Dein Blick sagt mehr als tausend Worte
Von Anne Weale
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Über dieses E-Book
"Willkommen auf Mallorca, der Insel der acht Winde." Als Nicolas das sagt, spürt Cressy, dass Nicolas nichts anderes im Sinn hat, als sie zu verführen. Und während sie sein einnehmendes Lächeln scheu erwidert, weiß sie bereits: Diesen Sommer wird sie nie vergessen…
Anne Weale
Jay Blakeney alias Anne Weale wurde am 20. Juni 1929 geboren. Ihr Urgroßvater war als Verfasser theologischer Schriften bekannt. Vielleicht hat sie das Autorengen von ihm geerbt? Lange bevor sie lesen konnte, erzählte sie sich selbst Geschichten. Als sie noch zur Schule ging, verkaufte sie ihre ersten Kurzgeschichten an ein Frauenmagazin, und sie hatte das Gefühl für das Schreiben bestimmt zu sein. Darum entschied sie sich, Autorin zu werden, und schrieb für Zeitungen und Magazine. Bereits mit 21 war Jay Zeitungsreporterin mit einem Karriereplan, aber der Mann in den sie sich unwiderruflich verliebt hatte, teilte ihr mit, dass er auf der anderen Seite der Welt arbeiten würde. Er war der Meinung, dass sie entweder heiraten oder sich auf Wiedersehen sagen sollten. Sie hatte immer daran geglaubt, dass wahre Liebe ein ganzes Leben lang halten würde, und sie wusste, dass es schwieriger ist, einen wundervollen Mann als einen guten Job zu finden. Darum legte sie ihre Karriere auf Eis, was sich als weise Entscheidung herausstellte. Gemeinsam bereisten sie die Welt. Hätte sie nicht einen Teil ihres ersten Ehejahres am Rand eines malaysischen Dschungels verbracht, wäre Jay wohl nie Liebesromanautorin geworden. Die abgelegene Lage und die Gefahren durch den Ausnahmezustand, der damals im Land herrschte, gaben ihr genug Stoff für ein Genre, das sie erst kennenlernte, als sie in der Bibliothek des Country Clubs Liebesromane entdeckte. Da sie selbst die große Liebe erlebt hatte, konnte sie über Gefühle schreiben, die sie aus eigener Erfahrung kannte. Nach ihrer Rückkehr nach Europa arbeitete Jay wieder als Journalistin und schrieb in ihrer Freizeit ihren ersten Liebesroman, den sie unter dem Pseudonym Anne Weale bei Mills & Boon veröffentlichte. Damals war sie erst 24. Nach der Geburt ihres Sohnes David beschloss sie, ihren Beruf aufzugeben und sich ganz dem Schreiben zu widmen. Sie war eins der Gründungsmitglieder der The Romantic Novelists' Association. Insgesamt hat sie 88 Romane geschrieben, auch unter dem Pseudonym Andrea Blake, die häufig vor exotischer Kulisse – in der Karibik oder ihrem geliebten Spanien – spielen.
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Dein Blick sagt mehr als tausend Worte - Anne Weale
IMPRESSUM
Dein Blick sagt mehr als tausend Worte erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 1997 by Anne Weale
Originaltitel: „The Youngest Sister"
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANA
Band 1226 - 1998 by CORA Verlag GmbH, Hamburg
Übersetzung: Lydia Roeder
Umschlagsmotive: GettyImages_domoyega
Veröffentlicht im ePub Format in 10/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733753603
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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1. KAPITEL
Cressy stellte sich am Check-in der Business Class in die Reihe. Normalerweise nahm sie nicht den teuren Linienflug, wenn sie mit dem Flugzeug verreiste, doch diesmal war ihr nichts anderes übrig geblieben. Alle Plätze der Touristenklasse waren ausgebucht, und die Reise nach Mallorca war äußerst dringend und konnte nicht verschoben werden.
Es war Ende Juni, eine gute Reisezeit, wenn man Massentourismus und glühende Sommerhitze vermeiden wollte. Cressy flog jedoch nicht auf die Hauptinsel der Balearen, um dort Urlaub zu machen. Eine alte Tante ihres Vaters, die auf Mallorca lebte und im Moment in Schwierigkeiten steckte, brauchte ihre Hilfe.
