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Reedertod auf Juist. Ostfrieslandkrimi
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Reedertod auf Juist. Ostfrieslandkrimi
eBook216 Seiten2 Stunden

Reedertod auf Juist. Ostfrieslandkrimi

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Über dieses E-Book

Mitten in der Nacht brennt die Ukena-Villa in den Juister Dünen lichterloh! Für Gesine und Johann Ukena kommt jede Hilfe zu spät. Aufgrund der eindeutigen Beweise für eine vorsätzliche Brandstiftung haben Kommissarin Femke Peters und ihr Ermittlerteam einen neuen Mordfall. Folge der Spur des Geldes … Das Motiv scheint auf der Hand zu liegen, denn der alte Reeder Johann Ukena hatte sich gegen den Willen seiner eigenen Familie standhaft geweigert, Teile seines brachliegenden Grundstücks zu verkaufen. Nach seinem Tod hingegen ist der Weg frei für das kleine Feriendorf in bester Urlaubslage. Zudem war aus den Reihen der potenziellen Investoren kurz vor der Tat eine eindeutige Drohung gegen den Reeder eingegangen. Die Ermittler haben auch bereits einen Hauptverdächtigen im Visier, als ein weiterer Leichenfund auf der Ostfriesischen Insel den ganzen Fall auf den Kopf stellt...

SpracheDeutsch
HerausgeberKlarant
Erscheinungsdatum12. Aug. 2021
ISBN9783965864368
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    Buchvorschau

    Reedertod auf Juist. Ostfrieslandkrimi - Rolf Uliczka

    1. Kapitel

    Es war ein Tag, wie ihn der ostfriesische Bootshändler Janto Ukena liebte. Er war nach einem erfolgreichen Verkaufsabschluss auf der A 1 auf dem Weg nach Hause. Gerade hatte er seinen Kunden, einen Auricher Geschäftsmann, mit dessen Frau zu seiner Elfmeter-Traumyacht nach Heiligenhafen in unmittelbarer Nähe der Ostseeinsel Fehmarn gebracht. Sein Kunde schipperte jetzt mit seiner Frau in der gerade erworbenen Motoryacht über den Seeweg durch den Nord-Ostsee-Kanal zum neuen Heimathafen Norddeich und Janto konnte sich über eine satte Provision freuen. Für ihn wieder einmal ein Beweis dafür, mit seiner Entscheidung, sich als Bootsmakler selbstständig zu machen, richtiggelegen zu haben.

    Wie so oft im Raum Hamburg: Stau auf der A 1. Aber heute nahm er das ganz entspannt, obwohl er schon mal ein aufbrausendes Temperament an den Tag legen konnte. Das hatte er von seinem Vater geerbt, ebenso den dunklen Teint und die schwarzen Haare. Daher wirkte der Endvierziger mit seinem runden Gesicht und seiner kräftigen mittelgroßen Figur auch eher wie ein Winzer aus Südfrankreich als wie ein ostfriesischer Freizeitskipper. Böse Zungen hatten schon bei seinen männlichen Vorfahren behauptet, dass die Gene aus der französischen Besatzungszeit im achtzehnten Jahrhundert ihre Spuren hinterlassen hätten.

    Das befriedigende Gefühl eines erfolgreichen Abschlusses und die durch den Stau freigesetzte Zeit gaben ihm die Gelegenheit, mal wieder über einiges in seinem Leben nachzudenken.

    Janto war eigentlich Spross einer Reeder-Dynastie, die Ukena-Reederei, die mit ihren Frachtschiffen schon in der vierten Generation auf den Weltmeeren sehr erfolgreich unterwegs gewesen war. Stammsitz der Reederei war das ostfriesische Leer. Dort wohnten auch die zur Dynastie gehörenden Familienangehörigen in großen Stadtvillen. Nur Janto fiel da etwas aus der Rolle. Er war beruflich nicht in die Reederei eingetreten. Stattdessen betrieb er recht erfolgreich einen Bootshandel und lebte mit seiner Frau und seinen beiden noch im Studium befindlichen Kindern in Aurich. Dort bewohnten sie das von seiner Frau geerbte große Haus ihrer Großeltern. Für den Spross einer Reeder-Dynastie zwar relativ bescheiden, aber nach Jantos Ansicht durchaus komfortabel und angemessen.

