Ein kleiner Bub hat Heimweh: Sophienlust 206 – Familienroman
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Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
»Heute habe ich mir buchstäblich die Füße wundgelaufen, um endlich einen Job zu finden. Und jedesmal habe ich die gleiche Antwort bekommen: Sie werden benachrichtigt, sobald wir uns entschieden haben. Glaubst du, daß ich mir da noch Hoffnungen mache? Das kennt man doch!« Die blonde junge Frau stellte seufzend ihre wohlgeformten langen Beine in eine Schüssel, die sie zuvor mit kaltem Wasser gefüllt hatte. »Das tut gut«, stellte sie erleichtert fest und lehnte sich entspannt zurück. »Ich verstehe gar nicht, warum du so viel laufen mußtest, Martina.« Petra schaute mitleidig auf die dicke Blase an der Ferse ihrer Freundin. »Hier in Stuttgart fahren doch Straßenbahnen in alle Richtungen.« »Als ob ich das nicht selbst wüßte! Ohne Fahrschein wäre ich aber bestimmt nicht sehr weit gekommen. Wenn man mich erwischt hätte, wäre es noch um einiges teurer geworden.« »Du bist also wieder einmal völlig pleite«, stellte die Freundin fest. »Allmählich frage ich mich wirklich, wie lange wir uns diese Wohnung noch leisten können. Du weißt, mein Verdienst ist nicht so üppig, daß ich die Miete allein bezahlen könnte.« »Das ist mir völlig klar! Sonst würde ich doch bestimmt nicht wie eine Verrückte in der Stadt herumlaufen und nach einer Arbeit suchen. Ach, das Leben ist doch schwierig!«
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Buchvorschau
Ein kleiner Bub hat Heimweh - Edeltraud Bergner
Sophienlust
– 206–
Ein kleiner Bub hat Heimweh
Wie Daniel zu einer richtigen Familie kam
Edeltraud Bergner
»Heute habe ich mir buchstäblich die Füße wundgelaufen, um endlich einen Job zu finden. Und jedesmal habe ich die gleiche Antwort bekommen: Sie werden benachrichtigt, sobald wir uns entschieden haben. Glaubst du, daß ich mir da noch Hoffnungen mache? Das kennt man doch!« Die blonde junge Frau stellte seufzend ihre wohlgeformten langen Beine in eine Schüssel, die sie zuvor mit kaltem Wasser gefüllt hatte. »Das tut gut«, stellte sie erleichtert fest und lehnte sich entspannt zurück.
»Ich verstehe gar nicht, warum du so viel laufen mußtest, Martina.« Petra schaute mitleidig auf die dicke Blase an der Ferse ihrer Freundin. »Hier in Stuttgart fahren doch Straßenbahnen in alle Richtungen.«
»Als ob ich das nicht selbst wüßte! Ohne Fahrschein wäre ich aber bestimmt nicht sehr weit gekommen. Wenn man mich erwischt hätte, wäre es noch um einiges teurer geworden.«
»Du bist also wieder einmal völlig pleite«, stellte die Freundin fest. »Allmählich frage ich mich wirklich, wie lange wir uns diese Wohnung noch leisten können. Du weißt, mein Verdienst ist nicht so üppig, daß ich die Miete allein bezahlen könnte.«
»Das ist mir völlig klar! Sonst würde ich doch bestimmt nicht wie eine Verrückte in der Stadt herumlaufen und nach einer Arbeit suchen. Ach, das Leben ist doch schwierig!« stellte Martina Röder verbittert fest. »Ich war sogar schon so weit, mich für die Essenausgabe in einer Kantine zu bewerben. Als ich aber dann erfuhr, was ich dafür bekommen sollte, erkannte ich entsetzt, daß dabei nicht einmal die Hälfte unserer Miete rausspringen würde. Ohne eine gute Ausbildung sind die Chancen auf dem Arbeitsmarkt gleich null.«
»Damit könntest du allerdings recht haben, Martina. Ich bin froh, daß ich gleich nach der Schule eine Lehre als Zahntechnikerin gemacht habe.«
»Hätte ich die Graphische Fachschule bis zum Abschluß besuchen können, wäre ich sicher längst bei irgendeinem Verlag hier gelandet. Aber nachdem meine Mutter sich plötzlich weigerte, weiterhin für mich aufzukommen, bis ich selbst was verdienen könnte, war das ja leider nicht mehr möglich.«
»Du hast ein Recht darauf, deine Ausbildung beenden zu können, Martina«, sagte die Freundin. »Nur weil deine Mutter sich wieder verheiratet hat, kann sie doch nicht glauben, daß sie dich abschreiben darf! Sie ist sogar verpflichtet, weiterhin für dich aufzukommen, bis deine Ausbildung beendet ist. An deiner Stelle würde ich bei einem Rechtsanwalt fragen, wie es um deine Rechte bestellt ist.«
