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Krabbentod in Greetsiel. Ostfrieslandkrimi
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Krabbentod in Greetsiel. Ostfrieslandkrimi
eBook245 Seiten3 Stunden

Krabbentod in Greetsiel. Ostfrieslandkrimi

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Über dieses E-Book

Vergiftete Krabben in Greetsiel? Der erste Fall für Kommissarin Femke Peters.

Fenno Büürma ahnt nicht, dass dieses Krabbengericht sein letztes sein wird. Und schon gar nicht, dass sich später offiziell eine Knollenblätterpilzvergiftung als Ursache seines Todes erweist. Wie passt die unbestreitbare medizinische Diagnose mit dem Geschehen an Fennos Schicksalstag zusammen? Zweifellos war Fenno Büürma ein Ehrenmann. Mit klammen Kunden teilte der charismatische Versicherungsmakler schon einmal seine Provision, hiesige Vereine freuten sich regelmäßig über Spenden des wohlhabenden Greetsielers. Wer könnte ihm etwas anhaben wollen? Doch Kommissarin Femke Peters und ihr Team von der Kripo Aurich stoßen schnell auch auf die mysteriöse Seite des Verstorbenen. Offensichtlich nahm es Fenno Büürma mit der Wahrheit nicht immer so genau. Und noch kurz vor seinem Tod ließ er sich 200.000 Euro in bar von seiner Bank auszahlen, ohne dass jemand aus seinem Umfeld davon wusste...

SpracheDeutsch
HerausgeberKlarant
Erscheinungsdatum23. Mai 2020
ISBN9783965861800
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    Buchvorschau

    Krabbentod in Greetsiel. Ostfrieslandkrimi - Rolf Uliczka

    1. Kapitel

    Es war Samstag und versprach, ein besonders schöner Spätsommertag zu werden. Strahlend blauer wolkenloser Himmel begrüßte heute Ostfriesland und die Nachsaisongäste des Weltnaturerbes Wattenmeerküste. Vor den Kassen der Inselfähren hatten sich bereits kleine Schlangen gebildet. Das sprach dafür, dass sich nicht nur Urlaubsgäste spontan für einen Inselbesuch entschieden hatten. Die Autokennzeichen aus der Umgebung und den angrenzenden Landkreisen auf den Parkplätzen der Fähren zeigten, dass auch viele Einheimische einen der letzten Sommertage für einen Inselbesuch nutzen wollten. Andere verbrachten den schönen Tag zur Aufbesserung der Urlaubsbräune am Strand oder mit einer Radtour auf dem gut ausgebauten Radwegenetz Ostfrieslands.

    Fenno Büürma, selbstständiger Versicherungsmakler aus dem beliebten Urlaubsort Greetsiel, genoss mit seiner Frau Gesa die Morgensonne beim Frühstück in seinem großen Wintergarten. Es war noch recht früh und draußen noch etwas frisch. Aber die Sonnenstrahlen sorgten im geschlossenen Wintergarten für ein angenehmes Raumklima.

    »Gut, dass ich gestern Nachmittag noch den Rasen gemäht habe, denn jetzt wäre das Gras durch den Morgentau noch viel zu nass«, sagte Fenno. »Dann kann ich mich gleich auf den Weg machen. Bin mal gespannt, ob die Fische bei dem Wetter überhaupt beißen.«

    »Dann bleib doch da. Kannst es dir ja nach dem Frühstück auf der Terrasse gemütlich machen«, schlug Gesa vor. »Es soll nach dem Wetterbericht heute nochmal ganz schön warm werden.«

    »Könnte ich. Aber du weißt doch, Wochenende ist für mich Angelzeit. Da zieht es mich einfach raus in die Natur. Ich brauche diese Stille, um den Bürostress der vergangenen Woche abzubauen«, erwiderte Fenno.

    Gesa glaubte, ihren Mann und seine Anglerleidenschaft zu kennen. Allerdings hätte ein objektiver Beobachter anzumerken gehabt, dass man gerade Fenno deswegen noch lange nicht als leidenschaftlichen Petrijünger bezeichnen könnte. Seine Angelleidenschaft bezog sich nämlich mehr auf das andere Geschlecht als auf den Fischfang.

