Rote Spur im gelben Sand: Wyatt Earp 186 – Western
Von William Mark
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Es war früh am Morgen, als die beiden Reiter Tombstone verließen. Der eine, ein hochgewachsener Mann mit wetterbraunem, kantig geschnittenem, markant-männlichem Gesicht, tiefblauen Augen und schwarzem Haar, wandte sich im Sattel um und blickte zurück. Er sah auf die Dächer der meist eingeschossigen Häuser, die wie braune verwitterte Steine im gelben Sand zu liegen schienen; harmlos und friedlich, so als wäre dieses Tombstone nicht die brandheißeste und gefährlichste Stadt, die es im ganzen Westen gab. Der Reiter wandte sich wieder nach vorn und blickte in die Ferne, wo über dem Sand trotz der frühen Stunde die Hitze flimmerte. Anfang der Dreißig mochte der Mann sein. Er trug einen schwarzen breitrandigen Stetsonhut, ein graues Kattunhemd und eine dünne Samtschleife. Die eng anliegenden Levishosen liefen unten über die Schäfte der hochhackigen Stiefel mit den großen silbernen Sternradsporen aus. Um die Hüften trug der Reiter einen büffelledernen Waffengurt, der in beiden Halftern je einen schwarzknäufigen Revolver vom Kaliber 45 hielt. Die Waffe an der linken Seite mußte, wie der Halfterschuh verriet, einen besonders langen Lauf haben; dem Kenner wäre sofort klar gewesen, daß es sich hier um einen jener seltenen Revolver vom Fabrikat Buntline Special handelte. Der Reiter trug einen Namen, der seit mehr als einem Jahrzehnt in allen Weststaaten sicher ebenso bekannt war wie der des Präsidenten Lincoln. Von der Eisgrenze Canadas bis hinunter an die Küste von Mexiko, vom Sand der texanischen Steppe bis weit über das Ostufer des Missouris hinaus, und von dort bis nach California kannte jeder Cowboy und jeder Rancher, jeder Tramp und jeder Richter, jeder Bürger in den zahllosen großen und kleinen Westernstädten und jeder Spieler an den unzähligen grünen Spieltischen der Saloons den Namen Wyatt Earp. Und sicher gab es auch kaum einen Schuljungen im weiten Westen, der den Namen des berühmten Gesetzesmannes noch nicht gehört hätte. Wyatt Earp, ein Name wie ein Symbol. Sicher gab es auch Leute, die es für möglich hielten, daß der König der Western-Sheriffs in Wirklichkeit gar nicht existierte, denn die Geschichten, die sich um ihn rankten, schienen schon ins Reich der Fabel zu gehören. Aber er lebte! Und die Furcht, die die Gesetzlosen vor ihm empfanden, war nicht grundlos. Sicher hat es in diesem Lande niemals einen Banditenjäger gegeben, der mehr für den Vormarsch des Gesetzes geleistet hat als eben dieser Wyatt Earp. Und weil sein Leben abenteuererfüllt war, voller spannungsgeladener Kämpfe, und bewegter als das irgendeines anderen Mannes aus diesem Lande, habe ich es aufgezeichnet. Seit der große Partner des Marshals, der Georgier Doc Holliday wegen eines schweren Krankheitsanfalles in den Bergen Colorados weilen mußte, ritt der Missourier allein. Er war einem Verbrecher von Dodge City hier herunter nach Tombstone gefolgt, hatte den Mann hier gestellt und war gleich mitten in zwei weitere Abenteuer geraten.
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Rote Spur im gelben Sand - William Mark
Wyatt Earp
– 186–
Rote Spur im gelben Sand
William Mark
Es war früh am Morgen, als die beiden Reiter Tombstone verließen.
Der eine, ein hochgewachsener Mann mit wetterbraunem, kantig geschnittenem, markant-männlichem Gesicht, tiefblauen Augen und schwarzem Haar, wandte sich im Sattel um und blickte zurück.
