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Mord in Hombrechtikon und Tod am Wasserfall: Zwei Kriminalromane
Mord in Hombrechtikon und Tod am Wasserfall: Zwei Kriminalromane
Mord in Hombrechtikon und Tod am Wasserfall: Zwei Kriminalromane
eBook230 Seiten3 Stunden

Mord in Hombrechtikon und Tod am Wasserfall: Zwei Kriminalromane

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Über dieses E-Book

In seiner Villa über dem Zürichsee wird der berühmte Schriftsteller Michael Federbein ermordet, genau an dem Tag, da sein Bruder aus Übersee, wohin er wegen seiner Hochstapelei vor dreissig Jahren geflohen ist, zurückkehrte. Handelt es sich um einen Brudermord? Polizeiwachtmeister Strahm mag nicht daran glauben. Könnte eine von Federbeins vielen Liebschaften der Grund sein für diesen Mord? Auch der verwöhnte Sohn von Vera, die von Federbein verlassen wurde, wird verdächtigt. Dieser hinwiederum verdächtigt eine Freundin seiner Mutter, die bei Federbeins Beerdigung eine Pistole in ihrer Handtache hat. Da wird in der Nacht nach der Beerdigung auch ein Mordanschlag auf Federbeins Bruder verübt. Alles läuft nun auf Hochtouren, und am nächsten Morgen wird der Mörder gefasst.
Beim zweiten Roman wird ein Toter unter einem Wasserfall gefunden. Ist es ein Unfall, Selbstmord oder gar Mord? Ist vielleicht der Erzähler, der die Geschichte niederschreibt, selbst der Mörder, oder war es ein anderer? Insidergeschäfte, Raubgut eines Kunstsammlers und Erpressung sind im Spiel.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum18. Aug. 2014
ISBN9783847699545
Mord in Hombrechtikon und Tod am Wasserfall: Zwei Kriminalromane

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    Buchvorschau

    Mord in Hombrechtikon und Tod am Wasserfall - Martin Renold

    Mord in Hombrechtikon

    1. Kapitel

    Arthur Strahm, Detektivwachtmeister der Kantonspolizei Zürich, wohnte im Tiefenbrunnen. Vom Wohnzimmerbalkon seiner Wohnung aus überblickte er den unteren Teil des Zürichsees. Vereinzelt schossen Raketen in den Nachthimmel, von der billigen Sorte, solche, die nur in die Höhe zischen und oben einen Knall loslösen. Allmählich sah man auch die teureren, bei denen in mehr oder weniger raschem Fall eine einzelne farbige Lichtkugel niedersinkt und irgendwo zwischen Himmel und Erde verglüht. Weiter oben am Seeufer, bei Zollikon, wo die reichen Villenbesitzer Partys geben, sah man auch Raketen, bei denen farbige Kugeln in zehn, zwanzig oder hundert farbige Sterne auseinanderspritzen, aus denen weitere tausend herausgeschleudert werden wie beim Urknall, auch drüben, am anderen Ufer, in Wollishofen und Kilchberg. Weiter oben, wahrscheinlich in Rüschlikon, war ein ganz großes Feuerwerk im Gang.

    Grund für diese Feuerwerkerei war der 1. August, der schweizerische Nationalfeiertag, kurz Bundesfeier genannt.

    Wann hatte Strahm zum letzten Mal an einer Bundesfeier teilgenommen – mit Darbietungen der Turner, der Männer- und Frauenchöre, der Harmoniemusik, mit der Ansprache des Stadtpräsidenten oder gar eines Bundesrats!? Das war, als seine beiden Kinder noch klein gewesen waren. Jetzt waren beide erwachsen und verheiratet, der Bub und das Mädchen. Strahm wusste nicht einmal genau, ob es heute solche Bundesfeiern nach alter eidgenössischer Tradition überhaupt noch gab oder ob sich alles nur in dieser Knallerei und einer Ansprache des Bundespräsidenten am Fernsehen erschöpfte.

    Früher, in seiner ledigen Zeit, da war noch mehr Romantik dabei gewesen. Nachts um das Feuer herum, von den roten Lampions der Kinder, den schönen runden mit dem Schweizer Kreuz, nicht den gelben mit Sonnen und Monden darauf, made in China. Und auf dem Heimweg durch den dunklen Wald, wenn die Lampions sich auf und ab bewegten und am Ausflackern waren, war es leicht gewesen, ein Mädchen, das hübscheste, das man sich im Schein des Feuers ausgesucht und beim allgemeinen Aufbruch nicht aus den Augen gelassen hatte, anzusprechen, ihm auf dem steinigen Weg den Arm anzubieten und, wenn es dann trotzdem unweigerlich stolperte, ihm den Arm um die Taille zu legen, damit es nicht noch einmal passiere. Das gab den Mädchen Sicherheit. Das waren noch Zeiten gewesen! Da musste die Polizei nicht ausrücken wegen unsittlicher Belästigung, nur weil man ein Mädchen angesprochen hatte.

