Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

MORD HAT VORRANG - EIN FALL FÜR MR. UND MRS. NORTH: Der Krimi-Klassiker!
MORD HAT VORRANG - EIN FALL FÜR MR. UND MRS. NORTH: Der Krimi-Klassiker!
MORD HAT VORRANG - EIN FALL FÜR MR. UND MRS. NORTH: Der Krimi-Klassiker!
eBook242 Seiten3 Stunden

MORD HAT VORRANG - EIN FALL FÜR MR. UND MRS. NORTH: Der Krimi-Klassiker!

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Es war ein ganz prächtiger Morgen, von dem in die Wohnung des Ehepaares North in Manhattan freilich nicht sehr viel eindrang. Ein schmaler Keil des frühen Sonnenscheins lag auf dem Fußboden ihres Wohnzimmers, und durch die geöffneten Fenster kam frische Luft, frei von der drückenden Feuchtigkeit der Sommerhitze, durchweht vom ersten herben Hauch des Oktobers. Eine Luft, die selbst in diesem Häusermeer beinah angenehm zu atmen war...

 

Der Roman Mord hat Vorrang von F. R. Lockridge (eigentlich Richard Orson Lockridge; * 26. September 1898 in Missouri; † 19. Juni 1982 in South Carolina) erschien erstmals im Jahr 1951; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1961 (unter dem Titel Keine Fingerabdrücke).

Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum1. Okt. 2022
ISBN9783755422020
MORD HAT VORRANG - EIN FALL FÜR MR. UND MRS. NORTH: Der Krimi-Klassiker!

Mehr von F. R. Lockridge lesen

Ähnlich wie MORD HAT VORRANG - EIN FALL FÜR MR. UND MRS. NORTH

Ähnliche E-Books

Mystery für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für MORD HAT VORRANG - EIN FALL FÜR MR. UND MRS. NORTH

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    MORD HAT VORRANG - EIN FALL FÜR MR. UND MRS. NORTH - F. R. Lockridge

    Das Buch

    Es war ein ganz prächtiger Morgen, von dem in die Wohnung des Ehepaares North in Manhattan freilich nicht sehr viel eindrang. Ein schmaler Keil des frühen Sonnenscheins lag auf dem Fußboden ihres Wohnzimmers, und durch die geöffneten Fenster kam frische Luft, frei von der drückenden Feuchtigkeit der Sommerhitze, durchweht vom ersten herben Hauch des Oktobers. Eine Luft, die selbst in diesem Häusermeer beinah angenehm zu atmen war...

    Der Roman Mord hat Vorrang von F. R. Lockridge (eigentlich Richard Orson Lockridge; * 26. September 1898 in Missouri; † 19. Juni 1982 in South Carolina) erschien erstmals im Jahr 1951; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1961 (unter dem Titel Keine Fingerabdrücke).

    Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.

    MORD HAT VORRANG

    Die Hauptpersonen dieses Romans

    Gerald »Jerry« North – ein New Yorker Verleger.

    Pamela »Pam« North – seine Frau.

    Captain William Weigand – Beamter im Morddezernat.

    Dorian Weigand – seine Frau.

    Sergeant Mullins – Weigands Assistent.

    Thelma, Pennina und Lucinda Whitsett – Tanten von Pamela North.

    Grace Logan – wohlhabende Witwe.

    Paul Logan – ihr Sohn.

    Rose Hickey – Gesellschafterin bei Mrs. Logan.

    Lynn Hickey – ihre Tochter.

    Barton Sandford – Biochemiker.

    Sally Sandford – seine Frau, Nichte von Mrs. Logan.

    Dieser Roman spielt in New York.

      Erstes Kapitel

    Samstag, 14. Oktober, 9.11 Uhr, bis Sonntag, 11. Oktober, 11.10 Uhr

    Es war ein ganz prächtiger Morgen, von dem in die Wohnung des Ehepaares North in Manhattan freilich nicht sehr viel eindrang. Ein schmaler Keil des frühen Sonnenscheins lag auf dem Fußboden ihres Wohnzimmers, und durch die geöffneten Fenster kam frische Luft, frei von der drückenden Feuchtigkeit der Sommerhitze, durchweht vom ersten herben Hauch des Oktobers. Eine Luft, die selbst in diesem Häusermeer beinah angenehm zu atmen war.

