Ich will, dass Papi bei uns bleibt: Mami 1886 – Familienroman
Von Gisela Reutling
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Über dieses E-Book
»Sie gefällt dir wohl?« äußerte Hansen eher beiläufig. Aber der Blick, mit dem er den jüngeren Kollegen streifte, hatte etwas Bedeutsames.
Dieser schien sich erst einen Moment besinnen zu müssen, bevor er ausweichend murmelte: »Wir mögen Petra doch alle, oder?«
»Ja, ja, sie kann so herrlich lachen, nicht wahr?« kam es etwas sarkastisch zurück.
»Findest du…«
»Das sind deine Worte, Rolf!«
»So? Kann schon sein, daß ich das mal gesagt habe.«
Rolf Hardenberg tat gleichgültig. Nach einem kleinen, angespannten Schweigen wandten sie sich beide ihrer Arbeit wieder zu.
Aber war es nicht, als sei noch ein Hauch von der lebendigen Gegenwart des blonden Mädchens zurückgeblieben, das seinen Schreibtisch im Großraumbüro nebenan hatte? Nur einige Unterlagen hatte Petra Willing ihnen soeben hereingereicht, mit einem heiteren Lächeln auf den Lippen, ein paar im Plauderton hingeworfenen Sätzen.
Die junge Grafikerin kam aus dem Rheinland. Sie war neu bei der ARIANA-Werbeagentur, die erfolgreich für mehrere Großfirmen arbeitete.
In diesen wenigen Wochen ihres Hierseins hatte sich Rolf mehrfach bei der Überlegung ertappt, ob er sie einmal persönlich ansprechen sollte.
Petra, wie sie einfach genannt werden wollte, war noch auf Wohnungssuche, so hatte er gehört. Vielleicht konnte er ihr dabei behilflich sein. Sein Schwiegervater hatte eine Baufirma. Der Wohnblock in der Kaiserstraße würde in Kürze bezugsfertig sein. Er könnte sie darauf aufmerksam machen. Rolf wünschte sich, daß ihr helles Lachen einmal ihm allein galt.
An diesem Tag wußte er es unauffällig so einzurichten, neben Petra nach Büroschluß das Haus zu verlassen. Er hielt sich an ihrer Seite, und in leichtem Ton fragte er: »Haben Sie sich denn
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Buchvorschau
Ich will, dass Papi bei uns bleibt - Gisela Reutling
Mami
– 1886–
Ich will, dass Papi bei uns bleibt
Das Glück einer Familie ist in Gefahr
Gisela Reutling
»Sie gefällt dir wohl?« äußerte Hansen eher beiläufig. Aber der Blick, mit dem er den jüngeren Kollegen streifte, hatte etwas Bedeutsames.
Dieser schien sich erst einen Moment besinnen zu müssen, bevor er ausweichend murmelte: »Wir mögen Petra doch alle, oder?«
»Ja, ja, sie kann so herrlich lachen, nicht wahr?« kam es etwas sarkastisch zurück.
»Findest du…«
»Das sind deine Worte, Rolf!«
»So? Kann schon sein, daß ich das mal gesagt habe.«
Rolf Hardenberg tat gleichgültig. Nach einem kleinen, angespannten Schweigen wandten sie sich beide ihrer Arbeit wieder zu.
Aber war es nicht, als sei noch ein Hauch von der lebendigen Gegenwart des blonden Mädchens zurückgeblieben, das seinen Schreibtisch im Großraumbüro nebenan hatte? Nur einige Unterlagen hatte Petra Willing ihnen soeben hereingereicht, mit einem heiteren Lächeln auf den Lippen, ein paar im Plauderton hingeworfenen Sätzen.
Die junge Grafikerin kam aus dem Rheinland. Sie war neu bei der ARIANA-Werbeagentur, die erfolgreich für mehrere Großfirmen arbeitete.
In diesen wenigen Wochen ihres Hierseins hatte sich Rolf mehrfach bei der Überlegung ertappt, ob er sie einmal persönlich ansprechen sollte.
Petra, wie sie einfach genannt werden wollte, war noch auf Wohnungssuche, so hatte er gehört. Vielleicht konnte er ihr dabei behilflich sein. Sein Schwiegervater hatte eine Baufirma. Der Wohnblock in der Kaiserstraße würde in Kürze bezugsfertig sein. Er könnte sie darauf aufmerksam machen. Rolf wünschte sich, daß ihr helles Lachen einmal ihm allein galt.
