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Moses: Prinz und Prophet
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eBook330 Seiten4 Stunden

Moses: Prinz und Prophet

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Über dieses E-Book

Martin Renold stellt wie in seinem Roman "Abraham" auch hier die biblische Geschichte in das historische Umfeld.
Nachdem er von der Tochter von Ramses I. im Schilf gefunden wurde, wird Moses am Königshof in Memphis auferzogen. Wie ein Prinz lernt er im Tempel die ägyptischen Götter kennen und wird durch deren Priester in die Geheimnisse und Riten eingeweiht.
Nach dem Tod von Ramses I. wird Seti König. Dessen Gemahlin weist dem unschuldigen Moses die Schuld am Tod eines ihrer Söhne zu. Nachdem Moses wegen des Todschlags an einem ägyptischen Aufseher fliehen musste, wächst in ihm der Wunsch, sein Volk aus der Knechtschaft zu befreien.
Als er vom Sinai zurückkehrt, regiert bereits Ramses der Grosse in Pi Ramesse im Nildelta. Nach all den Plagen, die über Ägypten hereinbrechen und Ramses' ältester Sohn stirbt, vertreibt er die Hebräer, will sie aber nach einem Sinneswandel aus wirtschaftlichen Gründen zurückholen, was mit dem Untergang des Heeres im Schilfmeer misslingt.
Die handelnden Figuren werden zu neuem Leben erweckt und die Ereignisse in einer nachvollziehbaren Weise dargestellt. Die Wunder bestehen nicht darin, dass sie unwahrscheinlich sind, sondern dass sie zur rechten Zeit am richtigen Ort eintreffen. Das Buch ist deshalb weniger ein religiöses Buch als eine spannend erzählte Geschichte auf historischem Hintergrund.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum18. Aug. 2014
ISBN9783847699514
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    Buchvorschau

    Moses - Martin Renold

    Prolog

    Es war zu der Zeit, als die Götter auferstanden. Echnaton, der Ketzer-Pharao, hatte sie getötet, alle außer einem.

    Im Alten Ägypten glaubte man, das Leben würde ewig ausgelöscht und vom Jenseits ausgeschlossen, wenn es im Diesseits total vernichtet und sein Name der Vergessenheit preisgegeben würde. Verbrecher, Mörder wurden so nicht nur ihres diesseitigen, sondern auch ihres jenseitigen Lebens beraubt. Niemand im Land der vielen Götter käme je auf den Gedanken, auch Isis und Osiris, Seth oder Amun, Thot und Anubis und alle anderen durch die Tilgung ihrer Namen und die Zerstörung ihrer Tempel zu vernichten. Götter hatten bis dahin Menschen vernichtet, nicht umgekehrt. Nur einer konnte auf solche ketzerischen Gedanken kommen, nur ein krankhaftes Hirn – so dachte man – konnte so Frevlerisches tun wie Echnaton, der die Statuen der Götter in den Tempeln zerstörte und ihre Namen an den Wänden und Säulen ihrer Heiligtümer herausmeißeln und jene, die weiterhin an sie glaubten, töten ließ. Nun waren alle Götter tot, nur der eine nicht – der Gott Re in seiner sichtbaren Gestalt als Sonnenscheibe, als Aton. Ihm, dem Erhabenen, dem Gleißenden, dem allein Sichtbaren und Leben Spendenden, hatte Echnaton eine Stadt gebaut, Achet-Aton, in ihr pries er den Sonnengott mit seinen gegen das Volk Ägyptens und vor allem dessen Pharao und seine Familie ausgestreckten Strahlenhänden.

    Aber jetzt war auch er tot, der Ketzer. Doch seine Regierungszeit hatte nicht so lange gewährt, um die Erinnerung aus den Köpfen der Menschen, die im Geheimen weiterhin ihre alten Götter verehrt hatten, zu tilgen. Tutenchaton, der Knabe, war auf den Thron erhoben worden. Als er seinen Namen in Tutenchamun änderte, erwachte der Gott Amun zu neuem Leben. Aber auch Tutenchamun musste weichen. Eje bemächtigte sich der Krone. Doch Eje war alt. Der Macht konnte er sich nicht lange erfreuen. Die zwei Jahre waren zu kurz, um im ganzen Land in allen Tempeln den alten Göttern ihre Namen zurückzugeben, ihre Bilder und Statuen neu zu schaffen oder gar um neue Tempel zu bauen. Auch er musste gehen.