    Eigentlich hätte seine Gesa in vielen Ehejahren misstrauisch werden müssen, dass er nur ganz selten einen geangelten Fisch mitbrachte. Selbst wenn er mal einen im Auto hatte, pflegte er diesen in der Nachbarschaft zu verschenken, noch bevor er ihn ins Haus brachte.

    Das tat er allerdings wirklich nur ihr zum Gefallen. Seit sie in ihrer Kindheit wegen eines verdorbenen Fisches sogar ins Krankenhaus gebracht werden musste, verursachte selbst Fischgeruch bei ihr schon Übelkeit. Sie bevorzugte daher auch eher die nicht maritimen Köstlichkeiten der alten traditionellen ostfriesischen Hausmannskost wie zum Beispiel Sniertjebraten, Grünkohl, Updrögt Bohnen oder Speckendicken, je nach Jahreszeit. Fisch oder Granat standen bei ihr nicht auf der Speisekarte. Wogegen Fenno grundsätzlich auch nichts einzuwenden hatte. Erinnerten ihn Gesas Speisepläne doch immer an die Kochkünste seiner Oma und seiner Mutter. Obwohl Fenno eigentlich ein Gourmet war, der sich auch schon mal gerne ohne Gesa in einem der unzähligen Restaurants der Küstenregion so manches kulinarisches und maritimes Highlight gönnte. Und da stand fangfrischer Granat bei ihm ganz oben auf der Liste.

    Jedenfalls verteilte Fenno sein Anglerglück meistens großzügig noch am Gewässer vor Ort an seine Vereinskollegen. Schon manche Petrijünger-Ehefrau, die von Gesas ›Fischallergie‹ wusste, hatte sich telefonisch bei ihr dafür bedankt. Für Fenno das beste Standard-Alibi. Eine ahnungslose Ehefrau wäre daher auch sicher nicht auf die Idee gekommen, dass manches Angelvergnügen ihres Mannes statt an einem Gewässer des Vereins im Bett einer anderen Frau stattfand.

    Fenno hatte für sich selbst die Rechtfertigung darin gefunden, dass sein Testosteronüberschuss schließlich dazu diente, mancher Frau zu einem Besuch in vielleicht sogar noch völlig unbekannten himmlischen Sphären zu verhelfen. Diesbezüglich hatte er auch seiner Gesa bisher nie einen Grund zur Klage über eine Vernachlässigung gegeben. Hinzu kam, dass ihm die holde Weiblichkeit, wie er sich auszudrücken pflegte, quasi zu Füßen lag. Es widerstrebte seinem Mitgefühl, nun mal eine Frau zu enttäuschen oder gar zurückzuweisen. Insofern war er mit sich und seinen Eskapaden auch völlig im Reinen.

    Bei seinen Vereinskollegen erfreute er sich aufgrund seiner humorvollen Art und seiner Großzügigkeit auch mit Vereinsspenden großer Beliebtheit. Er war einfach ein Sonnyboy, immer hilfsbereit und hatte für jeden ein offenes Ohr. Was ihm als selbstständigem Versicherungsmakler ebenfalls sehr zugutekam. Auch sein smartes Auftreten öffnete ihm manche Tür.

    Irgendwann hatte mal jemand in einer Runde gesagt, dass er die rustikale Ausgabe des britischen Fußballstars David Beckham sein könnte. Das hatte ihm mächtig geschmeichelt und seitdem versuchte er das auch in seinem Style umzusetzen. Dabei war ihm nicht entgangen, dass dies seine Wirkung auf Frauen offensichtlich noch beförderte. Und in Bezug auf Fußball erinnerte sich noch mancher seiner gleichalterigen Vereinskollegen an seine Erfolge in jüngeren Jahren in der örtlichen Fußball-Amateurliga.