    Heute würden sich die Mädchen ja gar nicht mehr in der Nacht allein zu einem solchen Fest droben über dem Wald wagen. Als Polizist wusste er das zur Genüge. Heutzutage scheint ja niemand mehr sicher zu sein. Da lauern überall Gefahren: Raub, Vergewaltigung, Mord und Totschlag. Selbst Jugendliche rauben einander aus. Und wie war das vor ein paar Jahren, als er zu einem Mord gerufen wurde, als ein zwölfjähriges Mädchen vergewaltigt und erdrosselt wurde! Zu dritt waren sie gewesen. Zwei Mädchen hatten fliehen und die Polizei verständigen können.

    Eines aber hatten alle Bundesfeiern gemeinsam, damals schon wie heute: die Knallerei, die Frösche und Schwärmer, die Kanonendonner und die Raketen.

    Über dem Albis, bei Thalwil, zog ein Gewitter herauf. Schon ein paar Mal hatten Blitze gezuckt. Man wusste eigentlich nicht recht, war es Feuerwerk von jenseits der Albiskette, oder war es wirklich ein herannahendes Gewitter. Jetzt aber hörte man auch den Donner. Das Gewitter schien in Richtung Zürcher Oberland zu ziehen. Ein Ausläufer kam auch über den Uetliberg. Als die ersten Tropfen auf den Balkon spritzten, ging Strahm ins Wohnzimmer. Aber er ließ die Balkontür offen. Er liebte den würzigen, frischen Duft von der Erde, vom Garten vor dem Haus. Und schiere Begeisterung konnte ihn erfassen, wenn ein nächtliches Gewitter so nahe kam, dass seine Blitze die Stube – er drehte dann immer das Licht aus oder zog im Schlafzimmer die Vorhänge zurück – taghell erleuchtete und der Donner unmittelbar darauf krachte, so dass Gertrud, seine Frau, die Ohren zuhielt oder sich unter der Decke versteckte. Das war etwas anderes, etwas Gewaltigeres als diese blöde Feuerwerksknallerei.

    Es regnete nicht lange. Das eine Gewitter war im Norden vorbeigezogen, das andere im Süden. Aber die Blitze zuckten immer noch, und der Donner widerhallte ununterbrochen.

    Gertrud Strahm saß in einer Ecke des Wohnzimmers und las in einem Buch. Turi, so nannte ihn seine Frau, hatte die Zeitung auf dem Tisch ausgebreitet, aber er hatte keine Lust mehr zum Lesen. Es war schon spät.

    „Ich lese nur noch zwei Seiten", sagte die Frau, dann ist das Kapitel zu Ende. Geh doch schon zu Bett. Ich komme gleich nach.

    Als Strahm sich gerade erhob, schrillte das Telefon.

    „Was ist los?", fragte die Frau, als er den Hörer auflegte.

    „Ich muss noch weg. Walser hat angerufen. Ein Mord in Hombrechtikon. Der Schriftsteller Federbein."

    „Was, Michael Federbein!?, rief Gertrud und hielt sich die Hand vor den Mund, als ob sie die Frage zurückhalten wollte. „Das ist doch unmöglich."

    „Doch. Hast du schon etwas von ihm gelesen="

    „Ja, seinen letzten Roman."

    „Walser wird mich gleich abholen. Wir fahren zusammen in seinem Wagen."

    Strahm zog Schuhe und Kittel an.

    Keine zehn Minuten später klingelte es.

    Strahm, der schon ungeduldig im Zimmer hin und her gegangen war, griff hastig nach dem alten Schlapphut auf dem Garderobenbrett, ohne den er nie ausging, drückte ihn tief in die Stirn und riss die Tür auf.

    „Pass auf!", mahnte Gertrud und schloss hinter dem Hinauseilenden die Tür ab.

    Walser steuerte in Richtung Zollikerberg auf die Höhenstraße zu. Die Straßen waren schon beinahe wieder trocken. Als sie auf die Forch kamen, sahen sie, dass sich das Gewitter gegen das Oberland verzogen hatte. Über dem Hörnli und gegen das Toggenburg und den Säntis wetterleuchtete es noch. Im Westen über dem Zürichsee hatten sich die Wolken schon geteilt, und der aufgerissene Himmel verhieß für morgen wieder einen schönen, heißen Sommertag.