    Gerald North ließ seine Zeitung auf den Frühstückstisch sinken. Ein lauter Seufzer entfuhr ihm, und den vorwurfsvollen Klang, der herauszuhören war, verdienten die Neuigkeiten, die er soeben gelesen hatte, vollauf. Er atmete tief die Morgenluft ein und meinte, es gäbe voraussichtlich ein schönes Wochenende.

    »Hm«, machte Pam, die die Post las. »Oh...«

    »Das Wetter meinte ich«, sagte Jerry. »Schön draußen. Ich hab’ schon nachgesehen. Morgen tagsüber sonnig und warm, sagt der Wetterbericht.« Er zündete sich eine Zigarette an und inhalierte tief. »Sollen wir nicht mal ins Grüne fahren und zelten? Vielleicht über Nacht draußen bleiben?«, fragte er. »Die fallenden Blätter betrachten?«

    »Oh, Jerry«, gab Pam zurück, »die Tanten!«

    Gerald North fuhr sich mit der Rechten durchs Haar. »Doch nicht etwa Tante Flora? Die mit der Perücke?«

    »Die sind in Kalifornien«, sagte Pamela. »Tante Flora mit ihrem neuen Gatten, meine ich. Nein, es handelt sich um die Tanten aus Cleveland.« Sie betrachtete ihren Mann, der gar nicht erleichtert aussah. »Vaters Schwestern. Tante Flora ist ja Mutters Schwester. Diese sind ganz anders. Alte Jungfern. Na, jedenfalls kommen sie heute Nachmittag. Sie erwarten, dass ich sie abhole und dass Hotelzimmer bereit sind und so weiter. Tante Lucy hatte vergessen, ihren Brief abzuschicken. Und jetzt schreibt sie: Thelma schrieb Euch am Montag, doch ich vergaß, den Brief einzustecken. Hoffentlich schadet das nichts. Aber nicht verraten.«

    Jerry fragte, ob das etwa bedeuten solle, dass sie erst jetzt, an diesem Morgen, die Nachricht erhalten habe, dass die drei Tanten heute kämen und mit Hotelzimmern und so weiter rechneten?

    Allerdings, so sei es, sagte Pamela.

    »Hat denn die Tante Lucy noch nie was von einem Telegramm oder von einem Telefon gehört?«

    »Ach, weißt du, sie ist doch die literarisch Interessierte«, klärte Pam ihn auf.

    Jerry griff wieder in sein Haar und sprach etwas gereizt über Mangel an Logik. Die meisten literarisch interessierten Menschen, die er als Verleger kenne, seien mit der Telegraphie und dem Telefon vollkommen vertraut, und zwar so gut, dass sie ihre Telegramme mit Empfänger bezahlt schickten und beim Telefonieren das R-Gespräch bevorzugten.

    »Sie schreibt nicht, sie liest«, sagte Pamela, »hat aber, glaube ich, früher auch kleine Gedichte gemacht. Sie ist ganz süß, Jerry. Thelma ist die Pferdenärrin. Soll ich mal das Hotel Welby anrufen?«

    Jerry nickte. Ja, auf jeden Fall, sagte er, ein altjüngferlicheres Hotel als das Welby könne er ihr so leicht nicht nennen. »Besonders der kleine Salon, wo die Gäste ihren Cocktail trinken.« Er schüttelte sich unwillkürlich, als er daran dachte. Dann schnippte er mit den Fingern. »Aber jetzt sehe ich die drei wieder vor mir. Lucinda, genannt Lucy, und Thelma und – wie heißt noch die dritte?«

    »Pennina«, sagte Pam, »Großvater liebte alles mit A am Ende. Sicher, weil er Abner hieß.«

    »Na aber begann Jerry, fuhr jedoch klugerweise fort: »Ist schon gut. Versuch’s beim Welby

    Pam tat das. Es schien zu klappen. »Die Damen Whitsett«, sagte sie und buchstabierte den Namen. »Drei sind’s. Mit Bad und möglichst mit Verbindungstüren, ja?« Und nach einem Weilchen: »Wunderbar! Thelma wird mit Vergnügen das Zimmer gegenüber nehmen. Ja, sie werden wohl vor sechs bei Ihnen eintreffen.« Sie nannte auch ihren eigenen Namen und hängte ein.