    Jantos Urgroßvater hatte bereits einige Zeit nach dem Ersten Weltkrieg auf der ostfriesischen Nordseeinsel Juist westlich vom Hauptort ein einen Hektar großes Grundstück erworben. Dieses gehörte zum sogenannten Ortsteil Loog und lag in der Nähe des Hammersees. Mitten in die Dünenlandschaft hinein hatte er ein stattliches, reetgedecktes Feriendomizil für die ganze Familie gebaut. Wobei der größte Teil des Grundstücks bis heute weitgehend naturbelassen war. Vom Insel-Hauptweg, der zur Domäne Bill und zur Westbake führte, hatte Jantos Urgroßvater einen eigenen, fast einhundert Meter langen privaten Zufahrtsweg zur Ukena-Villa anlegen lassen. Vom Hauptweg aus ragte nur der riesige reetgedeckte Hausgiebel aus den Dünen heraus. Dadurch bekam man im Haus, selbst in der Hochsaison, vom Kurbetrieb so gut wie gar nichts mit.

    Die Reederei und das Anwesen fielen Jantos Vater und dessen Bruder nach dem Tod ihres Vaters Ende der Achtzigerjahre als Erbengemeinschaft zu. Diese machten aus der ehemaligen Ukena-Ferienvilla nach einer Kernsanierung und Vergrößerung zwei stattliche reetgedeckte Haushälften, die von beiden Familien als Feriendomizil genutzt wurden.

    Jantos Vater, Johann Ukena, war vor etwa zwanzig Jahren aus der Reederei ausgeschieden und hatte sich von seinem jüngeren Bruder und dessen beiden Söhnen abfinden lassen. Seitdem verbrachte er seinen Ruhestand mit seiner Frau Gesine auf der Insel Juist, während sein Bruder mit Familie seine Haushälfte bis vor zehn Jahren weiter nur als Feriendomizil genutzt hatte.

    Im Zuge der wachsenden Nachfrage nach Ferienunterkünften wurde von der Gemeinde das dortige Gelände einschließlich des Ukena-Grundstücks zum Baugebiet erklärt. Dort sollte ein kleines Feriendorf entstehen. Johanns Bruder Wilko war zum Verkauf der ungenutzten Grundstücksanteile für den Bau einer solchen Ferienhaussiedlung bereit. Johann wollte aber seine Ruhe und keinen »Touristenrummel« um sein Haus haben und verweigerte im Rahmen der bestehenden Erbengemeinschaft mit seinem Bruder seine Zustimmung.

    Darüber waren weder Wilko noch einige Leute in der Gemeinde erfreut. Auch der Versuch, ihn gerichtlich mit Bauauflagen zum Verkauf zu zwingen, war gescheitert. Das Verhältnis zwischen den Brüdern war daran zerbrochen. Inzwischen vermietete der jüngere Bruder seinen Hausanteil als Ferienhaus, worüber es ebenfalls zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen den beiden gekommen war. Dabei hatte Johanns Bruder ihm vor Zeugen gedroht, dass er seine Sturheit eines Tages noch bereuen würde.

    Der Stau war inzwischen zu Stop-and-go übergegangen und Janto nutzte die Gelegenheit, seine Frau über die Freisprechanlage seines Autos anzurufen: »Hallo Maxi, du kannst den Tisch für uns beide heute Abend bestellen. Wir haben was zu feiern.«

    »Hat sich Leo doch so schnell entschieden und zugeschlagen?«, wunderte sich Maxi Ukena.

    »Das hättest du erleben müssen. Als wir in Lensahn beim Verkäufer der Yacht ankamen, war das Erste, was Leo nach der Begrüßung sagte: ›Herr Schreiber, freuen Sie sich nicht zu früh. Wir sind eigentlich nur hier, weil meine Frau unbedingt das Boot sehen will.‹«

    »Lensahn? Wo liegt das denn? Ich denke, das Boot liegt in der Marina von Heiligenhafen?«

    »Lensahn ist ein kleiner Waldkurort am Rande der Holsteinischen Schweiz und liegt direkt neben der A 1, etwa zwanzig Kilometer vor Heiligenhafen. Der Verkäufer wohnt dort in einer romantischen Ziegelsteinvilla des neunzehnten Jahrhunderts, an einem kleinen See, am ›Mühlenteich‹, wie er das Gewässer nannte. Würde dir auch bestimmt gefallen. Neben der Zufahrtsstraße zur Villa ein kleines Wäldchen direkt am See, richtig idyllisch. Ich hatte ihn von unterwegs angerufen und er lud uns zum Lunch ein. Außerdem hätte er alle Schiffsunterlagen bei sich zu Hause«, klärte Janto seine Frau auf.