Er sah auf die Dächer der meist eingeschossigen Häuser, die wie braune verwitterte Steine im gelben Sand zu liegen schienen; harmlos und friedlich, so als wäre dieses Tombstone nicht die brandheißeste und gefährlichste Stadt, die es im ganzen Westen gab.
Der Reiter wandte sich wieder nach vorn und blickte in die Ferne, wo über dem Sand trotz der frühen Stunde die Hitze flimmerte. Anfang der Dreißig mochte der Mann sein. Er trug einen schwarzen breitrandigen Stetsonhut, ein graues Kattunhemd und eine dünne Samtschleife. Die eng anliegenden Levishosen liefen unten über die Schäfte der hochhackigen Stiefel mit den großen silbernen Sternradsporen aus. Um die Hüften trug der Reiter einen büffelledernen Waffengurt, der in beiden Halftern je einen schwarzknäufigen Revolver vom Kaliber 45 hielt. Die Waffe an der linken Seite mußte, wie der Halfterschuh verriet, einen besonders langen Lauf haben; dem Kenner wäre sofort klar gewesen, daß es sich hier um einen jener seltenen Revolver vom Fabrikat Buntline Special handelte.
Der Reiter trug einen Namen, der seit mehr als einem Jahrzehnt in allen Weststaaten sicher ebenso bekannt war wie der des Präsidenten Lincoln. Von der Eisgrenze Canadas bis hinunter an die Küste von Mexiko, vom Sand der texanischen Steppe bis weit über das Ostufer des Missouris hinaus, und von dort bis nach California kannte jeder Cowboy und jeder Rancher, jeder Tramp und jeder Richter, jeder Bürger in den zahllosen großen und kleinen Westernstädten und jeder Spieler an den unzähligen grünen Spieltischen der Saloons den Namen Wyatt Earp. Und sicher gab es auch kaum einen Schuljungen im weiten Westen, der den Namen des berühmten Gesetzesmannes noch nicht gehört hätte.
Wyatt Earp, ein Name wie ein Symbol. Sicher gab es auch Leute, die es für möglich hielten, daß der König der Western-Sheriffs in Wirklichkeit gar nicht existierte, denn die Geschichten, die sich um ihn rankten, schienen schon ins Reich der Fabel zu gehören.
Aber er lebte! Und die Furcht, die die Gesetzlosen vor ihm empfanden, war nicht grundlos. Sicher hat es in diesem Lande niemals einen Banditenjäger gegeben, der mehr für den Vormarsch des Gesetzes geleistet hat als eben dieser Wyatt Earp. Und weil sein Leben abenteuererfüllt war, voller spannungsgeladener Kämpfe, und bewegter als das irgendeines anderen Mannes aus diesem Lande, habe ich es aufgezeichnet.
Seit der große Partner des Marshals, der Georgier Doc Holliday wegen eines schweren Krankheitsanfalles in den Bergen Colorados weilen mußte, ritt der Missourier allein. Er war einem Verbrecher von Dodge City hier herunter nach Tombstone gefolgt, hatte den Mann hier gestellt und war gleich mitten in zwei weitere Abenteuer geraten. Ein gewissenloser Verbrecher hatte die Saloonerin Rozy Gingers getötet. Wyatt Earp hatte ihn gejagt und zur Strecke gebracht. Und als er der düsteren Stadt schließlich den Rücken kehren wollte, erfuhr er durch den einst so gefürchteten Banden-Chief Ike Clanton, daß die Postkutsche zwischen St. David und Tombstone überfallen worden sei. Zwei Wegelagerer aus Coyote hatten bei diesem Überfall ausgerechnet eine Bekannte des Marshals, und zwar die Inhaberin des Tombstoner Russian House Hotels, Nellie Cashman, verschleppt. Der Missourier hatte die Spur der Entführer gefunden und sie in dem Banditennest Coyote aufgestöbert. Dabei geriet er allerdings in eine mörderische Klemme, aus der ihn im allerletzten Augenblick jener Mann völlig