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Fährentod auf Norderney. Ostfrieslandkrimi
Fährentod auf Norderney. Ostfrieslandkrimi
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eBook242 Seiten3 Stunden

Fährentod auf Norderney. Ostfrieslandkrimi

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Über dieses E-Book

Ein mysteriöser Mordfall überschattet die Ankunft der Norderney-Fähre auf der idyllischen Nordseeinsel. Zunächst scheint nur ein führerloser SUV die Abfahrt der Autos von der Fähre zu behindern. Doch in Wirklichkeit haben Kommissarin Femke Peters und ihr Team von der Kripo Aurich einen neuen Fall, denn der Fahrer liegt tot auf der Rückbank! Wer hat dem charismatischen ostfriesischen Immobilienunternehmer Günter Grundmann die tödliche Giftspritze verpasst? Die Ermittler stoßen auf eine Vielzahl an Verdächtigen. Gibt es einen Zusammenhang mit Grundmanns neuestem Bauprojekt auf Norderney, das erbitterte Proteste hervorrief? Oder steckt seine gehörnte Ex-Frau hinter der Tat, die er für die dreißig Jahre jüngere Vanessa verließ? Und hat die junge Schönheit nur mit dem renommierten Unternehmer angebandelt, um für einen Auftraggeber an brisante Dokumente zu gelangen? Nicht ohne Grund ist Vanessa plötzlich wie vom Erdboden verschluckt …

SpracheDeutsch
HerausgeberKlarant
Erscheinungsdatum26. Okt. 2020
ISBN9783965862692
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    Buchvorschau

    Fährentod auf Norderney. Ostfrieslandkrimi - Rolf Uliczka

    Prolog

    Die Dreizehn-Uhr-Fähre aus Norddeich war pünktlich kurz vor vierzehn Uhr im Fährhafen von Norderney eingelaufen. Nachdem die Fähre angelegt hatte und vertäut war, fuhren die ersten Autos der linken Fahrzeugreihe über die aufgeklappte Rampe von Bord. Auf einmal begann im hinteren Teil der Fähre ein Hupkonzert. Unmittelbar unter der Brücke stand ein Mercedes SUV GLS und die nachfolgenden Autos konnten nicht an diesem Fahrzeug vorbei, weil an dieser Stelle eine Verengung von vier auf drei Spuren erfolgte.

    Zu dem Hupkonzert gesellte sich auf einmal von dort die Alarmsirene einer Autodiebstahlsicherung. Zwei Leute des Bordpersonals spurteten sofort dorthin. Ein Mann versuchte mit Gewalt die Tür des SUV aufzureißen. Da die Fahrertür des dahinterstehenden kleinen Lieferwagens offen stand, handelte es sich offensichtlich um dessen erbosten Fahrer. Dabei hatte das Schaukeln des Fahrzeugs wohl die Alarmanlage ausgelöst.

    »Was machen Sie denn da?!«, rief einer der Bordleute schon von Weitem.

    »Verdammt, ich hab gleich einen Termin und dieser Penner kriegt wohl seine Scheißkiste nicht ans Fahren!«, brüllte der erregte Mann zurück. »Wo ist der überhaupt? Der Idiot kann doch nicht einfach seine Karre hier im Weg stehen lassen!«

    Inzwischen hatten die Decksmänner den SUV erreicht und zogen den Mann weg, der gerade voller Wut mit der Faust gegen die Scheibe des Fahrzeugs hämmerte. »Nun beruhigen Sie sich doch mal! Sie sehen doch, dass da niemand auf dem Fahrersitz sitzt. Vielleicht ist dem auf der Toilette schlecht geworden«, sagte der eine. »Wir ziehen schon die mittlere Fahrspur bei der Ausfahrt vor und dann können Sie gleich um den Wagen hier herumfahren. Unsere Kollegen vorne kümmern sich bereits darum.«

    Während der Fahrer des Lieferwagens wieder in sein Fahrzeug stieg, informierte einer der Bordleute seinen Kapitän über Funk, dass da ein abgeschlossener leerer Wagen im Weg stand. Der Kapitän ließ daraufhin mehrfach den Fahrer mit seinem Kennzeichen über Lautsprecher ausrufen und auffordern, sich sofort zu seinem Auto zu begeben.

