unschuldig - schuldig: Frauenkrimi
Von Elke Gravert
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Über dieses E-Book
Heide Wacker, Schuhverkäuferin aus Elfringheim, begegnet unverhofft ihrem Traummann, dem Filmstar Mario Landmann. Dieser engagiert sie als Double für seine Kollegin, der sie verblüffend ähnlich sieht.
Heides Glück währt nur ein paar Tage, dann stellt sie fest, dass sie schwanger ist.
In den Sechzigerjahren ist es noch eine Schande, ohne Ehemann schwanger zu sein. Die Eltern weisen sie aus dem Haus, sie ist nicht mehr ihre Tochter.
Allein und mittellos auf der Landstraße begegnet Heide dem windigen Typen Richard, der sie mit nach Frankfurt nimmt.
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Buchvorschau
unschuldig - schuldig - Elke Gravert
1. Kapitel
Fräulein Wacker, Kundschaft!"
Albert Kurthäuser, der Chef des ersten Schuhgeschäftes in Elfringheim, steckte den Kopf in den Aufenthaltsraum und bedeutete seiner Verkäuferin Heide, sofort herauszukommen.
„Ein Herr ist da - wahrscheinlich von der Filmgesellschaft", setzte er im Flüsterton hinzu.
„Eine Sekunde, Herr Kurthäuser!"
Heide Wacker schob ihre Kaffeetasse beiseite. Sie sprang auf, lief zum Spiegel und prüfte ihr Aussehen. Sie konnte zufrieden sein. Das seidige dunkle Haar lag wie immer makellos. Zur Arbeit trug Heide es in einem niedlichen kleinen Schwänzchen hoch gebunden. Doch Heide war sechzehn und ein Filmstar wartete auf sie! Kurz entschlossen löste sie das Haar, dessen Locken nun ungebändigt auf den gelben Perlonkittel hinunter fielen.
„Du glaubst wohl, der Herr vom Film engagiert dich auf der Stelle?" fragte ihre Kollegin Rita sauer süß.
„Natürlich nicht, Rita. Aber man kann nie wissen..."
Mit diesen Worten war Heide zur Tür hinaus und stürzte in den Verkaufsraum. Doch auf der Schwelle blieb sie wie angewurzelt stehen.
Es war Mario Landmann persönlich, der dort mitten im Laden stand! Er musterte sie mit einem halb spöttischen, halb überraschten Ausdruck.
„Nun wollen Sie mir keine Schuhe verkaufen, Fräulein?" fragte er dann mit seiner wohlbekannten melodischen Stimme.
„Verzeihung, Herr Landmann! stotterte sie. „Aber ich bin so überrascht, dass gerade Sie es sind. Was darf ich Ihnen zeigen?
Heide trat näher. Er lächelte immer noch und Heide lächelte zurück. Die Verlegenheit war verschwunden. Das junge Mädchen beschloss, diese Gelegenheit, mit seinem Lieblingsstar zusammen zu treffen, nach Kräften zu nutzen.
„Ich möchte ein paar derbe Schuhe haben, möglichst Haferlschuhe", erklärte Mario Landmann. Seine Stimme klang wie Musik.
„Haferlschuhe?" Heides Stimme verriet ein wenig Erstaunen. Es war nicht die Art Schuhe, die ein Mario Landmann zu tragen pflegte. Sie sah auf seine weichen hellbraunen Schuhe hinab Budapester, handgearbeitet, vermutete sie.
„Größe zweiundvierzig, vermutlich" sagte Heide.
„Donnerwetter, können Sie das auf Anhieb sehen?" staunte er.
Da mischte sich Herr Kurthäuser ein, der bisher abwartend hinter seiner Kasse gestanden hatte.
„Fräulein Wacker sieht jedem Kunden die Schuhgröße an. Ein Talent, das nur wenige Verkäuferinnen besitzen. Leider!"
„Nun, dann machen Sie ja Ihrem Namen alle Ehre, Fräulein Wacker", schmunzelte Mario Landmann und setzte sich auf einen der mit Kunstleder bezogenen Stühle.
Heide erklomm inzwischen eine Leiter und suchte unter den oberen Schuhkartons. Ein wenig länger als sonst dauerte das, denn Heide wusste genau, dass sie hübsche Beine hatte. Mario Landmann sollte ausgiebig Zeit haben, sie zu betrachten.