    Im Gegensatz zu dem britischen Fußballidol beschränkte sich aber seine Tattooleidenschaft auf eine einzige, aber äußerst intime Stelle seines Körpers. Ein rotes Herz mit dem goldenen Pfeil Amors prangte mitten über seiner gut proportionierten Männlichkeit. Dieses Tattoo war ein gegenseitiges Hochzeitsgeschenk von Gesa und ihm gewesen. Für ihn als regelmäßigen Saunagänger und FKK-Anhänger gehörten Körperpflege und Enthaarung zur Selbstverständlichkeit. Und insgeheim genoss er in solchen Örtlichkeiten die verstohlenen Blicke seines Umfeldes. Auch und vor allem dann, wenn er mit Gesa gemeinsam die gemischte Sauna besuchte oder am Strand in der Sonne badete. Sie hatte zwar keine Modelfigur, war aber mit weiblichen Attributen sehr gut ausgestattet. Das Tattoo, welches ihren enthaarten Venushügel bedeckte, war nicht nur für männliche Badegäste ein Augenmagnet.

    Für Freunde stand fest: Wenn jemand auf der Sonnenseite des Lebens geboren war, dann war es Fenno. Sein beruflicher Erfolg ermöglichte ihm so manches Extra, sei es ein tolles Haus mit gepflegtem Garten oder auch ein Oldtimer-Porsche-Cabrio. Bei den Büürmas schien alles rundzulaufen. Sein erwachsener Sohn Momme war inzwischen beruflich als Kompagnon mit in die Firma eingestiegen. Was wollte sich ein Vater mehr für den Fortbestand seines Lebenswerkes wünschen?

    Fennos Geschäftserfolg beruhte aber auch darauf, dass er sich sehr für seine Kunden einsetzte. Seine Agentur arbeitete mit Vergleichsportalen für Versicherungen und Finanzinstituten. Dadurch war es ihm möglich, für jeden Kunden ein optimales Preis-Leistungs-Verhältnis herauszuholen. Und manchem hatte er schon durch geschickte Formulierungshilfe bei einer Schadensregulierung durch Versicherungsgesellschaften zum Erfolg und anderen zu einer günstigen Eigenheimfinanzierung verholfen.

    Nur seine engsten Freunde und Verwandte wussten, dass er quasi als Sahnehäubchen auch noch in den Genuss einer großen Millionenerbschaft aus Kanada gekommen war. Der ehe- und kinderlos gebliebene Bruder von Fennos Vater war vor Jahren nach Kanada ausgewandert und dort zu großem Reichtum gekommen, den er seinem einzigen Patenkind Fenno in Deutschland vermacht hatte.

    Eigentlich hätte er sich mit dieser Erbschaft inzwischen zur Ruhe setzen können. Das wäre auch voll im Sinne seines Sohnes gewesen, mit dem er sich in der letzten Zeit nicht mehr so gut verstand, was die beiden aber nicht nach außen dringen ließen. Fenno konnte sich das distanzierte Verhalten seines Sohnes nicht erklären. Was er nicht wusste: Momme war dahintergekommen, dass Fenno seine Mutter Gesa seit Jahren nach Strich und Faden betrog. Er hatte es aber seiner Mutter nicht gesteckt, weil er nicht wollte, dass für sie eine Welt zusammenbrach. Zudem wohnte Momme schon seit einiger Zeit nicht mehr zu Hause, sondern bei seiner Freundin.

    Natürlich blieben Fennos Eskapaden nicht unbemerkt. Aber es war ihm immer wieder gelungen, sich mit viel Charme und Ausreden aus der Affäre zu ziehen. Zudem, echte Beweise hatte noch keiner bei ihm finden können. Und so blieb es immer bei Vermutungen und Gerüchten. Ein Psychologe hätte ihn wahrscheinlich als einen notorischen Lügner eingestuft. Allerdings war er diesbezüglich nicht von der boshaften und hinterhältigen Art. Er gab lieber, als dass er nahm. Und auch in Bezug auf Frauen war er felsenfest davon überzeugt, mehr zu geben, als zu nehmen. Da hätte sich sicher auch manche Frau finden lassen, die dieser Selbsteinschätzung nicht widersprochen hätte.

