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DAS ZWEITE TESTAMENT: Der Krimi-Klassiker!
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eBook274 Seiten3 Stunden

DAS ZWEITE TESTAMENT: Der Krimi-Klassiker!

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Über dieses E-Book

Das Haus, das zu verkaufen selbst die Grundstücksmakler für unmöglich hielten, war groß. Ein Fachwerkgebäude, weit von dem Seitenweg abgesetzt, stand auf einem jetzt völlig von Unkraut überwucherten Feld. Verwahrlost, baufällig, seit Ewigkeiten nicht mehr gestrichen. Nachdem Ackerman im Funkstreifenwagen langsam den kaum noch erkennbaren Anfahrtsweg hinauf und dann um das Haus herum auf einem halbkreisförmigen Weg zu den Scheunen gefahren war, sah auch Heimrich, der in der Limousine folgte, dass die Bodenplanken der vorderen, die ganze Breite des Hauses ein-nehmenden Veranda niedergebrochen waren. Werk der Verwitterung und vermutlich auch der Termiten. Die Fensterscheiben in der Fassade waren fast alle zerschlagen. Das Werk junger Vandalen, zum Teil mindestens...

 

Der Roman Das zweite Testament von F. R. Lockridge (eigentlich Richard Orson Lockridge; * 26. September 1898 in Missouri; † 19. Juni 1982 in South Carolina) erschien erstmals im Jahr 1962; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte 1964.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum4. Jan. 2022
ISBN9783755404316
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    Buchvorschau

    DAS ZWEITE TESTAMENT - F. R. Lockridge

    Das Buch

    Das Haus, das zu verkaufen selbst die Grundstücksmakler für unmöglich hielten, war groß. Ein Fachwerkgebäude, weit von dem Seitenweg abgesetzt, stand auf einem jetzt völlig von Unkraut überwucherten Feld. Verwahrlost, baufällig, seit Ewigkeiten nicht mehr gestrichen. Nachdem Ackerman im Funkstreifenwagen langsam den kaum noch erkennbaren Anfahrtsweg hinauf und dann um das Haus herum auf einem halbkreisförmigen Weg zu den Scheunen gefahren war, sah auch Heimrich, der in der Limousine folgte, dass die Bodenplanken der vorderen, die ganze Breite des Hauses ein-nehmenden Veranda niedergebrochen waren. Werk der Verwitterung und vermutlich auch der Termiten. Die Fensterscheiben in der Fassade waren fast alle zerschlagen. Das Werk junger Vandalen, zum Teil mindestens...

    Der Roman Das zweite Testament von F. R. Lockridge (eigentlich Richard Orson Lockridge; * 26. September 1898 in Missouri; † 19. Juni 1982 in South Carolina) erschien erstmals im Jahr 1962; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte 1964.

    Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

    DAS ZWEITE TESTAMENT

    Erstes Kapitel

    Von der Terrasse aus konnte Susan Heimrich den Autobus nicht sehen, wohl aber das Kreischen seiner Bremsen beim Stoppen hören - ein ziemlich lange dauerndes Kreischen, so dass sie, wie stets, einen Moment innerlich bebte. Mussten Bremsen wirklich so kreischen? Die Gegend war hügelig, da brauchten die Busse einwandfreie Bremsen. Kreischten sie gerade hier vielleicht so, weil...? Wie stets, schüttelte sie den Gedanken ab. So eine übernervöse Mutter bist du doch gar nicht, ermahnte sie sich. Sie hörte Kinderstimmen und dann das harte, mahlende Geräusch, als der Bus wieder startete und aut der High Road weiterfuhr: zur Kurve in den Van-Brunt- Pass. Als er das Tempo in der Kurve verlangsamte, protestierten die Bremsen wieder, aber dort war es ja erklärlich.

    Ein so schöner Morgen, einer der ersten Junitage. Sie hatte sich wieder ganz beruhigt.

    Eine ungewöhnlich große dänische Dogge kam die steile Zufahrt zum Hause herauf, in einer Gangart, als könne jeder Schritt der letzte sein. Als der Hund Susan im Sonnenschein auf der Terrasse stehen sah, machte er halt und schüttelte den Kopf, und sie dachte, dass er gleich eine seiner schweren Vorderpfoten erheben würde, um die immer tränenden Augen auszuwischen. Doch das tat er nicht. Schwerfällig ging er weiter - ein Hund ohne Ziel, der aussah, als hätte er Selbstmordgedanken.