    Als sie bei der Kirche von Hombrechtikon vorbeifuhren, schlag es gerade zwölf.

    „Weißt du, wo es ist?" fragte Strahm.

    „Ja, auf der andren Seite des Dorfes, im Laufenbach, antwortete Strahms Kollege. „Nach der großen Kurve Richtung Wolfhausen… Jetzt, da vorne, müssen wir rechts abbiegen.

    „Erst im letzten Moment, bei der großen Scheune, sahen sie die kleine Tafel mit der Aufschrift „Laufenbachstraße" und die Abzweigung.

    Das Haus des ermordeten Schriftstellers war nun leicht zu finden. Es war bereits von der Polizei umstellt.

    Strahm kannte den Schriftsteller Michael Federbein nur von Bildern in Zeitungen und Illustrierten und aus dem Fernsehen. Gelesen hatte er noch keines seiner Werke. „Das unschuldige Haus", ein Stück von ihm, hatte er vor zwei oder drei Jahren einmal im Schauspielhaus gesehen, zusammen mit seiner Frau. Er erinnerte sich nur noch an den Titel.

    Walser hatte den Wagen bei dem kleinen, geteerten Fußweg angehalten, der von der Straße etwa fünfzig Schritte über die Wiese zu dem Bungalow führte. Rechts neben der Eingangstür brannte das Licht. Links neben der Tür stand das vergitterte Küchenfenster offen. In der Küche brannte ein Neonlicht.

    Das Grundstück war, so weit man sehen konnte, gegen die Wiese zu, also gegen Norden, umzäunt. Es war jedoch nur ein niedriger Holz-, ein Staketenzaun, über den ein normal großer Mann mit einem Schritt hinwegsteigen konnte, ohne ihn zu berühren.

    Walser und Strahm gingen auf das offene Gartentor zu. Der Weg, der zum Eingang führte, war mit Platten belegt. Aber rechts zweigte ein schmaler, ebenfalls mit Platten belegter Weg ab, der um das ganze Haus, bis auf die Vorderseite zu gehen schien.

    Strahm trat nicht ins Haus, sondern wählte den Weg durch den Garten. Die Kantonspolizei hatte den ganzen Garten und die südliche Front des Hauses ausgeleuchtet. Der Bungalow hatte den Grundriss eines großen L. Strahm begrüßte die Polizisten, ohne den Hut zu ziehen, mit einem leichten Antippen des vom jahrelangen Tragen bei Sonne, Wind und Regen speckig gewordenen Randes, ging an ihnen vorüber und schritt die ganze Vorderfront ab. Alle Zimmer außer dem einen, auf der Westseite, waren erleuchtet. Strahm stellte fest, dass von jedem Zimmer eine Glastür auf den Garten hinausführte. Neben dem unbeleuchteten Zimmer war ein Schlafzimmer, danach folgte nochmals ein Schlafzimmer, dann ein Arbeits- oder Bibliothekzimmer. Seine Wände waren ringsum von Bücherregalen verdeckt. Auf einer Seite, etwas von der Wand entfernt, stand ein massiger Schreibtisch aus Nussbaumholz.

    Im Winkel des Hauses befand sich ein teilweise überdeckter Gartenplatz, der im Osten, wo der Wald anfing, durch die Fensterfront des Wohnzimmers begrenzt und gegen Süden und Westen durch Sträucher etwas abgedeckt war. Auf der Südseite fiel das Gelände ziemlich steil ab. Auch weiter unten war Wald, und über den Wald hinweg sah man auf den See hinunter, der jetzt schwarz dalag, umrandet von den Lichtern am jenseitigen Ufer.

    Einen schönen Flecken Erde hat sich dieser Schriftsteller hier ausgesucht, dachte Strahm. So ließe ich es mir auch gerne gefallen. Doch dann dachte er gleich daran, dass Federbein ja tot war. Nun nützte es ihm ja auch nichts mehr.

    Strahm nahm den Blick zurück von den Lichtern jenseits des Sees und ließ ihn nur noch kurz über den gepflegten Garten schweifen, ehe er sich dem Haus zuwandte.

    Die Fenster des Wohnzimmers bildeten eine einzige Glaswand, die nur von den Fensterrahmen unterteilt war und die beinahe bis zum Boden hinunterreichte.