    Wie an den meisten Wochenenden machte sich Fenno nach dem Frühstück und einem herzhaften Abschiedskuss von seiner Gesa auf den Weg zum Angeln. Es war heute noch ein wenig früh für seinen ›angestammten Angelplatz‹. Außerdem hatte er noch etwas zu erledigen. Auch wenn der Grund für dieses Date für ihn nicht gerade ein Anlass für besondere Fröhlichkeit war, genoss er die Fahrt bei herrlichem Sonnenschein durch die ostfriesische Landschaft, ohne zu ahnen, dass dies heute fast zu so etwas wie einer Abschiedsfahrt von seiner geliebten Heimat werden sollte.

    2. Kapitel

    Gesa hatte den Abendbrottisch im Wintergarten gedeckt. Die Abendsonne spendete immer noch eine spätsommerliche angenehme Temperatur. Zudem gaben die verklinkerten Hauswände die gespeicherte Wärme ab. Die Seitenverglasungen waren aufgeschoben, damit die Nachmittagshitze entweichen konnte. Fenno hatte sich wie oft, wenn er vom Angeln kam, im Wohnzimmer auf die Couch gelegt. Er pflegte dann zu sagen: »Ich verstehe gar nicht, dass mich das Angeln immer so müde macht.«

    Dafür hatte seine Frau zwar auch keine schlüssige Erklärung, aber sie wusste genau: Pünktlich Glockenschlag achtzehn Uhr würde Fenno frisch geduscht und hungrig am Abendbrottisch sitzen. Pünktlich war er auch heute und doch wirkte er irgendwie etwas anders.

    »Wie war’s denn?«, fragte sie ihn daher etwas besorgt, als sie den Tee einschenkte.

    »Hätte ich eigentlich wissen sollen bei dem schönen, warmen Wetter, null Biss. War auch ganz alleine am Wasser. Aber du weißt ja, wie das ist, die Hoffnung stirbt immer zuletzt«, machte er auch gleich seinem gespielten Ärger Luft. »Verstehe gar nicht, dass auch das Nichtstun so müde macht. Jedenfalls bin ich jetzt noch irgendwie schlagkaputt.«

    »Dann hätten wir doch heute Nachmittag schön auf der Terrasse Tee trinken können«, bedauerte Gesa. »Lene war da und hatte sogar etwas von ihrer selbst gebackenen Ostfriesentorte mitgebracht. Die mit den vielen eingelegten Rosinen, die du doch immer so gerne isst. Für dich ist noch ein Stück im Kühlschrank.«

    »Na, die Torte deiner Schwester wird sich ja sicher noch bis morgen halten. Hab im Moment eigentlich noch gar keinen richtigen Hunger«, sagte Fenno und biss lustlos in sein Käsebrot.

    »Du hattest doch aber heute gar nicht so viel Brot dabei. Von was bist du denn noch so satt?«, wunderte sich Gesa, die eigentlich einen gesegneten Appetit bei ihrem Mann gewöhnt war. Fenno konnte nämlich Mengen verdrücken, ohne dass das seiner Figur geschadet hätte.

    Er kommentierte entsprechende Gespräche im Freundeskreis immer mit dem Hinweis, dass er einfach ein schlechter Futterverwerter wäre. Wofür er von manchem Zeitgenossen mit Gewichtsproblemen insgeheim beneidet wurde. In einer Männerrunde nach einigen Bier- und Schnapsrunden gab er dann aber auch schon mal eine andere Begründung für seine schlanke, drahtige Figur ab: »Guter Hahn wird eben selten fett!«

    »Ach, ich habe mit dem Angeln heute früher Schluss gemacht. Ein Versicherungskunde hatte gestern einen Schadensfall in seiner Firma und bat mich über Handy um Hilfe bei der Formulierung des Berichtes. Na, und da hat er mich zum Mittagessen eingeladen. Seine Frau hatte ein tolles Krabbengericht gemacht, da konnte ich natürlich nicht Nein sagen.«

    »Wolltest du mir damit jetzt sagen, dass du fremdgegangen bist?«, fragte sie ihn mit einem verschmitzten Lächeln. Dabei hatte sie, wenn es um Krabben oder Fisch ging, durchaus Verständnis für ihn. Schließlich wurde ihr schon schlecht, wenn sie nur einen fischähnlichen Geruch in die Nase bekam.

