Das Haus Zamis 36 - Das höllische Kind
Von Rüdiger Silber und Logan Dee
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Über dieses E-Book
Der 36. Band von "Das Haus Zamis".
"Okkultismus, Historie und B-Movie-Charme - ›Dorian Hunter‹ und sein Spin-Off ›Das Haus Zamis‹ vermischen all das so schamlos ambitioniert wie kein anderer Vertreter deutschsprachiger pulp fiction." Kai Meyer
enthält die Romane:
88: "Der Folterkeller"
89: "Das höllische Kind"
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Das Haus Zamis 36 - Das höllische Kind - Rüdiger Silber
Das höllische Kind
Band 36
Das höllische Kind
von Rüdiger Silber und Logan Dee
nach einer Story von Uwe Voehl
© Zaubermond Verlag 2013
© Das Haus Zamis – Dämonenkiller
by Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt
Lektorat: Reinhard Schmidt
Titelbild: Mark Freier
eBook-Erstellung: story2go | Die eBook-Manufaktur
http://www.zaubermond.de
Alle Rechte vorbehalten
Was bisher geschah:
Die junge Hexe Coco Zamis ist das weiße Schaf ihrer Familie. Die grausamen Rituale der Dämonen verabscheuend versucht sie den Menschen, die in die Fänge der Schwarzen Familie geraten, zu helfen. Auf einem Sabbat soll Coco endlich zur echten Hexe geweiht werden. Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie der Dämonen, hält um Cocos Hand an. Doch sie lehnt ab. Asmodi kocht vor Wut – umso mehr, da Cocos Vater Michael Zamis ohnehin mehr oder minder unverhohlen Ansprüche auf den Thron der Schwarzen Familie erhebt.
Nach jahrelangen Scharmützeln scheint endlich wieder Ruhe einzukehren: Michael Zamis und seine Familie festigen ihre Stellung als stärkste Familie in Wien, und auch Asmodi findet sich mit den Gegebenheiten ab. Coco Zamis indes hat sich von ihrer Familie offiziell emanzipiert. Das geheimnisvolle »Café Zamis«, dessen wahrer Ursprung in der Vergangenheit begründet liegt und innerhalb dessen Mauern allein Cocos Magie wirkt, ist zu einem neutralen Ort innerhalb Wiens geworden. Menschen wie Dämonen treffen sich dort – und manchmal auch Kreaturen, die alles andere als erwünscht sind …
Doch kaum hat sich Coco Zamis mit dem Café Zamis in Wien etabliert, kündigt sich neues Unheil an: Ihr verschwundener Bruder Volkart schwebt in Gefahr. Schon einmal befand er sich in der Gewalt eines Nekromanten, von dem er sich erhofft hatte, seinen vor Jahren ermordeten Zwillingsbruder Demian zum Leben zu erwecken.
Gleichzeitig macht ein Schwarm Raben die Metropole unsicher. In ihrem Gefolge erscheinen die geheimnisvollen Todesboten. Sie übergeben den drei mächtigsten Dämonen Wiens das Schwarze Siegel:
Eine Woche haben sie noch zu leben. Doch die drei hießen nicht Skarabäus Toth, Michael und Coco Zamis, wenn sie sich kampflos fügen würden. Sie schließen einen Pakt, denn nur gemeinsam haben sie eine Chance, das Todesurteil abzuwenden.
Allerdings gibt es da noch einen Haken: Keiner von ihnen traut dem jeweils anderen über den Weg. Während Coco von den Todesboten in das Jahr 1421 geschleppt wird und dort als Hexe hingerichtet werden soll, suchen Toth und Michael Zamis nach weiteren Verbündeten innerhalb der Schwarzen Familie.
Doch das Ultimatum läuft. Die Zeit wird knapp.
Erstes Buch: Der Folterkeller
Der Folterkeller
von Rüdiger Silber
nach einer Story von Uwe Voehl
1.
Vergangenheit (Schloss Behemoth)
Schloss Behemoth in der Steiermark war eine von meinem Onkel Cyrano geführte Internatsschule für die Zöglinge der besseren Dämonenfamilien. Zu der Zeit, als meine Schwester Vera und ich dort aufgenommen wurden, gab es nur eine einzige Professorin. Sie hieß Sandra Thornton, und sie unterrichtete ein einziges Fach: die Schwarze Magie. Als Weib war Sandra böse. Als Hexe durchschnittlich. Aber als Lehrerin anerkannt.