    »Der Zug kommt um fünfzehn Uhr fünf«, sagte sie zu Jerry.

    »Wir können sie zum Tee mit zu uns nehmen und sie nachher ins Welby begleiten. Wahrscheinlich wollen sie dann sowieso ein Mittagsschläfchen machen. Und Montag fahren sie nach Florida weiter.«

    »Im Oktober?«, fragte Jerry.

    »Wahrscheinlich dreht sich’s um ein Pferd. – Kommst du mit, Jerry?«

    Er wollte energisch betonen, dass er nachmittags ein Manuskript lesen müsse. Es läge im Büro, brachte er schon weniger energisch heraus. Erst jetzt sei ihm das wieder eingefallen, ergänzte er noch bescheidener, und dann sagte er, vor ihrem forschenden Blich kapitulierend: »Na schön!«

    »Wir werden aber erst im Algonquin ausgiebig essen«, meinte Pam. »Du bist wirklich ein lieber Kerl. Manche Ehemänner würden in diesem Fall die unwahrscheinlichsten Pflichten vorschützen.«

    »Schon gut, Pam.« Jerry lächelte sie an. Sie stand auf, um noch Kaffee zu holen. Als sie durch den schwachen Sonnenstrahl schritt und er ihre Silhouette umleuchtet sah, lächelte er noch zufriedener. Nette Frau, dachte er, Tanten hin, Tanten her.

    Jerry North hatte sich durch ein entsprechendes Mittagessen für das Kommende gestählt. Jetzt stand er mit Pamela hinter einer Sperrkette in der Grand Central Station, wo sie auf den Zug aus Cleveland warteten, und grübelte, ob er sich nicht etwas zu sehr gestählt habe. Es war, für Oktober, ein sehr warmer Nachmittag, und die drei Cocktails – schön, also drei, wenn er den halben, den Pam ihm noch abgetreten hatte, nicht mitzählte – drei Cocktails erhöhten entschieden das Schlummerbedürfnis. Er verlegte sein Gewicht auf den anderen Fuß und schwankte ein wenig vor Müdigkeit. Natürlich nur vor Müdigkeit, sagte er sich. Was denn sonst?

    Ein Bahnbeamter machte die Türen hinter der Sperrkette auf, und Jerry und Pam sowie fünfzig bis sechzig andere Wartende konnten jetzt eine lange Rampe hinab ins Halbdunkel blicken. Ganz hinten kamen die ersten Reisenden. Ein langer Mensch mit Aktenmappe eilte weit vor den übrigen her.

    »Einer muss immer vorneweg sein«, bemerkte Jerry.

    »Das sind sie!«, rief Pamela.

    Jerry sah die Rampe hinunter, dann schaute er Pamela fragend an.

    »Die dahinten mit dem Gepäckträger kommen«, sagte sie. »Die große ist natürlich Tante Thelma. Deine Krawatte sitzt ganz schief, Liebling.«

    Jerry rückte sie zurecht und sah wieder die Rampe hinunter. Es wimmelte jetzt von Menschen; die Tanten waren untergetaucht. Sie warteten. Einige Leute waren schon bei ihnen oben, blickten rasch suchend in die Gesichter hinter der Kette und verteilten sich nach beiden Seiten auf die Ausgänge.

    »Selbst wenn man weiß, dass einen niemand abholt, schaut man sich doch um, nicht wahr? Für alle Fälle«, sagte Pamela. »Auch wenn man bloß von einer Vorortstation kommt.« Sie blickte zu Jerry auf, als müsse sie sich überzeugen, dass er noch da war. Er bestätigte seine Gegenwart durch Kopfnicken.

    Jetzt kamen die Reisenden in geschlossener Masse die Rampe herauf. »Da kommen sie«, sagte Pamela und begann zu winken.

