Die Patin
Von Roland Zingerle
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Über die Einhaltung von Gesetzen wacht die Polizei – aber nicht nur! In Klagenfurt am Wörthersee haben sich Hubert Pogatschnig (zunächst Großhandelsvertreter, später Bierführer) und Ludwig Melischnig (Bierführer-Assistent) die Aufklärung von Kapitalverbrechen zur Aufgabe gemacht. Dabei besteht der besondere Reiz für die beiden darin, schneller zu ermitteln als die Polizei. Von den Medien als "Zwei für die Gerechtigkeit" gefeiert und von der Kripo unter dem Kommando von Leopold Ogris als "Deppen-Duo" verachtet, machen sich die beiden Hobby-Detektive die Vorteile des Tratsches zunutze: Sie suchen dort nach Hinweisen, wo Informationen ausgetauscht werden, nämlich in Gaststätten oder Gewerbebetrieben, Vereinen oder Nachbarschaften, beim täglichen Herumkommen oder auf gelegentlichen Extratouren an Originalschauplätzen in und um Klagenfurt.
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Die Patin - Roland Zingerle
Roland Zingerle
Die Patin
Klagenfurter Kneipen-Krimi Nr. 14
Prolog
Gesetz und Verbrechen unterliegen dem Henne-Ei-Prinzip. Zwar scheint das Verbrechen älter zu sein, da Gesetze ansonsten nicht nötig geworden wären, doch hätte man schwerlich je ein Verbrechen erkannt, wäre damit nicht irgendein Gesetz gebrochen worden.
Gesetze regeln das menschliche Zusammenleben und über ihre Einhaltung wacht die Polizei. Aber nicht nur: In Klagenfurt haben sich der Bierführer Hubert Pogatschnig und sein Assistent Ludwig Melischnig die Aufklärung von Kapitalverbrechen zur Aufgabe gemacht. Dabei besteht der besondere Reiz für die beiden darin, schneller zu ermitteln als die Polizei. Von den Medien als „Zwei für die Gerechtigkeit gefeiert und von der Polizei unter dem Kommando von Chefinspektor Leopold Ogris als „Deppen-Duo
verachtet, machen sich die beiden Hobby-Detektive die Vorteile des Tratsches zunutze: Sie suchen dort nach Hinweisen, wo Informationen ausgetauscht werden, nämlich in den Gaststätten in und um Klagenfurt …
Pogatschnigs Wohnung in Klagenfurt-Waidmannsdorf, Donnerstag Abend.
Hallo Heike!
Zunächst einmal danke für deine E-Mail, es freut mich, nach so langer Zeit wieder einmal von dir zu hören und es freut mich auch, dass es dir in Wien gefällt.
Dass dir dein Medizinstudium nicht zusagt, kann ich verstehen, aber deshalb gleich auf Kriminologie umzusatteln ist vielleicht doch ein Schritt zu weit, meinst du nicht? Kann man in Wien überhaupt Kriminologie studieren?
Lass dir Zeit und horch dich um, vielleicht findest du etwas, das dir liegt.
Aber zu deiner Frage: Natürlich erzähle ich dir gerne von meinem aktuellen Fall, auch wenn er ein bisschen untypisch ist. Vielleicht gibt dir meine Erzählung trotzdem einen kleinen Einblick in die alltägliche Ermittlungsarbeit, so dass du besser einschätzen kannst, ob dir das als Beruf gefallen würde oder nicht. Ich stimme dir übrigens zu, dass es keinen Sinn hätte, deinen Papa deswegen zu befragen. Die Geschichte, die er dir erzählen würde, wäre die eines Vaters und nicht die eines Kriminalpolizisten.
Meine Ermittlungen in dem Fall, von dem ich dir erzählen werde, haben gerade erst begonnen. Deshalb kann ich dir immer erst dann schreiben, wenn ich etwas Neues herausgefunden habe. Dafür ist aber jede Information immer ganz frisch! Also los:
Wie so oft haben der Ludwig und ich unsere Mittagspause heute beim Pumpe verbracht. Dort haben wir den Kärnten-Regionalvertreter unserer Brauerei getroffen. Er war geschäftlich beim Pumpe, aber wir kennen uns natürlich über die Brauerei und deshalb ratschen wir immer ein bisschen, wenn wir uns sehen. Na, und da hat er mir eine interessante Geschichte erzählt, die du aber erst verstehen kannst, wenn ich dir eine Vorgeschichte dazu erzähle, die heute in der Zeitung gestanden ist:
Gestern ist nämlich bei einem Klagenfurter Juwelier ein Lederetui mit Diamanten im Wert von mehreren zehntausend Euro gestohlen worden. Der Inhaber des Geschäfts hat den Diebstahl bemerkt, nachdem eine Kundin gegangen war, die sich für Diamanten interessiert hatte. Der Ladeninhaber hatte ihr eine Auswahl von Diamanten gezeigt, die aber nicht den Geschmack der Kundin getroffen hatte. Der Verdacht liegt also nahe, dass diese Kundin das Etui hat mitgehen lassen, doch leider hat sie der Juwelier noch nie zuvor gesehen und sie hat ihm auch nicht ihren Namen gesagt.
Der Regionalvertreter hat mir dazu nun erzählt, dass er die mutmaßliche Diamantendiebin kennt: Es ist die Gretel Zechmeister, die Wirtin von der Pizzeria Palermo in Klagenfurt.
