MIT OPTION AUF TOD: Der Krimi-Klassiker!
Von F. R. Lockridge
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Über dieses E-Book
Verkehrsunfall oder Mord? Inspektor Heimrich ist sich nicht ganz sicher, als er den Tod der alten Mrs. Powers untersucht.
Heimrich weiß, dass Mrs. Powers gewisse fanatische Kreise der Stadt gegen sich aufgebracht hatte. Und er weiß, dass die alte Dame recht vermögend war...
Der Roman Mit Option auf Tod von F. R. Lockridge (eigentlich Richard Orson Lockridge; * 26. September 1898 in Missouri; † 19. Juni 1982 in South Carolina) erschien erstmals im Jahr 1967; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte 1968 (unter dem Titel Tod nach Wahl).
Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.
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MIT OPTION AUF TOD - F. R. Lockridge
Das Buch
Verkehrsunfall oder Mord? Inspektor Heimrich ist sich nicht ganz sicher, als er den Tod der alten Mrs. Powers untersucht.
Heimrich weiß, dass Mrs. Powers gewisse fanatische Kreise der Stadt gegen sich aufgebracht hatte. Und er weiß, dass die alte Dame recht vermögend war...
Der Roman Mit Option auf Tod von F. R. Lockridge (eigentlich Richard Orson Lockridge; * 26. September 1898 in Missouri; † 19. Juni 1982 in South Carolina) erschien erstmals im Jahr 1967; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte 1968 (unter dem Titel Tod nach Wahl).
Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.
MIT OPTION AUF TOD
Erstes Kapitel
Die Teerstraße zog sich die sanfte Erhebung hinauf. Alte Ahornbäume mit dem jungen Laub des Frühlings zu beiden Seiten davon bildeten einen hohen Bogen darüber. Am höchsten Punkt des Hügels angekommen, verminderte Eric Martin das Tempo und hielt dann den kleinen Sportwagen an. Beide Insassen blickten eine Weile schweigend auf den kleinen Ort North Wellwood hinunter. »Auf jeden Fall«, sagte dann Eric, »sieht das Nest friedlich aus. Und abgelegen.«
North Wellwood, Bezirk Westchester, im Staat New York - ein Städtchen in einem vor grünen Hügeln umgebenen Tal; ein Ort, der aus weiter nichts als einer Ansammlung von Häusern bestand, die vorherrschend weiß getüncht waren. Dort, wo sie sich am dichtesten zusammendrängten, ragte ein weißer Kirchturm auf. Doch, obwohl es sich offenbar um das Ortszentrum handelte, schienen die Häuser sich im Grün der Bäume zu verlieren - schienen in Eric und Ann Martins Augen im Schatten der Zweige zu schlafen.
»Ist es wirklich nur eine halbe Stunde von New Canaan entfernt?«, fragte Ann. »Ralph behauptet es. Es wirkt so himmelweit weg von überall, findest du nicht? Eine Ewigkeit von allem entfernt.«
Eric gab ihr recht und ließ den Wagen auf die Ortschaft zurollen. Er fuhr an einem Schild vorbei: North Wellwood - gegründet 1707. »Ja, nur eine halbe Stunde. Jetzt, wo wir den Weg kennen.«
Der Weg war nicht gerade schwer zu finden gewesen. Von der Merritt herunter auf die Route 123, hatte ihnen Ralph am Abend vorher gesagt. Dann... Dann auf dieser Straße und dann jener, und Vorsicht an einer bestimmten Straßenabzweigung; es war wichtig, dort rechts abzubiegen, weil es links nach Brewster ging. Ihr könnt nicht fehlgehen, hatte Ralph Barnes behauptet, worauf Eric mit einem langgezogenen zweifelnden Hm-m-m reagierte - mit dem Misstrauen, das ein Städter im Allgemeinen Landstraßen entgegenzubringen pflegt.
Aber es hatte sich alles reibungslos abgespielt an jenem sonnigen Samstagmorgen im späten Mai. Route 123 war leicht zu finden gewesen. Knappe zwei Meilen danach entdeckten sie auch das Reklameschild einer Getränkefirma, wo, wie Ralph Barnes versichert hatte, es zur Linken eine zweitrangige Landstraße und einen von einem Fliederbusch mehr als zur Hälfte verdeckten Wegweiser gab, der auf North Wellwood hinwies. Ein Stück weiter hatten sie sich an Ralphs Mahnung gehalten, die Straßengabelung zu beachten, die nach Brewster abzweigte, und waren rechts in die South Lane abgebogen.