Schon bei der Anmeldung seiner Töchter hatte unser Vater den Onkel darauf vorbereitet, wen er zu erwarten habe: Vera, die ältere, wohlgeratene der beiden Schwestern, sei grausam veranlagt und auch lernbegierig, was die Schwarzen Künste betreffe, aber leider als Hexe nur mäßig begabt. Coco, das Sorgenkind, sei drauf und dran, ungeraten zu werden. Weichherzig sei sie, allzu menschenfreundlich. Allen Anzeichen nach hochbegabt für die Hexenkünste, aber leider nicht sehr daran interessiert, sie zu meistern.
Sandra Thornton beriet sich mit Cyrano. Das Ergebnis waren zunächst unterschiedliche Lehrinhalte für Vera und mich. Später solle sich das ändern, hieß es. Was sich jedoch nie änderte, war die Vorzugstellung, die Vera genoss.
Schon vom ersten Unterrichtstag an erhielt Vera die theoretische und praktische Hexenschulung.
Mir hingegen verordnete Sandra vor dem Beginn der magischen Unterweisung eine, wie sie es nannte, Formung meiner Hexenpersönlichkeit. In der Praxis bedeutete das, dass ich tagtäglich endlose Stunden bei funzeligem Licht in der riesigen, staubig-dunklen Schlossbibliothek hockte. Aber ich studierte nicht die magischen Manuskripte und Zauberhandbücher, sondern musste meine Nase in uralte, muffige Scharteken über Hexenverfolgung und Hexenprozesse tunken. Gelangweilt und abgestoßen zugleich kämpfte ich mit dem ungewohnten Schriftbild und der veralteten Sprache. Zeile für Zeile buchstabierte ich mich durch betagte Werke wie Von denen Unholden oder Hexen des Ulrich Molitoris, erschienen anno 1489; durch Johann Weyers Von Teuffelsgespenstern, Zauberern und Gifftbereytern aus dem Jahr 1563; durch die 1591 erschienene Ausgabe von Jean Bodins Vom Außgelasnen Wütigen Teuffelsheer, außerdem durch den Tractat von Bekantnuß der Zauberer und Hexen des Petrus Binsfeld von 1590, durch die Daemonolatria des Nicolaus Remigius in der deutschen Übersetzung von 1598 und durch eine anonyme Schwarte mit dem Titel Ein rechtlicher Proceß gegen die Unholden und Zauberische Personen, welche im Jahr 1629 gedruckt worden war. Ebenso mühsam nagte ich mich durch zahlreiche vergleichbare Schriften. Es war ein überaus schwieriger Lesestoff und so ermüdend wie abstoßend, erst recht für eine kaum elfjährige Hexenschülerin. Hinzu kamen die stockfleckigen, unangenehm riechenden Pergamentseiten, die verfärbten, verzogenen, wurmstichigen Ledereinbände. Einige der Bücher, behauptete Miss Thornton, seien in Menschenhaut gebunden. Ich glaubte ihr nicht recht, aber die Vorstellung mehrte meinen Widerwillen. Auch die teilweise abstoßenden Holzschnitte, welche die Berichte von den Hexenfoltern illustrierten, machten die Sache nicht besser. Darum war ich froh, dass die meisten in der Bibliothek verwahrten Schwarten dieser Art in französischer, lateinischer oder sogar arabischer Sprache gedruckt worden waren, sodass mir ihre Lektüre, da ich diese Sprachen noch nicht beherrschte, erspart blieb.
Die Absicht hinter diesem von Miss Thornton ersonnenen pädagogischen Konzept war, Hass auf Menschen in mir zu schüren. Wenn Menschen angebliche Hexen zu Tode schinden, warum sollten dann echte Hexen Skrupel gegenüber Menschen hegen? Zugleich sollten die Folterberichte die dämonische Lust an der Grausamkeit in mir wachrufen.