Na, du kannst dir vorstellen, dass ich ganz schön baff war, denn natürlich war ich schon oft im Palermo! Ich habe ihn gefragt, woher er das wissen will, und er hat mir erzählt, dass die Frau Zechmeister es ihm heute Vormittag selbst erzählt hätte. Weil auch das Palermo unser Bier hat, war der Regionalvertreter heute geschäftlich dort.
Die Frau Zechmeister hat ihm erzählt, sie sei tatsächlich diese mysteriöse Dame, die sich bei dem Juwelier Diamanten hat zeigen lassen – aber mit dem Diebstahl hätte sie nichts zu tun gehabt. Angeblich hätte sie gleich, nachdem sie diesen Bericht in der Zeitung gelesen hat, die Polizei angerufen und die Sache aus der Welt geschafft.
Das hat mir der Regionalvertreter erzählt. Was dann passiert ist, kann ich nur schwer beschreiben.
Wie du ja weißt, interessieren mich nur Kapitalverbrechen, weil ich der Meinung bin, dass die unbedingt aufgeklärt werden müssen. Deshalb machen der Ludwig und ich auch ein Wettrennen daraus, ob wir den Täter schneller finden als dein Papa und seine Kriminalpolizei. Das steigert nämlich auch die Motivation deines alten Herrn und somit stelle ich sicher, dass der Täter auf jeden Fall und möglichst rasch geschnappt wird.
Aber zurück zur Geschichte: Es mag daran liegen, dass in Klagenfurt schon monatelang nichts mehr passiert ist, oder woran auch immer. Auf jeden Fall war plötzlich die Gewissheit in mir, dass ich in Bewegung kommen muss, um nicht einzurosten. Mein Gefühl hat mir gesagt, ich muss diesen Fall klären, und ich versuche immer, auf mein Gefühl zu hören.
Ich habe mir also gedacht: Hubert, den Diamantendiebstahl, den klärst du auf!
In Kärnten ist sowieso gerade die Hölle los mit all den Einbrüchen, Trickbetrügereien, Taschen- und sonstigen Diebstählen, da passt es mir gar nicht schlecht, auch einmal in diese Abteilung des Verbrechens hineinzuschnuppern.
Blöderweise haben der Ludwig und ich aber heute Nachmittag Oberkärnten mit Bier beliefern müssen. Deshalb habe ich am Nachmittag auch keine Zeit gehabt, den Juwelier zu befragen. Doch die Vorsehung wollte es, dass ich mit meinen Ermittlungen noch heute anfangen sollte.
Wie nämlich der Ludwig und ich nach dem Mittagessen durch Waidmannsdorf stadtauswärts gefahren sind, habe ich am Hauptmann Hermann Platz – das ist dort, wo die Kanaltaler auf die Siebenhügelstraße trifft – die Gretel Zechmeister gesehen! Und weißt du, was sie getan hat? Sie ist schnurstracks das Schmuckgeschäft dort hinein gegangen. Mir war klar: Das kann kein Zufall sein!
Ich habe den Bierwagen an den Straßenrand gelenkt und bin rausgesprungen, um zu sehen, was die Frau Wirtin da macht. Während ich durch den Arkadengang geschlendert bin, als ob nichts wäre, habe ich wie beiläufig durch das Schaufenster hineingelinst.
Und was ich da gesehen habe, das hat die Gretel Zechmeister nicht vertrauenswürdiger für mich gemacht. Sie hat sich nämlich Ringe zeigen lassen! Wie ich näher hingeschlendert bin, habe ich sehen können, dass es Diamantringe waren, wunderschöne Solitärringe, wie man sie nur hier kriegt!
Es ist zwar weiter nichts passiert, die Frau Zechmeister hat das Geschäft wieder verlassen, ohne etwas gekauft zu haben, aber genau das hat sie bei dem anderen Juwelier in der Innenstadt ja auch getan – kurz bevor er bestohlen worden ist.
Na, zu dem gehe ich morgen eh gleich nach dem Mittagessen hin. Dann werde ich hoffentlich Näheres wissen und du erfährst es als Erste!
Bis morgen dann! Liebe Grüße,
Hubert
Melischnigs Wohnung in Klagenfurt, Donnerstag Abend.
Liebes Tagebuch!
Du wirst dich wundern, dass ich dich schreib, aber warum, das erklär ich dir jetzt: Gestern hab ich im Fernsehen einen alten Krimi gesehen. Der Krimi ist aus London und handelt von einem früheren Detektiv, der Schörlok Hohms heißt und der einen Freund hat, der Wotsn heißt und ein Doktor ist. Der Schörlok Hohms hat den Fall besser aufgeklärt als die Polizei und der Doktor Wotsn war immer mit und hat erzählt. Weil der Krimi, der war eigentlich nur das Tagebuch, das was der Doktor Wotsn bei dem Fall mitgeschrieben hat. Und daraus haben sie dann den Film gemacht, den was ich gestern gesehen hab.
Da hab ich mir gedacht: Eigentlich ist das so wie beim Hubert und bei mir. Der Hubert klärt die Verbrechen schneller auf als der Chefinspektor Ogris und ich, ich bin immer mit dabei beim Hubert. Wenn ich also auch so ein Tagebuch drüber schreib wie der Doktor Wotsn, dann, hab ich mir gedacht, komm ich vielleicht auch als Krimi ins Fernsehen.
Übrigens, ich bin der Ludwig Melischnig, liebes