Und nun, nach ihrem ersten längeren Blick auf das Städtchen, in welchem sie vielleicht, oder vielleicht auch nicht, den Sommer verbringen würden, hielten sie nach der Hauptstraße und der Verkehrsampel Ausschau, während der Wagen das leichte Gefälle des Hügels hinunterrollte. Die Hauptstraße überqueren und dann in die erste Straße rechts einbiegen. Das ist dann die Hayridge Lane.
Wie angekündigt war es die Hayridge Lane.
Fünftes Haus auf der rechten Seite, hatte Ralph Barnes gesagt.
Wenn ihr das Haus an der Ecke nicht mitzählt, hatte Lucile Barnes ergänzt. Das gehört nämlich zur South Lane.
Sie fuhren langsam die Hayridge Lane entlang. Links von ihnen befand sich ein Briefkasten mit der Aufschrift Walter Brinkley und rechts einer, auf dem der Name Powers stand. Dann noch etwa eine Meile, bis sie zu einem Briefkasten kamen, der mit Barnes gekennzeichnet war. Und dann, gleich dahinter, eine saubere, kiesbefahrene Einfahrt, die so an die hundert Meter weiterführte zu einem quadratischen weißen Haus mit kleinen vergitterten Fenstern. Es war von einem ziemlich weitläufigen Rasen von etwa einem Morgen Größe umgeben, der ein wenig verwildert aussah. Zu beiden Seiten der Einfahrt stand jeweils ein hoher Ahornbaum. Eine Hecke grenzte das Grundstück zur Straße hin ab und ließ nur für den Eingang eine Lücke frei. Die Vormittagssonne lag hell auf dem Haus.
Sie sperrten die Eingangstür auf und sahen sich um. Das Haus war größer, als sie erwartet hatten. Der Mietpreis, den Barnes ihnen genannt hatte, schien nun, da sie ein so geräumiges Haus vorfanden, überraschend niedrig. Eric, der gerade erst anfing, die Freunde seiner jungen Frau kennenzulernen, fragte sich im Stillen, was wohl mit dem Haus los sein mochte.
Davon abgesehen, dass es für ihren Bedarf zu groß war, gab es nichts daran auszusetzen. Es hatte mehr Zimmer, als sie brauchten, »Wir können endlich mal Leute einladen«, bemerkte Ann, »Wir schulden ohnehin bald jedermann eine Einladung.« Eric, der eine Tür zum Keller und zu den Heizanlagen suchte, antwortete nur mit einem geistesabwesenden Hm-m-m.
»Scheint tadellos im Stande zu sein«, murmelte Eric, als er wieder die Treppe vom Keller heraufkam. »Freilich verstehe ich so gut wie nichts von Ölbrennern.«
»Unsinn, natürlich tust du das«, widersprach Ann.
Ein Elektroingenieur, der sich mit den kompliziertesten und unerklärlichsten Maschinen befasste, musste über alles, was mit Technik zu tun hatte, Bescheid wissen. Das war Anns feste Überzeugung. Hurst Electronics, die Firma, in der Eric beschäftigt war, belieferte gerade zu dieser Zeit die Marine mit den neuesten und zum Teil noch im Stadium der Entwicklung stehenden Unterwasserortungsgeräten.
Nach und nach hatte sich Eric Martin an die Denkungsart seiner Frau gewöhnt. Er lächelte sie nachsichtig an. »Unterwasserortungsgeräte und Ölbrenner sind ziemlich verschiedene Dinge, Darling.«
»Beide haben was mit Elektrizität zu tun«, beharrte Ann. »Die Möbel sind in Ordnung nicht? Wir können natürlich umstellen, soviel wir wollen. Das Sofa dort steht im Weg.« Sie zeigte auf das Möbelstück, das ihrer Meinung nach im Weg stand. »Ist es wirklich nur eine halbe Stunde von New Canaan?«
»Ungefähr. Und nicht besonders weit von New York, übrigens. Mich wundert, weshalb sie das Haus nicht fürs Wochenende behalten. Soviel ich gemerkt habe, geht es ihnen doch nicht um die Miete.«
»Ralph und Vater waren eng befreundet«, erklärte Ann. »Solange ich klein war, nannte ich ihn Onkel Ralph. Das, und dass sie anscheinend das Landleben satt haben, dürfte wohl der Grund sein, weshalb sie das Haus aufgeben wollen. Geld spielt dabei keine Rolle, Großer Himmel, nein!«
»Hm-m-m«, machte Eric wieder. Ein Rest Vorsicht blieb.
»Eigentlich«, fuhr Ann fort, »ist es genau das, wonach wir suchten. Meinst du nicht?«
»Nu-un«, sagte Eric, was immerhin schon ein Fortschritt gegenüber seinem ewigen Hm-m-m war.