    »Jetzt verstehe ich Leos Begrüßungsspruch«, erwiderte Maxi lachend. »›Schiffsunterlagen‹, das hörte sich schon nach Vertragsabschluss an. Das ging dem bedächtigen Leo mal wieder viel zu schnell. Ich frage mich schon lange, wie der eigentlich so erfolgreich seine Geschäfte macht.«

    »Du weißt doch, die Geschäfte macht eigentlich seine Frau. Erst seit er sie geheiratet und mit in die Firma geholt hat, ging es doch bei ihm richtig bergauf. Siehst du doch bei uns, mein Schatz!«

    »Stimmt, Janto. Aber du bist der erfolgreiche Verkäufer. Ich sorge nur für einen reibungslosen Ablauf in der Administration. Aber dann müssen wir uns wohl demnächst mit einem Gourmet-Abendessen bei Betty bedanken«, sagte Maxi erneut lachend.

    »Du sagst es. Aber sowas von …! Schon, als wir die Yacht betraten, flüsterte sie mir im Vorbeigehen zu: ›Wow, meine Yacht!‹ In weiser Voraussicht hatte ich alle Verträge schon vorbereitet mitgenommen. Kaum hatten wir die Bootsbesichtigung hinter uns, hat sie Leo nur noch gezeigt, wo er seine Unterschrift hinsetzen musste. Der kam überhaupt nicht mehr zum Überlegen. Da wurde noch nicht einmal mehr über den Preis diskutiert. Deswegen konnten sie die Yacht auch gleich mitnehmen.«

    »Na, dann wird Betty uns sicher bald zu einer kleinen Spritztour mit ihrem neuen Schmuckstück einladen«, vermutete Maxi.

    »Du bist Hellseherin, mein Schatz! Wenn es wettermäßig passt, schon am kommenden Wochenende, soll ich dir sagen. Wir sollen uns nichts vornehmen. Eine Fahrt ins Blaue. Sorry, ich muss mal Schluss machen, meine Mutter kommt gerade in die Leitung. Ich melde mich später nochmal«, sagte Janto und beendete das Telefonat mit seiner Frau.

    »Moin Moder, ist was passiert, dass du mich auf meinem Handy anrufst?«, begrüßte er gut gelaunt seine Mutter.

    »Moin Janto, dien Vader is jüüst mit sien E-Rolli int Dörp jökelt un ik mutt hoognödig mit di snaken«, antwortete Gesine Ukena.

    »Segg blot, dat geiht all weer um de Grundbesitz?!«

    »Na klaar, wat denn anners!« Seine Mutter erinnerte sich mit Schaudern, als die Situation in ihrem Kopf wie in einem Film ablief:

    »Gesine, es hat geläutet! Machst du mal auf?!« Johann Ukena saß im geräumigen Wohnzimmer in seinem Fernsehsessel und las die Morgenzeitung. Dabei ließ er sich nur ungerne stören. Optisch konnte er seinen Sohn Janto nicht verleugnen, nur dass er um die Leibesmitte etwas fülliger und sein Haar inzwischen weiß geworden war.

    »Jendrik Hansen vom Gemeinderat hat eine wichtige Information für dich!«, rief seine Frau von der Eingangstür.

    »Und deswegen muss er mich bei der Zeitung stören?«, versuchte der Hausherr den Besucher abzuwimmeln.

    »Moin Johann, is vör di wirklich wichtig«, ließ sich der ebenfalls bereits im Rentenalter befindliche ungebetene Gast nicht einschüchtern und betrat das Wohnzimmer. Ohne zu fragen, setzte er sich auf den Sessel, der Johanns Fernsehsessel am nächsten stand. »Ik hööp, di geiht dat good!«

    »Wat wullt du, Jendrik, koom up Punkt!«, raunzte Johann seinen nicht gerade erwünschten Besucher an. Er konnte sich denken, was der Gemeinderat von ihm wollte. »Haben sie dich wieder vorgeschickt? Ihr kennt doch meine Antwort!«

    »Mensch, Johann, ich bin doch nicht dein Feind, das solltest du wissen! Ich wollte dich nur vorwarnen, da du ja nicht mehr mit deinem Bruder und seiner Familie sprichst. Ich habe gehört, dass einer seiner Enkel seit Kurzem in einer Profiband spielt und dass die jungen Leute in Kürze nebenan zur Dauermiete einziehen werden.«

    »Dann kriegen unsere Dorfpolizistin und die Gerichte eine Menge Arbeit! Das kann ich dir jetzt schon sagen!«, polterte der Hauseigentümer los.