    Neben dem Arbeits- oder Bibliothekzimmer stand eine breite Tür offen, durch die man offenbar in einen Essraum gelangen konnte, der nur durch ein Cheminée vom übrigen Wohnzimmer abgetrennt war. Strahm wollte eintreten, aber er blieb plötzlich stehen und wandte sich nach seinem Assistenten um.

    „Da steht doch Federbein himself, flüsterte er Walser zu. „Da stimmt doch etwas nicht. Oder habe ich dich falsch verstanden?

    Walser zuckte nur die Schulter.

    Als Strahm sah, dass Walser ebenso überrascht war wie er, trat er ein.

    Federbein erhob sich.

    „Strahm, stellte er sich vor. „Von der Kriminalpolizei. Und dies ist mein Assistent Walser.

    Diesmal griff er mit drei Fingern an die für das Lüpfen des Hutes vorgesehene, ziemlich abgegriffene Stille, doch so, dass sich das lederne Schweißband kaum von seiner Stirne löste. Walser, der Strahms Gewohnheiten kannte, hatte noch nie in Erfahrung bringen können, ob dieser sich seiner spiegelglatten Glatze wegen scheute, den Hut zu ziehen, oder ob es sonst eine seiner Marotten war."

    „Angenehm, erwiderte der Angesprochene. „Mein Name ist Federbein.

    „Entschuldigen Sie, aber man hat mir gesagt, Sie…"

    „Mein Bruder, fiel ihm Federbein ins Wort. „Ich bin der Bruder des Ermordeten. Und er wies mit der Hand gegen das Wohnzimmer, wo noch Aufnahmen von dem Toten gemacht wurden.

    „Federbeins Bruder lag auf dem Boden zwischen einem offenen Fensterflügel und der Rücklehne eines leichten, schwarzen Ledersessels, der etwas zurückgeschoben vor einem niedrigen Tischchen stand.

    Strahm neigte sich über den Toten und sah ihm ins Gesicht.

    Das war die zweite Überraschung. Der Ermordete war das genaue Ebenbild seines Bruders.

    „Sind Sie der Schriftsteller?, fragte Strahm, oder Ihr Bruder?

    „Mein Bruder, antwortete Federbein – das „mein tönte fast wie „moain – „ich bin Balthasar. Balz nannte man mich früher. In den Staaten hieß ich Bally. Ich bin erst heute aus New York herübergeflogen. Und jetzt so was. Wir sind Zwillinge, eineiige.

    Strahm warf einen misstrauischen Blick auf Balz Federbein. Irgendetwas machte ihn stutzig. Die Stimme. Strahm hatte ein sensibles Ohr dafür. Etwas an der Stimme war unecht. Der amerikanische Akzent. Er schien falsch, gekünstelt. Wie es oft geschieht bei Leuten, meistens bei jüngeren, die in einer anderen Landesgegend geweilt haben und sich dann den anderen Dialekt schlecht und recht angelernt haben und sich nach ihrer Rückkehr so geben, als könnten sie den eigenen nicht mehr sprechen. So als schämten sie sich ihrer Wurzeln.

    „Wie lange waren sie drüben?", fragte Strahm.

    „Ouh?, überlegte Balz, „an die dreißig Jahre. In all diesen Jahren habe ich Maikl, ich meine Michael, nicht mehr gesehen. Ich bin selber erschrocken, als ich Maikl heute Nachmittag auf dem Flughafen in Kloten traf. Ich habe geglaubt, in den Spiegel zu sehen.

    „Aber Sie haben doch sicher hie und da Bilder Ihres berühmten Bruders gesehen."

    „Naturally, aber es ist doch nicht dasselbe, wenn man sich Aug in Auge gegenübersteht."

    Der anwesende Arzt trat auf Strahm zu, begrüßte ihn und stellte sich als Doktor Petermann vor.

    „Sind Sie der Hausarzt des Toten?", fragte Strahm.

    „Nein, Herr Federbein hat mich gerufen. So viel ich weiß, war mein Kollege Bodmer sein Hausarzt. Selbstverständlich habe ich Herrn Federbein, ich meine den andern, den Schriftsteller, auch gekannt. Hier im Dorf kennt man sich noch. Wenigstens die Alteingesessenen. Und besonders einen Mann wie Federbein. Er war übrigens schon einmal bei mir in der Praxis, als mein Kollege im Urlaub war."

    „Warum haben Sie nicht Doktor Bodmer gerufen?", wollte Strahm von Balthasar Federbein wissen, der die Schultern hob und erklärte, er habe nicht gewusst, wer der Arzt seines Bruders gewesen sei.