»Meinst du nicht?«
»Ja.«
»Dir gefällt es, wie?«
»Dann... ja.«
»Schön«, entschied Ann. »Dann wollen wir sie gleich anrufen und ihnen Bescheid sagen. Ja, das ist das Beste. Sonst kommt uns womöglich noch ein anderer zuvor. Hast du schon festgestellt, wo das Telefon ist?«
Er hatte. Es gab drei Apparate: einen in der Diele im Erdgeschoss, zwei in den oberen Räumen. Einer davon befand sich in dem Zimmer mit Schreibtisch und Bücherregalen, die glücklicherweise noch genug freien Platz für all die Bücher hatten, die zur Zeit in Anns kleinem Apartment - seit sechs Monaten ihr gemeinsames Apartment - aufgestapelt waren. Aber das Telefon war sicher außer Betrieb, da die Barnes’ schon letzten Herbst in ihre New Yorker Wohnung umgesiedelt waren. Wenn man ein Landhaus für den Winter schloss, pflegte man alles außer Betrieb zu setzen, einschließlich des Telefons.
Ann stand in der Nähe eines Lichtschalters. Sie drückte darauf, und das Licht ging an. »Ha!«, machte sie überrascht und befriedigt zugleich. Sie ging zu dem Telefon in der Diele, nahm den Hörer ab und lauschte auf das Freizeichen. Dann drehte sie die Wählscheibe - elfmal, wie es die Nummer verlangte.
Ralph Barnes freute sich, dass ihnen das Haus gefiel; freute sich, dass er sich nicht geirrt hatte, was die Entfernung von New Canaan betraf. Musste der Rasen gemäht werden?
»Könnte nicht schaden.«
»Ich will Mike anrufen«, versprach Ralph Barnes von seiner Wohnung in New York aus. »Das Gras wuchs schließlich zu meiner Zeit. Und..., ja, Liebes?«
Luciles Stimme war schwach im Hintergrund vernehmbar.
»Schön, ich werde ihr’s sagen«, war Ralph zu hören. Und dann seine Stimme wieder nahe an der Sprechmuschel: »Lucile lässt dir ausrichten, dass du Bettwäsche und so weiter in dem Schrank oben neben der Treppe findest, wenigstens für den Anfang. - Kann sein, falls ich ihn erwische, dass Mike noch heute Nachmittag vorbeikommt.«
Ann und Eric waren an diesem Samstag genau sechs Monate verheiratet. Sie kannten sich erst ein knappes Jahr. Im März hatte Hurst Electronics den Betrieb von Long Island City in das Randgebiet von New Canaan im Staat Connecticut verlegt. Eric arbeitete bei Hurst Electronics.
Die Strecke Manhattan - Long Island City und zurück war als Zufahrtsweg zur Arbeitsstätte durchaus erträglich gewesen. Man schwamm sozusagen gegen den Strom der Vorortsfahrer.
Manhattan - New Canaan und zurück war eine ganz andere Sache. Die Verbindung mit der New-Haven-Bahnlinie war miserabel und noch viel unzureichender für jene, die den Vorortsverkehr im umgekehrten Sinn in Anspruch nahmen.
Für Ann und Eric schlug bald die Stunde, da sie sich mit Eifer auf die Mietanzeigen von Häusern stürzten. Sie sahen sich reihenweise Häuser in und um New Canaan an. Aber diejenigen, welche ihnen gefielen, waren nur zu kaufen, und das meist zu Preisen, die sie sich nicht leisten konnten.
Darüber waren sie sich jedes Mal schnell einig - ein bisschen zu schnell. Und keiner gab dem anderen gegenüber zu, dass die hastige Ablehnung nicht nur mit den Preisen zusammenhing. Für viele Menschen liegt im Kauf eines Hauses etwas Endgültiges, und um etwas Endgültiges zu tun, muss man seiner Sache ganz sicher sein. In der ersten Zeit einer Ehe jedoch ist Sicherheit etwas, das man erst langsam und Schritt für Schritt erwerben muss.
Seit ihrer Verheiratung hatten sie in Anns kleinem Apartment, das kaum für sie allein groß genug gewesen war, kampiert. Unvermeidlich waren sie einander dauernd im Weg; aber das war auch wieder schön gewesen. Aus der Notwendigkeit heraus hatten sie gelernt, nahe zusammenzuleben, und auch das war gut. Aber die tägliche Fahrt nach New Canaan war für Eric eine große Belastung. Kampieren ist eben doch nur lustig, solange es sich um eine vorübergehende Improvisation handelt.