»Ich bin jetzt zwanzig«, erinnerte Martina sie. »Ich bin also alt genug, um selbst für mich sorgen zu können.«
»Du siehst ja jetzt, wie gut das klappt! Ich würde mich über meine Rechte informieren!«
»Aber wie denn? Ich könnte doch nicht einmal einen Anwalt bezahlen«, stellte Martina bitter fest. »Außerdem würde ich es ja doch nie fertigbringen, gegen meine Mutter gerichtlich vorzugehen. Sie hatte es ja auch nie leicht in ihrem Leben. Wenn ich nur daran denke, was sie mit meinem Vater alles mitmachen mußte.«
»Dafür kannst du doch nichts! Sie hat sich den Mann doch selbst ausgesucht! Aber wie ist es so häufig? Am Anfang ist es die große Liebe, doch sobald der erste Lack ab ist, stellt man fest, daß man sich eigentlich gar nichts zu sagen hat. Deshalb habe ich mich entschlossen, diesen Schritt erst gar nicht zu wagen. Wo ist dein Vater eigentlich jetzt?« erkundigte sie sich neugierig. »Oder weißt du das gar nicht?«
»Leider nein«, gestand Martina seufzend. »Meine Mutter sicher auch nicht. Sie war ja froh, als sie endlich Ruhe vor ihm hatte. Das alles ändert leider nichts an meinem Problem, Petra. Ich muß so schnell wie möglich einen Job finden, bevor die Katastrophe über uns hereinbricht.«
»Vielleicht ist ja morgen dein Glückstag, Martina!« versuchte die Freundin sie zu trösten. »Bis jetzt können wir uns ja noch über Wasser halten.« Petra erhob sich, um das Ausmaß der Schäden an Martinas Füßen zu begutachten. »Du Ärmste«, sagte sie mitleidig. »Ich werde dir Geld dalassen, damit du dir morgen eine Fahrkarte kaufen kannst.«
»Natürlich. Du wirst immer weiter in mich investieren, ohne auch nur im entferntesten daran denken zu können, daß du das Geld zurückbekommst. So können wir doch nicht weitermachen, Petra! Hast du denn keine Idee, wie ich an eine Arbeit rankommen könnte?«
Die Freundin betrachtete sie abschätzend. »Du bist schlank, ausgesprochen hübsch und hast eine gute Figur. Für ein Mannequin hast du mit Sicherheit die richtigen Maße.«
»Falls du dich nicht verschaut haben solltest, muß ich dir dazu sagen, daß man auch dafür eine Ausbildung braucht. Vor allem sollte man auch äußerst selbstbewußt auftreten können«, fügte sie noch hinzu. »Ich könnte niemals vor einer größeren Menschenansammlung mit hochhackigen Schuhen über einen Laufsteg stolzieren. Das würde mit einer Katastrophe enden. Wahrscheinlich würde ich mir die Beine brechen«, meinte sie lachend.
»So sicher bin ich da gar nicht, Martina. Nachdem nun Mannequin auch nicht in Frage kommt, was dann?« Petra ging wieder zu ihrem Sessel zurück, um zu überlegen. »Hast du eigentlich schon in unserem Stadtanzeiger nachgeschaut? Im Wochenblatt werden oft eine Menge Stellen angeboten.«
»Ich habe leider noch keine Zeitung gelesen. Womit hätte ich sie denn bezahlen sollen? Glaubst du wirklich, daß ich da etwas finden könnte?« erkundigte sie sich nicht gerade hoffnungsvoll.
»Das Wochenblatt bekommen wir kostenlos, falls du das noch nicht gemerkt haben solltest. Wenn du es heute noch nicht aus dem Postkasten genommen hast, steckt es sicher noch drin.«
»Ich werde es sofort raufholen, Petra. Man sollte nichts unversucht lassen.« Sie wollte nach ihrem Handtuch greifen, um sich die Füße abzutrocknen, als die Freundin sie daran hinderte.
»Ich werde die Zeitung holen, Martina«, erklärte sie. »Deshalb brauchst du dein Fußbad nicht abzubrechen.«
»Ich wüßte wirklich nicht, was ich tun würde, wenn ich dich nicht hätte, Petra«, sagte Martina dankbar.
»Das kann ich dir sagen, meine Liebe. Nachdem du zu stolz bist, deine Eltern zur Kasse zu bitten, würdest du irgendwo auf der Straße sitzen und darauf warten, daß jemand einen Groschen in deinen Hut wirft.«
»Dazu müßte ich erst einen Hut haben. Deine Späße waren auch schon besser«, meinte Martina leicht pikiert. »Hol bitte endlich die Zeitung rauf, damit ich dieses unwürdige Dasein hoffentlich bald beenden kann. Jeden Cent, den du mir geliehen hast, sollst du dann zurückbekommen, selbst wenn ich mir dafür nur trockenes Brot und Wasser leisten kann. Ich bin jetzt soweit, daß ich jedes Angebot annehme. Nur eine einzige Bedingung habe ich: Die Arbeit muß gut bezahlt werden.«
»Dann werden wir mal sehen, ob wir etwas finden, das für dich in Frage käme«, meinte Petra, als sie mit einer dicken Zeitung