    »Er kommt ja zurück, Colonel«, rief Susan ihm über den Rasen hinweg zu. An einem so schönen, frischgrünen Sommertag durfte doch ein Hund nicht unglücklich sein! »Du weißt doch, dass er kommt.«

    Colonel blieb wieder, das mächtige Haupt senkend, ein Weilchen stehen, dann schritt er auf schweren Beinen in die Richtung zu ihr, und sie glaubte ihm anzumerken, dass er nun den harten Schicksalsschlag zu ertragen bemüht war. Der Junge ist fort - er wird nie wiederkommen, schien er zu denken. Es ist bitter, ein Hund zu sein. Die Liebe lohnt nicht.

    Er lernt es nie, dachte Susan. Manchmal finde ich ihn ein bisschen beschränkt. Ist ja auch nicht so wichtig. »Komm mal her, Colonel«, rief sie, »ich will’s dir noch mal erklären.«

    Colonel kam auf die Terrasse, ließ sich schlapp hinfallen, legte den Kopf auf die Pfoten und schaute Susan Heimrich von unten her an. Mochte sie es ihm wieder mal erklären - er glaubte ihr, wie früher auch, kein Wort davon.

    An fünf Tagen in der Woche begleitete er vom Hause bis zur Straße den Jungen und wartete dort neben ihm. An den fünf Tagen sam das Ungeheuer mit dem schrecklichen Geruch herangesaust und nahm den Jungen in sich auf, und wenn er dann seinem kleinen Abgott, diesem Jungen, folgen wollte, sagte der: »Nein, Colonel, nein, das geht nicht.« Dann setzte Colonel sich hin, zog den Schwanz dn und weinte. Das übelriechende riesige Ding sauste davon, mit dem Jungen in sich. Und er trottete die Anfahrt hinauf, obwohl das doch gar keinen Sinn mehr hatte. Nichts hatte Sinn.

    »Er kommt ja wieder«, sagte Susan ganz ernst zu dem bekümmerten Tier. »Kurz nach drei. Und dann gehst du doch hin, zehn Minuten zu früh, und sitzt vor dem Haus, und wenn du den Bus kommen hörst, bellst du einmal kurz und tollst ihm entgegen Sie hielt inne. Nein, es war nicht Colonels Art, zu tollen. Er, ja, was tat er denn? Latschte er? »Dann rennst du zum Tor hinunter, und der Bus hält und er steigt aus«, sagte Susan zu ihrem Hund, der eigentlich Michael gehörte. »Du weißt doch, wie’s immer ist, nicht wahr?«

    Colonel schloss die Augen. Was die Menschen einem Hund so vorlügen! Die Frau kraulte ihm die Schulter, das war ja ganz angenehm, aber - diese Lügerei!

    »Komm mit, ich will mal nachsehen, ob schon Zinnien aufgeblüht sind«, sagte Susan, stand auf, ging in den Garten und suchte zwischen dem Unkraut nach jungen Blüten. Die mussten doch jetzt eigentlich aufgehen, wenn auch der Frühling so spät begonnen hatte. Manchmal gab es hier ja wirklich einen Frühling, über den die Zeitungen schrieben; einen, der so war, wie er nach dem Kalender sein sollte, nicht wie diesmal, mit Schnee noch Mitte Mai. Fast ihr ganzes Leben wohnte sie schon in der kleinen Stadt Van Brunt, bei Hawthorne im Staat New York, und einen ganz richtigen Frühling hatte es noch nie gegeben. Jedes Jahr hatte sie die Leute sagen hören - und es auch selbst gesagt -, der Frühling beginne dieses Jahr recht spät. Und sie redeten das so hin, als habe er sonst immer pünktlich begonnen. Vor drei Wochen hatte es noch geschneit, freilich. war der Schnee rasch geschmolzen. Und auf einmal dieser herrliche Morgen. Sommer!

