als sie noch zur Schule ging, verkaufte sie ihre ersten Kurzgeschichten an ein Frauenmagazin, und sie hatte das Gefühl für das Schreiben bestimmt zu sein. Darum entschied sie sich, Autorin zu werden, und schrieb für Zeitungen und Magazine. Bereits mit 21 war Jay Zeitungsreporterin mit einem Karriereplan, aber der Mann in den sie sich unwiderruflich verliebt hatte, teilte ihr mit, dass er auf der anderen Seite der Welt arbeiten würde. Er war der Meinung, dass sie entweder heiraten oder sich auf Wiedersehen sagen sollten. Sie hatte immer daran geglaubt, dass wahre Liebe ein ganzes Leben lang halten würde, und sie wusste, dass es schwieriger ist, einen wundervollen Mann als einen guten Job zu finden. Darum legte sie ihre Karriere auf Eis, was sich als weise Entscheidung herausstellte. Gemeinsam bereisten sie die Welt. Hätte sie nicht einen Teil ihres ersten Ehejahres am Rand eines malaysischen Dschungels verbracht, wäre Jay wohl nie Liebesromanautorin geworden. Die abgelegene Lage und die Gefahren durch den Ausnahmezustand, der damals im Land herrschte, gaben ihr genug Stoff für ein Genre, das sie erst kennenlernte, als sie in der Bibliothek des Country Clubs Liebesromane entdeckte. Da sie selbst die große Liebe erlebt hatte, konnte sie über Gefühle schreiben, die sie aus eigener Erfahrung kannte. Nach ihrer Rückkehr nach Europa arbeitete Jay wieder als Journalistin und schrieb in ihrer Freizeit ihren ersten Liebesroman, den sie unter dem Pseudonym Anne Weale bei Mills & Boon veröffentlichte. Damals war sie erst 24. Nach der Geburt ihres Sohnes David beschloss sie, ihren Beruf aufzugeben und sich ganz dem Schreiben zu widmen. Sie war eins der Gründungsmitglieder der The Romantic Novelists' Association. Insgesamt hat sie 88 Romane geschrieben, auch unter dem Pseudonym Andrea Blake, die häufig vor exotischer Kulisse – in der Karibik oder ihrem geliebten Spanien – spielen.
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Buchvorschau
Romanze in Venedig - Anne Weale
IMPRESSUM
Romanze in Venedig erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH
© 1996 by Anne Weale
Originaltitel: „Sophie’s Secret"
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANA
Band 1197 - 1998 by CORA Verlag GmbH, Hamburg
Übersetzung: Monika Gibler
Umschlagsmotive: Nearbirds/shutterstock
Veröffentlicht im ePub Format in 02/2015 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733787981
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY
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1. KAPITEL
Ebenso kühl und gelassen wie alle anderen Reisenden, die einen Überschallflug über den Atlantik gebucht hatten, saß Sophie Hill in dem nur Concordepassagieren vorbehaltenen Wartesaal der Air France am New Yorker John-F.-Kennedy-Flughafen.
Allerdings versuchte sie mit dieser äußerlich entspannten Haltung nur ihre Nervosität zu überspielen, denn in Wahrheit fühlte sie sich keineswegs so selbstsicher, wie sie sich gab.
Mit ihrem eleganten Kostüm und dem dezenten Schmuck hätte sie eine junge aufstrebende Karrierefrau auf dem Weg zu einem gut bezahlten Posten in einer europäischen Großbank sein können. Tatsächlich gehörte sie jedoch zum kleinen Kreis der im Schatten ihrer Chefs agierenden persönlichen Assistentinnen von Spitzenmanagern. Sie hatte ihre berufliche Laufbahn als einfache Sekretärin begonnen, einige Zeit in Frankreich und danach in London gearbeitet und war schließlich nach New York gegangen, wo sie in den vergangenen zwei Jahren die rechte Hand des Inhabers einer bekannten Versicherungsagentur gewesen war.
Und nun würde sie für einen Mann tätig sein, dessen Firmenimperium zwar die ganze Welt umspannte, von dem sie aber so gut wie nichts wusste, da er offenbar die guten Kontakte zu den Medien dazu nutzte, seinen Namen aus Presse und Fernsehen herauszuhalten.
