Seelenverkäufer
Von Roland Zingerle
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Über die Einhaltung von Gesetzen wacht die Polizei – aber nicht nur! In Klagenfurt am Wörthersee haben sich Hubert Pogatschnig (zunächst Großhandelsvertreter, später Bierführer) und Ludwig Melischnig (Bierführer-Assistent) die Aufklärung von Kapitalverbrechen zur Aufgabe gemacht. Dabei besteht der besondere Reiz für die beiden darin, schneller zu ermitteln als die Polizei. Von den Medien als "Zwei für die Gerechtigkeit" gefeiert und von der Kripo unter dem Kommando von Leopold Ogris als "Deppen-Duo" verachtet, machen sich die beiden Hobby-Detektive die Vorteile des Tratsches zunutze: Sie suchen dort nach Hinweisen, wo Informationen ausgetauscht werden, nämlich in Gaststätten oder Gewerbebetrieben, Vereinen oder Nachbarschaften, beim täglichen Herumkommen oder auf gelegentlichen Extratouren an Originalschauplätzen in und um Klagenfurt.
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Seelenverkäufer - Roland Zingerle
Roland Zingerle
Seelenverkäufer
Klagenfurter Kneipen-Krimi Nr. 6
Prolog
Gesetz und Verbrechen unterliegen dem Henne-Ei-Prinzip. Zwar scheint das Verbrechen älter zu sein, da Gesetze ansonsten nicht nötig geworden wären, doch hätte man schwerlich je ein Verbrechen erkannt, wäre damit nicht irgendein Gesetz gebrochen worden.
Gesetze regeln das menschliche Zusammenleben und über ihre Einhaltung wacht die Polizei. Aber nicht nur: In Klagenfurt haben sich der Großhandelsvertreter Hubert Pogatschnig und der Bierführer-Assistent Ludwig Melischnig die Aufklärung von Kapitalverbrechen zur Aufgabe gemacht. Dabei besteht der besondere Reiz für die beiden darin, schneller zu ermitteln als die Polizei. Von den Medien als „Zwei für die Gerechtigkeit gefeiert und von der Polizei unter dem Kommando von Gruppeninspektor Leopold Ogris als „Deppen-Duo
verachtet, machen sich die beiden Hobby-Detektive die Vorteile des Tratsches zunutze: Sie suchen dort nach Hinweisen, wo Informationen ausgetauscht werden, nämlich in den Gaststätten in und um Klagenfurt …
Sonntag, 22 Uhr, Unterflurtrasse Reigersdorf, Klagenfurt.
Der Wagen, in dem zwei Beamte der Finanz- und Zollfahndung saßen, war zwar ein Zivilfahrzeug, doch erweckte jedes Auto, das nachts allein auf einem Feldweg stand, das Misstrauen desjenigen, der Angst haben musste, entdeckt zu werden.
Der vergangene Tag hatte alle Elemente eines Kriminalfilms aufgeboten: Ein anonymer Anrufer hatte detailgenau das Versteck von geschmuggelten Brillanten beschrieben und zur Eile gemahnt, da die Steine dort bald schon abgeholt würden. Auf der Unterflurtrasse Reigersdorf, über der Tunnelausfahrt in Fahrtrichtung Wien, hatten die Beamten die Angaben des anonymen Anrufers bestätigt gefunden: Außerhalb des Begrenzungszauns war eine Stahlkassette unter einem losen Rasenziegel versteckt gewesen. Darin hatte sich ein Leder-Etui befunden, mit insgesamt sechzig kleinen, aber wunderschönen Diamanten.
Die Zoll-Fahnder reagierten schnell. Sie ersetzten die Edelsteine durch Imitate und versahen das Etui mit einem versteckten Peilsender, ehe sie es wieder in sein Versteck zurücklegten. Seither lauerten zwei Beamte in einem zivilen Fahrzeug auf jenen Unbekannten, der das Versteck ausheben würde. Sie waren weit genug von der Unterflurtrasse Reigersdorf entfernt, um nicht gleich entdeckt zu werden, und nahe genug, um zu erkennen, wenn sich jemand da oben zu schaffen machte.
Jetzt, so schien es, war es endlich soweit: Auf dem Dach der Unterflurtrasse, im Schatten der Tunnelausfahrt, tauchte eine menschliche Gestalt auf. Das Versteck war gut gewählt, denn sogar für die Beamten, die wussten, worauf sie achten mussten, war die Gestalt schwer zu erkennen. Nicht einmal eine Minute später war der Schmuggler wieder von der Bildfläche verschwunden.
