Savannen-Melodie: Wyatt Earp 152 – Western
Von William Mark und Mark William
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Über dieses E-Book
Er stand mit ausgebreiteten Armen auf einem Whiskyfaß, hatte den Kopf weit zurückgelegt und sprach mit sonorer, weithin schallender Stimme:
»Ohne seinen Willen ist kein Sandkorn von seinem Platze verweht und kein Grashalm geknickt. Er ist über den Wolken und auch über dem blauen Himmel. Er ist in der Sonne und im Regen. Er ist überall…«
Es war etwas in dieser Stimme, das die Menschen, die dichtgedrängt in weitem Kreis um ihn herumstanden, gebannt zuhören ließ.
Er hatte ein längliches blasses Gesicht, das von scharfen Falten durchzogen war und in dem unter buschigen Brauen ein grünes Augenpaar stand. Er trug einen Kinnbart, der scharf gestutzt war, und im linken Ohrläppchen hatte er einen Ring, was ihm trotz seines strengen Aussehens etwas Abenteuerliches verlieh. Sein breitrandiger Quäkerhut beschattete sein Gesicht, und der schwarze Coat ging ihm mit den Flügeln bis weit über die Kniekehlen hinunter. Seine ebenfalls schwarze Weste gab oben einen kleinen weißen Hemdausschnitt und eine schwarze Samtschleife frei. Die Hosen hatten, wie es Mode war, keinerlei Bügelfalten und warfen über den Stiefeletten Ziehharmonikafalten. Eine Waffe war an ihm nicht zu sehen. Er war groß und hager, hatte eine aufrechte Haltung, und von dem salbungsvollen Gebaren so vieler Prediger hatte er nichts an sich.
Sein Name war Franklin Theodore Pontiac.
Wer ihn hier auf dem freien Platz vor der City Hall mitten in der Westernstadt Walcott an diesem regnerischen Oktobernachmittag des Jahres 1884 gehört hätte, wäre wohl schwerlich auf den Gedanken gekommen, daß dieser gleiche Mann noch vor wenigen Jahren ein gesuchter Gewehrschmied in Wisconsin
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Savannen-Melodie - William Mark
Wyatt Earp
– 152–
Savannen-Melodie
William Mark
Er stand mit ausgebreiteten Armen auf einem Whiskyfaß, hatte den Kopf weit zurückgelegt und sprach mit sonorer, weithin schallender Stimme:
»Ohne seinen Willen ist kein Sandkorn von seinem Platze verweht und kein Grashalm geknickt. Er ist über den Wolken und auch über dem blauen Himmel. Er ist in der Sonne und im Regen. Er ist überall…«
Es war etwas in dieser Stimme, das die Menschen, die dichtgedrängt in weitem Kreis um ihn herumstanden, gebannt zuhören ließ.
Er hatte ein längliches blasses Gesicht, das von scharfen Falten durchzogen war und in dem unter buschigen Brauen ein grünes Augenpaar stand. Er trug einen Kinnbart, der scharf gestutzt war, und im linken Ohrläppchen hatte er einen Ring, was ihm trotz seines strengen Aussehens etwas Abenteuerliches verlieh. Sein breitrandiger Quäkerhut beschattete sein Gesicht, und der schwarze Coat ging ihm mit den Flügeln bis weit über die Kniekehlen hinunter. Seine ebenfalls schwarze Weste gab oben einen kleinen weißen Hemdausschnitt und eine schwarze Samtschleife frei. Die Hosen hatten, wie es Mode war, keinerlei Bügelfalten und warfen über den Stiefeletten Ziehharmonikafalten. Eine Waffe war an ihm nicht zu sehen. Er war groß und hager, hatte eine aufrechte Haltung, und von dem salbungsvollen Gebaren so vieler Prediger hatte er nichts an sich.
Sein Name war Franklin Theodore Pontiac.
Wer ihn hier auf dem freien Platz vor der City Hall mitten in der Westernstadt Walcott an diesem regnerischen Oktobernachmittag des Jahres 1884 gehört hätte, wäre wohl schwerlich auf den Gedanken gekommen, daß dieser gleiche Mann noch vor wenigen Jahren ein gesuchter Gewehrschmied in Wisconsin war.
Pontiac verstand es, meisterlich zu predigen. Er wußte, wie man die einfachen Leute in diesen kleinen Städten zum Zuhören zwang. Er benutzte nur selten pathetische Worte, sondern hielt sich vor allem an jene Dinge, die zu der Welt und dem Leben dieser Menschen hier im Westen gehörten. Er griff ihre Probleme auf und behandelte sie mit großem Geschick. Es gab für jeden etwas zu hören, weil er jeden ansprach.