    »Das hat dein Bruder Wilko wohl schon vorhergesehen. Jedenfalls kommt noch diese Woche eine Firma raus und wird eins der Gästezimmer des Hauses schalldämmen. Dein Bruder kennt dich, du holst ja unsere Dorfpolizei schon, wenn sich nebenan Feriengäste auf der Terrasse nur normal unterhalten, geschweige denn gemütlich beim Grillen und Bier zusammensitzen. Und wenn die Band sich mit ihren Proben an die üblichen Zeiten hält, wirst du schlechte Karten haben«, orakelte Jendrik.

    »Mit anderen Worten, du schlägst mir vor, hier wegzugehen und in betreutes Wohnen in die Stadt zu ziehen, oder sehe ich das falsch?«, fragte Johann mit lauerndem Unterton.

    »Na, überleg doch mal. Die Selbstversorgung fällt euch doch immer schwerer, auch wenn Gesine und du den mobilen Pflegedienst in Anspruch nehmen könnt. Einmal bist du mit deinem Elektro-Rollstuhl ja schon mit leerer Batterie auf halber Strecke zwischen Dorf und Loog liegengeblieben und hattest zudem dein Handy vergessen. Wenn das im Winter bei Eis und Schnee passiert wäre, hätte das schlimm ausgehen können. Egal, ob in Leer, Aurich oder Norden, da hättet ihr selbst mit einem Rollator überall nur kurze Wege. Das solltet ihr wirklich mal überlegen! Auch Krankenhäuser sind in der Nähe, falls mal ein Notfall eintritt, und jünger werden wir alle nicht! Zudem seid ihr ja inzwischen sogar schon über achtzig und viele aus eurer Generation sind schon unter der Erde!«

    »Euch sitzen wohl die Investoren im Nacken, dass ihr jetzt zum Mittel der organisierten Lärmbelästigung und solchen Horrorgeschichten greifen müsst, um Gesine und mich hier rauszubekommen. Habe gerade einen Artikel in der Zeitung gelesen, dass die Grundstücks- und Immobilienpreise hier bei uns auf den Ostfriesischen Inseln explodieren. Das heißt, die Zeit arbeitet für mich und meinen Erben und gegen eure Investoren«, ging Johann, sehr zur Verwunderung seiner Frau, auf einmal recht sachlich auf die Argumente seines Besuchers ein.

    »Nochmal, Johann, ich bin nicht dein Feind und weder ich noch der Gemeinderat haben es nötig, zu irgendwelchen Tricks zu greifen, um dich hier rauszubekommen! Das Interesse des Gemeinderates und der Verwaltung liegt darin, einerseits genügend Wohnraum für die Einheimischen unseres schönen Töwerlandes, aber auch für unsere Kurgäste und das Servicepersonal verfügbar zu machen. Daher wurde dieses Baugebiet hier ausgeschrieben. Andererseits aber haben wir auch für Ruhe und Ordnung zu sorgen.«

    »Ist das etwa Ruhe und Ordnung, wenn ihr es duldet, dass mein Bruder hier in einem Wohngebiet eine Band einziehen lässt, die dann hier mit ihren Proben die Nachbarschaft belästigt?«

    »Wir können deinem Bruder nicht vorschreiben, an wen er vermieten darf und an wen nicht. Und von Wohngebiet kann hier draußen mit zehntausend Quadratmeter unbewohntem Dünenumland abgesehen von deinem Haus ja nun wirklich nicht die Rede sein. Da hätten dann Gerichte zu entscheiden, und genau das ist, gerade in einem solchen Fall, ein schwieriges Terrain, wie unsere Dorfpolizistin meinte, mit der ich vorhin noch darüber gesprochen habe.«

    »Ach, guck an, Jendrik! Du sagst, du bist nicht mein Feind, spinnst aber schon im Vorfeld Intrigen gegen mich, oder wie muss ich das verstehen?!«