    Ob wohl schon Zinnien aufgeblüht sind? Für das Unkraut jedenfalls ist der Frühling günstig gewesen, grübelte sie. Aber da war ja eine, und dort! Und da, wahrhaftig, ein halbes Dutzend dicht beieinander, ganz vom Unkraut eingezwängt. Pflanzen sind doch lächerlich, dachte Susan, kniete sich auf die Erde und fing an, Unkraut auszureißen.

    Sie war Ende der Zwanzig, schlank und Ziemlich groß, hatte weit auseinanderstehende graue Augen, braunes, kurz geschnittenes Haar und etwas kantige Schultern. Zu weiten Cordhosen, weißen Söckchen und alten Tennisschuhen trug sie ein weißes, ihr viel zu großes Männerhemd, die Ärmel an den Handgelenken umgeschlagen, und stützte sich bei ihrer Arbeit ab und zu auf die Hände. Sie roch etwas nach Insektenbekämpfungsmitteln. Die Eintagsfliegen waren dieses Jahr ganz bösartig. Wie jedes Jahr.

    Ein Sohn in der Schule, der Mann beruflich unterwegs, und die Frau zwischen zudringlichem Unkraut nach zaghaft wachsenden Zinnien suchend. Alles schön und gut, friedlich, wie es sein sollte. Susan wehrte ein leises Schuldgefühl ab. Martha Collins betreute sicher das Geschäft aut der Van Brunt Avenue ganz ordentlich - den Laden im Zentrum des Ortes, der eigentlich mehr eine kleine Ausstellung war. An dessen einem Schaufenster, links unten in der Ecke, mit kleinen eleganten Buchstaben Susan Faye, Textilien stand. Also war es für Susan Heimrich noch früh genug, wenn sie morgen dort wieder mit dem alten Namen auftrat, der ihr in letzter Zeit viel unwichtiger erschien als früher. Morgen mochte das Unkraut weiterwachsen - und das tat es ja nicht zu knapp! Sie widmete sich dann wieder ihrer Gouache-Malerei und klatschte Farben auf Zeichenpapier. Heute, dachte sie, bin ich nur Mrs. Heimrich, Hausfrau und Unkrautrupfer der Familie.

    Oh, jetzt habe ich eine Zinnie ausgerissen! Sie grub die kleine Wurzel wieder ein, aber ohne Zuversicht. Umpflanzen soll man die erst, wenn sie vier Blätter haben, und diese hatte nur zwei, das arme Pflänzchen. Viel zu jung noch...

    Der große Hund, der das Suchen nach Blumen für unter seiner Würde gehalten hatte, bellte laut. Nur einmal, ein Zeichen, dass irgendetwas geschah, und dann noch ein paarmal, was bei ihm Missfallen an dem, was er wahrnahm, bedeutete. Susan erhob sich. Der Blumengarten lag hinter dem Hause, das, in seiner Form noch die niedrige Scheune verratend, die es einst gewesen war, auf einer Anhöhe stand, von der man zum Hudson hinabblicken konnte. Als Colonel weiterbellte, jetzt so, wie Hunde es tun, wenn sie sich als Wächter fühlen, ging sie ums Haus zur Terrasse. Draußen stand Colonel, mit gesträubtem Rückenhaar, und spähte nach der Einfahrt, Dann begann er, sich auf steifen Beinen dorthin zu bewegen, laut bellend und dazwischen zornig knurrend.

    »Colonel!«, rief Susan hinter ihm her. »Platz, Colonel. Hörst du nicht! Platz!«

    Der Hund legte sich nicht hin. Er machte in seinem bedrohlichen Vormarsch ein Stückchen vor dem Mann halt, der zum Hause heraufkam. Der ging sehr langsam, die Steigung ermüdete ihn offenbar. Als er Susan sah, blieb er einen Augenblick stehen, bevor er, ihr und dem ergrimmten Colonel entgegen, weiterschritt.