Aber die Quälereien in den Folterkellern, über die ich las, stießen mich nur ab. Es stimmt, die Untaten der Hexenverfolger riefen Zorn in mir hervor. Dennoch war ich mir allzu deutlich bewusst, dass meine eigene dämonische Familie den Scharfrichtern und Foltermeistern an Grausamkeit in nichts nachstand. Was in den jahrhundertealten Wälzern geschildert wurde, spielte sich im Keller der Villa Zamis noch heute regelmäßig ab. Obwohl ich Mitleid mit den unter der Hexereibezichtigung gefolterten und verbrannten Frauen und Männern empfand, identifizierte ich mich als künftige Hexe jedoch nicht mit ihnen. Schließlich waren in der Regel keine echten Hexen unter den Opfern. Wirkliche Hexen aus dämonischen Familien wie der meinen besaßen zu allen Zeiten genügend Mittel und Wege, sich dem Zugriff sterblicher Inquisitoren zu entziehen.
Abends, wenn Onkel Cyrano, Sandra Thornton und die drei Schüler, die sich derzeit in ihrer Obhut befanden, am Esstisch im holzgetäfelten Speisesaal saßen und gemeinsam das Abendbrot einnahmen, liebte es die Ausbilderin, uns vor dem Hausherrn zu examinieren und die Lernfortschritte abzufragen, die wir tagsüber erzielt hatten.
Sie begann bei dem Zögling, der schon am längsten auf dem Schloss weilte und auch der Älteste von uns dreien war. Anton Oberstaller war ein hoffnungsloser Fall. Er kam aus Salzburg, gehörte also wie Vera und ich dem alpenländischen Stamm der Schwarzen Familie an. Anton war ein sogenannter Geryone. Geryonen zählen zu den selteneren Dämonen – gegen sie sind Hexen, Werwölfe oder Vampire Dutzendware. Dennoch genießen Geryonen innerhalb der Dämonenzunft nur ein geringes Ansehen. Ihre besondere Fähigkeit besteht darin, dass sie sich dreiteilen, das heißt körperlich in drei identische, aber eigenständige Persönlichkeiten aufspalten können. Oder anders gesagt: Sie sind imstande, einen oder zwei Doppelgänger von sich selbst zu erzeugen. So selten diese Gabe ist, große Macht verleiht sie nicht: Im Zweikampf steht ein Geryone seinem Gegner plötzlich zu dritt gegenüber; ein Geryone kann Arbeiten dreimal so schnell verrichten; ein Geryone kann sich an drei verschiedenen Orten zugleich aufhalten, soweit sie nicht zu weit auseinanderliegen. Das ist nützlich, wenn man Feinde verwirren oder sich ein Alibi verschaffen will. Aber man erwirbt damit kaum so viel Ansehen unter Mitdämonen wie ein durchschnittlicher Gestaltwandler.
Die Natur hatte gegenüber Anton mit ihren Gaben gegeizt. Doch die Oberstaller-Sippe hoffte, ihr Sprössling könne dieses Manko teilweise wettmachen, indem er sich durch Ehrgeiz und Fleiß eine brauchbare Grundlage schwarzmagischer Kenntnisse erwarb. Leider war Anton weder ehrgeizig noch fleißig. Obendrein fehlte ihm jedwedes magische Talent.
Inzwischen war Antons Internatszeit fast zu Ende. Sein Heimreisetermin stand fest. In einer Woche sollte die Abschlussprüfung stattfinden. Es drohte ein Desaster. Die Blamage würde auch Sandra Thornton und am Ende Onkel Behemoth treffen.
Nachdem unsere Lehrerin Anton an der Abendtafel ein wenig auf den Zahn gefühlt und wieder nur blanke Unkenntnis zutage gefördert hatte, sah sie wohlweislich von weiterem Nachbohren ab. Dennoch war nicht zu übersehen, dass Anton, Sandra und Onkel Behemoth der Appetit vergangen war.
Als Nächstes kam Vera an die Reihe. Finster und neiderfüllt sah Anton zu, wie meine Schwester bei Sandras Befragung mit frisch erworbenem schwarzmagischem Schulwissen glänzte.
Zum Schluss nahm Miss Thornton sich die Jüngste vor. Mich.
»Nun zu dir, Coco«, flötete sie. »Wie hast du den Tag verbracht?«
»Ich war in der Bibliothek und habe gelesen«, antwortete ich wunsch- und wahrheitsgemäß.
»Hättest du dann bitte die Güte, unsere Tafel an den Erleuchtungen teilhaben zu lassen, die dein Studium dir gewährt hat?« Miss Thornton liebte eine geschwollene, ironische Ausdrucksweise. Besonders mir gegenüber.