    »So könnte man es auch bezeichnen, meine Liebe«, bestätigte Fenno ihre Frage mit einem hintergründigen Grinsen. Das mit dem Krabbengericht zum Mittag stimmte ja immerhin. Und seinem Kunden hatte er auch bei der Formulierung seines Schadensberichtes geholfen. Nur das Krabbengericht hatte nicht dessen Frau gekocht. Mit so einer kleinen Verbiegung der Realität konnten sowohl er als auch sein Gewissen ganz gut leben.

    »Wer war denn der Kunde?«, wollte Gesa wissen.

    »Ach, kennst du sowieso nicht. Ist ein Empfehlungskunde außerhalb der Krummhörn. Aber irgendwie habe ich heute überhaupt keinen Appetit. Ich weiß gar nicht, was mit mir los ist. Am liebsten würde ich mir jetzt einen doppelten Korn nehmen und mich nochmal auf die Couch legen.«

    »Mach das doch. Ich sag dir dann um acht Uhr Bescheid, damit du deine Nachrichten im Ersten nicht verpasst.«

    »Ach, Gesa! Was würde ich nur ohne dich machen?«

    »Manchmal hab ich das Gefühl, du kämst auch ohne mich ganz gut zurecht«, wimmelte sie bescheiden ab.

    Am Anfang ihrer Ehe hatte sie Fenno noch beim Aufbau des Finanzkontors geholfen. So nannte er seine Versicherungsagentur, nachdem er nicht mehr nur für eine Versicherung als Vertreter tätig war. Sie hatten sich schon früh bei der gemeinsamen Ausbildung als Versicherungskaufleute bei derselben Versicherung kennengelernt. Fenno war ein charmanter und aufmerksamer Liebhaber und es war ihm nicht schwergefallen, Gesas Gefühle für sich zu gewinnen. Dann wurde ihr Sohn Momme geboren und sie hatte sich aus dem Geschäft zurückgezogen. Als der Kleine in der Kita und später in der Schule gut untergebracht war, blieb ihr mehr Zeit für ihr Hobby, die Malerei.

    Eigentlich hätte Gesa Kunst studieren wollen, aber da war ihr Vater dagegen gewesen. »Lerne was Bodenständiges, dann kannst du zur Not auch mal auf eigenen Füßen stehen und bist nicht auf einen Mann angewiesen«, hatte er ihr dringend geraten, obwohl er ihr Talent kannte. Aber mit Kunst hatte er es nicht so. Und den Dachdeckerbetrieb, der vom Bauboom der letzten Jahre gut profitieren konnte, hatte inzwischen ihr Bruder übernommen.

    Da sich Fennos Finanzkontor sehr dynamisch entwickelte und er inzwischen auch entsprechendes Personal eingestellt hatte, konnte Gesa aus ihrem Hobby der Malerei fast so etwas wie einen Beruf machen. Sie hatte inzwischen an verschiedenen Workshops von angesehenen Künstlern teilgenommen und sich in einem Anbau ihres Hauses ein kleines Atelier eingerichtet. In der hiesigen Gastronomie und in den Ferienvermietungen hatte sie Flyer ausliegen, die auf ihr Atelier aufmerksam machten. In der Saison fand ihre kleine Künstlerwerkstatt inzwischen auch regen Zuspruch. Wodurch sie es sich manchmal nicht verkneifen konnte, dies ihrem Vater unter die Nase zu reiben. Denn dass er sie nicht hatte studieren lassen, würde sie ihm wohl nie verzeihen.