    Doch niemand meldete sich. Inzwischen hatte der Kapitän auch auf dem Personendeck und in den Toiletten nachschauen lassen, ob der SUV-Fahrer dort zu finden war. Es hätte ja sein können, dass es ihm nicht gut ging und er Hilfe brauchte.

    Während die letzten Fahrzeuge die Fähre verließen, kam der erste Offizier zu dem SUV, um ihn sich näher anzuschauen. »Da liegt doch hinten einer drin«, sagte er zu seinen beiden Leuten, die bei dem Wagen geblieben waren. Dem Mariner war im Fond des Wagens etwas aufgefallen, das wie eine Hand aussah, die an der Sitzkante herunterhing. Die musste zu jemandem gehören, der nur als großer dunkler Haufen auf den Rücksitzen wahrnehmbar war.

    »Hilft nichts, wir müssen die Scheibe einschlagen«, stellte der Offizier fest.

    Einer der Decksmänner rannte los und holte eine Feueraxt. Damit schlug er die Scheibe der Fahrertür ein. Die Alarmsirene hatte sich inzwischen selbst abgeschaltet. Nachdem die Wagentüren offen waren, nahm der Offizier eine große dunkle Decke hoch. Darunter lag zusammengekrümmt ein älterer Mann. Er fühlte am Hals des Mannes nach dem Puls.

    »Kein Puls, auch kein sonstiges Lebenszeichen«, stellte er fest. »Der Mann hat sich erbrochen. Ich frage mich, warum liegt der Mann auf dem Rücksitz? Irgendwer muss ihn abgedeckt und ihm die Decke über den Kopf gezogen haben. Aber bestimmt nicht, um ihn vor Kälte zu schützen. Wohl eher, damit nicht so schnell auffällt, dass jemand sich – entgegen unseren Anweisungen – noch im Wagen befindet. Stellt sich die Frage, wer hat den Wagen auf die Fähre gefahren? Aber das werden wir sicher gleich aus den Aufzeichnungen der Überwachungskameras herausfinden. Aber irgendwie sieht das hier nicht nach einem natürlichen Tod aus!«

    1. Kapitel

    Norderney, die zweitgrößte der Ostfriesischen Inseln, konnte auf eine bis auf das Jahr 1800 zurückreichende Tradition als offizielles Seebad der Nordsee zurückblicken, wie unzählige Baudenkmäler und Dokumentationen belegten. Die Ernennung zur Sommerresidenz für fast dreißig Jahre durch den hannoverschen Kronprinz Georg und späteren König Georg V von Hannover wirkte dabei fast wie ein Ritterschlag. In der Folge gaben sich gekrönte Häupter, die hohe Diplomatie, namhafte Künstler und Gelehrte ein Stelldichein und sorgten für ein mondänes Flair und die Bezeichnung als »Königlich-Preußische Seebadeanstalt«.

    Natürlich gingen auch die Kriegswirren nicht spurlos an der Insel vorbei, unterbrachen den Badebetrieb aber jeweils nur relativ kurz. Dafür blieben zum Beispiel Siedlungshäuser, die vor dem Zweiten Weltkrieg in der Nordhelmsiedlung entstanden waren, bis heute erhalten. Da Norderney von größeren Luftangriffen verschont blieb, prägten viele Baudenkmäler und Sehenswürdigkeiten nach wie vor das Bild der Insel, wie zum Beispiel der Leuchtturm, das Kap Norderney, das Kaiserliche Postamt, die Norderneyer Windmühle, das Conversationshaus und einige prachtvolle Hotelbauten der Gründerzeit. Abgesehen von manchen als Bausünden bezeichneten Hochhausbauten der sechziger Jahre konnte sich Norderney dadurch weitgehend den etwas mondänen Charme der Gründerzeit erhalten.