unerwarteterweise herausreißen konnte, der jetzt hier auf seinem schwarzen Hengst neben dem Rauchfuchs des Marshals einherritt. Es war ein Mensch von so riesigen Körpermaßen, daß man sicher zweimal hinschaute, wenn man ihm begegnete. Er hatte, ähnlich wie der Missourier, ein bronzefarbenes, wettergebräuntes Gesicht und schwarzes Haar. Nur wirkte sein Gesicht wilder, abenteuerlicher als das des Marshals und wurde von einem faszinierend grünen Augenpaar beherrscht. Der Herkules trug einen weißen Hut, ein schwarzes Halstuch und ein schreiend rotes Hemd, das sich eng um seinen gewaltigen Brustkasten spannte; denn, obgleich schon letzte Übergröße, war es ihm noch etliche Nummern zu klein. Auch er trug, wie der Gesetzesmann, schwarze eng anliegende Leinenhosen, die über die Schäfte seiner Reiterstiefel hinausliefen. Im Gegensatz zu Wyatt Earp trug der Hüne einen Doppelgurt (Kreuzgurt), der tief über beiden Oberschenkeln je einen schweren rotknäufigen Revolver hielt, deren Kolben seltsamerweise nach vorn ragten. Auch der Name dieses Mannes war weithin im Westen bekannt; er lautete Luke Short. Der gigantische Texaner war neben Doc Holliday Wyatt Earps bester Freund; er war sehr oft mit den beiden Westmännern geritten und hatte jetzt zufällig in Santa Fé am Pokertisch gehört, daß der Marshal in Tombstone sein sollte. Da hatte er sich sofort auf den Weg gemacht, um ihn wiederzusehen, und ihm bei dieser Gelegenheit gleich aus einer brenzligen Situation herausgeholfen.
Die beiden Westmänner hatten nach anderthalbtägigem Aufenthalt in Nellie Cashmanns Hotel die Stadt verlassen, um nach Nordosten davonzureiten. Sie nahmen den Weg nach Santa Fé hinauf, wo sie sich dann trennen wollten. Während der Missourier weiter nach Dodge City reiten mußte, wollte der Texaner noch zwei, drei Wochen in der großen Spielerstadt bleiben, um dann wieder heim nach Texas zu reiten.
Sie befanden sich auf der schmalen Wagenspur, die mitten durch verstepptes, nur von trockenen Kakteen und dürrem Mesquitegestrüpp bewachsenes Savannenland führte.
Es war der Weg nach Pearce hinauf.
Von Tombstone aus hatte sich die einstige Overlandstraße, auf der jedoch seit vielen Jahren keine Postkutschen-Linie mehr verkehrte, schnurgerade durchs Land gezogen. Sie begann sich nun wegen vereinzelt im Gelände auftauchender roter Sandsteinpyramiden, die der Flugsand der Jahrtausende zu skurrilen Formen verschliffen hatte, in Schlangenlinien fortzusetzen. Die Sicht war hier längst nicht mehr so gut, und die beiden Reiter mäßigten den scharfen Trab ihrer Pferde.
Ohne sich darüber besprochen zu haben, hielt der Missourier das Land links von der Straße im Auge, während der Texaner die rechte Seite im Blickfeld hielt.
Plötzlich hielt Wyatt seinen Rauchfuchs an und verfolgte mit dem Auge einen großen Vogel, der drüben über einer Bodensenke schwebte.
Luke, der dem Blick des Gefährten gefolgt war, meinte:
»Ein Geier.«
Der Marshal nickte.
»Yeah, gefällt mir nicht.«
Der Hüne fuhr sich übers Kinn und beobachtete jetzt das Profil des Missouriers. Er kannte Wyatt Earp zu lange, als daß er nicht gewußt hätte, über welch einzigartige Beobachtungsgabe der Dodger Marshal verfügte.
Wyatt nahm jetzt sein Pferd herum, lenkte es von der versteppten Zwillingsspur, die immer von schweren Planwagenrädern in den Sand gegraben wurde, hinunter und trieb es zwischen zwei Büschen hindurch auf eine völlig verbrannte Kakteengruppe zu, durch die er sich dann einen Weg suchte.