Was er beabsichtigte, fragte niemand. Jedenfalls hatte es sich niemand bis zu diesem Tage gefragt; denn die Wanderprediger waren eben Männer eigener Art, die durch die Lande zogen, um zu den Menschen von Gott zu sprechen.
Und das tat Franklin Theodore Pontiac ja auch. Er verflocht die Mahnung zum Gebet sehr geschickt mit seinen Beispielen und Geschichten.
Die Witwe des Mietstallowners Trenton hatte ihn vom Fenster ihrer guten Stube aus beobachtet, denn sie hatte sich nicht hinaus auf die Straße stellen wollen. Aber dann war ein Satz des Predigers an ihr Ohr gedrungen und hatte ihre Aufmerksamkeit gefesselt. Er sprach über die, denen ihre Kinder Sorgen bereiteten:
»Es gibt auch für den hoffnungslosesten Vater und die hoffnungsloseste Mutter einen Weg, um zum Herzen des Kindes zu finden, zumindest aber das Kind auf den guten Weg zu bringen, einerlei, wie alt dieses Kind ist. Es gibt einen Weg, und ich werde ihn euch aufzeigen!«
Hier wurde seine Stimme plötzlich leiser.
Joana Trenton, die von diesen Worten des Wanderpredigers plötzlich betroffen war, schlang sich rasch ihr Kopftuch um, ging hinaus und mischte sich unter die Menschen, um den Rat zu hören, den der Prediger da zu geben hatte.
Seit sieben Jahren war ihr Mann tot. Und seitdem trieb sich ihr zwanzigjähriger Sohn herum, führte ein wildes Leben und hielt sich weder an die Worte der Mutter noch an den Rat wohlmeinender Bekannten und Freunde. Dies bereitete Joana große Sorgen und Kümmernisse.
Der Prediger hatte seinen Kopf noch höher genommen, und seine ausgebreiteten Arme zeigten keine Spur von Müdigkeit.
»Ich werde euch den Weg aufzeigen, den ihr scheinbar Hoffnungslosen beschreiten müßt, um eure Kinder wieder zur Vernunft zu bringen.«
Und dann berichtete er von einer Begebenheit, wo auch eine Mutter von den Sorgen um ihre erwachsene Tochter wie durch ein Wunder befreit worden war.
In der Toreinfahrt auf der Südseite des Mietstalls standen drei Männer.
Der eine von ihnen war mittelgroß, hatte eine untersetzte kräftige Gestalt, und sein Schädel schien halslos auf einem massigen Rumpf zu sitzen. Er trug einen Schlapphut, dessen Krempe vorne an die Hutkrone geheftet worden war. Sein blaues Halstuch war verwaschen, ebenso sein kragenloses grünliches Hemd und seine braune, mit Flicken besetzte Weste. Seine Hose steckte in den Schäften halbhoher Stiefel, und unter dem Bund trug er einen breiten Waffengurt, der an beiden Hüftseiten je einen schweren Revolver hielt. Der Mann hatte ein klobiges Gesicht, eine breite kurze Nase, einen aufgeworfenen Mund, ein vorspringendes Kinn und eine fliehende Stirn. Unter den buschigen Brauen standen kleine gelbliche Augen. Sein Name war James Asby. Er stammte aus einer kleinen Siedlung, die vierzehn Meilen südwestlich von Wichita Falls lag und heute keineswegs zufällig den Namen Holliday trägt…
Der Mann neben ihm war einen Kopf größer, schlank, sehnig und hager. Er hatte ein pockennarbiges Gesicht, einen schmalen Mund und große, wache graue Augen. Sein grauer Hut war von großen Schweißstellen durchsetzt. Er trug eine braune Jacke und eine dunkle Hose, die unten über die Schäfte seiner Stiefel auslief. Unter der Jacke blickten die Halfter heraus, die zwei Revolver enthielten. Dieser Mann hieß Gilbert Boston und stammte aus der Stadt Dayton in Ohio.
Der dritte schließlich war ein blutjunger Bursche von höchstens siebzehn oder achtzehn Jahren, hochgewachsen, mit kräftiger Gestalt und stoppelbärtigem Gesicht. Sein Blondhaar wuchs ihm tief in die Stirn und hinten in den Hemdkragen hinein. Seine kalten wasserhellen Augen blickten aufmerksam in den Hof. Er trug einen braunen Stetsonhut, ein gelbliches Hemd, eine braune kurze Lederweste und helle Hosen. Links an seinem Waffengurt hing ein schwerer Smith & Wesson-Revolver. Dieser Mann hieß Charly Quinn; er stammte aus Decatur im Staate Alabama.