    Ein touristisch und logistisch bedeutender Vorteil war die tideunabhängige Erreichbarkeit der Insel. Da wunderte es auch nicht, dass sich Norderney von einem kleinen Fischerdörfchen im Mittelalter mit noch nicht einmal einhundert Bewohnern zu einem der meistfrequentierten Badeorte der ostfriesischen Nordseeküste entwickelte. So wurden schon eine halbe Million Gästeankünfte und mehr als drei Millionen Übernachtungen in einem Jahr verzeichnet.

    Ein beliebtes Urlaubsziel für Hunderttausende Erholungssuchende jedes Jahr, doch diese Beliebtheit hatte auch ihre Tücken. Immer mehr Wohnraum der Einheimischen wurde zu Feriendomizilen umgewandelt. Für die Verantwortlichen der Stadt eine zunehmende Herausforderung.

    Da kam der Vorschlag einer Immobilienentwicklungsgesellschaft aus Aurich wie gerufen. Lasse Grundmann, der Chef der Grundmann Real Estate GmbH & Co. KG, hatte mit seinem Seniorpartner die Idee, Investoren zu suchen, die bereit waren – rein aus Renditegesichtspunkten – ausschließlich in dauervermieteten Wohnraum zu investieren. Die Bewirtschaftung sollte dann eine Vermietungsgesellschaft der Insel übernehmen.

    Lasse war gebürtiger Ostfriese mit einer hochgewachsenen, kräftigen Figur. Seinen Blondschopf trug er in einer modern gestylten Kurzhaarfrisur. An Kleidung und Auftreten war unschwer zu erkennen, dass es sich bei ihm um einen erfolgreichen Angehörigen der Finanzdienstleistungsbranche handelte. Sein Vater – Seniorpartner in der Firma – kleidete sich in gleichem Stil, wobei Günter Grundmann, bereits leicht ergraut, noch die Aura eines erfahrenen Experten und erfolgsverwöhnten Grandseigneurs umgab.

    Man hatte sich im Norderneyer Stadtrat – mit Zustimmung des Landkreises – darauf geeinigt, zur Entschärfung des Problems ein Grundstück an der östlichen Stadtrandgrenze bereitzustellen. Eine erste Tranche von achtzig Wohnungen sollte in zweieinhalbgeschossiger Bauweise erstellt werden, um nicht die Bausünden der sechziger Jahre zu wiederholen. Die Projektentwicklung dafür übernahm die Grundmann Real Estate GmbH & Co. KG.

    Günter Grundmann, Seniorpartner und Vertriebsprofi, der in der Firma nur »GG« genannt wurde, hatte es tatsächlich geschafft, dass fast einhundert Personen auf der Gästeliste für ein erstes Interessententreffen auf der Insel standen. Zwar waren über die Hälfte der Interessenten mit Partnerin oder Partner angereist, aber dennoch belief sich die Anzahl der potenziellen Investoren immerhin noch auf über sechzig. Dabei war es gar nicht so einfach gewesen, überhaupt Investoren zu finden, die bereit waren, auf eine Eigennutzung als Zweitwohnsitz und/oder Vermietung als Ferienwohnung zu verzichten. Wobei die Eigennutzung als Erstwohnsitz ausdrücklich erlaubt sein sollte. GG war es auch gewesen, über dessen langjährige Verbindungen zu einer renommierten Anwaltskanzlei mit Notariat ein juristisches Konzept für diese Konstellation ausgearbeitet worden war.

    Auf jeden Fall war es ein beachtlicher Erfolg, schon im ersten Anlauf über sechzig ernsthafte Interessenten zu finden. Dafür waren überwiegend zwei Faktoren ausschlaggebend gewesen. Ein günstiger Quadratmeterpreis, deutlich unter dem derzeit gehandelten Wert, der für Investoren noch einigen Spielraum für eine gute Rendite bei Wiederverkauf zuließ. Daneben aber vor allem das Verkaufstalent von Günter Grundmann, der als eine Vermarktungskoryphäe im Kapitalanlagenbereich galt. Er war zudem ein als Speaker gern gebuchter Experte für Renditeinvestitionen.

    Es war der erste Samstag im Oktober. Die Hauptsaison war zwar längst vorüber, aber in über der Hälfte der Bundesländer hatten zu diesem Wochenende die Herbstferien begonnen. Die meisten Feriengäste waren bereits am Freitag angereist. Dies galt auch für Teilnehmer an dem Investorentreffen, die einen weiten Anfahrtsweg hatten. Interessenten aus der hiesigen Region hatten am Samstag eine der Frühfähren genommen.