Auch diesmal hatten die beiden Westmänner nicht miteinander beraten. Die lange Zeit, die sie gemeinsam geritten waren, machte das überflüssig. Zu oft waren sie schon in ähnlichen Situationen gewesen und wußten daher auch ohne Worte, was zu geschehen hatte.
Luke ritt ein Stück auf der Straße weiter, bog dann ebenfalls ab und schlug einen Bogen nach Nordwesten hinüber, wo das Gelände etwas übersichtlicher war. Dann bog er scharf nach Westen ab, wo der große Raubvogel immer noch über der Bodenwelle seine Kreise zog.
Der Texaner ritt noch ein Stück weiter, kam auf dichtes Mesquitegestrüpp zu und glitt aus dem Sattel.
Da hörte er vor sich aus der Senke den warnenden Ruf des Savannenluchses, den der Marshal täuschend nachzuahmen wußte, nahm das Winchestergewehr aus dem Scabbard und ging gebückt weiter.
Das Gestrüpp war hier stark verfilzt und so verdorrt, daß es knisternd brach.
Er mußte nach rechts abbiegen, schlich um die Büsche herum und kam an eine kahle Stelle, von der aus er den jenseitigen Rand der Bodenwelle einsehen konnte.
Tief duckte sich der Riese nieder und kroch jetzt auf allen vieren vorwärts – um dann plötzlich reglos zu verharren.
Unten, fast auf dem Boden der Senke, sah er den Marshal. Er kniete neben einem Mann, der mit ausgebreiteten Armen im Sand lag.
Der Tex erhob sich nun keineswegs sofort, sondern beobachtete das Gelände ringsum. Erst als er sicher sein konnte, daß in der Umgebung alles in Ordnung war, richtete er sich auf und lief in die Mulde hinunter.
Der Marshal kniete immer noch neben dem Mann am Boden.
In seiner Rechten hatte er ein glattes, bambusähnliches abgebrochenes Holzstück, an dem ein feuerroter harter Federrest hing.
Luke blickte darauf nieder. »Indianer«, brach es heiser von seinen Lippen.
»Yeah, Mimbrenjo-Apachen«, kam es leise von dem Marshal zurück.
Wieder mußte der Riese den Missourier bewundern. Wie unheimlich genau er doch an dieser winzigen Spur, an zweieinhalb Inches bleistiftdickem Holz und einem Federrest eine Spur zu erkennen vermochte!
Indianer, hatte der Texaner gesagt, und der Marshal hatte Mimbrenjo-Apachen hinzugefügt.
Und das Gespenstische, das mit diesen Begriffen verbunden war, stand plötzlich riesengroß vor den beiden Präriejägern. Wie seit eh und je kroch in den weißen Männern ein beklemmendes Gefühl hoch, wenn sie an die Indsmen dachten.
War sie denn immer noch nicht vorbei, jene düstere Zeit, in der die Furcht vor den mahagonifarbenen Männern mit den diamantschwarzen Augen und den blauschwarzen schulterlangen Haaren das ganze Land erfüllte? War sie denn nicht längst in die Vergangenheit versunken?
Nein – und es wäre ein verhängnisvoller Irrtum, dies anzunehmen.
Wyatt Earp, der in den Jahren im Westen aufgewachsen war, in denen die Rothäute noch die Überhand hatten, noch eine ständige Gefahr für die weißen Einwanderer und Ansiedler darstellten, hatte viele Kämpfer mit Indianern in seinen jungen Jahren erlebt. Später, als junger Mann, hatte er selbst sein Leben gegen die einstigen Herren dieses Landes oft verteidigen müssen. Obgleich er Schweres durch Indianer-Überfälle erlebt hatte, war der Missourier sonderbarerweise kein Feind der Rothäute geworden. Der großherzige Mann hatte den erbitterten Verzweiflungskampf dieses untergehenden Volkes stets mit Schrecken und Mitleid beobachtet, und dem unerhört tapferen und kämpferisch faszinierenden roten Mann sogar eine gewisse