    Er schien sehr alt zu sein. Nicht groß, und ganz mager. Sogar aus der Entfernung, die noch über dreißig Meter betrug, konnte Susan die grauen Bartstoppeln in dem Greisengesicht sehen. Der Fremde trug schwarze Hosen, die an der rechten Seite einen Riss hatten, niedergetretene schwarze Schuhe, wie sie früher zum Frack üblich waren, ein dunkles Hemd und eine Mütze, die in ihrer Kleinheit wie die Karikatur der sogenannten Sportmütze wirkte. Er ging mühsam auf dem Kies der Anfahrt weiter. Colonel bellte, stand aber jetzt still, und der Mann beachtete ihn gar nicht, sondern blickte auf den Weg zu seinen Füßen, als zähle er die Schritte, die vielen, vielen Schritte, die er noch machen musste.

    Ein Landstreicher, dachte Susan - in dieser Gegend, wo man fast nie einen sieht. Ein armer alter Mensch, der um Almosen bettelt. Kein Wunder also, dass Colonel gebellt hat, denn Hunde sind ja Snobs. Dieser elende Alte, so müde, aber anscheinend harmlos, war schlecht gekleidet und sah ungewaschen aus. Es war sehr gut möglich, dass Colonel, sogar bei dem Abstand, die Unsauberkeit roch. Und das vor allem war es wohl, was den Hund so empörte: Ein Fremder kam und - ging zu Fuß! Fremde kommen in Autos, nicht zu Fuß, das weiß jeder Hund in den Dörfern.

    »Platz, Colonel!«, rief Susan wieder. »Und lass jetzt das Kläffen sein!« Kläffen war kaum die rechte Bezeichnung bei Colonel, einem kolossalen Hund, dessen gewaltiges Bellen man weithin zwischen den Hügeln als Echo hörte.

    »Platz!«, rief Susan nochmals, so laut und streng sie es vermochte.

    Und genau in diesem Augenblick stürzte, als gehorche er ihrem Befehl, der kleine alte Mann zu Boden. Er fiel ohne jeden Versuch, den Sturz zu vermeiden, und lag reglos auf dem Kiesweg. Ein dunkler Klumpen, am hellen, sonnigen Vormittag.

    Susan lief zu ihm, zuerst über den Rasen, dann ein Stück auf der Zufahrt, wobei der Kies unter ihren eilenden Füßen knirschte. Als sie dem Alten näher kam und mehr erkennen konnte, hielt sie einen Moment inne und hob unwillkürlich die Hand vor den Mund. Dann trat sie dicht an den Fremden heran, der da im Sonnenschein auf dem weißen Kies blutete, und kniete neben ihm nieder. Sehr schlimm, das viele Blut. Dunkel kam es aus seinem offenen Mund. Die Augen waren weit geöffnet.

    Zuerst schien es ihr, als seien sie schon blicklos, aber nein, ihr Ausdruck hatte sich doch soeben verändert? Sie beugte sich tiefer über den Greis. Und da versuchte er, etwas zu sagen - es klang unklar, war eher ein Gurgeln als Sprechen. Die Mütze war ihm beim Fallen vom Kopf gerutscht, sein langes graues Haar war schmutzig. Wieder mühte er sich um Worte, doch was er hervorbrachte, war wieder kaum hörbar.

    Ein Wort fing sie auf, oder den Teil eines Wortes, das wie ell klang. Ein Name? Susan konnte nur raten. Vielleicht war es nur ein Fluch gewesen, ein hoffnungsloses zum Teufel? Sie wiederholte, dass sie nichts verstehen könne, und wollte schon sagen, ich hole Hilfe, da versuchte er es noch einmal. Und jetzt schien das einzige Wort, das er formte, wie well zu klingen. Ein well, das vielerlei bedeuten konnte. Es mochte heißen: Unglaublich, weil er nicht wusste, wie ihm geschah. Oder: Na, nicht zu ändern, weil er sich in sein Schicksal ergab. Seine blassblauen Augen schienen zu fordern, dass sie ihn verstehe, und gleichzeitig verzweifelnd darum zu bitten. Als er jetzt abermals zu sprechen versuchte, quoll das Blut dicker aus seinem Munde, so dass kein Wort mehr durch die Lippen dringen konnte. Seine Augen blickten leer, ohne Ausdruck.