    Lasse Grundmann, seine Frau Jenny und sein Projektentwickler Thilo Schepers hatten pünktlich um zehn Uhr die Gäste im Conversationshaus von Norderney begrüßt. Auf dem Programm stand heute nach einem Einführungsvortrag zunächst eine Inselbesichtigung, wozu drei Busse gechartert worden waren. Dazu wurden nach der Begrüßung und Einführung in Projektdetails die Teilnehmer in drei Gruppen aufgeteilt. Um elf Uhr dreißig gingen die Gruppen jeweils gemeinsam zum Lunch in eines der umliegenden Lokale, in denen der Veranstalter bereits entsprechende Plätze reserviert hatte.

    Lasse wollte mit seiner Gruppe einen Teil der Besichtigungen zu Fuß machen, während seine Frau und Thilo Schepers mit ihren überwiegend älteren Teilnehmern die gesamte Tour mit den Bussen machen sollten. Bis fünfzehn Uhr dreißig war die Rückkehr zum Conversationshaus vorgesehen. Um sechzehn Uhr sollte das Referat von Günter Grundmann beginnen. Doch es sollte alles anders kommen.

    Die Feriengäste der Insel konnten sich an diesem Samstag über einen goldenen Oktobertag freuen. Strahlender Sonnenschein und klare Sicht versprachen einen erlebnisreichen Spaziergang. Lasse war mit seiner Gruppe nach dem Lunch zu Fuß vom Restaurant in der Nähe des Conversationshauses aufgebrochen. Sein erstes Etappenziel war die Marienhöhe am Weststrand.

    Die klare Sicht bot den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen romantischen Blick auf die Insel Juist, deren Ostrand wenige Kilometer Luftlinie entfernt gut zu erkennen war. Dazwischen lag das Norderneyer Seegatt, wodurch die Insel von Norddeich aus grundsätzlich tideunabhängig von den Fähren erreicht werden konnte. Im Südwesten stampfte gerade die Dreizehn-Uhr-Fähre in Richtung Norddeich vorbei. Und im Westen zwischen Norderney und Juist zog ein Krabbenkutter einen langen Schwanz unzähliger Möwen hinter sich her. Für die meisten Grund genug, um ihr Smartphone oder den Fotoapparat zum Einsatz zu bringen.

    Kurz vorher hatte die Tide gewechselt und das Wasser begonnen, wieder aufzulaufen. In der Ferne nach Südwesten glänzte das Watt mit seinen sich windenden Prielen malerisch in der Mittagssonne.

    Von der Marienhöhe führte Lasse seine Gruppe am nördlichen Teil des Weststrandes entlang zur Promenade und Kaiserstraße. Die geschwungenen Wellenbrecher aus gemauertem rotem Ziegel entlang der Promenade waren wiederum ein beliebtes Motiv für Erinnerungsfotos. Einige seiner Gäste zogen den durch die Ebbe freigelegten breiten Sandstrand parallel zur Promenade vor, um ein wenig Strandfeeling mitzunehmen. Ganz Hartgesottene konnten es sich nicht verkneifen und hatten sogar Schuhe und Strümpfe ausgezogen.

    In der Nähe der Georgshöhe wartete bereits ihr Bus. Der nächste Halt war beim Kap Norderney, wo sie der zweiten Gruppe mit Lasses Frau Jenny begegneten, die gerade wieder auf dem Weg zu ihrem Bus war.

    Lasse nutzte die Gelegenheit, um kurz mit seiner attraktiven, in einem eleganten hellgrauen Businesskostüm gekleideten Frau zu sprechen: »Jenny, ich glaube, es war eine gute Idee, den fitteren Teilnehmern einen Promenaden- und Strandspaziergang anzubieten. Einige haben sogar die Hosenbeine hochgekrempelt und sind am Strand mit den Füßen durchs Wasser gelaufen. Das hättest du sehen müssen.«

    »Kann ich mir vorstellen. Da kam bei einigen bestimmt das Kind im Manne heraus«, antwortete Jenny lachend.