    Lange gewartet auf die Herrschaft über Ägypten hatte Haremhab. Nun bestieg er, der Heerführer, den Thron und vollendete, was Tutenchamun und Eje begonnen hatten. Mit der Wiederherstellung und Eröffnung der alten Tempel wachten auch Osiris und Thot und alle anderen Götter wieder auf. Die Stadt Echnatons und des einzigen Gottes Aton mit seinem Tempel und seinen Bildern wurde zerstört. Mit ihr auch der Name des Ketzers, seine Existenz, die Erinnerung. Kein Stein blieb auf dem anderen. Keine Stele, auf der Echnaton seinen Gott, seine Stadt, sich selber und seine Gemahlin, die schöne Nofretete, gepriesen hatte, blieb stehen. Schande über Echnaton, den Propheten Atons und über seine Stadt. Ewige Schande und immerwährendes Schweigen!

    Heute noch, nachdem über Jahrtausende sein Name vergessen war, sind sich die Wissenschaftler uneins darüber, ob Echnaton der Erste war, der die Vision von einem allmächtigen und einzigen Gott besaß und den Monotheismus einführte. Wir glauben eher, dass Echnaton, der sich schon von Jugend auf Gedanken machte über die Vielzahl der Götter, die sich oft gegenseitig bekämpften, von den Hebräern in Ägypten hörte und angetan war von ihrem Glauben an einen einzigen Gott, einen Gott, der alles erschaffen hatte, die Erde und den Himmel, die Pflanzen und die Tiere und die Menschen, ein Gott, der allmächtig war und keine anderen Götter neben sich duldete. Dass er dies erkannte, dass es einen solchen Gott geben musste, war allerdings nicht die Idee eines kranken Gehirns, sondern die klare Vorstellung eines Suchenden, auch wenn sie nicht aus einer eigenen Vision erwachsen war. Doch für ihn, den Ägypter, dem Leben und Existenz eines Menschen oder eines Gottes untrennbar mit Sichtbarkeit verbunden war, schien es unmöglich, dass ein namenloser, unsichtbarer Gott sein konnte. Darum wählte er den sichtbarsten aller ägyptischen Götter, Aton, den Sonnengott, der alles überstrahlt, zu seinem Gott, zum alleinigen Gott, den sein Volk von nun an verehren sollte und zwar unter Zwang und mit Gewalt.

    Als Haremhab nach siebenundzwanzig Jahren Regentschaft starb, hinterließ er ein blühendes Reich, aber keinen männlichen Erben, der den Thron hätte besteigen können.

    Mit den neuen Herrschern, Ramses dem Ersten und seinen Nachfolgern, kam eine neue Dynastie zu Ehren und mit ihr ein Gott, der bisher bei wenigen Ägyptern in Ansehen gestanden hatte. Seth, der stürmische, aufbrausende Wüstengott, war ein Feind des Gottes Amun. Er hatte Osiris getötet, den Isis wieder auferweckte.

    Ramses regierte nur kurze Zeit. Um das Volk, das über die Verehrung Seths aufgeschreckt war, zu versöhnen, baute sein Nachfolger, Seti, in Abydos einen großartigen Tempel zu Ehren des Osiris.

    Setis Sohn, Ramses der Große, herrschte siebenundsechzig Jahre. Die Tempel, die er baute, waren eher zu seinem eigenen Ruhm errichtet als für die Götter. Auch er ließ, wie der Ketzerkönig – verhasst und verboten sein Name – eine neue Stadt bauen: Pi-Ramesse.

    In dieser Zeit, als die Ramessiden zu herrschen begannen, beginnt unsere Geschichte.