„Dort oben links stehen doch unsere Haferlschuhe, Fräulein Wacker", klang Herrn Kurthäusers Stimme ungehalten von der Kasse her. Warum stellte sich Heide ausgerechnet jetzt so ungeschickt an?
Der biedere Herr Kurthäuser hat aber auch kein bisschen Fantasie, dachte Heide. Schließlich kommt nicht alle Tage ein Filmstar nach Elfringheim.
Endlich hatte sie den richtigen Karton und kam mit strahlendem Lächeln auf Mario Landmann zu.
„Ich hoffe, sie gefallen Ihnen?" sagte sie und hielt ihm den aufgeklappten Karton zur Ansicht hin.
Doch er achtete gar nicht darauf, sondern betrachtete Heides liebliches Gesicht mit wachsendem Interesse.
„Sie haben eine geradezu verblüffende Ähnlichkeit mit Linda Corvin. Wissen Sie das, Fräulein Wacker?"
Jetzt wurde Heide rot. Wie Lindas kleine Schwester, dachte er amüsiert und sie gefiel ihm immer mehr.
„Meine Kolleginnen haben das auch schon gesagt", sagte Heide sehr leise, denn sie wollte nicht, dass Herr Kurthäuser die ganze Unterhaltung mitbekam.
„Und Sie selbst? Glauben Sie auch, dass Sie ihr ähnlich sehen?" forschte Mario Landmann ebenso leise.
„Ich mag es nicht hören, wenn man mich mit einem Filmstar vergleicht, sagte Heide. „Schließlich ist man doch auch wer!
Sie warf die langen Locken mit einer gespielt selbstbewussten Bewegung in den Nacken.
Sie stellte den Schuhkarton hin und begann, die Schnürsenkel seiner Schuhe zu lösen.
„Da haben Sie Recht. Trotzdem ein Frage: Hätten Sie nicht Lust ein bisschen Geld zu verdienen und für einen Tag Linda Corvins Double zu spielen?"
Heide fuhr zusammen wie elektrisiert. Da war sie, die Chance, auf die sie immer gewartet hatte. Sie hatte davon abends im Bett geträumt und auch manchmal tagsüber, wenn es gar zu öd in dem Elfringheimer Schuhgeschäft war.
„Ein Double? fragte sie gedehnt. „Muss ich da anstelle von Linda Corvin ins Wasser springen? Oder aus einem brennenden Haus stürzen?
Er lachte. „Niemand verlangt akrobatische Kunststücke von Ihnen. Es geht alles ganz harmlos zu. Passen Sie auf: Frau Corvin bekam soeben die Nachricht, dass ihr kleiner Junge schwer erkrankt ist. Sie ist nun außer sich vor Kummer und möchte natürlich sofort hinfahren. Aber es sind noch einige Szenen zu drehen, bei denen sie nicht fehlen kann.
Mario Landmann machte eine Pause, denn Herr Kurthäuser trat näher. Offenbar wunderte er sich über das lange Verkaufsgespräch.
„Gefallen Ihnen die Schuhe nicht, Herr Landmann? Gewiss, es ist sehr schwer für einen so verwöhnten Geschmack wie den Ihren etwas auf Lager zu haben..." Er hob bedauernd die Schultern.
„Die Schuhe sind richtig. Genau das, was ich brauche, um hier durch die Felder zu stapfen. Danke schön!"
Mario warf Herrn Kurthäuser einen verabschiedenden Blick zu, so dass sich der Chef des Schuhhauses betroffen zurückzog.
Sieh mal an, er flirtet mit unserer kleinen Heide! dachte Herr Kurthäuser. Diskret zog er sich in das benachbarte Büro zurück.
Kein Kunde betrat um diese frühe Morgenstunde das Geschäft. Heide stellte es mit Erleichterung fest und auch Mario Landmann war froh. Er konnte Heide ungestört erzählen, was er mit ihr vor hatte.
„Die Stadt Elfringheim gibt heute einen Empfang für die Camera-Filmgesellschaft. Vielleicht haben Sie davon gehört?"
Heide nickte. „Ich habe es im Anzeiger gelesen. Der Empfang soll in der Godenen Traube stattfinden, nicht wahr?"
Er nickte. „Und was meinen Sie, was passiert, wenn Frau Corvin nicht dabei ist?"