    »Von wegen Mann. Da waren auch einige Frauen dabei. Aber Petrus meint es heute mit uns auch besonders gut, sogar mit den Temperaturen.«

    »Wohl wahr«, bestätigte seine Frau. »Einige in meiner Gruppe haben schon bedauert, nicht bei euch mitgegangen zu sein.«

    »Ach, Jenny, bevor ich es vergesse, GG hat mir beim Lunch eine WhatsApp geschickt. Er kommt mit der Dreizehn-Uhr-Fähre und bringt noch jemand mit.«

    »Doch nicht etwa Vanessa?! Ich dachte, die ist bei ihm ausgezogen und das hätte sich mit der erledigt. Reicht ja schon, wenn diese dreißig Jahre jüngere Bitch die Ehe deiner Eltern auseinandergebracht hat. Am Ende versucht diese Tussi auch noch, mit dir ins Bett zu hüpfen. Bei euch würde es ja zumindest altersmäßig zusammenpassen. Jedenfalls ist mir nicht entgangen, wie sie immer wieder versucht hat, dir schöne Augen zu machen. Aber für sowas bist du ja Gott sei Dank wohl ziemlich blind«, konnte sich Jenny einen Anflug von Eifersucht nicht verkneifen.

    »Vanessa?! Nein, das hätte mir noch gefehlt. Da mach dir mal keine Sorgen. Aber du weißt doch, wer bei meinem Vater nicht schnell genug auf die Bäume kommt …«

    »… wird Investor. Typisch dein Vater. Da hat er auf dem Weg nach Norddeich noch schnell einen Interessenten aufgegabelt, oder?«, konnte sich die Schwiegertochter ein wissendes Grinsen nicht verkneifen.

    »So ähnlich. Er war für den nächsten Monat als Speaker gebucht worden und hatte sich mit dem Auftraggeber vor seiner Fährabfahrt in Norden in einem Lokal verabredet gehabt, wie in seiner WhatsApp stand. Dabei hat er seinen neuen Kunden zu seinem Referat auf Norderney eingeladen. Aber du hast mit deiner Vermutung sicher recht. Natürlich mit dem Hintergedanken, diesen eventuell als Investor gewinnen zu können«, bestätigte Lasse, ebenfalls grinsend, die Vermutung seiner Frau.

    »Heißt das, ich muss für den Auftraggeber deines Vaters noch eine Hotelunterkunft buchen?«

    »Nein. GG schrieb dazu, dass der mit der Neunzehn-Uhr-dreißig-Personenfähre nach Norddeich zurückfahren würde.«

    Jennys Leute saßen schon im Bus und Lasses Gruppe hatte sich inzwischen bereits am Kap versammelt, als die beiden sich verabschiedeten und ihren Leuten eilenden Schrittes folgten.

    Lasse informierte seine Gruppe über die Bedeutung des Kaps für die Seefahrt und darüber, dass diese Landmarke erst vor wenigen Jahren neu restauriert worden war. Danach ging es mit dem Bus weiter zum Norderneyer Leuchtturm. Dort kam ihnen die Gruppe von Thilo Schepers entgegen. Nach einem kurzen Hallo ging es über zweihundertdreiundfünfzig Stufen zu der unter dem Leuchtfeuer umlaufenden Galerie. Von dort wurde man mit einem tollen Rundumblick bis zum Festland und den Nachbarinseln für den Aufstieg belohnt.

    Den anschließenden kurzen Halt an der ostwärtigen Stadtgrenze bereitete Lasse im Bus bereits über Lautsprecher vor: »Meine Damen und Herren, wir kommen gleich zu dem Grundstück, auf dem unser wunderschönes Wohnensemble entstehen soll. Ich gebe zu, dass dieses Fleckchen Brachland Ihnen eine gehörige Portion Fantasie abverlangen wird. Aber ich kann Sie beruhigen. Mein Vater wird Ihnen in seinem Referat eine computeranimierte Vorstellung davon geben, wie Ihr Spitzeninvestment nach der Fertigstellung aussehen und in die Landschaft eingepasst sein wird. Dazu ist es sehr hilfreich, wenn Sie vorher die Originalumgebung schon einmal gesehen haben. Am besten machen Sie dazu ein paar Aufnahmen mit Ihren Smartphones. Dann können Sie die Animation, die Sie auf einem Stick erhalten werden, zu Hause noch einmal in Ruhe nachvollziehen.«

