Die geheimen Tagebücher
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Über dieses E-Book
Eine unvergesslich leidenschaftliche Nacht! Und doch will sich Grace von Jeffrey scheiden lassen, denn immer wird die Erinnerung an seine Affäre mit der jungen schönen Allison zwischen ihnen stehen. Um sich noch einmal begehrt zu fühlen, ist Grace fast bereit, ein Verhältnis mit Jeffreys Freund Ian zu beginnen. Aber dann liest sie die erschütternden, tragischen Tagebücher der Anne Marie DeWilde ...
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Buchvorschau
Die geheimen Tagebücher - Margaret St. George
IMPRESSUM
Die geheimen Tagebücher erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 1996 by Harlequin Books S.A.
Originaltitel: „Family Secrets"
erschienen bei: Harlequin Books Ltd., Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA SPEZIAL
Band 9 - 1997 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Michael Große
Umschlagsmotive: FogStock / ThinkstockPhotos, Jennifer Okamoto
Veröffentlicht im ePub Format in 11/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733775285
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY
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1. KAPITEL
„Grace? Ich bin’s – Jeffrey."
Grace DeWilde presste den Hörer dichter ans Ohr, senkte den Kopf und schloss die Augen. Es machte sie unsagbar traurig, dass Jeffrey es nach zweiunddreißigjähriger Ehe für nötig hielt, sich mit seinem Namen zu melden. Selbst im tiefsten Koma hätte sie seine Stimme erkannt …
Sie streifte sich die Schuhe mit den Füßen ab und zog sich ihr übergroßes T-Shirt über die Knie. Es war halb sieben in San Francisco. Sie war noch nicht wach genug, um sich ausrechnen zu können, wie spät es in London gerade war.
„Ist bei dir drüben Nachmittag?", fragte sie und kniff die Augen gegen die hereinfallende Morgensonne halb zusammen. Normalerweise erwachte sie voller Elan, aber in der letzten Zeit hätte sie sich am liebsten immer wieder auf die Seite gerollt und weitergeschlafen.
„Bist du wach genug, um reden zu können?, fragte Jeffrey nach. „Du klingst so, als wärst du noch im Halbschlaf
, fügte er hinzu und gab sich keine Mühe, seine Überraschung zu verbergen.
Wie gut wir einander kennen, dachte Grace, rieb sich die Stirn und wünschte, sie hätte eine Tasse Kaffee. Aber die schrecklichen Ereignisse des vergangenen Jahres hatten eindeutig klargemacht, dass sie einander immer noch überraschen konnten.
Abrupt setzte sie sich aufrecht hin und riss die Augen weit auf. „Jeffrey! Ist einem der Kinder etwas geschehen? Rufst du deswegen an? Ihr Gehirn raste. „Ich sprach gestern Abend mit Kate, sie kann es also nicht sein … Ist es einer der Zwillinge? Megan? Gabriel? Hat seine Frau Schwierigkeiten mit der Schwangerschaft?
„Es geht allen gut, versicherte er ihr. „Ich rufe an, um über uns zu sprechen.
Erleichtert sanken ihre Schultern herab, aber der Druck auf ihrer Brust blieb. „Es gibt kein uns. Nicht mehr."
„Dann betreibst du die Scheidung also weiter?"
Grace antwortete nicht sogleich. Wie hielten die Menschen es nur aus? Es war so verdammt hart. Den einen Augenblick erinnerte sie sich daran, wie wundervoll es war, in den Armen ihres Mannes aufzuwachen, und im nächsten sprachen sie über ihre Scheidung. Sie holte tief Luft. „Wir können so nicht weitermachen. Es ist fast ein Jahr her, dass wir uns zuletzt gesehen haben. Ihr kam es wie ein ganzes Leben vor. „Nichts ist besser geworden. Wir streiten uns per Rechtsanwalt, und jedes Mal, wenn wir telefonieren, gibt es wieder Krach.
„Nicht jedes Mal", sagte er ruhig. Er hörte sich müde an.
Ihr erster Impuls war, ihn zu fragen, ob er auch genügend esse und seine Vitamintabletten genommen hätte. Sie wollte sich erkundigen, ob er genügend schlief. Stattdessen biss sie sich auf die Lippe und wartete, während sie sich fragte, wann diese Gesprächspausen begonnen hatten. Schon bevor sie ihn verlassen und sich nach San Francisco geflüchtet hatte, so weit wie möglich von London fort? Oder hatte es sie bereits gegeben, bevor sie von seiner Affäre mit einer anderen erfahren hatte – einer Frau, die jung genug war, seine eigene Tochter zu sein?