Cressy wohnte und arbeitete in London, und da es seit Ostern fast ununterbrochen geregnet hatte, freute sie sich schon auf das warme Wetter in Spanien. Sie trug verwaschene Jeans, ein altes, bequemes Sweatshirt und als Reisegepäck einen praktischen Rucksack auf dem Rücken. Das Sweatshirt, einst ein teures Designerstück, hatte sie von ihrer Schwester Anna bekommen.
Cressys zwei ältere Schwestern gaben ziemlich viel Geld für Kleidung aus, um den hohen Ansprüchen ihres Berufes und den vielen gesellschaftlichen Verpflichtungen gerecht zu werden. Cressy hingegen sparte ihr Geld lieber für andere Dinge – eine Traumreise zu den Galapagosinseln zum Beispiel, die sie für ihr Leben gern einmal unternehmen würde.
Als Cressy die mit ihr wartenden Fluggäste sah, kam sie sich in ihrem Aufzug doch ein wenig fehl am Platz vor. Ihre Bedenken vergaß sie jedoch augenblicklich, als sie den vor ihr stehenden Fluggast betrachtete.
Noch nie zuvor war ihr ein Mann begegnet, der von hinten derart gut aussah wie dieser Fremde. Wie wohl sein Gesicht ausschauen mochte? Cressys Herz begann plötzlich wild zu klopfen. Jeden Augenblick würde er fertig sein und sich zu ihr umdrehen. Aber wahrscheinlich sieht er von vorn nur halb so gut aus wie von hinten, dachte Cressy.
Trotzdem konnte sie es sich nicht verkneifen, ihn eingehend zu mustern. Er war mindestens eins fünfundachtzig groß, hatte breite Schultern und muskulöse, sonnengebräunte Beine, die in den kakifarbenen Trekkingshorts besonders gut zur Geltung kamen. Dazu trug er robuste braune Wanderschuhe. Die Ärmel seines Baumwollhemdes waren hochgekrempelt und gaben den Blick auf seine kräftigen, mit dunklen Härchen bedecken Arme frei, und sein schwarzes, welliges Haar hatte er im Nacken zusammengebunden. Schließlich entdeckte Cressy noch, dass er am linken Ohr einen kleinen Stecker trug, der einen Bergsteiger darstellte.
Cressy betrachtete wie gebannt jede Einzelheit dieses umwerfend attraktiven Mannes, bis sie ein unsanfter Stoß von hinten jäh in die Gegenwart zurückbrachte. Die Frau hinter ihr, eine etwa vierzigjährige, schmuckbehangene Blondine in einem eleganten Kostüm, hatte versehentlich ihren Gepäckwagen in Cressys Fersen gestoßen. Sie entschuldigte sich jedoch nicht, sondern sagte stattdessen nur schroff: „Das hier ist der Schalter für die Business Class."
„Ich weiß", erwiderte Cressy ruhig, ohne auf den frechen Tonfall der Blonden einzugehen.
„Worauf warten sie dann noch?, fragte die Blondine daraufhin noch unfreundlicher. „Sie sind dran.
Da Cressy keinerlei Lust verspürte, sich zu streiten, drehte sie sich kommentarlos wieder um, doch der Mann vor ihr war bereits verschwunden. Hastig blickte sie sich um, doch es war zu spät. Schade, nun hatte sie sein Gesicht doch nicht mehr gesehen.
Nicolas machte es sich auf dem komfortablen Sitz in der Wartehalle der Business Class bequem und genoss den eisgekühlten Orangensaft, den er sich an der Bar geholt hatte. Zwar hatte er sich auch noch eine Zeitung besorgt, doch er verspürte keine Lust zu lesen. Monatelang hatte er meilenweit von jeglicher Zivilisation gelebt, und nun konnten die Weltgeschehnisse auch noch ein bisschen länger auf ihn warten.
Neugierig beobachtete Nicolas die anderen Fluggäste, aber bisher hatte keiner von ihnen seine Aufmerksamkeit erregt. Wie immer handelte es sich um die übliche Mischung aus blassen, nervösen Geschäftsleuten und Rentnerehepaaren, die zu ihren Alterswohnsitzen nach Mallorca zurückkehrten. Nicolas wollte gerade die Zeitung aufschlagen, als eine junge Frau die Wartehalle betrat.