    Die Tanten näherten sich; als erste die lange, also Thelma, im Sportkostüm, die zweite in einem großgemusterten Kleid und kleinem blauen Hut. »Tante Pennina«, sagte Pam. Hinter Pennina, ungefähr von derselben Größe, aber beträchtlich schlanker, kam die Tante Nummer drei. Sie trug ein schwarzes Seidenkleid und ein rosa Hütchen. Jerry meinte wenigstens, es müsse ein Hut sein.

    »Tante Lucinda«, klärte Pam ihn auf. »Wo hat sie den nur her?«

    Sie winkte wieder, und Jerry gestand sich, dass es eigentlich unmöglich, ja geradezu lachhaft war, dass er die Tanten aus Cleveland auch nur vorübergehend vergessen haben konnte. Vor allem die Tante Thelma doch nicht, deren Filzhut so sachlich streng war. Tante Thelma, die als Führerin auf die Absperrung zuschritt.

    »Da am Ende geht’s raus«, sagte Pam und deutete die Richtung an, als die Tanten sich der Kette näherten.

    »Unsinn«, sagte Tante Thelma, indem sie schnurstracks auf Pamela und Jerry zuging, die Kette anhob und darunter durchschlüpfte. Sie hielt sie auch für die Tanten Pennina und Lucinda hoch, die sich gehorsam bückten, und blickte dann befehlend den Gepäckträger an. Der sagte jedoch: »Nein, meine Dame«, und ging den korrekten Weg.

    »Ihr Lieben, wie nett, dass ihr da seid!«, sagte Pamela.

    »Ich vermute, du hast den Brief erst heute früh bekommen, Pam?«, fragte Tante Thelma. »Lucinda hatte vergessen, ihn einzuwerfen.« Sie drehte sich nach Lucinda um, die hoffnungsvoll lächelnd und nervös sagte: »Oh, Pam, liebes Kind, das musst du entschuldigen.« Dann kam sie rasch auf Pamela zu und küsste sie, blickte zu Jerry hoch, klopfte ihm auf den Arm und sagte: »Der liebe Gerald.«

    »Hallo, Tante Lucinda«, sagte Jerry. »Hat ja gar nichts geschadet.«

    »Selbstverständlich nicht«, bekräftigte Pamela.

    »Jedenfalls sind wir hier, und das ist doch die Hauptsache, nicht wahr?«, sagte Tante Pennina gemütlich. Sie küsste auch Pamela. »So hübsch, liebes Kind«, sagte sie. »Und dein netter Mann ist auch hier.« Sie lächelte Jerry zu.

    »Guten Tag, Gerald«, sagte Tante Thelma energisch. »Wo ist denn dieser Mann geblieben?«

    Dieser Mann hatte den vorgeschriebenen Durchgang am Ende der Absperrung benutzt und kam gerade mit dem Gepäck auf einem Handkarren herbei. Er warf einen Blick auf Tante Thelma und ließ ihn dann sofort auf Jerry abschweifen. »Sie wünschen gewiss ein Taxi?«, fragte er.

    »Ich nehme doch an...«, begann Tante Thelma.

    »Ja, bitte«, sagte Jerry.

    »...dass mein Neffe mit dem Wagen gekommen ist«, vollendete Tante Thelma ihren Satz.

    »Nein«, sagte Jerry und hatte das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen. »Das Parken ist immer so schwierig, Tante Thelma«, erklärte er und hoffte, dass sein Ton nicht wie eine demütige Entschuldigung klang. »Taxi, bitte«, sagte er dann zu dem Gepäckträger, energischer als beabsichtigt.

    »Wenn Sie bereit sind, sofort«, erwiderte der Rotbemützte würdig und schob mit der Karre voran.

