Franzi setzt sich durch: Mami 1890 – Familienroman
Von Lisa Simon
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Über dieses E-Book
Nachdenklich fuhr Katja Braun an diesem Abend nach Hause. Die Andeutung der Kindergartenleiterin hatte nicht nur Katja, sondern auch ihre Kolleginnen unruhig gemacht.
Seit drei Jahren arbeitete Katja in der Kindertagesstätte und fühlte sich sehr wohl dort. Das Zusammensein mit den quirligen Drei- bis Sechsjährigen war eher ein angenehmes Hobby als Arbeit für sie.
»Haben dich die kleinen Monster geärgert?« fragte Petra Guhl, als Katja die gemeinsame Wohnung betrat. »Du machst jedenfalls so ein Gesicht.«
Katja warf ihre Jacke achtlos auf die Sessellehne und winkte ab. »Die Kleinen können mich doch gar nicht ärgern. Aber Frau Franke, meine Chefin, hat vorhin einige merkwürdige Andeutungen gemacht.«
»Wieso? Will sie dein Gehalt kürzen, weil dir deine Arbeit zuviel Spaß macht?« fragte Petra grinsend und hob den Saftkrug. »Möchtest du auch einen Orangensaft?«
Katja nickte und ließ sich gedankenverloren nieder. »Leider ist die Sache nicht so spaßig, wie du glaubst: Frau Franke meinte, daß die Stadt beschlossen hat, die Kindertagesstätte zu schließen.«
»Ist nicht wahr.« Petra vergaß vor Schreck, Katjas Glas weiter zu füllen. »Warum wollen die das tun, wo es doch zuwenig Kindergärten gibt?«
»Angeblich rentiert sich unsere Tagesstätte nicht.«
»So ein Blödsinn!«
Mit einem dankbaren Lächeln nahm Katja das Saftglas und trank einen Schluck. »Wir haben zuerst auch an einen dummen Scherz gedacht – bis uns Frau Franke erzählte, daß den Stadtvätern die Miete für die Räume und die Personalkosten zu hoch seien.«
Petra machte eine hilflose Handbewegung. »Aber das können die doch nicht machen.«
»Anscheinend doch. Wenn es sich um eine private Tagesstätte handeln würde, wäre es etwas anderes.«
Die Freundin schwieg
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Franzi setzt sich durch - Lisa Simon
Mami
– 1890–
Franzi setzt sich durch
Das kleine Mädchen hat ein ganz bestimmtes Ziel
Lisa Simon
Nachdenklich fuhr Katja Braun an diesem Abend nach Hause. Die Andeutung der Kindergartenleiterin hatte nicht nur Katja, sondern auch ihre Kolleginnen unruhig gemacht.
Seit drei Jahren arbeitete Katja in der Kindertagesstätte und fühlte sich sehr wohl dort. Das Zusammensein mit den quirligen Drei- bis Sechsjährigen war eher ein angenehmes Hobby als Arbeit für sie.
»Haben dich die kleinen Monster geärgert?« fragte Petra Guhl, als Katja die gemeinsame Wohnung betrat. »Du machst jedenfalls so ein Gesicht.«
Katja warf ihre Jacke achtlos auf die Sessellehne und winkte ab. »Die Kleinen können mich doch gar nicht ärgern. Aber Frau Franke, meine Chefin, hat vorhin einige merkwürdige Andeutungen gemacht.«
»Wieso? Will sie dein Gehalt kürzen, weil dir deine Arbeit zuviel Spaß macht?« fragte Petra grinsend und hob den Saftkrug. »Möchtest du auch einen Orangensaft?«
Katja nickte und ließ sich gedankenverloren nieder. »Leider ist die Sache nicht so spaßig, wie du glaubst: Frau Franke meinte, daß die Stadt beschlossen hat, die Kindertagesstätte zu schließen.«
»Ist nicht wahr.« Petra vergaß vor Schreck, Katjas Glas weiter zu füllen. »Warum wollen die das tun, wo es doch zuwenig Kindergärten gibt?«
»Angeblich rentiert sich unsere Tagesstätte nicht.«
»So ein Blödsinn!«
Mit einem dankbaren Lächeln nahm Katja das Saftglas und trank einen Schluck. »Wir haben zuerst auch an einen dummen Scherz gedacht – bis uns Frau Franke erzählte, daß den Stadtvätern die Miete für die Räume und die Personalkosten zu hoch seien.«
Petra machte eine hilflose Handbewegung. »Aber das können die doch nicht machen.«
»Anscheinend doch. Wenn es sich um eine private Tagesstätte handeln würde, wäre es etwas anderes.«
Die Freundin schwieg betroffen; obwohl sie ansonsten immer eine passende Antwort parat hatte, fiel ihr zu dieser schlimmen Neuigkeit ausnahmsweise mal nichts ein…
*
Katjas vage Befürchtungen wurden schnell zur Gewißheit. Nur einen Monat später bekamen die Erzieherinnen des kleinen Kindergartens ihre Kündigungen.
Trotz vorheriger Proteste des Personals und der betroffenen Eltern, die nun keinen Tagesplatz mehr für ihre Kleinen hatten, ließen sich die Verantwortlichen nicht erweichen: Der Kindergarten wurde zum nächsten Ersten geschlossen, punktum!