Noch immer rätselte Sophie, weshalb ihr ursprünglich in der Business Class vorgesehener Direktflug nach Italien in letzter Minute auf die Concorde via Paris umgebucht worden war. Ihr neuer Arbeitgeber schien nicht nur Spitzengehälter zu zahlen, sondern auch sonst seinen Angestellten gegenüber äußerst großzügig zu sein.
Allerdings wäre ihr wohler gewesen, wenn sie ihren künftigen Chef bereits gesehen hätte und ihn nicht erst jetzt, da sie den Arbeitsvertrag bereits unterschrieben hatte, kennenlernen würde. Schon deshalb, weil die Stellenausschreibung einige irritierende Forderungen enthalten hatte.
Allein wegen des hohen Gehalts hätte Sophie sich nicht über alle diesbezüglichen Bedenken hinweggesetzt, doch die Aussicht, in Venedig zu arbeiten, war zu verlockend gewesen. Gab es einen schöneren und romantischeren Ort als diese Stadt?
Die Passagiere wurden nun gebeten, an Bord zu gehen. Kurz bevor Sophie sich als eine der Letzten zum Einsteigen anschickte, betrat ein Spätankömmling den Wartesaal.
Er war ungewöhnlich groß und strahlte trotz seiner vergleichsweise legeren Kleidung unverkennbar Autorität aus. Die meisten männlichen Passagiere trugen die internationale Einheitstracht leitender Angestellter: maßgeschneiderter Anzug. Seidenhemd und teures Schuhwerk, ergänzt durch die üblichen kostspieligen Accessoires.
Dieser Mann hingegen hatte eine helle Hose an, ein cremefarbenes Hemd mit offenem Kragen und ein sportliches braunes Jackett. Und im Gegensatz zu Sophie und den anderen Mitreisenden bestand sein Handgepäck einzig und allein aus einem Buch.
Er sah sich unter den wenigen noch Wartenden um und kam dann schnurstracks auf Sophie zu.
„Guten Morgen, Sophie. Ich bin Marc Washington."
Obwohl sie in ihrem Beruf allerhand gewohnt war, kostete es sie einige Mühe, Haltung zu bewahren. So hatte sie sich die erste Begegnung mit ihrem neuen Arbeitgeber nun wirklich nicht vorgestellt.
„Guten Morgen, Mr Washington, sagte sie, ohne mit der Wimper zu zucken, während Sie sich den Kopf zermarterte, wieso er sie auf Anhieb erkannt hatte. „Ich hatte nicht erwartet, Sie hier zu treffen.
„Unerwartete Situationen zu meistern zählt zu den Eigenschaften, die ich bei meinen Mitarbeitern voraussetze, erklärte er und reichte ihr die Hand. „Der Flug gibt uns Gelegenheit, einander etwas kennenzulernen. Sollen wir …?
Er beendete den Satz nicht, sondern deutete auf den zum Flugzeug führenden Tunnel.
Sophie nickte und folgte ihm schweigend. Trotz ihrer Größe von einem Meter dreiundsiebzig überragte er sie um mehr als einen Kopf, was ihr bei Männern selten passierte.
Sie hatte nur einen kurzen Blick in sein Gesicht werfen können und wenig mehr als braune Augen unter dichten dunklen Brauen sowie sommerliche Bräune wahrgenommen. Natürlich war ein Mann wie er um diese Jahreszeit nicht auf Sonnenstudios angewiesen. Er hatte genug Geld, seine Haut bei einem Skiwochenende in den Bergen oder einem Segeltörn in der Karibik nachzubräunen.
Bis jetzt hatte Sophie sich Marc Washington als einen arbeitswütigen Mittfünfziger vorgestellt, besessen von der Macht des Geldes und der Vergrößerung seines Firmenimperiums. Doch ihr neuer Chef war höchstens Mitte dreißig und schien seinen Körper auf angenehmere Weise in Form zu halten als ihr letzter Arbeitgeber, der auf ärztliche Anordnung mehrmals wöchentlich im Fitnessstudio gegen sein Übergewicht ankämpfte.
Aus Gesprächen mit Berufskolleginnen, deren Chefs regelmäßig mit der Concorde flogen, wusste Sophie, dass die vorderen vier Plätze stets für bekannte Persönlichkeiten reserviert waren. Heute belegten sie und Marc Washington zwei dieser Plätze, und wenngleich sein Name nie in der Presse auftauchte, schien ihn das Flugpersonal gut zu kennen.