Etwas unsicher blickte sie sich um, und Nicolas nahm an, dass sie in die falsche Halle geraten war. Nach einem kurzen Gespräch mit der Stewardess hinter dem Schalter lächelte die junge Frau jedoch und betrat die Nichtraucherzone, in der Nicolas saß. Sie suchte sich einen Platz, legte ihren Rucksack ab und ging schließlich an die Bar, um sich ein Getränk zu holen.
Nicolas betrachtete sie aufmerksam. Sie mochte etwa neunzehn Jahre alt sein und war, im Gegensatz zu den meisten ihrer Altersgenossinnen, nicht etwa spindeldürr, sondern besaß eine wohlproportionierte Figur mit weiblichen Rundungen. Nicolas hatte diese halb verhungerten, zerbrechlich wirkenden Modelpüppchen noch nie gemocht.
Mit einem Glas Orangensaft in der Hand ging das Mädchen zurück an seinen Platz. Es hatte dunkelblondes Haar mit schönen hellen Strähnen, und Nicolas war sicher, dass die Farbe echt war und nicht das Ergebnis aufwendiger Sitzungen bei einem teuren Friseur. Das Gesicht des Mädchens war ungeschminkt und wirkte frisch und natürlich.
Genau der Typ Frau, der mir gefällt, dachte Nicolas spontan, nur ein bisschen zu jung für mich. Unwillkürlich stellte er sich vor, wie sie wohl im knappen Badeanzug aussehen mochte, und genau da trafen sich ihre Blicke.
Sie schien gemerkt zu haben, dass sie beobachtet wurde, und wirkte etwas irritiert. Dann wandte sie den Blick ab, und eine leichte Röte überzog ihr zartes Gesicht.
Ihre so offenkundige Verlegenheit amüsierte und faszinierte Nicolas zugleich. Heutzutage gab es nicht mehr viele Mädchen, die sich durch die Blicke eines Mannes aus der Fassung bringen ließen. Nicolas war es eher gewohnt, dass ein solcher Blick mit einer indirekten Einladung, den nächsten Schritt zu tun, erwidert wurde.
Cressy stellte ihr Glas auf den Seitentisch ihres Platzes und tat, als müsse sie etwas in ihrem Rucksack suchen. Ihr Herz hämmerte wie wild. Das war der Mann vom Schalter, und sein Gesicht war faszinierend. Und was noch viel aufregender war – er sah genauso aus wie der Mann, den Cressy sich immer in ihren Träumen vorgestellt hatte.
Der kurze Blickkontakt hatte ihr genügt, um sich jedes Detail genau einzuprägen: die sonnengebräunte Haut, der sinnlich geschwungene Mund und die dunklen, Entschlossenheit ausstrahlenden Augen. Cressy hätte am liebsten noch einmal zu ihm hinübergeschaut, doch sie wagte es nicht, weil er sie vielleicht immer noch beobachtete. Also versuchte sie sich mit dem Gedanken zu beruhigen, dass sie im Flugzeug wahrscheinlich ohnehin nicht nebeneinandersitzen würden.
Cressy hatte recht gehabt. Sie saß zwar in derselben Reihe wie der Fremde, doch während sie links am Fenster saß, hatte er einen Platz neben einem älteren Ehepaar an der rechten Fensterseite eingenommen. Neben Cressy befand sich nur noch ein einziger Sitzplatz, der frei geblieben war.
Als die Stewardess mit dem Getränkewagen herbeikam und Champagner oder Orangensaft anbot, wählte Cressy ein Glas Orangensaft. Kurz darauf hob die Maschine ab, und als die volle Flughöhe erreicht war, erlosch das Nichtrauchersignal.
Wenige Minuten später beobachtete Cressy mit klopfendem Herzen, wie der dunkelhaarige Fremde plötzlich aufstand und direkt auf sie zukam.
Er lächelte sie an und fragte freundlich: „Würde es Sie stören, wenn ich mich zu Ihnen setze? Hier gibt es leider keine Nichtraucherzone, und ich bin nicht gerade scharf darauf, den ganzen Flug hinter einer Kettenraucherin zu sitzen." Er wies mit dem Kopf auf die topgestylte Frau um die Vierzig, die vor ihm saß und eine Rauchwolke nach der anderen in die Luft blies.
„Natürlich nicht, antwortete Cressy höflich. „Nehmen Sie ruhig Platz.
Als der Mann sich neben sie setzte, schlug ihr Herz noch heftiger. Um sich irgendwie abzulenken, zog Cressy aus dem Netz des Vordersitzes das Informationsmagazin der Fluggesellschaft heraus und tat, als vertiefe sie sich in den Inhalt.