Der Schmerz über seinen Betrug blühte in ihrer Brust auf wie die Blüte einer bösartigen Blume. Jedes Mal, wenn sie an seine Affäre dachte, erwachte wieder frischer Zorn. Wie hatte er ihr dies nur antun können? Ihnen antun können?
„Grace?"
„Ich bin immer noch hier", fauchte sie.
Sie atmete tief durch, setzte ihre Selbstbeherrschung ein, für die sie berühmt war, und kämpfte ihre negativen Emotionen nieder. Ihrer Kinder wegen musste sie entschlossen sein, Verbitterung und gegenseitige Beschuldigungen aus dieser Trennung herauszulassen.
„Wir leben auf verschiedenen Kontinenten. Wir bauen uns ein Leben auf, das den anderen nicht einschließt, erinnerte sie ihn in ruhigem Ton. „Die Scheidung erscheint als der nächste logische Schritt.
Grace bedeckte ihre Augen mit der Hand und hielt den Atem an. Er braucht nur zu sagen: Ich will keine Scheidung. Ich liebe dich und möchte, dass du wieder dorthin zurückkehrst, wo du hingehörst. Bitte, vergib mir.
Wenn er sich dazu durchringen konnte, würde sie irgendeinen Weg finden, ihm zu verzeihen. Sie würden wieder von vorn anfangen können.
„Wenn du entschlossen bist, damit weiterzumachen, müssen wir über ein paar praktische Fragen reden."
Langsam ließ sie die angehaltene Luft entweichen. Ihre Hoffnung schwand und wurde durch Ärger ersetzt. Sie schlug mit der Faust aufs Bett. „Diese Fragen regeln unsere Rechtsanwälte." Nun loderte ihr Zorn auf. War es denn zu viel von ihm verlangt, dass er sich entschuldigte? Oder war es ihm tatsächlich egal, ob ihre Ehe nach so erfolgreichen drei Jahrzehnten einfach zerbrach?
„Was willst du eigentlich, Jeffrey?"
„Ich möchte die strittigen Punkte lieber persönlich zwischen uns klären, anstatt das Risiko einzugehen, dass sich unsere Rechtsanwälte auf einen erbitterten Papierkrieg einlassen."
„Welche strittigen Punkte?", erkundigte sich Grace misstrauisch. Sicher würde er gleich ihre neue Firma ansprechen – Grace. „Ich dachte, wir hätten uns über darüber geeinigt, dass diese Klausel über den Ausschluss eines Konkurrenzunternehmens Unsinn sei. Ich werde mich auf nichts dergleichen einlassen, Jeffrey. Sie strich sich eine Strähne aus der Stirn. „Ich habe das Recht, meine Erfahrung zu nutzen, mir meinen Lebensunterhalt zu verdienen.
„Du bist eine reiche Frau. Du hast es kaum nötig, dir deinen Lebensunterhalt verdienen zu müssen, wie du es so charmant formulierst." Die Amüsiertheit in seiner Stimme fachte ihren Ärger nur noch mehr an.
„Ich habe keine Lust, eine dieser Frauen zu werden, die nur noch dahinvegetieren oder von einem Lunch zum anderen laufen. Ich bin erst etwas über fünfzig, das ist heutzutage noch jung. Grace aufzubauen, hat mir Spaß gemacht, füllt mich aus. Das Geschäft läuft großartig, Jeffrey. Ich gebe es nicht wieder auf!"
„Ich verlange von dir nicht, dass du überhaupt etwas aufgibst", sagte er scharf.
„Wirklich nicht? Und warum hast du mir dann über deine Rechtsanwälte einen Stein nach dem anderen in den Weg gelegt, bevor ich Grace eröffnen konnte?"
Er seufzte offenbar verzweifelt. „Ich dachte, die Antwort wäre einfach genug. Es bestand die Besorgnis, dass du aus dem Namen DeWilde Kapital schlagen könntest."
„Ich bin eine DeWilde! Es ist auch mein Name!" Sie begann zu zittern, weil sie ihr Bedürfnis unterdrücken musste, loszuschreien. Wie er sehr gut wusste, war sie wesentlich länger Grace DeWilde als Grace Powell gewesen. Und noch mehr, ihre Ideen und ihr Einsatz hatten das DeWilde-Imperium zu dem Multimillionenkonzern gemacht, der er heute war.
„Es hat keinen Sinn, dass wir uns deswegen wieder in die Haare kriegen, bemerkte Jeffrey kühl. „Du hast gewonnen. Wir haben die Angelegenheit erledigt, oder?