Noch nie war Sophie von einer Stewardess derart aufmerksam umsorgt worden, und ihr war klar, dass sie diese bevorzugte Behandlung ihrem Begleiter verdankte. Sie wollte ihm den Fensterplatz überlassen, doch er schüttelte den Kopf und ließ ihr den Vortritt.
Nachdem sie sich gesetzt und angeschnallt hatte, fiel ihr beim Anblick ihrer seidenbestrumpften Knie wieder ein, welche Grundvoraussetzung Marc Washington für eine Bewerbung gestellt hatte: schöne Beine.
Zuerst hatte sie sich wegen dieser eindeutig sexistischen Forderung nicht bewerben wollen, es dann aber doch nicht über sich gebracht, nur deshalb auf eine so einmalige Chance zu verzichten.
Nun, da sich herausstellte, dass ihr neuer Chef wesentlich jünger als von ihr angenommen und ausgesprochen männlich war, regten sich in ihr erneut leise Zweifel an der Seriosität des Stellenangebots. Erwartete Marc Washington von seiner Assistentin etwa, dass sie nicht nur tagsüber für ihn arbeitete, sondern ihm auch nachts zu Diensten war?
Normalerweise hatte Sophie keine Angst vor sexueller Belästigung im Büro, aber vielleicht hatte sie bis jetzt nur Glück gehabt. Sie hatte immer für Männer gearbeitet, die sich Frauen gegenüber nie Zudringlichkeiten erlaubt hätten.
Der breitschultrige Mann neben ihr war in dieser Hinsicht viel schwerer einzuschätzen. Glaubte er, wegen des ungewöhnlich hohen Gehalts, das er zahlte, von ihr mehr als gute Arbeit im Büro verlangen zu können? Falls ihm so etwas vorschwebte, würde er bei ihr Pech haben.
Fairerweise musste sie ihm zugutehalten, dass es bis jetzt an seinem Verhalten nichts zu beanstanden gab. Ihm war es momentan wichtiger, seine eigenen langen Beine möglichst bequem unterzubringen.
Sophie versuchte unauffällig ihren Rock nach unten zu ziehen, doch der Saum befand sich immer noch einige Zentimeter über dem Knie.
Sie hatte für die Reise ein Kostüm mit schwarzem Rock, schwarz-weiß karierter Jacke und weißer Bluse gewählt, denn obwohl sie erst fünfundzwanzig war, bevorzugte sie bei ihrer Garderobe den eher konservativen Stil von etwas älteren Frauen, die bereits einige Sprossen auf der Karriereleiter erklommen hatten. Nur Schals und Unterwäsche genehmigte sie sich in den lebhaften Farben, die sie liebte und die zu ihren blaugrünen Augen passten.
Eine Stewardess bot Champagner an, doch Sophie lehnte dankend ab und bat um ein Glas Wasser.
„Mögen Sie keinen Champagner, oder haben Sie generell etwas gegen Alkohol?", fragte Marc Washington und hob sein Glas mit der perlenden Flüssigkeit.
„Keineswegs. Wenn ich in New York in meiner Lieblingstrattoria gleich bei mir um die Ecke gegessen habe, habe ich mir auch den Hauswein schmecken lassen, antwortete sie. Spontan fügte sie hinzu: „Aber heute wäre jedes Glas Champagner zu viel für mich. Ich schwebe schon jetzt in höheren Sphären, weil ich zum ersten Mal mit der Concorde fliege und auf dem Weg nach Venedig bin.
Marc Washington verzog keine Miene, doch seine Augen funkelten belustigt.
„Das beruhigt mich, sagte er, während das Flugzeug vom Boden abhob. „Ich bin ein Mensch, der das Leben liebt und genießt, und habe gern Leute um mich, die ebenso denken. Vorhin, bei der Begrüßung, wirkten Sie derart beherrscht, dass ich befürchtete, Audrey LaRue hätte sich getäuscht, als sie meinte, Sie seien die Richtige für den Posten in Venedig.