    Die Geburt des Moses

    Haremhab war tot. Er war der Letzte der 19. Dynastie gewesen. Nicht Blutbande hatte ihn mit dieser verbunden. Der ehrgeizige Feldherr unter Eje, seinem Vorgänger und Schwiegervater, hatte sich nach dessen Tod mit Hilfe des Militärs der Krone bemächtigt. Er war mit Mutnjedemet, der Tochter Ejes, verheiratet, hatte aber keine Nachkommen. Deshalb wurde Ramses, Haremhabs militärischer Stellvertreter, zum Pharao erwählt. Und im ganzen Land verkündeten Herolde, dass er als Nachfolger des verstorbenen Haremhab zum König über beide Reiche – Ober- und Unterägypten – gekrönt werden solle.

    Ramses war mit Satre verheiratet. Er hatte einen Sohn, Seti, der mit der jungen Tuja, der Tochter eines Streitwagenoffiziers, verheiratet war, und eine jüngere Tochter, die den lieblichen Namen Henut-taui trug.

    Die Nachricht von Ramses’ Krönung gelangte auch in die Provinz Gosen, wo Amram und Jochebed wohnten.

    Amram war ein Nachkomme jenes Levi, der vor Generationen mit seinen Brüdern aus Hebron nach Ägypten gekommen war, um im Auftrag ihres alten Vaters Jakob bei den Ägyptern Korn zu kaufen, weil in ihrer Heimat eine lang andauernde Hungersnot herrschte.

    Aus der Heiligen Schrift ist bekannt, dass sich Jakob und seine Söhne in Ägypten ansiedelten, wo sie und ihre Nachkommen sich während vierhundert Jahren vermehrten. Sie selbst nannten sich Volk Israel, weil Gott selbst dem Isaak, Jakobs Vater, den neuen Namen Israel gegeben hatte. Von den Ägyptern aber wurden sie Hebräer genannt, weil sie aus Hebron stammten.

    Die Gegend von Gosen war ein fruchtbares Weideland. Früher waren die Hebräer Hirten gewesen. Auf den Weiden hüteten sie ihre Schafe und Ziegen. Doch das Volk vermehrte sich so sehr, dass der begrenzte Boden, auf dem immer zahlreichere Wohnstätten entstanden, bald nicht mehr genug für den Lebensunterhalt hergab. Die späteren Könige fürchteten, die Hebräer könnten als Volk am nordöstlichen Einfallstor zu Ägypten zur Gefahr werden. Deshalb begannen sie, die Männer in die Steinbrüche und Ziegeleien zu holen, wo sie zu harter Arbeit gezwungen wurden.

    Amram und Jochebed wohnten in einer ärmlichen Lehmhütte am Rand einer Siedlung. Es war die letzte Hütte gegen ein ausgedehntes Weideland, das sich im Westen bis zum Palast des Pharaos hin erstreckte. In den Morgenstunden, wenn die Hitze der Sonne noch nicht die Luft zum Flimmern brachte, konnte man in der Ferne die Bäume im Park des Königs sehen, der seinen Palast umschloss.

    Nun muss man wissen, dass die Könige Ägyptens zu gewissen Zeiten in Memphis in Unterägypten regierten, zu anderen Zeiten aber in Theben in Oberägypten. Damals hatten diese Städte noch andere, ägyptische Namen. Erst die Griechen, die tausend Jahre später unter Alexander dem Großen nach Ägypten kamen, gaben den Orten und den Pharaonen neue, griechische Namen.

    Amenhotep – oder Amenophis, wie später die Griechen ihn nannten –, der Vater des Echnaton, hatte seinerzeit die Hauptstadt von Memphis nach Theben verlegt. Doch Echnaton hatte eine eigene Hauptstadt erbaut, die in der Mitte zwischen den beiden alten Hauptstädten lag. Die Nachfolger Echnatons, Tutenchamun und Eje, regierten das Land wieder von Theben aus. Haremhab jedoch, schon unter Echnaton Oberbefehlshaber des Heeres, hatte sich, unter dem Vorwand, die Truppen müssten im Delta die Grenze verteidigen, geweigert, nach Achet-Aton zu ziehen.