    Susan wusste, dass er tot war. Das kann ein Unerfahrener nicht immer gleich wissen, aber sie wusste es. Susan Heimrich erhob sich und blickte auf den Toten hinab. Da sah sie zum ersten Mal, dass das Blut, in dem er lag, nicht seinem Munde entströmt war. Eine Seite seines dunklen Hemdes war ganz durchtränkt. Verblutet war der schwache alte Mann, doch nicht so wie sie gedacht hatte. Er hatte schon eine Verletzung gehabt, eine tödliche Verletzung!

    Helfen konnte sie ihm nun nicht mehr. Sie wandte sich von der Leiche ab und lief zum Hause zurück. Der große Hund stand noch starr, mit gesträubtem Fell, auf dem Wege. »Komm, Colonel«, sagte sie und merkte, dass ihre Stimme jetzt schrill klang. Colonel kam, sie hielt die Tür für ihn auf und ging mit ihm in die Wohnung, wo er zu wimmern begann.

    Rasch drehte sie die Wählscheibe des Telefons, aber es kam ihr lange vor, bis sie die erwartete Antwort hörte: »Staatspolizei, Sergeant Blake.«

    »Neil«, sagte sie, »hier Susan Heimrich. Ich...«

    »Nanu sagte Neil Blake, da sie plötzlich schwieg. »Hallo, Mrs. Heimrich!«

    »Es ist was passiert«, begann sie wieder. »Ist der Captain da? Ich habe einen

    »Moment«, sagte Sergeant Neil Blake, und es ging auch sehr schnell. Eine vertraute Bassstimme sagte »Heimrich«, und schon, als sie »Su gesagt hatte, die erste Silbe ihres Vornamens, fragte er, schnell, besorgt: »Was gibt’s denn, Schatz?« Und dann hörte er zu. Stellte nur eine einzige Frage: »Bist du sicher, dass er tot ist?«

    Ja, sie war ganz sicher.

    »Viertelstunde«, sagte er. »Du solltest aber doch lieber...«

    »Ich weiß«, erwiderte sie, und wieder fand sie die eigene Stimme so sonderbar fremd. »Es ist nur - wirst du auch...?«

    »Wir beeilen uns«, versicherte Captain Merton Heimrich, von der Kriminalabteilung der Staatspolizei in Hawthorne, seiner Frau. Susan tat, was er ihr gar nicht hätte zu sagen brauchen: Sie verließ die Wohnung, schloss den noch wimmernden Hund ein und zwang sich, den Weg bis zu dem Toten wieder hinunterzugeben. Er lag unverändert da. Sie ging wieder zur Terrasse und setzte sich dort hin. Wenn ein Mensch durch Gewalt zu Tode kommt, soll nichts verändert werden, soll er nicht vom Platz bewegt, nicht angefasst und auch sonst nichts getan werden, was den Eindruck des Tatbildes verwischen könnte. Es kam ihr lange vor, bis sie, noch in der Ferne, ei ne Polizeisirene hörte.

    In einem Funkstreifenwagen fuhren zwei Polizeiwachtmeister vor. Sie kannte beide nicht, doch der eine kannte sie und sagte, eigentlich sinnlos: »Tut mir leid, die Sache da, Mrs. Heimrich.« Darauf gab es keine direkte Antwort. Ebenso sinnlos sagte sie: »Ich weiß.«

    Dann kam im zweiten Wagen, einer neutralen Limousine, Heimrich selbst mit Sergeant Charles Forniss. Sie stiegen jeder an einer Seite aus. Beide waren groß, breit und kräftig. Der, der rasch über den Rasen ging, hatte auffallend blaue Augen. Er streckte Susan beide Hände entgegen. »Hast du’s gut überstanden?«, fragte er, indem er sie besorgt ansah.

    »Aber ja«, antwortete sie, und es war wieder ihre richtige Stimme, klang sogar beinah forsch.

    Merton Heimrich lächelte ein wenig. »Na schön«, sagte er, »will dich ja nicht bemuttern«, legte ihr aber doch für ein Weilchen einen Arm um die Schultern und drückte sie an sich. So viel, dachte er, darf sich ja wohl ein Polizeibeamter auch im Dienst erlauben.

    Sergeant Forniss hockte neben dem Toten und betrachtete ihn genau, ohne ihn zu berühren. Als Forniss aufstand und zur Terrasse kam, zog Heimrich den Arm von der Schulter seiner Frau zurück. Susan hätte, trotz des Ernstes der Situation, über seinen schüchternen Liebesbeweis beinahe gelacht.