    »Komm, Lucinda«, sagte Tante Thelma. »Und Pennina.« Sie ging hinter dem Dienstmann her, Pennina folgte ihr, dann Lucinda, die sich mit fahrigem Lächeln zu Pamela und Jerry umdrehte, ehe sie sich anschloss. Das Ehepaar North ging nebeneinander am Schluss. Tante Thelma gab, als ein Taxi gefunden und das Gepäck beim Fahrer verstaut war, dem Gepäckträger dreißig Cent und stieg zuerst ein. Der Mann blickte ihr verdutzt nach und schien etwas sagen zu wollen; Jerry gab ihm schnell einen Dollar. »Ich danke Ihnen, Sir«, sagte nun der Mann stark betont, und Jerry hoffte, dass Tante Thelma es nicht gehört hatte. Ihm war unbehaglich zumute, fast, als hätte er etwas verbrochen. Er nestelte an seiner Krawatte, stieg ein und setzte sich neben Pam auf einen der Notsitze.

    »Dreißig Cent waren durchaus genug«, sagte hinter ihm energisch Tante Thelma. »Man soll die Leute nicht verwöhnen.«

    »Ich begann Jerry.

    »Erzählt uns was von Cleveland«, fiel Pamela schnell ein.

    »Was?«, fragte Tante Thelma.

    Die Katze Martini begrüßte sie gleich hinter der Wohnungstür und schaute aus runden blauen Augen zu ihnen empor. Es sah aus, als betrachte sie Tante Lucindas Hut mit Besorgnis.

    »Ob, das hübsche Kätzchen!«, sagte Pennina. »Wie süß!«

    »Katzen – hm«, meinte Tante Thelma.

    »Ich denke immer, wenn ich eine sehe, an T. S. Eliots Katzenbuch«, sagte Tante Lucinda. »Ein ganz wundervoller Dichter!«

    »Ich vermute, dass ihr wenigstens keinen Hund habt«, sagte Tante Thelma.

    Martini wandte sich ostentativ ab und schritt davon.

    »Hund ist eins der Wörter, die sie kennt«, erklärte Pamela.

    »Unsinn!«, sagte Tante Thelma. »Katzen! Wo ist das Bad, Pamela?«

    Der Reihe nach gingen die Tanten sich frisch machen und kamen auch der Reihe nach ins Wohnzimmer zum geeisten Tee mit Gebäck. Sie legten ihre Hüte ab, Tante Thelma zog ihre Kostümjacke an, und schon waren sie mit Pamela im Gespräch über Verwandte, denen, soweit Jerry es beurteilen konnte – der sich in einem tiefen Sessel erholte –, inzwischen nichts von besonderer Bedeutung passiert war. Er ertappte sich bei der Feststellung, dass er an den Tanten, nachdem sie einmal gelandet waren, einigen Spaß hatte.

    Sie waren alle drei in den Sechzigern. Thelma mochte die älteste sein, aber das war sie vielleicht nur, weil sie das Regiment führte. Doch vom Alter abgesehen, waren sie grundverschieden.

    Tante Thelma war eigentlich gar nicht besonders groß, nur im Vergleich zu den anderen und vielleicht durch ihre Haltung. Dass sie kräftig war, sah man sofort; ihr Gesicht war wetterhart, die Hände waren braun und konnten gewiss fest zupacken. Sie hatte graues, kurzgeschnittenes Haar, und ihre hellblauen Augen betrachteten die Welt gebieterisch. Jerry meinte bei sich, dass sie diesen grauen, wolligen Kostümstoff wohl deswegen bevorzugte, weil an rauem Tweed Hundehaare, wenn sie auch leicht hängenblieben, nicht zu sehen waren.

    Martini kam wieder ins Zimmer, schritt direkt zu Tante Thelma und begann mit vibrierender Nase, die Ohren zurückgelegt, an ihren Schuhen zu schnuppern. Sie riecht bestimmt Hunde, dachte Jerry, Hunde und Pferde.

    »Schon gut, das genügt mir«, sagte Tante Thelma streng, aber nicht unfreundlich, zur Katze Martini, die sich hinsetzte und zu ihr hochblickte.

    »Was Flora betrifft...«, fuhr Tante Thelma im Gespräch fort.

    Die kleine Magere war also die Literarische-Tante Lucy dachte Jerry. Sie musste früher hübsch gewesen sein und war es in mancher Beziehung noch. Ihr kleines Gesicht zeigte lebhaftes Interesse an allem, Was vorging, ihre Blicke wanderten rasch zwischen den Anwesenden hin und her, als müsse sie sich beeilen, im Gespräch mitzukommen, und als sei diese Eile etwas bestürzend.