Wie Holzfiguren standen die drei hinten in dem offenen Hoftor und blickten in den Mietstall hinein.
Das Wiehern eines Pferdes veranlaßte Asby, sich umzublicken. Er sah seinen Braunen drüben in der Mündung einer Quergasse stehen, neben ihm den Rotfuchs Quinns und Bostons grauen Wallach.
»Los, wir müssen uns beeilen«, knurrte Asby.
Er ging vorwärts.
Der Alabama-Man folgte ihm sofort, machte ein paar Schritte in den Hof und dann auf das Wohnhaus zu.
Wenige Minuten später hatten die drei Männer das Anwesen unbemerkt verlassen. Unbemerkt deshalb, weil alle Leute ihre ganze Aufmerksamkeit den Worten des Predigers widmeten, der da mit lautstarker Stimme von der Macht im Herzen des Menschen sprach, die man Liebe nenne.
Quinn, Asby und Boston hatten drei große Bündel bei sich, die sie aus dem Haus schleppten und zu ihren Pferden brachten.
Quinn, der hinter den anderen herging, sah, ehe er um die Gassenecke bog, durch ein offenstehendes Tor in einen Hof, in dem Sattelteile auf einer großen Kiste lagen. Mit raschem Blick hatte der ehemalige Sattelmachergehilfe aus Alabama erkannt, daß dies das Haus eines Sattelmachers war. Das sauber gestrichene Gebäude, die frisch angestrichene Fenz, der aufgeräumte Hof und vor allem die vielen Sattelbögen, die unter einem eigens dazu angefertigten Dach zum Trocknen hingen, sagten dem Fachmann, daß hier nicht gerade ein armer Sattler lebte.
Der Alabama-Man wandte sich mit einem raschen Schritt zur Seite, verschwand im Hof, ging auf die Treppe zu und stand gleich darauf im Hausflur.
»Hallo, ist hier jemand?« rief er.
Niemand meldete sich.
Er stellte sein Bündel unter der Treppe ins Obergeschoß ab, ging auf Zehenspitzen vorwärts, stieß die vordere Tür auf und blickte in den Werkstattraum des Sattlers. Da machte er sofort kehrt und stieß eine gegenüberliegende Tür auf. Nun sah er eine sauber aufgeräumte und gut eingerichtete Wohnstube vor sich. Mit raschem Blick überflog er den Raum, ging dann auf den Schrank zu, riß ihn auf und durchsuchte ihn.
Nichts!
Im nebenanliegenden Schlafgemach durchsuchte er die beiden Nachtkästen, öffnete den Kleiderschrank und besah die Dinge, die auf dem Brett über den Kleidern lagen. Aus Erfahrung wußte er, daß viele Leute dort Wertsachen aufbewahren. Aber er fand nichts, das wert gewesen wäre, mitgenommen zu werden.
Als er wieder im Korridor war, lauschte er erneut ins Haus, blickte forschend über die Stiege, die nach oben führte und entschloß sich dann kaltherzig, auch oben noch nachzusehen.
Vier Türen führten von dem Korridor im ersten Stock ab. Der Alabama-Man stieß die erste auf, sah ein Bettgestell, einen Schrank und einen Nachttisch. Mit blitzartiger Geschwindigkeit durchsuchte er Schrank und Nachttisch, ging dann in den nächsten Raum und fand in einer Wäschetruhe einen Kasten, der auffallend schwer war.
Mit gierigen Augen betrachtete der Tramp den mit Eisenecken verzierten Holzkasten. Mitnehmen konnte er das schwere Ding nicht.
Er mußte es sprengen!
Rasch nahm er das Bowieknife aus der Tasche, stieß es zwischen das Schloß und preßte den Deckel so hart hoch, daß er mit einem kreischenden Geräusch aufsprang.
Auf dem Gesicht des Verbrechers malte sich Enttäuschung. Der Kaste war leer bis auf ein Papier, das in einem verschlossenen Umschlag steckte.
Quinn nahm auf alle Fälle das Papier an sich und steckte es ein.
In diesem Augenblick wurde er von einem Geräusch aufgeschreckt, das hinter ihm von der Tür her kam. Er warf sich herum und blickte in die fragenden dunklen Augen eines Mädchens.
Es war ein blasses Geschöpf, sommersprossig, mit durchsichtiger, bläulich schimmernder Haut, aschblondem Haar, schmächtigem Körper und schmalen Händen. Wie entgeistert stand das höchstens fünfzehnjährige Mädchen an der Tür und starrte den Mann an.
In wildem Zorn hechtete der Eindringling vorwärts, packte das Mädchen und drückte die rechte Hand auf