Ein Ausritt mit Folgen …: Sophienlust - Die nächste Generation 77 – Familienroman
Von Simone Aigner
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Über dieses E-Book
Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt.
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
Corinna Greve saß ihrem Chef, Bernd Kluge, vor dessen Schreibtisch gegenüber. Sie hatte seit zehn Minuten Feierabend, und ihr lag die Zeit im Genick. Corinna hatte ihrer Nichte Emilia versprochen, sie zu ihrer Freundin Jennifer zu fahren. Jennifers Eltern besaßen in Mooshalden ein kleines Gestüt, und ab und an bekam Emmy dort eine Reitstunde gratis. Dafür half sie Jennifer immer wieder bei den Hausaufgaben. Für heute Abend stand eine der ersehnten Reitstunden an. Bis Mooshalden waren es von der Ortschaft Kiefersbach aus, wo Corinna mit ihrer Nichte wohnte, nahezu zwanzig Kilometer. Zu weit, um mit dem Rad hin- und zurückzufahren, und eine Busverbindung gab es auch nicht. Wenn Kluge sie nicht bald in den wohlverdienten Feierabend schickte, kam sie zu spät. Das würde Emmy ihr sehr übel nehmen. Nun hatte sie nicht einmal die Möglichkeit, ihr eine Whatsapp-Nachricht zu schicken, um ihr mitzuteilen, dass sie nicht pünktlich aus dem Reisebüro kam. Kluge musterte sie. »Ich habe ein kleines Attentat auf Sie vor, liebe Frau Greve. Es geht um Folgendes«, begann er umständlich und lächelte sie an. Corinna ahnte, so rasch würde das Gespräch nicht beendet sein. Emmys Enttäuschung, wenn es heute mit der Reitstunde nichts mehr wurde, mochte sie sich gar nicht vorstellen. »Nun gucken Sie doch nicht so sorgenvoll, Frau Greve. Sie sind meine beste Mitarbeiterin. Keine Kollegin und kein Kollege bringt so viele Reisen an den Kunden wie Sie.
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Buchvorschau
Ein Ausritt mit Folgen … - Simone Aigner
Sophienlust - Die nächste Generation
– 77 –
Ein Ausritt mit Folgen …
Emmys Missgeschick führt drei Menschen zusammen!
Simone Aigner
Corinna Greve saß ihrem Chef, Bernd Kluge, vor dessen Schreibtisch gegenüber. Sie hatte seit zehn Minuten Feierabend, und ihr lag die Zeit im Genick.
Corinna hatte ihrer Nichte Emilia versprochen, sie zu ihrer Freundin Jennifer zu fahren. Jennifers Eltern besaßen in Mooshalden ein kleines Gestüt, und ab und an bekam Emmy dort eine Reitstunde gratis. Dafür half sie Jennifer immer wieder bei den Hausaufgaben.
Für heute Abend stand eine der ersehnten Reitstunden an. Bis Mooshalden waren es von der Ortschaft Kiefersbach aus, wo Corinna mit ihrer Nichte wohnte, nahezu zwanzig Kilometer. Zu weit, um mit dem Rad hin- und zurückzufahren, und eine Busverbindung gab es auch nicht. Wenn Kluge sie nicht bald in den wohlverdienten Feierabend schickte, kam sie zu spät. Das würde Emmy ihr sehr übel nehmen. Nun hatte sie nicht einmal die Möglichkeit, ihr eine Whatsapp-Nachricht zu schicken, um ihr mitzuteilen, dass sie nicht pünktlich aus dem Reisebüro kam.
Kluge musterte sie.
»Ich habe ein kleines Attentat auf Sie vor, liebe Frau Greve. Es geht um Folgendes«, begann er umständlich und lächelte sie an. Corinna ahnte, so rasch würde das Gespräch nicht beendet sein. Emmys Enttäuschung, wenn es heute mit der Reitstunde nichts mehr wurde, mochte sie sich gar nicht vorstellen.
»Nun gucken Sie doch nicht so sorgenvoll, Frau Greve. Sie sind meine beste Mitarbeiterin. Keine Kollegin und kein Kollege bringt so viele Reisen an den Kunden wie Sie. Und genau deswegen möchte ich Sie nächste Woche für etwa zehn Tage nach Österreich schicken. Beruflich natürlich, aber ich bin überzeugt, es bleibt auch noch Zeit, die Schönheit der Natur zu genießen oder die eine oder andere Anwendung in den Hotels, die Sie testen dürfen. Sauna, Solarium, Massagen und so weiter. Und alles auf meine Kosten.« Er schickte ein angestrengtes Lachen hinterher. »Nun, was sagen Sie?«, fuhr er fort und wurde wieder ernst.