    „Und warum haben Sie ihn nicht an Ihren Kollegen verwiesen?", wollte Strahm von Doktor Petermann wissen.

    „Doktor Bodmer ist zurzeit leider krank. Er musste sich operieren lassen und liegt noch für ein paar Tage im Spital."

    „Schön, dass es den Ärzten auch nicht besser geht als unsereinem, redete Strahm halblaut vor sich hin. Dann forschte er weiter: „Wann wurde Herr Federbein erschossen?

    „Soweit ich das feststellen kann, dürfte es etwa um halb elf gewesen sein. Das würde sich, wie ich gehört habe, auch mit der Aussage seines Bruders decken. Der Schuss hat ihn mitten ins Herz getroffen", antwortete der Arzt.

    Unterdessen war der Polizeiarzt eingetroffen, und bald konnte auch er die Aussage von Doktor Petermann bestätigen.

    „Um welche Zeit bekamen Sie den Anruf von Herrn Federbein?", fragte Strahm.

    „So etwa um halb zwölf", antwortete Doktor Petermann.

    „Haben Sie die Polizei gerufen?"

    „Nein, das hatte Herr Federbein schon getan. Er berichtete mir, dass er sie gleichzeitig angerufen habe."

    „Ja, das stimmt, wir erhielten die Meldung ungefähr zur gleichen Zeit wie Sie", bestätigte Walser.

    Strahm trug beide Zeitangaben in sein Notizbüchlein ein.

    „Also eine Stunde zwischen dem tödlichen Schuss und dem Anruf", murmelte er nachdenklich vor sich hin.

    Ein Polizist trat zu Strahm und erklärte: „Wir haben keine Einschussstelle in der Wand oder sonstwo gefunden."

    „Und die Mordwaffe?"

    „Ist noch nicht gefunden worden, antwortete der Polizist auf die Frage und fuhr weiter. „Der Mörder muss von der Straße her um das Haus herumgekommen sein, ohne Spuren zu hinterlassen. Um jene Zeit war hier das Gewitter zur Hauptsache schon vorbei. Aber hinterher hat es noch einmal lange geregnet. Im Gras konnten wir keine frischen Spuren feststellen, und auf den Platten wurde alles vom Regen und von der Erde, die aus den Gartenbeeten gespült wurden, verwischt. Vermutlich hat der Täter sein Opfer durch das offene Fenster hindurch aus nächster Näher niedergeschossen, denn im Haus sind auch keine fremden Spuren zu finden.

    „Und welches ist Ihre Version, Mister Federbein?", fragte Strahm.

    „Meine Version?, wiederholte Federbein. „Das tönt ja, als erwarteten Sie von mir irgendeine erdichtete Geschichte. Sie vergessen, dass mein Bruder der Dichter war. Ich kann Ihnen nur sagen, was ich weiß und was ich gesehen – oder in diesem Fall unglücklicherweise nicht gesehen habe.

    „Nun, unterbrach ihn Strahm, „Sie werden immerhin zugeben müssen, dass es reichlich sonderbar ist, dass Ihr Bruder um halb elf erschossen wurde und Sie erst eine volle Stunde später den Arzt und die Polizei alarmierten. Daraus darf ich doch wohl für mich einige Schlüsse ziehen. Also los. Wie war es?

    Als Strahm dem so Angesprochenen in die Augen blickte, fragte er sich, ob er nicht einen zu heftigen Ton angeschlagen habe. Jedenfalls wie ein Mörder sah der Mann nicht aus. Aber die wenigsten Mörder, das hatte ihn seine lange Erfahrung gelehrt, sehen wie solche aus.

    Federbein war mittelgroß, gut aussehend. Seine Haare waren teilweise leicht grau, auf der rechten Seite etwas stärker als links, genau wie er es auch bei seinem Bruder festgestellt hatte. Federbein sah jedoch müde aus. Das Ereignis schien ihn stark angegriffen zu haben. Strahm glaubte, eine echte Trauer von seinem Gesicht ablesen zu können.

    „Kommen Sie, setzen wir uns an den Esstisch, sagte er nun in versöhnlicherem Ton und forderte Balthasar Federbein auf, mit ihm nach vorne zu gehen. „Ihr könnt die Leiche wegschaffen.

    Walser warf nochmals einen Blick auf den Toten, dann nahm er Strahm, der eben am Cheminée vorbei in den vorderen Teil des Raumes gehen wollte, beiseite und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Darauf hielt Strahm den Arm des Polizisten zurück, der ein Tuch über den

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