An diesem Tag wußte er es unauffällig so einzurichten, neben Petra nach Büroschluß das Haus zu verlassen. Er hielt sich an ihrer Seite, und in leichtem Ton fragte er: »Haben Sie sich denn inzwischen gut eingelebt in Süddeutschland? Kein Heimweh nach Düsseldorf?«
»Bis jetzt noch nicht!« Lachend warf sie ihr schulterlanges blondes Haar zurück. »Ich bin ja froh, daß ich hier diese Stellung gefunden habe. Das Arbeitsklima ist prima, was will ich mehr.«
Sie sah hinüber zum Karlsplatz, wo sich verschiedene Verkehrslinien kreuzten. »Ach, so was Dummes!« rief sie aus. »Jetzt ist mir doch der Bus vor der Nase weggefahren. Jetzt kann ich eine halbe Stunde auf den nächsten warten. Na, macht nichts. Seh’ ich mir inzwischen ein paar Schaufenster an.«
»Sie machen wohl das Beste aus allem?« warf Rolf hin.
»Hm, muß man doch.« Sie blieb stehen. »Also, auf Wiedersehen.«
»Ich könnte Sie mitnehmen«, schlug Rolf rasch vor. »Dann sind Sie früher zu Hause.«
»Nein, das ist viel zu weit«, wehrte Petra ab. »Ich wohne doch halb auf dem Land. Vorläufig noch. Ich bin bei einer Bekannten meiner Mutter untergekommen, bis ich was Eigenes gefunden habe. Das ist gar nicht so einfach. Aber mal wird’s schon klappen.«
»Eventuell wüßte ich etwas für Sie, Petra.«
»Wirklich? Wo?« fragte sie lebhaft interessiert.
Sie bemerkten den Kollegen Hansen nicht, der des Weges kam. Erst als er im Vorübergehen sagte: »Einen Gruß an deine Frau«, wandte Rolf den Kopf nach ihm und runzelte leicht die Stirn. Es hatte so betont geklungen.
»Können Sie mir die Adresse geben?« bat Petra.
»Ja… Es ist in der Kaiserstraße, eine Wohnanlage mit Ein- und Zweizimmer-Appartements, natürlich auch größeren Wohnungen, aber die kommen wohl für Sie nicht in Frage«, gab Rolf Auskunft.
»Kaiserstraße«, Petra überlegte, »ich weiß nicht, wo die ist. Ich kenne mich in der Stadt noch nicht so gut aus.«
»Ich kann Sie hinfahren«, sagte Rolf spontan. »Dann können Sie es sich gleich mal ansehen.«
»Das würden Sie tun?« fragte Petra überrascht. »Aber ich will Ihre Zeit doch nicht in Anspruch nehmen, Herr Hardenberg.«
»Kommen Sie…« Rolf griff leicht nach ihrem Arm und dirigierte Petra zum Firmenparkplatz, wo sein Wagen stand. Unweit fuhr der Kollege Hansen gerade davon. Sie stiegen ein.
»Hoffentlich ist es nicht ein zu großer Umweg für Sie«, sagte Petra, während sie sich anschnallte.
Rolf gab darauf keine Antwort. Er mußte sich auf den frühabendlichen Verkehr konzentrieren. Bald waren sie am Ziel. Petra konnte nicht schnell genug aus dem Wagen springen und sich umsehen. Die mehrstöckigen Häuser, alle mit Balkon und breiten Fenstern, machten einen freundlichen Eindruck.
»Hier würde es mir schon gefallen«, erklärte sie. »Wäre ich froh, wenn ich nicht länger zwei Stunden für den Hin- und Rückweg brauchte. Ich könnte auch mal etwas unternehmen. Da draußen, wo ich jetzt wohne, ist überhaupt nichts los, und am späteren Abend fährt kein Bus mehr.«
Sie gingen an den Häusern entlang, sahen aufmerksam daran empor.
»Die mit den schmalen Balkonen sind sicher die Einzimmerwohnungen«, sagte Petra eifrig. »Je nach Quadratmetergröße würde mir das schon genügen.«
Ihr beschwingter Schritt, ihr hübsches Gesicht mit dem freudig-gespannten Ausdruck… Rolf wäre gern noch länger so neben ihr gegangen. Sie war fast so groß wie er, langbeinig und schlank, mit anmutigen Bewegungen.