„Es freut mich, dass Mrs LaRue so denkt. Ich wollte die Stelle unbedingt haben und bin schon gespannt auf meine künftige Arbeit. Bis jetzt weiß ich nur, dass ich viel mit den venezianischen Behörden zu tun haben werde, mehr nicht."
„Damit Sie mehr darüber erfahren, reisen wir ja auch zusammen. In Ihrer Bewerbung haben Sie angegeben, Venedig bereits zu kennen. Wie lange waren Sie dort?"
Es wäre für Sophie zu schmerzlich gewesen, diese Frage umfassend zu beantworten.
„Länger als die meisten Touristen, die sich, wie ich gelesen habe, im Durchschnitt nur sechzehn Stunden dort aufhalten, erwiderte sie ausweichend. „Ich kenne die Stadt ein wenig besser, wenngleich nicht so gut, wie ich es mir wünschte.
Glücklicherweise schien ihn diese Antwort zufriedenzustellen. „Durch Ihre Arbeit werden Sie Venedig bald in- und auswendig kennen. Ich hoffe nur, die Schwierigkeiten, mit denen Sie zu kämpfen haben werden, verderben Ihnen nicht die Freude an der Stadt."
„Ganz sicher nicht. Um welche Schwierigkeiten handelt es sich?"
„Das erkläre ich Ihnen, wenn wir unsere Bestellung aufgegeben haben", sagte Marc, da soeben die Speisekarten verteilt wurden.
Schon als kleines Kind hatte Sophie gelernt, dass Gesichter ihre eigene Sprache hatten und viel über den Charakter eines Menschen aussagten.
„Gesichter sind wie Landkarten, Sophie. Landkarten des Lebens." Die Stimme, die ihr diesen Rat gegeben hatte, klang ihr noch so vertraut in den Ohren, als hätte sie diese erst gestern zuletzt gehört.
Sophie hatte gelernt, Menschen nach ihren Gesichtern zu beurteilen, doch aus Marc Washington wurde sie nicht schlau. Sie spürte zwar seine ungewöhnlich starke Ausstrahlung, aber es gelang ihr nicht, sich ein Bild von ihm zu machen. Der Mann war ihr in jeder Hinsicht ein Rätsel.
Das würde sich bestimmt bald ändern. In Abwandlung des französischen Sprichworts „Niemand kennt einen Mann besser als sein Diener", war sie der Meinung, dass niemand einen Mann besser kannte als seine persönliche Assistentin, Sekretärin oder wie immer man seine rechte Hand nennen mochte.
Ihr letzter Arbeitgeber war ein netter und glücklich verheirateter Mann ohne Affären gewesen. Von ihrem jetzigen wusste sie nicht einmal, ob er verheiratet oder ungebunden war und vielleicht seine Freundinnen wie die Hemden wechselte.
Eine Stewardess erkundigte sich nach ihren Wünschen für das Mittagessen. Sophie bestellte Spargelcremesuppe, Wachteleier mit Salat und als Dessert pochierte Birnen in Rotweingelee.
Marc Washington entschied sich für etwas Handfesteres und wählte Austern, geschmortes Kaninchen in Senfsoße mit Gemüse und Mousse au chocolat zum Nachtisch.
„Haben Sie mit Ihren Freunden gebührend Abschied gefeiert in dieser Trattoria auf der West Side?"
Als sie vorhin das Lokal genannt hatte, hatte sie nur angedeutet, dass es nicht weit von ihrer Wohnung entfernt liege. Er musste sich also ihre in der Bewerbung angegebene Adresse gemerkt haben. Für einen Mann mit einem solchen Gedächtnis zu arbeiten hieß, auf jede noch so kleine Einzelheit zu achten.
„Oh ja, es war ein großartiges Abschiedsfest, antwortete sie lächelnd. „Ich habe in Amerika einige sehr gute Freunde gewonnen und bereue nicht, den Atlantik überquert zu haben. Aber nun bin ich froh, wieder nach Europa zurückzukehren.
Sie setzten die Unterhaltung nicht fort, da das Essen serviert wurde. Für Marc Washington ist das elegante Ambiente und das exquisite Essen hier sicher eine Selbstverständlichkeit, dachte Sophie, während sie den Löffel in die Suppe tauchte. Sie erinnerte sich mit Schaudern an den Billigflug nach Mexiko vergangene Weihnachten, bei dem das Essen nahezu ungenießbar gewesen