Als sie an einem Freitagabend im Mai einer Einladung der Barnes’ zum Dinner in deren New Yorker Wohnung folgten, hatten sie nicht die leiseste Ahnung, dass sie dort ein Haus finden würden. Barnes’ waren gute, langjährige Freunde von Ann. Sie war praktisch mit deren Kindern zusammen aufgewachsen. Dass bei-diesem Dinner die Rede auf ein zu mietendes Haus in einer Ortschaft namens North Wellwood kommen könnte, war nicht vorauszusehen gewesen.
Sie hatten sich an diesem Abend verspätet, weil Erics Zug wieder einmal mit beträchtlicher Verzögerung angekommen war. Entschuldigungen wurden vorgebracht, zusammen mit den entsprechenden Erklärungen, die einigermaßen ungehalten ausfielen, ehe ein Cocktail Eric Martins Ärger dämpfte. Er war der überschlanke, leicht erregbare Typ, und die miserable Verbindung der New-Haven-Bahnlinie konnte selbst gelassenen Leuten auf die Nerven gehen.
Ein zweiter Cocktail stellte seine gute Laune endgültig wieder her, und er bemerkte entschuldigend, dass es schließlich nicht Barnes’ Problem war. Ralph und Lucile tauschten einen kurzen Bück, dann nickten sie sich zu. Ann, die diesen wortlosen Gedankenaustausch beobachtet hatte, sah ihren Mann an und dachte, dass er für einen Abend außer Haus eigentlich viel zu müde war.
Es war nach dem Dinner, dass Ralph und Lucile Barnes ihren stummen Gedankenaustausch in Worte kleideten. Es handelte sich um ein Haus in einer Kleinstadt namens North Wellwood, die etwa eine halbe Autostunde von New Canaan entfernt lag, zumindest im Sommer. Im Winter brauchte man vielleicht ein bisschen länger, aber der Staat New York hielt seine Landstraßen gut in Schuss, und Mike war immer zuverlässig mit seinem Schneepflug zur Stelle, um die Einfahrten freizuhalten.
Die Barnes hatten beschlossen, dieses Haus aufzugeben. »Ein Haus«, erklärte Ralph Barnes dazu, »fängt an eine Belastung zu werden, wenn man in die Jahre kommt.«
Er war, wie Ann wusste, erst knapp über Sechzig, Lucile mehrere Jahre jünger. Beide machten eigentlich nicht den Eindruck, dass sie sich alt fühlten.
»Wir haben es erst kürzlich zum Verkauf ausgeschrieben«, erklärte Barnes. »Bis jetzt hat sich jedoch noch kein ernsthafter Interessent gemeldet. Wenn ihr zwei...«
Wenn sie es bis zum Herbst mieten wollten, dann konnten sie es für eine Summe haben, die Eric interessiert aufhorchen ließ.
Man konnte es am Montag sehen, dass Mike mit seiner Mähmaschine dagewesen war. Ann Martin lenkte kurz nach elf Uhr vormittags den schwerbeladenen' Kombiwagen in die Einfahrt hinein. Der Rasen, der vorher leicht verwildert ausgesehen hatte, breitete sich nun glatt und leuchtend grün um das weiße Haus. Der April hatte zur freudigen Überraschung sämtlicher Einwohner dieser Gegend Regen gebracht.
Ann hielt den Wagen an, sobald sie von der Straße weg war, stieg aus und ging zum Briefkasten zurück, weil das Signalfähnchen aufgestellt war. Es war schon lange her, seit sie auf dem Land gelebt hatte. Damals war sie noch ein kleines rothaariges Mädchen gewesen, das off genüg durch die Lücke in dem Heckenzaun des Landhauses auf Long Island gekrochen war, um die Spielkameraden im Nachbarhaus, das den Barnes’ gehörte, zu besuchen. Das war nun zwanzig Jahre her, und das rothaarige Mädchen war damals erst sieben gewesen und hatte noch Ann Langley geheißen.
Dass ein aufgestelltes Fähnchen an einem Landbriefkasten etwas zu bedeuten hatte, wusste sie jedenfalls noch. Wir müssen Martin darauf schreiben, dachte sie, während sie auf den Briefkästen mit der Aufschrift Barnes zuging. Post konnte wohl kaum drinnen sein; das Signalfähnchen musste etwas anderes bedeuten. Es war ihnen am Samstag gerade noch vor Beendigung der Amtszeit gelungen, im Postamt ihren Adressenwechsel zu melden. Sie hatten die entsprechenden Formulare ausgefüllt und dem Beamten erklärt, dass jegliche Post an Mr. und Mrs. Eric Martin oder - was vielleicht ein wenig verwirrend sein mochte - Miss Ann Langley in Zukunft in den Briefkasten der Barnes geworfen werden sollte. Aber so schnell konnte das doch nicht funktionieren?
