Daniel hat eigene Pläne!: Mami 1959 – Familienroman
Von Edna Meare
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Die Sonne stand direkt über der Palser Burg und vergoldete die lehmfarbenen Türme, Erker und Zinnen mit ihren Strahlen. Rechts davon streckte sich »Die schlafende Jungfrau« dem Meer entgegen: Ein Felsmassiv, das sich vorbei an Torella zwischen die Städte Estartit und L'Escala schiebt. Links dämmerte die Stadt Pals in trägem Siesta-Schlaf, und weit hinten, von bläulichem Dunst verhüllt, erhoben sich die Pyrenäen, von denen sich manchmal der Tramontana auf das Land herunterstürzt, um es zu zerzausen und die Sonnenschirme der Urlauber am Strand umzuwehen. Heute herrschte kein Tramontana. Er hatte sich schon seit Wochen in die Berge zurückgezogen und tobte dort auf den höchsten Gipfeln, die immer noch mit einer feinen Schneeschicht überzogen waren. Justus Landauer stand auf der Terrasse seines Hauses und sah zu eben diesen Gipfeln, die sich schemenhaft aus dem Dunst erhoben. In seinen Händen hielt er immer noch den Brief, den ihm seine Haushälterin vor einer halben Stunde gebracht hatte. Es war eigentlich kein Brief, sondern eine ziemlich geschmacklose Doppelkarte mit viel Gold und Flitterkram, der seine glitzernden Spuren auf Justus' Fingern und Unterarm hinterließ. Langsam kehrte er zu der bequemen Gartengarnitur zurück, die im Schatten der Markise auf Besucher wartete. Justus nahm Platz und las die engbeschriebenen Zeilen noch einmal. ja, nun hat es mich doch erwischt, obwohl Mutter immer sagte, die Frau, der ich einmal die Hand zum Bunde reiche, muß erst noch geboren werden. Aber ich habe sie gefunden, und so teile ich Dir überglücklich mit, daß ich in wenigen Wochen heiraten werde. Ich möchte so gern, daß Du an diesem Tag bei mir bist. Hier verzogen sich Justus' Lippen zu einem spöttischem Lächeln. Nicht regelmäßig miteinander verkehren, das hört sich so verdammt geschraubt an, daß es nur von Mechthild stammen konnte. Himmel, wir sind doch keine Busse! Justus verzog das Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen. Der sogenannte Freund trug sich zwar mit dem Gedanken zu heiraten, aber das Wörtchen »wir« ging ihm anscheinend weder von den Lippen noch aus der Feder!
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Buchvorschau
Daniel hat eigene Pläne! - Edna Meare
Mami
– 1959 –
Daniel hat eigene Pläne!
Die Mami will den falschen Mann heiraten
Edna Meare
Die Sonne stand direkt über der Palser Burg und vergoldete die lehmfarbenen Türme, Erker und Zinnen mit ihren Strahlen. Rechts davon streckte sich »Die schlafende Jungfrau« dem Meer entgegen: Ein Felsmassiv, das sich vorbei an Torella zwischen die Städte Estartit und L’Escala schiebt.
Links dämmerte die Stadt Pals in trägem Siesta-Schlaf, und weit hinten, von bläulichem Dunst verhüllt, erhoben sich die Pyrenäen, von denen sich manchmal der Tramontana auf das Land herunterstürzt, um es zu zerzausen und die Sonnenschirme der Urlauber am Strand umzuwehen.
Heute herrschte kein Tramontana. Er hatte sich schon seit Wochen in die Berge zurückgezogen und tobte dort auf den höchsten Gipfeln, die immer noch mit einer feinen Schneeschicht überzogen waren. Justus Landauer stand auf der Terrasse seines Hauses und sah zu eben diesen Gipfeln, die sich schemenhaft aus dem Dunst erhoben.
In seinen Händen hielt er immer noch den Brief, den ihm seine Haushälterin vor einer halben Stunde gebracht hatte. Es war eigentlich kein Brief, sondern eine ziemlich geschmacklose Doppelkarte mit viel Gold und Flitterkram, der seine glitzernden Spuren auf Justus’ Fingern und Unterarm hinterließ. Langsam kehrte er zu der bequemen Gartengarnitur zurück, die im Schatten der Markise auf Besucher wartete. Justus nahm Platz und las die engbeschriebenen Zeilen noch einmal.
Lieber Justus,
ja, nun hat es mich doch erwischt, obwohl Mutter immer sagte, die Frau, der ich einmal die Hand zum Bunde reiche, muß erst noch geboren werden. Aber ich habe sie gefunden, und so teile ich Dir überglücklich mit, daß ich in wenigen Wochen heiraten werde.
Ich möchte so gern, daß Du an diesem Tag bei mir bist. Immerhin verbindet uns eine langjährige Freundschaft, auch wenn wir nicht regelmäßig miteinander verkehren…
Hier verzogen sich Justus’ Lippen zu einem spöttischem Lächeln. Nicht regelmäßig miteinander verkehren, das hört sich so verdammt geschraubt an, daß es nur von Mechthild stammen konnte. Himmel, wir sind doch keine Busse!
…so stehen wir uns geistig doch sehr nahe, und aus diesem Grunde möchte ich Dich herzlich zu meiner Hochzeit einladen…
Justus verzog das Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen. Der sogenannte Freund trug sich zwar mit dem Gedanken zu heiraten, aber das Wörtchen »wir« ging ihm anscheinend weder von den Lippen noch aus der Feder!