»Ich werde mich gleich morgen darum kümmern«, plauderte sie weiter. »Bei so vielen Wohnungen werde ich doch wohl eine Chance haben. Meinen Sie nicht auch?« Sie wandte sich ihm zu. In ihren graublauen Augen war ein hoffnungsvoller Glanz.
»Ich drücke Ihnen die Daumen, Petra.« Sie gingen zurück zu seinem Auto.
Und jetzt, fragte sich Rolf, plötzlich wie von einer Art Panik erfaßt. Heimkommen, trübes Schweigen, fernsehen. Er sah auf die Schlüssel, die er in der Hand hatte. »Wollen Sie mit mir essen gehen, Petra?« fragte er, ohne aufzublicken.
Es kam für Petra ebenso überraschend wie vorhin der Vorschlag, sie hierher zu fahren. »Wollen Sie denn nicht nach Hause?«
Nein, er wollte nicht. Noch nicht. Aber das konnte er nicht laut sagen.
»Ich weiß zufällig in dieser Straße ein nettes Restaurant, den ›Schwanen‹. Wir könnten zu Fuß hingehen. Dann lernen Sie auch schon Ihre, wie ich hoffe, zukünftige Umgebung ein bißchen näher kennen.«
»Ja, von mir aus gern, Herr Hardenberg, wenn Sie nichts Besseres vorhaben«, gab sie ungezwungen zurück.
»Fein. Nur noch einen Moment bitte.«
Er hatte sein Mobiltelefon im Auto, schob sich hinein. Taktvoll entfernte sich Petra einige Schritte, damit es nicht den Anschein hatte, sie wollte zuhören. Sie wunderte sich etwas über ihn. Dieser Kollege war ihr bisher immer zurückhaltend erschienen, nicht so locker im Umgangston wie die anderen. Und jetzt lud er sie gar noch zum Essen ein. Wie nett von ihm!
Indessen sagte Rolf: »Ich komme heute erst später, Andrea. Du brauchst mit dem Essen nicht auf mich zu warten.«
»Es ist gut«, kam die müde Stimme zurück. »Ich habe mich sowieso hingelegt. Nimm dir Zeit.«
Keine Frage danach, was der Grund für seine Verspätung war. Nun, so brauchte er schon keine Ausrede. »Aber du wirst nicht wieder eine von diesen Schlaftabletten nehmen«, sagte er noch. »Du hast es mir versprochen.«
»Nein, ich nehme sie nicht«, sagte seine Frau gehorsam. »Ich werde wach bleiben, bis du kommst.«
»So gegen acht, halb neun, denke ich. Bis dann, Liebes.«
Rolf blieb noch sitzen, den Blick auf das Handy gesenkt. Dann legte er es zurück und stieg aus.
»Laufen Sie mir nicht davon«, rief er Petra zu. »Wir müssen in die andere Richtung.«
Die Kaiserstraße war lang, kleinere Mietshäuser mit Vorgärten, in denen sich zaghaft erstes Grün zeigte. Ein runder Platz mit ein paar Bäumen und zwei Bänken, einem Brünnlein in der Mitte. Und an der Ecke leuchtete ihnen das Wirtshausschild mit dem Schwan in der Mitte entgegen.
»Das ist das erste Mal, daß ich hier ausgehe«, sagte Petra vergnügt, als sie am Tisch Platz genommen hatten. Sie sah sich um, angetan von der anheimelnden Atmosphäre in dem nicht großen Gasthaus. Ihr Blick kehrte zu dem Begleiter zurück. »Sonst sitze ich jeden Abend bei Frau Burkart. Sie hat mir freundlicherweise das Zimmer ihrer Tochter zur Verfügung gestellt, die nach ihrer Verheiratung nach Frankfurt gezogen ist.«
»Wären Sie denn nicht lieber in Ihrer schönen Heimatstadt geblieben?« fragte Rolf. Er nickte dem Kellner zu, der ihnen die Speisekarte hingelegt hatte.
»Ich weiß nicht… Ja, sicher, ich habe meine Eltern und Geschwister dort. Aber als