    ***

    Pünktlich um acht hatte sie für Fenno die Nachrichten eingeschaltet. »Ich glaube, ich brauche dringend noch einen Schnaps«, sagte dieser zu ihr. »Möchte wissen, was heute nur mit mir los ist. Irgendwie ist mir übel, so als hätte ich mir den Magen verdorben. Es wird ja wohl nicht die Magen-Darm-Grippe sein, die zurzeit überall hier grassiert.«

    »Würde ich nicht ausschließen«, schloss sich Gesa seiner Befürchtung an. »Als ich diese Woche wegen meines Tennisarmes bei Gero war, war sein Wartezimmer rappelvoll. Er sagte mir, dass wir es diesmal mit einer besonders aggressiven und hochansteckenden Form der Magen-Darm-Grippe zu tun haben. Er empfahl mir ausdrücklich, besonders auf die Hygiene zu achten.«

    »Wo du das sagst, da fällt mir ein, dass die Frau meines Kunden kaum etwas gegessen hat und dann auf einmal verschwunden war. Als ich ging, hat er sie entschuldigt, dass es ihr im Moment nicht so gut ginge. Und ich meinte, gehört zu haben, dass sich jemand in der Gästetoilette übergeben hat.«

    »Wann ist das denn gewesen?

    »Kurz nach dem Essen. Muss wohl so gegen eins gewesen sein.«

    »Gero sagte mir, dass sich die Symptome einer Infektion schon in wenigen Stunden entwickeln. Das könnte ja passen. Es reicht, wenn Viren in das von der Frau gekochte Essen …«

    »Ich glaube, es geht schon los«, unterbrach Fenno seine Frau und versuchte so schnell wie möglich ins Bad zu kommen. Dort konnte er gerade noch rechtzeitig den Toilettendeckel hochbekommen.

    Einen Augenblick später brachte ihm Gesa einen Eimer mit etwas Wasser ins Bad. »Am besten setzt du dich gleich auf die Toilette. Du wirst beides brauchen. Manchmal ist es schon von Vorteil, wenn man einen Arzt zum Freund hat. Gero hatte mir geraten: ›Sollte es einen von euch erwischen, dann nehmt einen Eimer mit aufs Klo. Der außerplanmäßige Stoffwechsel entlädt sich vor allem am Anfang in beide Richtungen‹.« Es kam, wie sie es vorhergesehen hatte. »Ich werde gleich mal bei Gero anrufen. Er schreibt mir ein Rezept und ich kann es dann gleich bei der diensthabenden Apotheke holen. Das wird dir hoffentlich ein wenig Linderung verschaffen.«

    »Ich bin dann mal weg. Kommst du im Moment alleine klar?«, fragte sie Fenno besorgt, nachdem sie mit dem Mediziner telefoniert hatte. Ihr Patient saß immer noch wie ein Häufchen Elend auf der gewissen Örtlichkeit und hielt krampfhaft den Eimer auf den Knien umklammert.

    »Muss ja«, brachte er gerade noch raus, bis ihn der nächste Würgereiz übermannte.

    »Eine Notapotheke hat in Norden auf. Das Rezept von Gero kann ich mir auf dem Weg abholen. Da werde ich hin und zurück gut eine Stunde brauchen«, sagte sie und stellte ihm eine Wasserflasche in Reichweite hin. »Du sollst reichlich trinken, hat Gero gesagt, auch wenn es wieder retour kommt.« Dann machte sie sich auf den Weg.

    Da sie bei der Apotheke nicht der einzige Notfall war, brauchte sie mehr als eineinhalb Stunden, bis sie endlich Fenno die Medizin bringen konnte. Der saß schon wieder so da, wie sie ihn verlassen hatte, und wand sich vor Bauchkrämpfen. Bis weit nach Mitternacht quälte sich Fenno noch zwischen Bett und Örtlichkeit hin und her, wobei er den Eimer als ständigen Begleiter mitnahm.

    Gesa war in eines der Gästezimmer umgezogen und nutzte auf Empfehlung von Gero auch die Gästetoilette. Noch in der Nacht hatte sie für ihren Mann eine Suppenbrühe aus dem Tiefkühler geholt und aufgekocht. Zum Frühstück bereitete sie ihm dann einen Haferschleim. Nicht gerade seine

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