    »Geschwätz alter Jungfern«, sagte sie. »Was musst du davon denken!« Und nach einem Weilchen setzte sie, noch lächelnd und wie beglückt, hinzu: »Die Welt der Bücher!«

    »Qh ja«, sagte Jerry, »ja.« Dann war ihm, als hätte er sich zu schnell mit dem Geschwätz einverstanden erklärt, und er sagte: »Keineswegs«, ohne recht zu wissen, was er damit meinte.

    Tante Lucy nickte, ihre Augen strahlten – sie wartete. Auf ein Gespräch über Bücher, dachte Jerry. Ihm wollte aber nichts Besonderes über Bücher einfallen, höchstens, dass zurzeit der Absatz schlechter war, als er es sich für seinen Verlag wünschte. Da er das aber nicht für den richtigen Gesprächsstoff hielt, lächelte er nur. Und Tante Lucy nickte ihm lächelnd zu, als hätte er tatsächlich etwas Nettes gesagt. Dann hörte sie wieder Pamela zu, die von einem gewissen Felix sprach, von dem Jerry nie gehört hatte, während Pam sich ernstlich für ihn zu interessieren und gut über ihn informiert zu sein schien.

    Martini sprang Jerry auf den Schoß, wobei sie sich mit den Krallen, aber nur vorsichtig mit den äußersten Spitzen, am Stoff seines Anzugs festhielt. Sie musterte langsam, mit starren blauen Augen, nacheinander die Gäste. Als Jerry eine Hand auf ihren Rücken legte, wedelte sie behaglich und gelassen mit dem Schwanz.

    Tante Pennina hatte runde rosa Bäckchen, ihre Gesichtshaut sah aus wie ganz weiches, sanft verknülltes Seidenpapier. Ihre kleinen, dicken Hände waren weiß und hübsch, das weiße Haar umrahmte zart ihr Gesicht. Man musste es unbegreiflich finden, dass sie nicht Großmutter war, denn sie schien wie geschaffen dafür, Enkelkinder zu verwöhnen und Zuckerplätzchen an sie zu verteilen. Sie machte den Eindruck, als sitze sie schon seit Wochen bei den Norths im Wohnzimmer oder schon immer.

    »Niedliches Kätzchen, möchtest du einen Keks haben?«, fragte sie freundlich Martini, die von Jerrys Schoß wieder herabgesprungen war, und hielt ihr ein Stück Keks hin. Die Katze beroch eist eine Weile Penninas Hand, leckte an dem süßen Gebäck, um dann, als sei das ein Gebot der Höflichkeit, ein wenig daran zu knabbern.

    »Pennina«, sagte Tante Thelma, »was machst du da?«

    »Ich füttere das Kätzchen«, erwiderte Pennina, »ist ja ein süßes, kleines Ding.« Sie war ganz gleichmütig und auch nicht überrascht, dass Tante Thelma eine Erklärung für etwas so deutlich Sichtbares verlangte.

    »Krümel – auf Pamelas schönen Teppich«, warf Thelma ihr vor.

    »Das macht gar nichts«, sagte Pamela, »von Katzen sind wir das ja gewohnt. Unser Peter zerriss sie gleich in kleine Stücke. Teppiche, meine ich. – Wird denn erzählt, dass sie sich scheiden lassen wollen?«

    »Nicht, dass wir wüssten«, nahm Tante Thelma den Faden wieder auf. »Aber ob man will oder nicht, man hört ja schließlich...«

    »Eine sonderbare, aber so schöne Liebesgeschichte«, sagte Tante Lucinda. »Geht hin und erschießt den Senator. Dahinter steckt ja so viel...«

    »Jerry!«, sagte Pamela. »Aber Jerry.« Ihr Mann schrak auf, er merkte, dass er geschlafen hatte. »Er arbeitet ja so angestrengt«, erklärte Pam. »Nicht wahr, Liebling? Gestern wieder die ganze Nacht.«

    Jerry sah sie erstaunt an.

    »Das Manuskript, du weißt

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1