    Als er Pharao geworden war, hatte er sich außerhalb von Memphis einen Palast gebaut, der ihm als Residenz diente, wenn er auf seinen alljährlichen Reisen nach Unterägypten in Memphis weilte. Der alte Königspalast aus der Zeit von Amenhotep III. war unwohnlich geworden und diente ihm anfänglich nur noch für offizielle Empfänge. Erst in späteren Jahren ließ er die Residenz in Memphis niederreißen und neu erbauen.

    Jetzt, nach dem Tod von Haremhab, war sein Heerführer Ramses zum neuen Pharao erkoren worden. Auch Ramses hatte die meiste Zeit als Truppenführer im Nildelta verbracht, wo die größere Gefahr von feindlichen Angriffen bestand als im Süden, von Nubien her. Deshalb wollte er die Hauptstadt wieder endgültig von Theben nach Memphis verlegen. Doch auch er wollte den Königspalast in der Stadt nur für die Regierungsgeschäfte und Empfänge benutzen. Seine Familie sollte Haremhabs Palast am Rande von Gosen bewohnen.

    Zwischen den armseligen Lehmhütten der Siedlung, wo Amram und Jochebed wohnten, war wenig Platz. Doch rund um die Häuser wuchs Gras auf dem angeschwemmten Land des Nils, wo einige Schafe und Ziegen weideten. Auch Jochebed hatte ein Schaf wie viele andere Frauen, deren Männer in den Steinbrüchen oder Ziegeleien arbeiteten. Das gab etwas Milch für die Kinder und Wolle. Und zu den Festtagen gab es im Dorf immer ein paar Lämmchen, die bei dem gemeinsamen Opfer dem Herrn dargebracht werden konnten.

    Wie viele seiner Glaubensbrüder arbeitete auch Amram in einem Steinbruch auf der östlichen Seite des Nils, da, wo die Ebene des Deltas aufhört und sich die kahlen Felsen zu erheben beginnen. Auch sein Vater und sein Großvater hatten schon dort gearbeitet. Den Hebräern blieb nichts anderes übrig, als Steine für die Tempel und Paläste und die Standbilder der Gottheiten und Könige aus dem Fels zu schlagen und zu bearbeiten oder Lehmziegel herzustellen. Die eine Arbeit war so schlimm wie die andere. Kräftigere Männer wurden in den Steinbrüchen in den Bergen eingesetzt, die anderen mussten in der Nähe des großen Flusses aus Nilschlamm Ziegel formen, die je nach ihrer Bestimmung mit Stroh gemischt waren und getrocknet oder gebrannt wurden. Ob in den Bergen oder am Nil, sie alle wurden von Peitschen schwingenden Aufsehern zur Arbeit unter der glühenden Sonne angetrieben.

    „Für uns wird das keine Wende zum Guten sein", sagte Amram zu seiner Frau Jochebed, als sie von Ramses’ Wahl zum König erfuhren.

    „Ich fürchte, du hast Recht", antwortete Jochebed ihrem Mann. In ihrem Gesicht drückte sich Hoffnungslosigkeit aus. Wie gerne hätte sie ihrem Mann gewünscht, dass unter einem neuen Pharao sein hartes Los sich zu Besserem gewendet hätte! Unter Haremhabs langer Regierungszeit – sie kannte keine andere – hatte sich nie etwas gebessert. Sie war noch zu jung. So weit sie sich erinnern konnte, war Haremhab König von Ägypten gewesen. Tutenchamun und Eje kannte sie nur dem Namen nach. Von Echnaton – von dem niemand offen sprach – hatte sie, nachdem Amram sie zur Frau genommen hatte, nur gerüchteweise gehört.