Ich überlegte kurz. Ich wollte das Angelesene möglichst bündig und schlüssig zusammenfassen und damit der Thornton nur wenig Gelegenheit für sarkastische Zwischenfragen einräumen.
»Weltliche Angeklagte, also gewöhnliche Verbrecher«, begann ich, »konnten überleben, wenn sie willensstark genug waren, die Folter auszuhalten, ohne etwas zu gestehen. Sie wurden dann freigelassen. So kamen ausgerechnet die hartgesottenen Frevler manchmal davon.«
Ich fuhr fort: »Doch bei den Hexen war das nicht so. Das crimen magiae, das Verbrechen der Zauberei, galt als crimen exceptum, also als Ausnahmeverbrechen. Ein solches rechtfertigte die tormentum exceptum, die Ausnahmefolter. Den Folterknechten waren keine Grenzen mehr gezogen. Die Folge davon war, dass nichtgeständige Angeklagte in der Regel zu Tode gefoltert und geständige hingerichtet wurden – Überlebende gab es nur selten. Wer des crimen magiae bezichtigt wurde, hatte fast keine Chance, egal wie absurd die Bezichtigung sein mochte. Tausende unschuldiger Menschen fanden unter der Tortur oder auf dem Scheiterhaufen ein entsetzliches Ende.«
»Letzteres, Coco«, unterbrach mich Miss Thornton spitz, »ist kein Aspekt, dem eine wahre Hexe irgendwelche Bedeutung beimisst. Also sei bitte so gütig und halte dich an die schlichten Fakten.«
Ich nickte – und nahm den Faden wieder auf: »In der Folterkammer waren außer dem Inquisiten – dem zu Verhörenden – folgende Personen anwesend: der Richter oder Inquisitor; der Gerichtsschreiber oder Aktuarius als Protokollant; der Scharfrichter oder Foltermeister und einer oder mehrere Folterknechte, die ihm assistierten – diese wurden als Adlaten bezeichnet. Die Folter, auch Peinliche Befragung genannt, war in verschiedene, sich steigernde Schweregrade unterteilt. Die Tortur begann mit der territio nuda sive verbalis, der Verbalterrition oder Schreckung. Diese diente nicht dazu, Schmerzen beizubringen, sondern einzuschüchtern und Angst zu erwecken. Dabei wurden dem Inquisiten oder der Inquisitin die einzelnen Folterinstrumente gezeigt und ihre Anwendung erklärt. Häufig reichte das bereits, um das schuldlose Opfer zu …«
Wieder fiel mir Miss Thornton ins Wort: »Schuldloses Opfer. Das ist in diesem Zusammenhang keine sachliche Wortwahl, liebe Coco.«
Ich verbesserte mich: »… um die Inquisitin zum Geständnis zu bewegen. Verweigerte sie das Geständnis, wurde sie nackt ausgezogen. Das dadurch hervorgerufene Gefühl der Scham und der Schutzlosigkeit galt als Bestandteil der Verbalterrition. Erneut wurde die Inquisitin zum Geständnis gedrängt. Weigerte sie sich weiterhin, ging der Foltermeister von der territio verbalis zur territio realis, zur eigentlichen Tortur über. Jetzt kamen die Folterwerkzeuge direkt am Körper zum Einsatz. Immer wieder wurde die torquenda, die Gemarterte, beschworen, ein Geständnis abzulegen. Nach jeder Weigerung wurde der Foltergrad verschärft, die Folterqual gesteigert. Auf Befehl des Inquisitors konnte der Foltermeister im Verlauf der Tortur an ›geheimen‹ Körperstellen nach dem ›Hexenmal‹ suchen. Hierzu wurden der Inquisitin in einer qualvollen Prozedur alle Körperhaare weggebrannt.«
Ich verstummte. Hoffentlich genügte das für heute. Mir war der Appetit schon jetzt vergangen.