Sie machte den Briefkasten auf und fand ein Flugblatt darin. Es war eines dieser vervielfältigten Dinger und trug keinerlei Adresse. Sie nahm es heraus - schließlich mietete man mit einem Haus auch den Briefkasten samt Inhalt -, trug es zum Wagen und stopfte es ungelesen in eine Lücke zwischen den Gepäckstücken. Dann fuhr sie den Kombi die Einfahrt entlang auf das Haus zu, das ihr aus sonnenbeschienenen Fenstern freundlich zublinzelte.
Alles, was schwer war, sollte sie nicht allein ausladen: die größeren Koffer, in die sie den ganzen Sonntag lang Kleider und eine Anzahl unentbehrlicher Bücher gestopft hatten - und ein oder zwei Bilder, die Ann besonders gern mochte. Außerdem das große Badetuch, das Eric unbedingt brauchte, und eine Kaffeemaschine und einen Reisewecker, ohne den Ann seit Jahren nirgendwohin gereist war. Dazu etwas Silber, das Eric von seiner Mutter bekommen hatte. Sie hatten auch noch Anns Reiseschreibmaschine eingepackt, die beiden Tennisschläger und Erics Golfschläger. Natürlich auch Bettwäsche und die elektrisch geheizte Decke, unter der Eric, unverständlich für Ann, zu schlafen pflegte. Auch ein paar unentbehrliche Flaschen, Brot, Corned beef und Kaffee zur Überbrückung.
Lass alles, was schwer ist, im Wagen, hatte ihr Eric ans Herz gelegt, ehe er sich mit dem kleinen Sportwagen auf den Weg nach New Canaan zu Hurst Electronics machte. Hast du verstanden? Ich lade es aus, sobald ich heimkomme.
Ja, Darling. Ich habe dich verstanden, hatte Ann gesagt.
»Zu dumm, dass ich bei dieser Konferenz dabei sein muss, Ann! Jetzt bleibt der Löwenanteil des Umzugs an dir hängen. Aber es ist wichtig. Kommen bis von Key West her, diese Leute.«
»Mach dir keine Gedanken, Eric, ich komme schon zurecht«, beruhigte ihn Ann.
»Und wenn du Schecks ausschreiben musst, denke daran, dass du mit Martin unterschreibst. Es bringt bloß die Banken durcheinander, wenn du mit Langley unterzeichnest.«
»Ich werde schon daran denken. Ich bin nicht ganz so hilflos, wie du meinst.«
»Weißt du noch den Weg?«
»Ja, Eric. Ich komme schon zurecht. Und die schweren Sachen lasse ich im Wagen.«
Sie ließ wirklich das meiste Gepäck im Wagen. Aber sie schleppte trotzdem noch eine Menge Zeug ins Haus. Den großen Koffer mit Bettwäsche, Handtüchern und der elektrisch zu heizenden Decke versuchte sie anzuheben, stellte fest, dass er mindestens einen Zentner wog und begnügte sich damit, nur die Sachen herauszunehmen, die sie für das Schlafzimmer brauchen würden/bis sie fertig ausgepackt hatten. Sie bezog die Betten mit der Bettwäsche, welche die Barnes’ hiergelassen hatten, verteilte Handtücher im Badezimmer und entdeckte, dass sie ihren Toilettenkoffer und einen Karton mit Seife auf dem Sitz im Kombi liegengelassen hatte. Als sie unten das Vergessene aus. dem Wagen holte, sah sie wieder das vervielfältigte Flugblatt. Sie zog es heraus und nahm es mit ins Wohnzimmer, ehe sie nach oben ging und Waschbecken und Badewanne mit Seife versorgte. Zeit für eine kleine Pause, entschied sie - eine Pause einschließlich Sandwich und einem Glas geeisten Kaffee.
Eric war es gewesen, der daran gedacht hatte, das Fach für Eiswürfel zu füllen und den Kühlschrank einzuschalten.
Ann ließ sich im Wohnzimmer neben einem Tisch nieder. Von hier aus konnte sie auf den grünen, frisch gemähten Rasen hinausschauen, konnte den Duft des Grases einatmen und den Vögeln lauschen, wie sie lärmten und trillerten. Vielleicht sollte ich mir ein Buch über Vögel anschaffen, überlegte sie. Das wäre hier die richtige Beschäftigung. Wenn mir