    Amram klagte nur selten, wenn er nach tage- oder wochenlanger Arbeitszeit nach Hause kommen durfte. Doch sie sah es ihm an, dass er unter der harten Arbeit litt. Jetzt, da Haremhab tot war, hätte sie gerne für ihn gehofft. Doch die von Generation zu Generation übernommene und unter Schweiß und Schlägen in die Seelen der Männer eingebrannte Erfahrung ließ auch den Frauen keine solche Hoffnung.

    „Es ist doch mit jedem neuen Pharao nur schlimmer geworden, sagte Amram. „Weißt du nicht mehr, wie unsere Großväter von ihrer Zeit unter Amenhotep erzählt haben? Auch sie mussten streng arbeiten in den Steinbrüchen. Am besten hatten es jene, die beim Bau der Tempel und Paläste eingesetzt wurden. Sie waren geachtet, und auch ihrer Hände Arbeit wurde hoch geschätzt und so entlohnt, dass sie und ihre Kinder ohne Sorgen leben konnten. Doch schon unter seinem Sohn Echnaton wurde es schlimmer.

    Anders als die Ägypter wagte Amram diesen Namen auszusprechen, hatte Echnaton doch nicht seinen Gott beleidigt, sondern die Götter der Ägypter, denen nichts lieber war, als diesen Ketzer zu vergessen.

    „Ja, antwortete Jochebed, „zuerst dachten unsere Großväter und Väter, unter ihm würden sie weiter so leben können, wie sie es gewohnt waren – im Schweiße ihres Angesichts, aber auch in Dankbarkeit gegenüber dem gütigen Pharao, der ihnen Arbeit, eine bescheidene Hütte, Kleider und Brot gab. Aber dann mussten viele von ihnen wegziehen und dem Pharao seine neue Stadt bauen.

    „Ich erinnere mich, als ich noch ein Kind war, fuhr Amram fort, „wie mein Vater von dem Umzug sprach. Die Männer wurden von ihren Frauen und Kindern getrennt. Auf Schiffen wurden sie auf dem Nil an die Stelle gefahren, wo die neue Stadt entstehen sollte. Es war eine raue, wüste Gegend, da, wo noch kein Mensch vorher hatte siedeln wollen. Und nun mussten unsere Leute innerhalb eines Jahres eine Stadt bauen mit einem Königspalast, Wohn- und Lagerhäusern und einem Hafen. Echnatons Aufseher trieben sie mit Peitschen zur Eile an. Sie hatten keine Zeit, Steine aus den Felsen zu schlagen. Es musste mit Lehmziegeln gebaut werden, nur damit alles schnell ging und der Pharao von hier aus sein Volk regieren konnte. Als die Stadt Achet-Aton gebaut war, durften manche zurückkehren. Viele aber mussten bleiben, und etliche hatten die Strapazen nicht überstanden und starben fern von ihren Familien. Aber auch jene, die heimkehrten, wurden gleich wieder unter ein neues Joch gespannt.

    „Und zuerst hatten unsere Väter und Mütter gedacht, Echnaton sei ein gütiger Herrscher und freundlich zu uns Hebräern, weil er wie wir nur einen einzigen Gott verehrte, sagte Jochebed. „Doch schon bald merkten sie, dass dem nicht so war. Denn sein Gott war nicht unser Gott, nicht der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Sein Gott war nicht anders als die anderen Götter der Ägypter. Er war nur einer von ihnen. Echnaton betete die Sonne an, nicht den wahren Gott, den unsichtbaren, der sich unsern Vätern offenbart hat.

    „Er war ein grausamer Herrscher, erinnerte sich Amram. „Er verbreitete seinen Glauben mit Gewalt. Wer nicht an Aton glaubte, wurde getötet. Die Tempel der anderen Götter wurden geschändet. Nicht nur wir Hebräer stöhnten unter seiner Schreckensherrschaft. Auch das ägyptische Volk litt unter ihm. Um nicht verfolgt zu werden, wurden viele zu Heuchlern. In der Öffentlichkeit bekannten sie sich zu Aton, im Geheimen aber beteten sie weiter ihre alten Götter an und hielten Statuen ihres Lieblingsgottes versteckt. Doch jetzt geht es den Ägyptern wieder so gut wie zu Thutmosis’ und Amenhoteps Zeiten. Nur wir Hebräer werden unterdrückt, weil wir ihnen fremd sind.