Miss Thornton lächelte süßlich. »Danke für die kundigen Ausführungen, Coco. Du hast fleißig gelernt. Beim nächsten Mal wirst du uns dann en detail über die verschiedenen Foltermethoden aufklären. Bereite dich morgen beim Studium in der Bibliothek entsprechend vor.«
Am folgenden Vormittag betrat ich die düstere Bibliothek eingedenk meiner Hausaufgabe noch widerwilliger als bisher. Als ich mir meine Studienlektüre aus dem Regal zusammenstellte, bemerkte ich eine Lücke in der Reihe der Foliobände. Ich stellte fest, dass es sich bei dem fehlenden Buch um die Hochnötige Unterthanige Wemütige Klage Der Frommen Unschültigen von Hermann Löher handelte. Dieses Werk sticht durch die Menge der Holzschnitte hervor, die die Foltermethoden bei der Hexenvernehmung in allen Einzelheiten veranschaulichen. Niemand war befugt, ohne Graf Behemoths ausdrückliche Erlaubnis ein Buch aus der Bibliothek zu entleihen – schon gar nicht ein derart seltenes Werk: direkt nach dem Erscheinen im Jahr 1676 war die gesamte Auflage des Löher-Wälzers, eines Anti-Hexenjagd-Buches, makuliert worden. Nur zwei bereits verkaufte Exemplare entgingen der Vernichtung. Das Buch hätte zu meiner heutigen Vorbereitungslektüre gehört. Ich überlegte, ob irgendjemand mir übel mitspielen und mich dem Verdacht des Bücherdiebstahls aussetzen wollte.
Später, beim gemeinsamen Abendessen, erfolgte keine Lehrstoff-Abfrage. Wahrscheinlich wollten Sandra Thornton und Onkel Behemoth sich nicht schon wieder die Laune von Antons Aussichtslosigkeit verderben lassen. Dafür erhärtete sich mein Verdacht, dass Anton oder Vera – oder beide – etwas gegen mich im Schilde führten. Anton warf mir unentwegt verstohlene Blicke zu, von denen ich eine kalte Gänsehaut bekam. Vera hingegen gab sich auffallende Mühe, mich wie Luft zu behandeln. Nie blickte sie in meine Richtung. Doch ich sah ihre Mundwinkel zucken, als sei sie permanent bemüht, ein gemeines Grinsen zu unterdrücken.
Nach dem Zähneputzen verschanzte ich mich in meiner Kammer. Sie war klein und spartanisch möbliert. Einen Kamin gab es nicht, weswegen die Kammer im Winter klirrend kalt war. Aber immerhin hatte ich die wenigen Quadratmeter für mich allein. Ein weiterer Vorteil war die zweite Tür, die auf einen schmalen Söller hinausführte. Einzelzimmer mit Balkon, hatte ich gedacht, als ich mein Gemach zum ersten Mal betreten hatte.
Die gemauerten Wände waren so dick, dass ich von Anton Oberstaller, dem Bewohner des Nachbarzimmers, nichts mitbekam. Später, nach seiner Abreise, zog dort der schreckliche Vampirjunge Pietro Salvatori ein … aber das ist eine andere Geschichte.
Ich trat auf den Söller hinaus und beobachtete den schwarzen Kater, der über die Zinnen der Burgmauern stolzierte. In den alten Büchern hatte ich gelesen, dass man den angeblichen Hexen nachsagte, von tiergestaltigen, sogenannten Familiargeistern begleitet zu werden. Diese ›Familiare‹ galten als Dämonen, die Botendienste zwischen den Hexen und ihrem satanischen Gebieter versahen. Ein Rabe, ein Hund, ja sogar ein Hase oder eine Kröte, die sich in eine menschliche Behausung oder auf ein Grundstück verirrten, konnten der Bewohnerin eine Anklage wegen Hexerei und damit die Folter eintragen, weil man die Tiere für den Familiargeist der Bedauernswerten hielt. Schwarze Katzen waren in dieser Hinsicht natürlich ganz besonders verdächtig.
Gerne hätte ich mich mit dem Schlosskater angefreundet. Dann hätte auch ich einen eigenen Familiargeist besessen. Ich wusste sogar schon, wie ich ihn nennen würde: Butzemann. Ein passender Name für einen Teufelsboten in der Maske eines schwarzen Katers, wie ich fand. Oder wäre es umgekehrt – würde vielmehr ich der Familiar des Katers sein? Der Gedanke amüsierte mich. In der Tat war er ja nur ein harmloser Vierpföter – ich hingegen ein Dämon in Menschengestalt.
Leider war es mir nie gelungen, das Tier anzulocken und für mich zu gewinnen. Vielleicht war es allergisch gegen Hexen. Oder es war selbst eine Hexe. Auch das hatte man Hexen nachgesagt – dass sie sich in schwarze Katzen verwandelten.
Bald verschlang die aufziehende