    »Morgen, Mrs. Heimrich«, sagte Forniss, und zu seinem Captain: »Jawohl. Ist tot. Anscheinend erschossen.«

    »Da, wo er umfiel also«, gab Heimrich zurück.

    »Jawohl. Vermutlich genau auf dem Fleck.«

    Susan schaute zu ihrem Mann empor. »Weil er«, sagte Heimrich, »wie du durchgabst, den Weg heraufkam, vielleicht dreißig Meter, vom Eingang gerechnet - stark blutend, und weil auf der Strecke keine Blutspur zu sehen ist. Einen Schuss hast du nicht gehört?«

    »Nein«, erwiderte sie. »Das heißt: Ich entsinne mich nicht, einen gehört zu haben. Der Hund machte solchen Spektakel. Ich...«

    Sie wurde unterbrochen. Es kam noch eine Limousine, der mehrere Männer in Zivil entstiegen. Einer mit einer Kamera und zwei mit Kästen, den Geräten des Spurensicherungsdienstes. Der Fotograf begann sofort Aufnahmen zu machen. Ein weiterer Wagen brauste heran, er brachte den Arzt, der mit seiner schwarzen Tasche gleich zu dem Toten ging, sich neben ihn hockte und ein Stethoskop ansetzte. Er erhob sich rasch wieder, schaute sich um und ging, als er die Gruppe sah, zur Terrasse,

    »Tot - gar keine Frage«, sagte er zu Heimrich. »Schusswunde. Geschoss hat wahrscheinlich die Aorta gestreift...«

    »Aus größerer Entfernung?«

    »Aber Captain, wie soll ich das jetzt schon wissen! Wenn die Schusswaffe eine Pistole war: nein. War’s ein Gewehr, dann kommt es doch sehr auf Kaliber und Reichweite an, nicht wahr? Werden’s wissen, wenn wir ihn sezieren.«

    Der Mann mit der Kamera machte wettere Aufnahmen. Ein Beamter nahm Abdrücke von den toten Fingern. Ein dritter Beamter, mit Zeichenblock, machte eine Skizze vom Tatort.

    Hinter dem Wagen des Arztes kam eine Ambulanz. Zwei Männer in weißen Lazarettmänteln stiegen aus. Der Arzt ging zu ihnen und sagte: »Tot vorgefunden. Schusswunde, dem Augenschein nach.«

    Heimrich und Sergeant Forniss gingen zu der den Toten umstehenden Gruppe. Diesmal setzte Heimrich sich auf die Hacken und betrachtete ihn eine Weile. Als er aufstand, sagte er: »In Ordnung, Doktor, Sie können ihn haben«, und ging wieder zur Terrasse.

    Einer der Wachtmeister sagte: »Captain...« Heimrich blieb stehen, und der Beamte erklärte ihm etwas, was Susan nicht mithören konnte. Heimrich machte kehrt und betrachtete, jetzt stehend, abermals den Toten. Dann winkte er Forniss mit kurzer Kopfbewegung zu, und sie gingen zusammen auf die Terrasse.

    Männer in Weiß legten den Toten auf eine Bahre und schoben sie in den Sanitätswagen, der rückwärts im Leerlauf zur Landstraße hinausrollte. Nach einem Weilchen hörten sie den Motor starten.

    Es war schnell gegangen, nach Susans Empfinden eigentlich oberflächlich. Das zu denken fand sie unvernünftig und blieb trotzdem dabei. Sie hatten einen Toten gefunden, hatten ihn fotografiert, Fingerabdrücke von ihm genommen und ihn fortgeschafft. Fehlte da nicht etwas? Sie konnte sich nicht denken, was, aber etwas hätte doch da noch geschehen müssen? Sie merkte, dass ihr Mann sie ansah, nicht mit dem harten Blick wie beim Dienst. »Ganz wie üblich, Susan«, sagte er, als hätte er ihren Gedanken erraten.

    »Nur...«, begann sie.

    »Wenn du siehst, wie’s passiert - eben noch lebendig, auf einmal tot

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