    „Es ist ja wahr, seufzte Jochebed, „wir sind Fremde in diesem Land.

    „Und wir vermehren uns immer mehr, unterbrach sie Amram. „Das macht den Ägyptern Angst. Deshalb zwingen sie uns zur Arbeit wie Sklaven. Haremhab hat uns geholt, damit wir seinen Palast und die alte Residenz in Memphis neu erbauen. Hat ihn Echnaton auf den Geschmack gebracht, uns mit immer neuen Bauten zu beschäftigen, um uns so unter seiner Kontrolle zu halten? Wer weiß, ob nicht Ramses wieder eine neue Stadt bauen will.

    „Es ist ja gut, meinte Jochebed, „wenn die Männer immer genug Arbeit haben, aber je mehr sie euch schinden, umso mehr werden wir auch von den Ägyptern verachtet und erniedrigt. Auch wir Frauen und unsere Kinder leiden unter den Anfeindungen.

    „Gott der Herr wird uns helfen, versuchte Amram sie aufzumuntern. „Wir dürfen den Glauben nicht verlieren. Eines Tages wird er uns zurückführen in das Land unserer Urväter.

    „Mögest du Recht haben, sagte sie, „aber ob wir das noch erleben werden?

    Amram wusste keine Antwort mehr. Er zuckte nur die Achseln. Auch er mochte nicht so recht daran glauben, dass sich dies noch zu seinen Lebzeiten erfüllen würde.

    Wenn Amram oft wochenlang in den Steinbrüchen war, lebte Jochebed allein mit ihrer Tochter und ihrem Sohn. Mirjam war schon zehn Jahre alt und ein hübsches Kind mit schwarzen Locken. Aaron war vier Jahre alt und ein aufgeweckter Knabe. Er trieb sich gerne mit den gleichaltrigen Jungen in der Siedlung umher. Er war groß für sein Alter und spielte sich als Anführer auf. Wenn er dann schmutzig und verschwitzt vom Spielen zum Essen nach Hause kam, hatte Jochebed ihre liebe Mühe mit ihm. Nur ungern ließ er sich Hände und Gesicht waschen, und sein Mund sprudelte nur so über von dem, was er von seinen Abenteuern mit den anderen Jungen zu berichten wusste.

    Unter dem Herzen trug Jochebed ein weiteres Kind. Sie freute sich auf seine Geburt, auch wenn sie oft in Sorge war wegen der schlechten Zeiten. Was wusste man denn, was den Kindern noch bevorstand? Gerade jetzt, da der alte Pharao gestorben war und ein neuer kommen sollte. Von ihm hieß es, dass er besonders den Gott Seth verehre. War nicht das schon ein schlechtes Zeichen? Zwar kannte sie sich nicht aus mit den Göttern der Ägypter, aber es hieß, dieser Gott sei ein schrecklicher Gott, der einen anderen Gott, den Osiris, umgebracht habe. Sie konnte nicht verstehen, wie ein Gott einen anderen töten könne, doch da sie ohnehin nicht an diese Götter glaubte, wäre es ihr eigentlich gleichgültig gewesen. Aber einem Herrscher, der einen solchen Gott verehrte, war ebenso Schlimmes zuzutrauen. Wie wird dies alles noch enden?, dachte Jochebed im Stillen.

    Die Krönung des neuen Pharaos wurde im Land mit großen Festlichkeiten begangen, bei denen viel Bier, vom gütigen Pharao gespendet, getrunken wurde. Für das ägyptische Volk gab es nichts Schöneres, als im Rausch für ein paar Tage den auch für sie nicht einfachen Alltag zu vergessen. Und die Herrschenden sahen es gerne, wenn die Untertanen solche Festgeschenke mit dankbarem, einfältigem Sinn annahmen.