„Wenn dem so ist, warum tischt du dann dieses Thema jedes Mal wieder auf, wenn wir miteinander telefonieren? Jeffrey, Grace nimmt DeWilde’s doch keinen Marktanteil weg! Sie zwang sich zu einem ruhigeren Ton. „Du hast recht. Es hat keinen Sinn, weiter darüber zu diskutieren … Über was möchtest du mit mir reden?
„Mein Rechtsanwalt sagt, du willst Kemberly haben."
Grace verzog das Gesicht und seufzte. Eine jahrzehntelange Ehe und geschäftliche Partnerschaft aufzulösen, war extrem kompliziert, es gab Hunderte von Dingen zu berücksichtigen. Aber sie war sicher, sie hatte mit ihrem Rechtsanwalt über Kemberly gesprochen. Sie erinnerte sich noch gut an den bitteren Geschmack im Mund, als sie zustimmte, ihr Heim aufzugeben.
„Da hat es wohl ein Missverständnis gegeben, sagte sie schließlich. „Wenn ich Kemberly behalte, wäre es fast das ganze Jahr hindurch unbewohnt. Deswegen möchte ich, dass du es behältst, Jeffrey, damit die Kinder jederzeit nach Haus kommen können.
Jeffrey hatte im Rosengarten um ihre Hand angehalten. Ihre Kinder waren in Kemberly aufgewachsen. Sie und Jeffrey hatten dort miteinander gestritten, sich geliebt, gelebt.
„Ich bin froh, dass es deswegen kein Problem gibt. Wenn es irgendetwas auf Kemberly gibt, das du haben möchtest …"
Sie nickte, vergaß, dass er sie nicht sehen konnte. „Ich komme und hole meine persönlichen Sachen, ehe ich nach Nevada fliege."
Er räusperte sich, um eine weitere unangenehme Pause zu überbrücken. Plötzlich war es ihr unglaublich wichtig zu wissen, wo er sich gerade befand, damit sie ihn sich vorstellen konnte. „Bist du in deinem Büro?", fragte sie.
„Ich bin in meinem Arbeitszimmer zu Haus."
Sie sah ihn vor sich, wie er hinter dem alten Schreibtisch seines Vaters saß, die Arme auf der Lederunterlage aufgestützt. Egal, welche Jahreszeit es war, er trug eigentlich immer Jackett und Krawatte. Sie hoffte, er hatte gegen die feuchte Kühle des Februars eine Weste an.
„Und wo bist du?", fragte er nach einer Minute.
„Ich bin immer noch im Bett …!"
„Sitzt ohne Zweifel mit gekreuzten Beinen da und trägst eines dieser übergroßen T-Shirts." Amüsiertheit klang durch, und noch etwas anderes. Bedauern? Wehmut?
„So ähnlich …", antwortete sie, als sie ihre Stimme wieder in der Gewalt hatte.
„Wo wirst du in Nevada wohnen?"
Grace umklammerte die Telefonschnur. „Erinnerst du dich noch an Marsha Ingram?"
„Ians Schwester. Natürlich erinnere ich mich." Er klang verärgert, dass er die Schwester seines engsten Freundes vergessen haben könnte.
„Marshas Mann ist Nevadas bekanntester Landschaftsarchitekt. Marsha und er werden bis Ende des Sommers in Europa sein. Sie haben mir angeboten, ihr Haus am Stadtrand von Las Vegas zu benutzen. Ich muss sechs Wochen lang ununterbrochen in Nevada leben, um die Voraussetzungen für eine Scheidung zu erbringen."
„Las Vegas?"
Sie lachte über seine offensichtliche Schockiertheit. „Ich weiß. Eigentlich hatte ich vor, die Frist in Reno am Lake Tahoe abzuwarten, es wäre für mich besser zu erreichen gewesen. Aber ich darf Nevada während dieser Zeit nicht verlassen, nicht für einen Tag, nicht einmal für eine Stunde."
„Du meine Güte, Grace, ich versuche mir dich in Las Vegas vorzustellen, aber ich kann es nicht."
Es war ein verstecktes Kompliment, aber es bestätigte nur noch, dass Jeffrey die Details ihrer Scheidung mehr oder weniger seinen Rechtsanwälten überlassen würde. Sicherlich hatten sie ihm gesagt, dass die Scheidung in Las Vegas, Nevada, geschehen würde. Es traf sie, dass er sich nicht daran erinnert hatte.
„Was gibt es sonst noch?", fragte sie und warf einen Blick auf die Uhr. Heute würde sie zu spät ins Büro kommen.