Das Ereignis findet am 25. Mai dieses Jahres statt. Es wird nur eine kleine, sehr intime Feier werden, aber ich möchte dabei auf Dich als meinen Freund aus Kindertagen nicht verzichten. Vielleicht kannst Du es ja einrichten, daß Du schon zu meinem Polterabend kommst? Dieser findet am 23. Mai statt. Wohnen kannst Du natürlich bei meiner Mutter, sie hat ja jetzt ausreichend Platz und lädt Dich auf diesem Wege herzlich ein.
Bitte, teile mir mit, ob ich Dich als Gast begrüßen kann, und sei bis dahin herzlich gegrüßt Mark-Dennis
Justus klappte die Karte zu und legte sie vor sich auf den Tisch. Der gute alte Mark hatte also endlich eine Frau gefunden, die bereit war, sich mit ihm gemeinsam durchs Leben zu langweilen. Das konnte nur bedeuten, daß diese Frau entweder spukhäßlich war oder den Charakter eines Feldmarschalls besaß, sonst hätte sie es nie geschafft, an Mechthild vorbei bis zu Mark-Dennis zu gelangen.
Im ersten Fall sah Mechthild keine Konkurrenz. Das arme Mädchen war wahrscheinlich so schüchtern, daß sie nie auf den Gedanken kommen würde, sich ernsthaft zwischen Mutter und Sohn zu stellen. Im zweiten Fall konnte es nur sein, daß die Braut noch herrschsüchtiger und selbstbewußter war als Mechthild und diese sich absolut mit nichts gegen die Feldmarschallin zur Wehr setzen konnte.
Dieser Gedanke gefiel Justus so sehr, daß er ernsthaft den Gedanken erwog, nach Deutschland zu reisen, um die Dame kennenzulernen.
Es wäre das erste Mal seit vielen, vielen Jahren. Und eigentlich hatte Justus sich vorgenommen, seine Heimatstadt nie wieder zu besuchen. Aber unter diesen Umständen…
Nein, er schwankte doch noch in seinem Entschluß. Bei dem Gedanken an enge, verwinkelte Gassen, mit Eternitplatten verunstaltete Fassaden, unter denen wunderschönes Fachwerk langsam verrottete, an Muff und Spießigkeit hinter Spitzengardinen, sträubte sich alles in Justus gegen die Reise.
Sein Magen hob sich heute noch, wenn er an seine Eltern dachte, die an einer liebeleeren, von Gewalt und Lügen beherrschten Ehe festhielten, nur um vor »den Leuten« das Ansehen zu bewahren.
Niemand durfte erfahren, daß Justus’ Vater trank wie ein Kamel nach einer vierwöchigen Wüstentour. Und niemand durfte erfahren, daß die blauen Flecke, Platzwunden und Blutergüsse im Gesicht der Mutter nicht von den kleinen Haushaltsunfällen stammten, wie sie es eisern vor den Nachbarn und Verwandten behaupten, sondern von den brutalen Schlägen des Vaters, der seine Frau grün und blau schlug, wenn er endlich das ersehnte Quantum intus hatte. Und es durfte auch keiner wissen, daß Justus’ Mutter ihren Frust mit rauschartigen Einkaufstouren kompensierte, in denen sie ein Vermögen ausgab, das sie nicht besaß.
Nach außen hin waren sie eine glückliche Familie, die sonntags in die Kirche ging und scheinbar brav und bieder ihrem Tagewerk nachging. Doch es war die Oma, die immer wieder aushalf, wenn der Gerichtsvollzieher im Anmarsch war. Und es war auch die Oma, zu der Justus sich flüchtete, wenn der Vater mal wieder wie ein Berserker wütete.
Seine Trinksucht forderte körperliche Tribute. Im Alter von sechsundvierzig Jahren glich Hans Landauers Leber einem porösen, aufgequollenen Schwamm, und sein Gesicht arbeitete nur noch auf Notstrom. Immer häufiger kam es vor, daß er selbst in nüchternem Zustand seine nächsten Verwandten nicht mehr erkannte.
Rita Landauer deklarierte seinen Zustand als »Alzheimer Krankheit«, was bei den Nachbarn und Verwandten betroffenes Mitgefühl auslöste. Als Hans seine Schwiegermutter in einem Anfall von totaler geistiger Umnachtung schließlich die steile Kellertreppe hinunterwarf, wäre es an der Zeit gewesen, ihn in eine geschlossene Klinik einzuweisen. Aber Rita kaschierte den Mord als einen Unfall und hielt nach wie vor die Fassade der anständigen Familie aufrecht, in der so etwas nicht vorkommt.
An dem Tage, an dem die alte Dame beerdigt wurde, hatte Justus seinen Rucksack mit dem Allernotwendigsten gepackt und war auf und davon gegangen.
Er hatte sich bis nach Gerona durchgeschlagen, wo Justus durch eine gute Fügung die Bekanntschaft eines Priesters machte, der ihn mit in sein Kloster in den Pyrenäen nahm, wo Justus erst einmal seine Schulausbildung beenden konnte.
Pater Sebastian war es dann auch gewesen, der Justus das Jura-Studium in Barcelona finanzierte. Doch Justus merkte schnell, daß er nicht zum Anwalt geboren war. Das Schreiben füllte ihn viel mehr aus. Trotzdem beendete er sein Studium, schrieb aber während dieser Zeit bereits etliche Kurzgeschichten, mit