    Die Hebräer berührte dies wenig. Sie hatten nur einen Tag lang nicht zur Arbeit in den Steinbrüchen oder Ziegeleien und auf den Bauplätzen gehen müssen. Nicht ihretwegen war ihnen dieser freie Tag geschenkt worden. Die Aufseher, die Ägypter waren, sollten mit dem Volk feiern. Doch schon am nächsten Tag und an den folgenden, an denen das gehobenere Volk und der Adel noch weiterfeierten, hatten die Aufseher wieder anzutreten und über die Arbeit der Hebräer mit aller Strenge zu wachen.

    Der neue Pharao jedoch begann schon bald nach seiner Krönung und dem Fest, sich Gedanken zu machen, wie er sein Reich noch besser regieren könne, als dies sein Vorgänger Haremhab getan hatte. Wie dieser wollte auch er Tempel bauen, Tempel für Seth und vielleicht, damit das Volk mit ihm zufrieden sei, auch einen für Osiris. Arbeitskräfte gab es ja mehr als genug. Ja, wirklich: viel zu viele. Solange sie beschäftigt waren, regten die Leute sich nicht über sie auf, aber an den freien Tagen, wenn sie in die Stadt und auf die Märkte kamen, fielen sie doch ziemlich stark auf. Und da waren ja auch noch ihre Frauen und Kinder. Auch wenn die meisten in eigenen Siedlungen lebten, kamen sie, wenigstens ein Teil von ihnen, mit den anderen Leuten in Berührung. Man begegnete ihnen mit Argwohn, und es gab viele Gerüchte. Man wusste ja nicht, wie sie in ihren Siedlungen lebten. Doch in der Phantasie dachte man sich seltsame Dinge aus. Sie sahen anders aus und waren ärmlich und nicht wie die Ägypter gekleidet. Zudem glaubten sie an einen anderen Gott. Das war früher nie ein Problem gewesen. Die Ägypter hatten den Fremden immer gestattet, an ihre eigenen Götter zu glauben und ihnen Stätten zu errichten, wo sie sie verehren und ihnen opfern konnten, ob sie nun Baal, Ishtar oder Astarte hießen. Aber die Hebräer glaubten an einen seltsamen, namenlosen und unsichtbaren Gott. Und sie behaupteten, außer ihm gebe es keinen anderen. Dasselbe hatte schon Echnaton behauptet. Und Echnatons Glaube an einen einzigen Gott war zumindest seit Eje und Haremhab verfemt und verboten.

    Weshalb versteckten diese Hebräer ihren Gott? War das nicht verdächtig?

    Ramses rief seine Getreuen zu sich, um sich mit ihnen zu beraten. Sie kamen herein in den Thronsaal, die Beamten und Berater mit ihren schönen Titeln, die oft gar nicht das Amt bezeichneten, das sie in Wirklichkeit ausübten: der Königliche Schreiber, der Erste Sandalenträger, der Fächerträger zur Rechten des Königs, dazu der Oberste Heerführer, der Schatzmeister und verschiedene weitere Persönlichkeiten wie der Oberste Aufseher aller Bauten, der Zeremonienmeister und die Magier. Auch Seti, der Sohn des Pharaos, war dabei. Ihn hatte Ramses schon kurz nach seiner Krönung zum Hohepriester des Gottes Seth ernannt.

    Alle außer Seti, der in stolzer Haltung und selbstgefälliger Miene neben dem Thron seines Vaters stand, warfen sich vor Ramses auf den Boden und warteten, bis er mit dem Fuß das Zeichen zum Aufstehen gab.

    Ramses saß in majestätischer Haltung auf dem Thron, in seine kostbaren königlichen Gewänder gekleidet. Auf dem Haupt trug er zwar nicht die Doppelkrone wie bei Staatsanlässen, aber das Königskopftuch. Dies, und dass er alle seine wichtigsten Berater geladen hatte, bedeutete, dass es um eine wichtige Sache ging.

    „Was wisst ihr über die Hebräer?, fragte er sie, als sie sich erhoben und um ihn versammelt hatten. „Was wisst ihr von ihrem Gott?