„Wenn du Monica informierst, sobald du in London bist, dann könnten wir vielleicht zusammen zu Abend essen …"
Seine Sekretärin informieren? Nein, sie würde nicht um ein Abendessen mit ihrem eigenen Mann bitten! Stolz und Enttäuschung machten sich in ihr breit. „Angesichts der Umstände wäre das wohl keine gute Idee."
„Du hast sicher recht", stimmte er ihr nach längerem Schweigen zu.
„Nun, dann …"
Sie wartete darauf, dass er sich verabschiedete, weil sie selbst es nicht sagen konnte. Aber stattdessen sagte er nach einer weiteren Pause: „Es regnet hier. Die Tulpen auf Kemberly sind schon aus der Erde gekommen. Natürlich blühen sie noch nicht. Aber sie werden dies Jahr früh kommen."
Grace sah die Frühlingsbeete vor sich. In einigen Wochen würden Massen von Tulpen und Narzissen in prächtigem Rot und Gelb erblühen. „Vergiss nicht, deine Mutter anzurufen. Sie wird nächste Woche einundachtzig."
„Die DeMarises haben nach dir gefragt. Sie geben Ende März ihren jährlichen Ball in Cannes. Ich habe ihnen deine neue Adresse genannt."
„Ich werde absagen müssen. Zu der Zeit bin ich in Nevada."
Die Erwähnung Nevadas ließ das Gespräch abbrechen.
„Also …, sagte sie beide unisono. Grace lachte, ihre Stimme wurde weicher. „Ich muss jetzt wirklich unter die Dusche springen und mich für die Arbeit fertig machen.
„Goodbye, Gracie. Danke, dass du wegen Kemberly so vernünftig und verständnisvoll bist."
Nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte, schwang Grace die Beine aus dem Bett und biss sich auf die Lippe. Das Gespräch mit Jeffrey gab ihr das Gefühl, völlig ausgelaugt zu sein. Während der letzten zwanzig Minuten hatte sie ein ganzes Kaleidoskop an Gefühlen durchlitten: Traurigkeit, Bedauern, Zorn, Amüsiertheit, Groll und bittersüße Erinnerungen.
Sie würden sich scheiden lassen. Zum ersten Mal glaubte sie daran, dass es wirklich geschehen würde.
Plötzlich drehte sich ihr der Magen um. Sekunden, ehe die Übelkeit sie auf die Knie zwang, erreichte sie das Badezimmer.
Grace lag im Herzen von San Franciscos Geschäftszentrum. Die sandgestrahlten alten Gebäude mit ihren kunstvollen Bogenfenstern schimmerten honigfarben, versprachen Eleganz und erinnerten an Europa.
Grace stieg aus, nachdem ihr der Fahrer die Tür geöffnet hatte, und betrat das Geschäft, in dem reges Leben herrschte. Alle Anprobezimmer waren besetzt, wie sie zufrieden feststellte, als sie auf den Fahrstuhl zuging. Zwei angehende Bräute posierten in Brautkleidern vor den hohen venezianischen Spiegeln, während ihre Mütter in den Tiefen der weichgepolsterten Sofas versunken waren und an ihrem Espresso nippten. Im Hintergrund ertönten die sanften Klänge eines Mozartkonzertes.
Bevor Grace den Fahrstuhl betrat, der sie gleich in den zweiten Stock hinaufbringen würde, fiel ihr auf, dass in allen Boutiquen Kundinnen saßen oder standen, nur das kleine Reisebüro war gähnend leer. Das Reisebüro ist ein Fehler, dachte sie. Hochzeitsreisen werden normalerweise vom Bräutigam geplant.
In ihrem Büro wandte sie sich sofort an Rita Mulholland, ihre persönliche Assistentin und zudem ein Geschenk des Himmels. „Sagen Sie doch bitte Miss Wares vom Reisebüro, dass ich sie sprechen möchte."
Rita Shannon Mulholland folgte Grace in ihr sonniges Zimmer. Sie schenkte Grace eine Tasse Kaffee ein, während Grace ihre Kostümjacke auszog, sich hinter ihren Schreibtisch setzte und die allmorgendliche Suche nach der Lesebrille begann.
„In der mittleren Schublade", sagte Rita mit einem Lächeln.
„Das Reisebüro hat keinen Sinn, bemerkte Grace und setzte sich die Brille auf die schmale, gerade Nase. „Sollen wir die Schleierboutique vergrößern? Oder uns etwas ganz anderes für den freiwerdenden Raum ausdenken?