    Als sie dort ankamen, sagte einer der Teilnehmer: »Jetzt weiß ich, was Sie vorhin meinten. Das ist ja wirklich nur Brachland, aber mit dem in rotgoldenen Herbstfarben leuchtenden Waldstreifen im Hintergrund könnte ich mir das schon ganz reizvoll vorstellen.«

    Diese Feststellung eines Interessenten ging Lasse natürlich runter wie Öl. Das war tausendmal wirkungsvoller, als wenn eine solche Formulierung von ihm als Anbieter der Immobilien gekommen wäre. Bevor Lasse aber dem Mann antworten konnte, klingelte sein Handy.

    ***

    Die Aufregung, die kurz nach dem Anlegen der Dreizehn-Uhr-Fähre aus Norddeich im Fährhafen von Norderney entstanden war, hatte sich gelegt. Alle Autos und Fahrgäste hatten inzwischen die Fähre verlassen. Nur der Mercedes SUV stand immer noch da, wo er den hinter ihm stehenden Fahrzeugen den Weg zur Ausfahrt versperrt hatte. Trotz mehrfacher Aufrufe hatte sich der Fahrer nicht gemeldet. Nachdem die Scheibe der Fahrerseite vom Bordpersonal eingeschlagen worden war, fand man einen älteren Mann, der unter einer Decke im Fond des Wagens gelegen hatte, tot auf. Alles deutete auf eine unnatürliche Todesursache hin.

    Der erste Offizier, der auch die gewaltsame Öffnung des Fahrzeugs veranlasst hatte, informierte seinen Kapitän, der sofort den Notarzt, Sanitäter und die Polizeistation Norderney alarmierte. Ein Toter an Bord und Umstände, die zudem doch sehr mysteriös zu sein schienen, ließen den Kapitän schon befürchten, dass es mit einer pünktlichen Rückfahrt nach Norddeich nichts würde. Er informierte daher auch sofort die Reederei, denn der Einsatz einer Ersatzfähre von Norddeich aus müsste zumindest vorbereitet werden.

    Es dauerte nur eine kurze Zeit, bis Notarzt, Sanitäter und Polizei fast zeitgleich eintrafen.

    Der Notarzt konnte nur noch den Tod feststellen. Allerdings wusste er, wer der Tote war. Es handelte sich um Günter Grundmann von der Auricher Grundmann Real Estate GmbH & Co. KG. Der Arzt hatte selbst von dieser Gesellschaft eine Einladung zu einem Investorentreffen bekommen, welches zurzeit gerade auf Norderney stattfand. Eigentlich hatte er auch zusagen wollen, aber es zu seinem Bedauern terminlich nicht hinbekommen. Jedenfalls kannte der Mediziner den Toten sogar persönlich. Er war schon mal vor längerer Zeit bei einem Vortrag von Grundmann über Renditeimmobilien gewesen, für die er sich als Kapitalanlage interessiert hatte. Im Anschluss daran hatte er sogar ein längeres Gespräch mit ihm geführt.

    Der Arzt wunderte sich, dass Jacken- und Hemdsärmel links hochgeschoben waren, und sah sich daher den Arm genauer an. Dabei stellte er mehrere frische Einstichspuren fest, was darauf hindeutete, dass jemand ziemlich dilettantisch versucht hatte, die Vene zu treffen. »Ich fürchte, dass Herr Grundmann keines natürlichen Todes gestorben ist«, bestätigte er die Vermutung des Ersten Offiziers. Einer der beiden Polizeibeamten, die als Erste vor Ort gewesen waren, informierte über Handy seinen Chef. Denn es war Wochenende und die Polizeistation nicht voll besetzt. Der Chef gab Anweisung, sofort auch die Polizeiinspektion in Aurich über den Sachverhalt und die Feststellung des Notarztes

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