Die Verfolgung war eine stressfreie Angelegenheit. Die Einsatzzentrale verfolgte die Signale des Peilsenders und leitete die Beamten auf die Autobahn in Fahrtrichtung Wien. Dort näherten sich die Verfolger dem Wagen des Schmugglers so weit, dass sie das Kennzeichen und die Wagentype erkannten. Als sie beides registriert und an die Einsatzzentrale weitergeleitet hatten, ließen sie sich wieder zurückfallen und folgten dem Schmuggler mit mehreren Kilometern Abstand.
Am Packsattel, als klar wurde, dass der Schmuggler Kärnten verlassen würde, übernahmen die steirischen Finanz- und Zollfahnder die Verfolgung. Der Wagen des Schmugglers war indessen überprüft worden: Sein Inhaber war bei einer Grazer Adresse gemeldet.
Montag, 5.30 Uhr, Hafen von Triest.
Der Morgen graute über Triest. Ein schmutziger Nebel bedeckte das Meer, der so nass und schwer war, dass die Grenze zwischen Wasser und Himmel mit freiem Auge nicht erkennbar war. Im Fischerhafen war die feuchte Luft getränkt vom Gestank der Dieselmotoren; der Tag begann hier früher als im Rest der Stadt. Nur in den Yachthäfen schaukelten die Schiffe in den beschaulich ruhigen Wellen einer gezähmten See.
Dann plötzlich erschütterte eine Explosion die Küste von Triest. Die Segelyacht „Erinnye zerbarst in eine Unzahl von Einzelteilen. Die Explosion war so gewaltig, dass die neben ihr liegenden Schiffe sanken und alle Yachten in einem Umkreis von fünfzig Metern zum Teil schweren Schaden nahmen. Von der „Erinnye
selbst blieb nur noch die Rumpfschale übrig. Wer immer sich hier an Bord befunden hatte, hatte nicht überlebt.
Montag, 13.55 Uhr, Klagenfurter Innenstadt.
Es gab Lehren, die lernte Hubert Pogatschnig beim ersten Mal. Andere begriff er erst nach mehrmaligen Lektionen und wieder andere – so schien es – überhaupt nie. Eine dieser unlernbaren Lehren lautete: „Fahr nicht mit dem Auto in die Klagenfurter Innenstadt hinein!"
Pogatschnig schnaubte. Es genügte nicht, dass alle wichtigen Straßen gleichzeitig in Baustellen verwandelt worden waren, nein: Die verbleibenden wurden auch noch wechselweise für Veranstaltungen gesperrt! Er kam sich vor wie ein Männchen in einem Computerspiel, das den richtigen Weg durch ein Labyrinth fand, indem es immer wieder mit dem Kopf an Hindernissen anrannte. Aber im Gegensatz zur Klagenfurter Wirklichkeit konnte man das Computerspiel gewinnen, weil es nicht andauernd die Streckenführungen der Umleitungswege veränderte!
Pogatschnig beschloss, die Wartezeiten an den ewig roten Ampeln zu nützen, um Gruppeninspektor Leopold Ogris anzurufen.
Seit Tagen schon suchte er vergeblich seinen Notizblock, in dem er während der Jagd auf den „Strecker von Welzenegg seine Ermittlungsergebnisse notiert hatte. Das beinhaltete auch die Lösungen jener Rätsel, die ihm ein anonymer SMS-Schreiber damals täglich zugeschickt hatte. (Siehe: Klagenfurter Kneipen Krimi Nr. 5: „Der Strecker von Welzenegg
.) Dinge wie diesen Notizblock bewahrte Hubert Pogatschnig für gewöhnlich in einer Nostalgieschachtel auf, einem Sammelbehälter von Erinnerungen an seine gelösten Fälle. Doch er hatte den Notizblock irgendwo verschustert und daher wollte er Gruppeninspektor Ogris fragen, ob er den Block vielleicht in dessen Büro vergessen hatte.
Nachdem er die Nummer von Ogris’ Mobiltelefon angewählt hatte, klemmte sich Pogatschnig das Telefon zwischen Ohr und Schulter und wartete auf das Freizeichen. Das andere Ohr konzentrierte sich derweil auf sein Autoradio, in dem gerade die Nachrichten begannen. Die Nachrichtensprecherin erklärte, dass es im Fall des Bombenanschlags auf den Hafen von Triest derzeit nur wenige Neuigkeiten gab. Der Besitzer der gesprengten Yacht – ein Oberösterreicher – war noch immer verschollen und somit war unklar, ob er zum Zeitpunkt der Explosion an Bord gewesen war oder nicht.
Pogatschnigs Aufmerksamkeit verlagerte sich auf das andere Ohr, das soeben einige Freizeichen gehört hatte. Als sich Gruppeninspektor Ogris’ Mobilbox zu schaltete, schaltete Pogatschnig sein Ohr wieder weg und sein Telefon ab. Die Ampel vor ihm schaltete auf Grün. Die Nachrichtensprecherin berichtete derweil, dass