„Die Brautschleier laufen ausgesprochen gut, meinte Rita und ließ sich auf der Schreibtischkante nieder. „Aber ich würde gern einmal ein paar topmodische, unkonventionelle Brautkleider wagen. Wir haben eine Designerin an der Hand, die Brautkleider aus weißen T-Shirts und schwarzen Satinhosen kreiert. Was halten Sie davon?
Grace lachte und verdrehte die Augen. „Ein T-Shirt als Top? Toll! Versuchen Sie ein Treffen mit ihr in der Zeit zwischen meiner Rückkehr aus London und meiner Abreise nach Nevada zu arrangieren. Ich würde gern mit ihr reden. Sie blickte auf. „Das erinnert mich daran, dass ich ein Hotelzimmer in London benötige.
Rita machte sich eine Notiz. „Ich kümmere mich darum. Claridge’s?"
Grace überlegte. „Nein, sagte sie schließlich. „Buchen Sie irgendeines, in dem ich nicht gleich einem Bekannten in die Arme laufe.
Sie hatte nicht vor, Freunde oder Bekannte zu informieren, dass sie kommen würde. Ihr Leben in England abzuschließen, war etwas, was sie allein erledigen wollte. „Und was steht heute auf der Agenda?"
Rita legte den Kopf zurück und musterte sie. „Grace … ist alles in Ordnung?"
„Warum fragen Sie?"
„Sie sehen ein wenig blass aus. Und dies ist das erste Mal, seit ich Sie kenne, dass Sie später kommen."
Grace lächelte schief. „Wie um alles in der Welt soll ich sechs Wochen von hier fortbleiben, wenn ich schon Schuldgefühle bekomme, wenn ich eine halbe Stunde zu spät komme?" Aber sie wusste, Rita Mulholland kannte das Geschäft so gut wie sie selbst, sie war seit der Eröffnung dabei.
Ritas Augen zeigten Verständnis und Bedauern. „Dann haben Sie sich also entschlossen, sich wirklich scheiden zu lassen?"
„Sie sind heute schon der zweite Mensch, der mir diese Frage stellt, erwiderte Grace ruhig und rückte ihre Brille zurecht. „Ja, es ist definitiv. Sie müssen mir meinen Terminkalender für die sechs Wochen in Nevada freihalten. Anschließend fliege ich noch für eine Woche zu Ryders Hochzeit nach Australien.
Ryder Blake leitete die Filiale in Sydney und war ein enger Freund der Familie.
„Es tut mir so leid. Ich hatte gehofft, es würde doch noch alles wieder gut werden zwischen Ihnen und Jeffrey …"
Grace straffte die Schultern und zwang sich zu einem Lächeln. „Wenn wir es nicht geschafft haben, unsere Differenzen in einem Jahr auszuräumen, bezweifle ich, dass es uns noch in den nächsten Tagen oder Wochen gelingt. Machen Sie sich meinetwegen keine Sorgen, Rita. Es ist alles zum Besten so. Aber nun … was liegt heute an?"
Rita warf einen Blick auf ihren Block. „Sie haben in einer halben Stunde ein Gespräch mit Sandra Callas vom Chronicle. Beim Lunch halten Sie eine Rede vor den Women in Business. Ihre Rede befindet sich in dem grünen Aktenordner. Um zwei Uhr haben Sie eine Sitzung mit den Abteilungsleitern. Ihr Rechtsanwalt ruft Sie um drei Uhr an. Sie legte einen Stapel rosafarbener Anrufmemos auf den Tisch. „Das meiste hiervon kann warten. Ihre Tochter Kate hat angerufen. Auch Ihre Masseurin. Und Alex Stowe.
Rita machte eine Pause und hob leicht eine Augenbraue.
Grace lachte. „Alex ist der Nachbar meiner Nichte."
„Mit dem Sie bereits einige Male ausgegangen sind."
„Wir waren zusammen essen und im Theater, und es war ein sehr schöner Abend, aber Alex ist nur ein guter Freund."
Rita grinste. „Oh, wirklich?"
„Ja, wirklich. Himmel, Rita, ich habe weder die Zeit noch die Absicht, mich jetzt auf Männer einzulassen!"
Als Rita den Raum verlassen hatte, starrte Grace ins Leere. An so etwas hatte sie lange nicht gedacht. Das letzte Mal, dass sie mit einem Mann ein Rendezvous hatte, war, als sie … zwanzig gewesen war? Und Jeffrey war damals vierundzwanzig. Lyndon B. Johnson war Präsident der USA gewesen, Winston Churchill hatte noch ein Jahr zu leben, und der Krieg in Vietnam hatte sich verschärft. Die Beatles sangen I Want To