»Was?« Verblüfft und bestürzt gleichermaßen sah Corinna ihren Chef an. Sie sollte zehn Tage nach Österreich, und das schon nächste Woche? Das war unmöglich! Wer sollte sich um Emmy kümmern? Kluge wusste doch um ihre private Situation.
Ihr Chef lachte erneut, und sie hörte eine Spur Verstimmung darin. Offenbar merkte er ihr an, dass sie nicht begeistert war.
»Ihrer Miene nach zu urteilen sind Sie längst nicht so erfreut, wie ich gehofft hatte.« Spielerisch hob er den Zeigefinger und wackelte damit auf Höhe seiner Nase herum. »Machen Sie mir nur keine Schwierigkeiten. Ich möchte weder Frau Kroll noch Frau Reinhold schicken. Herr Grünert scheint mir jetzt auch nicht der geeignete Kandidat für die Testung der Unterkünfte. Er ist Spezialist für Kreuzfahrten. Und Oliver kommt auch nicht infrage als Auszubildender im ersten Lehrjahr.«
Damit, dass er weder Rolf Grünert schicken wollte noch den Auszubildenden, hatte Kluge durchaus recht, fand Corinna.
»Aber warum nicht Frau Kroll?«, entfuhr es ihr. »Sie würde sich bestimmt freuen.«
»Nein.« Missbilligend legte Kluge die Fingerspitzen aneinander und machte ein finsteres Gesicht. Corinna überlegte, warum. Die Kroll war sehr direkt, wenn ihr etwas nicht passte. Vielleicht hatten sie und Kluge eine Meinungsverschiedenheit gehabt.
»Frau Kroll hat sich anderweitig beworben. Ich habe das durch einen Zufall erfahren und bin sehr verärgert«, fuhr Kluge schließlich fort. »Ihre Bewerbung wurde abgelehnt. Ich gehe allerdings davon aus, dass sie es damit nicht gut sein lässt. Für die Hoteltestungen brauche ich eine treue, verlässliche Mitarbeiterin mit Berufserfahrung und einem Blick für das Wesentliche. Womit wir auch schon bei Frau Reinhold wären. Sie scheint mir noch ein wenig zu jung für den erforderlichen Überblick. Verzeihen Sie bitte, wenn ich das so deutlich sage. Also, wo liegt denn nun Ihr Problem? Doch nicht etwa bei Ihrer Nichte? Das Mädel ist doch wahrhaftig alt genug, nun ein paar Tage ohne Sie auszukommen, notfalls bei einer Freundin. Wie alt ist Edeltraud jetzt? 15 Jahre?«
»Sie heißt Emilia und ist gerade zehn Jahre«, korrigierte Corinna ihren Chef. Ihr war jetzt schon klar: Wollte sie ihre gute Anstellung im Reisebüro nicht aufs Spiel setzen, so musste sie dem Wunsch ihres Chefs nachkommen.
»Zehn? Nun.« Kluge rutschte auf seinem Schreibtischstuhl zur Seite. Ein sicheres Zeichen, dass er in Bedrängnis geriet. »Das ist in der Tat noch sehr jung. Ich muss zugeben, ich hätte meine Tochter in dem Alter auch keine anderthalb Wochen sich selbst überlassen. Aber es gibt doch sicher eine Freundin, bei der sie unterkommen kann? Eine Person Ihres Vertrauens? Ich bitte Sie, Frau Greve. Wenn man, so wie Sie, notgedrungen eine Erziehungsaufgabe übernehmen muss, so schafft man sich doch ein soziales Netz, oder etwa nicht? Was ist, wenn Sie schwer erkranken und in eine Klinik müssen, was hoffentlich nicht geschieht; wer aber kümmert sich dann um das Mädchen?«
Darauf hatte Corinna keine Antwort. Zudem ärgerte sie sich, dass Kluge ihren wunden Punkt getroffen hatte. Dass es außer ihr niemanden gab, der sich im Falle eines Falles um Emmy kümmern konnte, hatte ihr tatsächlich schon gelegentlich Sorgen bereitet.
Ihr Handy läutete, und heiß durchlief es sie. Das musste ihre Nichte sein. Kluge sah sie vorwurfsvoll an.
»Nun gehen Sie schon ran, ich habe Zeit«, informierte er sie. Letzteres hatte sie befürchtet.
Corinna griff in ihre Handtasche, die neben dem Stuhl am Boden stand und nahm ihr Mobiltelefon heraus. Tatsächlich sah sie Emmys Bild auf dem Display. Rasch nahm sie den Anruf an.