    Ramses schaute sich in der Runde um und wartete auf eine Antwort. Schließlich blieb sein Blick auf dem Ersten Sandalenträger haften. Er war für die inneren Angelegenheiten zuständig. Ramses hatte ihn zu diesem Amt ernannt, nachdem er den Träger dieses Titels wegen dessen hohen Alters nach dem Tod von Haremhab verabschiedet hatte. Suten Hamu, dies war der Name des von Ramses ernannten Ersten Sandalenträgers, hatte schon unter Haremhab ein höheres Amt bekleidet. Als Ramses noch Feldherr gewesen war, hatte dieser den noch jungen Suten Hamu als in Staatsgeschäften tüchtigen und gewissenhaften Mann kennen gelernt und sich mit ihm befreundet.

    „Herr, begann nun Suten Hamu, als ihn der Pharao mit einem aufmunternden Nicken aufforderte, seine Meinung kund zu tun, „das Volk weiß kaum etwas über sie ...

    „Ich will nicht wissen, was das Volk weiß, ich will wissen, was euch bekannt ist", unterbrach ihn der Pharao.

    Eine Weile herrschte Schweigen. Der Pharao schaute wieder einen nach dem anderen fragend an. Doch keiner wusste eine Antwort.

    Als Erster fasste der Hohepriester des Ptah Mut, hatte er doch einige Kenntnis von dem, was in sein Gebiet, die Theologie, gehörte. Er sprach:

    „Mein Herr, sie beten einen Geist an. Sie haben keine Bilder, keine Statuen von ihrem Gott."

    „Also weiß niemand, wie ihr Gott aussieht?", fragte Ramses.

    „Sie nennen ihn den Gott Abrahams und sagen, er habe keinen Namen", fuhr der Hohepriester fort.

    Dem Pharao kam das seltsam vor. Ein Gott ohne Namen, das konnte er nicht verstehen. Alles, was existierte, hatte einen Namen, und was keinen Namen hatte, existierte auch nicht. Ein sonderbares Volk, diese Hebräer.

    „Wer sind ihre Priester?", fragte Ramses den Hohepriester.

    „Ich kenne keinen."

    „Herr, ich habe gehört, dass sie auch keine Priesterinnen haben", sagte einer der Schreiber.

    Der Hohepriester runzelte missmutig die Stirn. Wollte der Schreiber mehr wissen als er, der Priester? Wollte er sich vor dem Pharao hervortun? Das hätte auch er, der Hohepriester, erwähnen können, wenn er es für wichtig befunden hätte. Doch der Hinweis, dass er selber keinen Priester kenne, schien ihm zu genügen.

    Seti schwieg verlegen. Als Hohepriester des Seth hätte er eigentlich in theologischen Fragen Bescheid wissen müssen. Doch er übte dieses Amt erst seit kurzem aus. Kronprinz – Horus im Nest – war er ja auch erst seit ein paar Monaten. Seine Erziehung als Sohn eines Heerführers hatte sich auf das Allernotwendigste im Bezug auf die Gottheiten beschränkt. Mehr Zeit war auf seine körperliche Ertüchtigung aufgewendet worden. Von ihm verlangte Ramses auch keine Antwort. Der kannte seinen Sohn zu gut, als dass er von ihm einen brauchbaren Hinweis auf die religiösen Sitten der Hebräer hätte erwarten können

    Der Erste Sandalenträger meldete sich nun erneut zu Wort.

    „Wenn sie zusammenkommen, sind die Männer unter sich wie Verschwörer", sagte er.

    Diesmal war es der Oberste Heerführer, der seinen Unwillen kuntat, doch, anders als der Hohepriester des Ptah, mit Worten, nicht nur mit finsterem Mienenspiel.

    „Warum hast du mir nichts gemeldet von dieser Verschwörung?", rügte er Suten Hamu.

    Der versuchte sich zu rechtfertigen:

    „Ich weiß nichts von einer Verschwörung. Ich sagte nur, dass sie zusammenkommen wie

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