»Wie nett, daß wir wenigstens noch ein Gehalt extra bekommen«, sagte Birgit, eine der Erzieherinnen, trocken. »Da haben sich die Stadtväter aber mächtig ins Zeug geworfen.«
Katja las immer wieder die wenigen Zeilen des Schreibens: Wegen Personalabbau und allgemeiner Rationalisierung kündigen wir Ihnen fristgerecht…
Birgit stopfte die Kündigung mit einer wütenden Geste in ihre Handtasche. »Ob die uns auch sagen können, wie wir zu einem neuen Job kommen sollen?«
»Dir geht es da ein bißchen besser als mir«, gab Katja seufzend zurück. »Du bist verheiratet, und dein Mann verdient gut – außerdem wolltest du doch sowieso demnächst ein Baby haben…«
»Schon, aber einfach so gekündigt werden, ist trotzdem ärgerlich. Was hast du nun vor?«
Katja zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Auf jeden Fall muß ich schnell eine neue Arbeit finden, damit meine Mitbewohnerin die Miete nicht allein zahlen muß.«
»Als Erzieherin wirst du wohl nichts finden bei der heutigen Arbeitslage«, überlegte Birgit laut. »Geh doch mal zum Arbeitsamt.«
Katja nickte ohne Begeisterung. »Da wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben. Ich mag gar nicht an den letzten Tag in der Tagesstätte denken – der Abschied von den Kindern wird mir schwerfallen.«
*
»Ach, laß doch den Kopf nicht hängen«, sagte Petra, als die Freundin ihr das Kündigungsschreiben zeigte. »Du wirst dich doch nicht von solch einem Wisch unterkriegen lassen?«
Katja lächelte lahm. »Du hast gut reden, dein Job ist dir ziemlich sicher.«
»Heutzutage ist keine Arbeitsstelle mehr sicher«, entgegnete Petra, die in der Anzeigenabteilung einer lokalen Tageszeitung arbeitete. »Wenn eines Tages die Auflage unseres Käseblattes sinkt, bin auch ich meinen Job los.«
Die beiden hübschen jungen Frauen saßen sich am Küchentisch gegenüber, jede eine Tasse Kaffee vor sich. Bereits vor zwei Jahren hatten sie sich entschlossen, ihre Wohnung aufzugeben und zusammenzuziehen – das sparte nicht nur Geld, sondern war auch viel witziger.
»Mach dir bloß keine Gedanken über die Finanzen«, sagte Petra. »Ich kann sehr wohl eine Weile für uns beide sorgen.«
Trotz der ernsten Situation mußte Katja lachen. »Du klingst wie ein besorgter Ehemann!«
Auch Petra grinste. »Na ja, jedenfalls kannst du auch in Zukunft beruhigt schlafen.«
Katja nickte zerstreut, dann hob sie den Kopf. »Du siehst die Anzeigen für die Stellenangebote doch immer zuerst, nicht wahr?«
»Richtig.«
»Könntest du mir vielleicht vorab Bescheid geben, wenn etwas Passendes für mich dabei ist?«
»Du meinst, vor Erscheinen der Anzeigen? Kein Problem.«
»Dann habe ich möglicherweise eine bessere Chance, eine neue Arbeit zu finden.«
Petra steckte einen Keks in den Mund. »Aber mach dir nicht zuviel Hoffnung, die meisten angebotenen Stellen sind schlecht bezahlt und nur vorübergehend.«
»Egal, Hauptsache, ich sitze hier nicht untätig herum.«
*
Der letzte Arbeitstag in der städtischen Tagesstätte kam schneller als befürchtet. Einige der Kinder weinten beim Abschied, und auch die Erzieherinnen konnten nur mühsam die Tränen zurückhalten.
Die Leiterin Frau Franke hatte bereits eine neue Stelle – allerdings in einer anderen Stadt. Für die anderen jungen Frauen hieß es nun, auf Arbeitsuche zu gehen.
Mit einem Arm voller Blumen und Süßigkeiten betrat Katja nach Dienstschluß die Wohnung.
»Habe ich zufällig deinen Geburtstag vergessen?« witzelte Petra und wies auf die Geschenke.
Katja legte alles vorsichtig auf den Tisch. »Das sind alles kleine Aufmerksamkeiten der Eltern. Haben wir eigentlich genügend Vasen?«
»Wohl kaum, nimm doch ein paar Gurkengläser«, schlug Petra vor. Sie sah der Freundin an, daß sie versuchte, die Fassung zu wahren. »Du mußt nicht traurig sein. Ein Abschied bedeutet immer ein neuer Anfang.«
»Du hättest Philosophin werden sollen.« Katja wandte sich ab, damit Petra nicht die Tränen in ihren Augen sehen konnte.
»Apropos«, die Freundin fischte einen Zettel aus ihrer Handtasche. »Hier habe ich dir ein paar Telefonnummern aufgeschrieben, sind alles nur kleine Jobs, aber vielleicht ist etwas für dich dabei.«
Katja wischte sich eine Träne aus den Augenwinkeln und nahm den Zettel an sich. »Danke, daß du an mich gedacht hast. Ich rufe gleich morgen früh an.«
*
Es sollte sich schnell herausstellen, daß Petra nicht übertrieben hatte, als sie sagte, die meisten Stellenangebote wären nur aushilfsweise und schlecht bezahlt.
Resigniert zerriß Katja nach dem letzten Telefonat den Zettel und warf ihn in den Abfalleimer. Alle vier Angebote hatten sich als Nieten erwiesen! Zwei waren von Eltern, die hin und wieder einen Babysitter suchten, eine von einer alten Dame, die jemanden brauchte, um ihren Pudel dreimal täglich auszuführen und Einkäufe für sie zu erledigen – und einer suchte eine Spielhallenaufsicht