»Emmy, Schätzchen. Es tut mir leid, ich bin heute länger im Büro«, sagte sie sofort, ehe ihre Nichte dazu kam, sich zu melden. »Vielleicht kannst du Jenny anrufen und die Reitstunde auf morgen verschieben?«
»Aber das geht nicht, Tante Cora! Morgen hat Jennys Oma Geburtstag, da hat keiner Zeit für mich.« Emmy klang, als wäre sie den Tränen nahe. Vermutlich war es auch so.
»Liebes, so leid es mir tut, heute wird es wohl nichts werden«, entschuldigte sich Corinna und vermied es, mit Kluge in Blickkontakt zu treten. Sie litt mit ihrer Nichte. Das Mädchen sprach seit Tagen von der Reitstunde. Emmy schluchzte auf.
»Darf ich Herrn Willmann fragen, ob er mich fährt? Tante Cora, bitte.«
Herr Willmann wohnte drei Häuser weiter, war 85 Jahre alt und hatte seit Langem eine Sehschwäche, wie sie von seiner Frau wusste. Eigentlich hätte er gar nicht mehr Autofahren dürfen, schon gleich nicht ohne seine Brille, die er aber nicht tragen mochte. Dennoch hatte er Corinna und Emmy schon öfter seine Fahrdienste angeboten, wenn ihre Nichte mal wieder den Schulbus verpasst hatte oder nach Maibach zum Einkaufen wollte, während Corinna arbeiten musste.
»Auf keinen Fall, Emmy. Hörst du? Du wartest zu Hause, bis ich komme. Dann sehen wir weiter.« Rasch beendete sie das Gespräch. Es war ihr unangenehm, dass Kluge mitgehört hatte. In seiner Gegenwart hatte sie nicht die Nerven für eine Diskussion mit der Tochter ihres verstorbenen Bruders. Jetzt galt es, das Österreich-Problem loszuwerden. Theoretisch hätte der Chef selbst die Hotels testen können. Das allerdings wagte sie nicht, in den Raum zu stellen.
»Hörte ich ›Reitstunde‹?«, fragte Kluge.
»Ja.« Corinna ließ das Telefon zurück in ihre Handtasche gleiten.
»Eine teure Angelegenheit. Aber man möchte ja den Kindern etwas bieten, nicht wahr? Ich meine wohl, ich bezahle Sie durchaus ordentlich, da mag ein wenig Spielraum sein.« Er lachte ein wenig zu laut. »Dennoch … Darf ich fragen, was Sie für die Stunde zahlen?«
»Nichts. Die Eltern von Emmys Freundin Jennifer besitzen ein kleines Gestüt in Mooshalden. Emmy hilft Jennifer öfter bei den Schularbeiten, dafür bekommt sie von Jennifers Vater ab und an Unterricht.«
»Stunden, die ihr sehr wichtig sind, wie ich mitbekommen habe«, ergänzte Kluge und musterte Corinna. In ihrem Bauch zwickten Ärger und Ungeduld. Nun wusste er schon von ihrer Zeitnot und den Gründen dafür und sah dennoch keine Veranlassung, sie in den Feierabend zu entlassen. Sie hätten auch morgen während der Arbeitszeit über Österreich reden können. Stattdessen dehnte er die Unterredung nun auf private Bereiche aus.
»Ja«, erwiderte sie knapp, nicht länger gewillt, sich entspannt zu geben.
»So, so. Nun …, mir geht da eben ein Gedanke durch den Kopf. Weisen Sie mich bitte nicht sofort in die Schranken. Es geht mich natürlich nichts an, aber mir ist ja sehr daran gelegen, dass Sie nach Österreich fahren. Jedenfalls wüsste ich eine Unterbringung für Ihre Nichte, die dem Mädchen wahrscheinlich die pure Freude sein würde.«
Corinna sah ihren Chef mit unbewegter Miene an. Egal, was er vorschlagen würde, es kam nicht infrage. Ferien auf einem Reiterhof vielleicht. Das konnte sie sich keinesfalls leisten. So üppig war ihr Gehalt nicht, wie Kluge vor wenigen Minuten hatte anklingen lassen.
»Haben Sie schon einmal von dem Kinderheim Sophienlust gehört?«, fragte er.
»Das ist nicht Ihr Ernst!«, entfuhr es Corinna. »Ich gebe die Kleine doch nicht in ein Heim.«
Kluge lächelte ein wenig verkrampft. »Nun hören Sie mir doch erst einmal zu«, bat er.
*
Eine