„Die Elfringheimer werden maßlos enttäuscht sein," meinte Heide voll Überzeugung.
„Genau das fürchtet Frau Corvin auch. Sie würde an Publicity einbüßen und das mag kein Filmstar. Darum kam mir eben der Gedanke, dass Sie sie auch beim Empfang vertreten könnten."
„Ich?" Heide war völlig verwirrt. Machte sich Mario Landmann auch nicht über sie lustig?
„Ich erkläre Ihnen das später. Gehen Sie mit mir Mittagessen? Dann können wir uns ungestört darüber unterhalten. Ihre Kollegen sind mir gar zu neugierig hier."
Heide richtete sich aus ihrer gebückten Stellung auf und sah um sich. Tatsächlich, Rita stand in der Tür und bekam vor Staunen den Mund gar nicht mehr richtig zu. Geschah ihr Recht. Eben hatte sie noch gelacht, weil Heide ihre Haare anders gekämmt hatte. Nun sah sie mit eigenen Augen, zu welchem Resultat das geführt hatte. Linda Corvin trug nämlich die Haare meistens so. Auf diese Weise wurde die verblüffende Ähnlichkeit noch unterstrichen.
„Aber wenn wir zusammen zu Mittag essen, erkennt Sie doch jeder, Herr Landmann. Und mich kennen hier in Elfringheim auch fast alle." wandte Heide ein.
„Keine Sorge, das machen wir schon. Wir fahren eben in den Nachbarort. Da kennt Sie kein Mensch. Abgemacht?"
„Abgemacht!" strahlte Heide und packte die Schuhe ein.
„Ich hole Sie um ein Uhr ab. Können Sie dann vor dem Geschäft warten?"
„Ja klar!" Heide schnürte eine Kordel um das Paket und reichte es ihm.
„Brauchen Sie auch die passende Pflege für die Haferlschuhe, Herr Landmann?" fragte Herr Kurthäuser. Er stand wieder hinter seiner Kasse und sah Heide etwas tadelnd an. So etwas vergaß man doch nicht zu fragen.
„Nein, die brauche ich nicht, mein Hotel putzt die Schuhe", sagte Mario Landmann und beglich die Rechnung, die ihm Herr Kurthäuser jetzt reichte. Anschließend brachte der Chef den Filmstar mit einer tiefen Verbeugung zur Ladentür.
Hinter dem Rücken ihres Chefs strahlte Heide Mario Landmann an. Er winkte ihr nur zu und stieg dann in seinen Wagen.
Einen Moment blieb Heide mitten im Laden stehen und fuhr sich über die Stirn. Hatte sie das alles nur geträumt?
Doch ihre Kollegin Rita bewies ihr, dass es die reine Wirklichkeit war.
„Was hat er gesagt, worüber habt ihr euch so lange unterhalten?" Rita platzte fast vor Neugier.
Heide hob die Schultern. „Wir haben uns eben unterhalten. Aber es war nichts Besonderes."
„Der hat dich vielleicht angeschaut mit seinen tollen schwarzen Augen!"
„Er hat braune Augen, Rita und in Wirklichkeit sieht er noch besser aus, als auf den Fotos."
Unterdessen betrat Mario Landmann mit dem Schuhkarton sein Hotel. In der Halle traf er Linda Corvin und den Regisseur, Ronald Gilbert. Dieser und Linda waren in eine heftige Diskussion verwickelt.
„Meinungsverschiedenheiten?" fragte Mario und setzte sich zu ihnen in die kleine Sitzgruppe vor der Rezeption.
„Und ob", meinte Gilbert. „Linda hat es sich in den Kopf gesetzt, heute Abend zu ihrem Kind zu fahren. Gewiss, dafür habe ich ja volles Verständnis, aber der kleine Max ist doch in guten Händen bei Lindas Mutter. Und dann der Empfang heute Abend! Wie sollen wir den machen ohne Linda?
Kein Mensch weiß, dass sie verheiratet ist, geschweige denn ein Kind hat."
„Lasst euch was einfallen, sagte Linda. „Ich pfeife auf den Empfang, mein Kind ist mir jetzt wichtiger.
Vor langer Zeit einmal war Linda Corvin Marios Geliebte gewesen. Aber seit sie ein Kind hatte, fand er sie lange nicht mehr so attraktiv. Jeder zweite Satz, den