    »Ich spinne keine Intrigen gegen dich, das besorgst du mit deiner Dickköpfigkeit schon selbst. Ich habe im Auftrag der Gemeinde bei der Kommissarin angezeigt, dass der Gemeinderat eine anonyme Drohung erhalten hat. Da schreibt möglicherweise irgendein wildgewordener Investor mit ausgeschnittenen Zeitungsworten: ›Wenn ihr es nicht langsam schafft, dem Ukena im Loog Dampf unter dem Hintern zu machen, dann machen wir ihm Feuer darunter!‹. Unsere Kommissarin meinte, dass wir das nicht auf die leichte Schulter nehmen sollten. Jedenfalls wird sie ihre vorgesetzte Dienststelle einschalten.«

    »Sind wir hier jetzt schon im Wilden Westen, oder was?«, brüllte Johann los und schlug mit der Zeitung, die er zusammengefaltet immer noch in der Hand hielt, auf das kleine Tischchen neben seinem Fernsehsessel. Die noch halbvolle Teetasse flog gegen die Wand und zerbrach. Dort hinterließ sie einen großen Teefleck an der Tapete und der Schwerkraft folgend ein paar braune Streifen.

    »Johann, nein!«, protestierte Gesine und eilte in die Küche, um ein feuchtes Tuch zu holen.

    Während sie versuchte, den Fleck aus der Tapete zu bekommen, polterte ihr Mann weiter: »Ist es schon so weit?! Da wird von Warmsanierung gesprochen, bevor die Alten das Zeitliche gesegnet haben. Und Feuer unter dem Hintern? Kann es da jemand nicht abwarten?! Vielleicht denkt er ja, wir wären schon dement? Aber bevor das eintritt, nehme ich das schon selbst in die Hand! Da könnt ihr euch drauf verlassen! Von wegen Demenzstation im Altenheim! Nicht mit mir!«

    »Johann! Was redest du da für einen Blödsinn?!«, unterbrach ihn Gesine, sammelte die Tassenscherben zusammen und verschwand in die Küche.

    »Ich glaube, deine Frau hat recht, Johann. Jedenfalls solltet ihr wirklich mal überlegen, ob die Entscheidung, in betreutes Wohnen zu gehen, tatsächlich für euch ein Nachteil wäre. Objektiv betrachtet hätte das in Bezug auf eure Lebensqualität im Alter mehr Vor- als Nachteile. Einziger Negativpunkt, den ich sehen kann, wäre, dass man sich ungern von lieb gewordenen Gewohnheiten trennt.«

    Inzwischen war Gesine aus der Küche wieder zurück und hatte die letzten beiden Sätze noch mitbekommen. Daher sagte sie: »Jendrik, da redest du gegen eine Wand! Das versuche ich ihm schon seit zehn Jahren klarzumachen. Aber da ist er wie verbohrt.«

    »Gesine, jetzt fall du mir auch noch in den Rücken!«, wurde der Hausherr wieder laut. »Du kennst meine Meinung! Ihr von der Gemeinde kennt sie auch! Und daran wird keine noch so bescheuerte Drohung etwas ändern! Das kannst du auch dem Amt sagen! Wenn mich nicht der Schlag trifft, dann treffe ich selbst die Entscheidung, wann es so weit ist. Ich denke, ich habe mich klar genug ausgedrückt! Und jetzt raus!«

    Gesine brachte den sichtlich frustrierten Gemeinderat an die Haustür. Dort fragte er sie leise: »Wie muss ich das denn verstehen? In der Drohung wird von Feuer gesprochen und Johann spricht in diesem Zusammenhang davon, was er bei Demenz tun würde. Dein Mann meint das doch nicht ernst, dass er das Haus anzünden wird, wenn bei ihm eine Demenz diagnostiziert wird, oder?«

    »Ich fürchte doch, Jendrik. Sowas sagte er nicht zum ersten Mal. Nur einem Außenstehenden gegenüber hörte ich das bisher noch nicht. Er hatte schon mal gemeint, das würde unserem Sohn das Krematorium ersparen. Mir macht das ehrlich gesagt richtig Angst.«

    »Gesine, du solltest mal dringend mit Janto darüber reden, bevor wirklich nochmal was passiert«, sagte Jendrik und stieg auf sein Fahrrad.

    »Oh, Moder, warum hast du darüber bisher noch nicht mit mir gesprochen?«,

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