Nicolas gefiel die schüchterne Art dieses Mädchens sehr. Heutzutage gab es kaum noch zurückhaltende Frauen, was er eigentlich schade fand. Alles an diesem Mädchen war ihm angenehm, besonders der zarte Duft, den sie verströmte und der einem Mann nicht so aufdringlich in die Nase drang wie das schwere Parfüm der Blondine, die vor Nicolas’ eigentlichem Platz saß.
Eine der spanischen Stewardessen gab die Speisekarten aus und nahm die Getränkewünsche der Fluggäste entgegen. Nicolas fiel dabei die angenehm ruhige Stimme des Mädchens auf und ihre hübschen Hände, als sie das Glas entgegen nahm. Nicolas mochte keine Frauen mit übertrieben langen Fingernägeln, die sich ihm in den Rücken bohrten, während er die Frau liebte.
Das Mädchen neben ihm hatte kurze, gepflegte Nägel und trug einen schmalen, goldenen Ring an ihrer linken Hand. Ob sie ihn von ihrem Freund bekommen hatte?
Cressy merkte sofort, dass der attraktive Fremde der hübschen, schlanken Stewardess gefiel. Welcher Frau würde dieser Mann auch nicht gefallen? dachte Cressy und zwang sich, den Blick von ihm abzuwenden und sich auf die Speisekarte zu konzentrieren. Schließlich entschied sie sich für einen Fleischspieß mit braunem Reis, Erbsen und Karotten und einen Obstsalat zum Nachtisch.
Nachdem die Drinks mit den obligatorischen Erdnusspäckchen serviert worden waren, fragte der Mann neben ihr freundlich: „Darf ich das Päckchen für Sie öffnen? Diese Dinger gehen immer so schwer auf."
Cressy war im ersten Moment völlig überrascht, denn sie hatte angenommen, dass es Kavaliere heutzutage gar nicht mehr gab. Einer der jungen Männer, mit denen Cressy ab und zu ausgegangen war, hatte ihr einmal erzählt, die meisten Männer hätten es längst aufgegeben, einer Frau zu helfen, denn jede nett gemeinte Geste würde sofort als Macho-Gehabe ausgelegt werden. Also würde er seine guten Manieren auf ältere Damen beschränken, die so etwas noch zu schätzen wüssten.
„Danke, das ist freundlich von Ihnen", antwortete Cressy erfreut und reichte ihrem Sitznachbarn die Tüte mit den Erdnüssen.
Als sich ihre Finger dabei streiften, verspürte Cressy ein derart elektrisierendes Prickeln, dass sie erschrak. Noch nie hatte eine so harmlose Berührung eine solche Wirkung auf sie gehabt.
Er legte das offene Päckchen auf Cressys Klapptisch. „Machen Sie Urlaub auf Mallorca?"
„Nein, eigentlich nicht. Und Sie?"
„Ich wohne auf der Insel."
„Oh, tatsächlich?"
„Durch meinen Beruf muss ich viel reisen, erklärte der Fremde, „und wenn ich dann endlich nach Hause komme, würde ich am liebsten nur in der Sonne liegen und faulenzen.
Cressy wollte gerade fragen, was er denn beruflich mache, doch er kam ihr schon mit der nächsten Frage zuvor: „Wenn Sie keinen Urlaub machen, was führt sie dann nach Mallorca?"
„Ich will meine Großtante besuchen."
„Waren Sie schon einmal auf Mallorca?"
Cressy schüttelte den Kopf. „Ich war überhaupt noch nie in Spanien."
„Wo wohnt denn Ihre Tante?"
„Das weiß ich selbst nicht so genau", gab Cressy zu. Sie hatte keine Zeit mehr gehabt, sich mit den geografischen Gegebenheiten Mallorcas zu befassen, weil alles so schnell hatte gehen müssen. „Das Haus meiner Tante heißt Es Vell. Es muss irgendwo in der Nähe von Pollensa liegen."
„Das liegt im Norden, nicht allzu weit vom Flughafen von Palma entfernt. Werden Sie dort abgeholt?"
„Nein. Tante Kate weiß gar nicht, dass ich komme. Sie lebt sehr einsam und zurückgezogen. Ihre spanische Nachbarin rief gestern bei uns an, um