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Aus Feuer und Asche: Das Katzenmädchen
Aus Feuer und Asche: Das Katzenmädchen
Aus Feuer und Asche: Das Katzenmädchen
eBook248 Seiten3 Stunden

Aus Feuer und Asche: Das Katzenmädchen

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Über dieses E-Book

In den Wirren des zweiten Weltkrieges bringt Karin ihre Tochter Fanny zur Welt. Der Tochter, die in einem schwachen Moment mit einem fremden Soldaten gezeugt wird, kann Karin keine Liebe geben. Als ihr Mann Fritz im Krieg fällt, droht Karin in eine Depression zu fallen. Sie lebt mit der Gewissheit, dass sie und alle am Krieg scheitern werden.
Ohne die Liebe der Mutter, aber mit einem starken Überlebenswillen und der Gabe, Tiere zu verstehen, wächst die kleine Fanny zu einem aufgeweckten Mädchen heran.
Dieser Roman ist eine Hommage an das Schicksal unzähliger Frauen der Kriegs- und Nachkriegszeit.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum2. März 2020
ISBN9783750449527
Aus Feuer und Asche: Das Katzenmädchen
Autor

Hannelore Deinert

Hannelore Deinert ist in Kelheim an der Donau geboren und wuchs ohne Vater auf, er ist im Krieg geblieben. Nach einigen Wanderjahren und einem sehr intensiven Familien- und Berufsleben, sie betrieb in Münster bei Dieburg ein Spielwaren- und Bastelgeschäft, fand sie die Zeit, ihrer Leidenschaft, dem Schreiben, nachzukommen. Sie absolvierte erfolgreich ein Literatur Fern-Studium und schreibt Romane, Kurzkrimis, Gedichte, Jugend- und Kindergeschichten. Ihr Motto ist: Licht blendet zu sehr, zum Glück gibt es den Schatten.

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    Buchvorschau

    Aus Feuer und Asche - Hannelore Deinert

    Inhalt

    Nur ein kleiner Fehltritt

    Das unerwünschte Kind

    Der Tod wohnt nebenan

    Meinen herzlichsten Dank an

    alle, die zum Gelingen des Werks

    beigetragen haben.

    Impression:

    Ein Menschenkind verirrt sich schutzlos in einer bedrohlichen, ihm feindlich gesinnten Welt. Es ist ein ungebetener Eindringling, den man wie eine junge, lästige Katze beseitigen will, weil man glaubt, es stände dem Glück im Wege.

    Aber es hat einen Fürsprecher, einen guten Stern, nur wenn er erlischt, dann wird es allzu dunkel und kalt.

    Aus Feuer und Asche erblüht neues Leben, irgendwann und unaufhaltsam. Das ist die Hoffnung.

    Diese Geschichte beruht auf wahre Begebenheiten, die sich während des zweiten Weltkriegs zugetragen haben.

    Die Namen der Protagonisten wurden geändert.

    Nur ein kleiner Fehltritt

    Maikäfer flieg’!

    Dein Vater ist im Krieg.

    Deine Mutter ist in Pommerland,

    Pommerland ist abgebrannt.

    Maikäfer flieg’."

    (Wiegenlied aus den Kriegsjahren)

    Eigentlich war dieser herrliche Maimorgen im Jahre 1941 wie geschaffen für Glücksgefühle, aber Karin Gruber wurde, als mit dem etwas schwergängigen Herrenfahrrad, das sie sich von ihren Wirtsleuten ausgeliehen hatte, den langgezogenen Hügel hinauf strampelte, von Angst und Ratlosigkeit getrieben. Endlich oben, stieg sie vom Rad, zog das selbstgehäkelte Jäckchen aus und legte es hinter sich in den Fahrradkorb. Es war ihr trotz der Morgenkühle warm geworden und es lag noch ein weiter Weg vor ihr.

    Sie hatte die Eltern schon lange nicht mehr besucht, denn es machte keinen besonderen Spaß, das schwarze Schaf der Familie zu sein. Sie war das siebte von den acht Kindern der Bauersleute Alois und Eva Niederhammer, die in der Niederbayrischen Gemarkung Train einen Hopfenbauernhof bewirtschafteten.

    Zwei Militärsjeeps kamen Karin entgegen. Die Soldaten darin winkten der hübschen, jungen Frau übermütig zu, Karin winkte zurück. So ein fescher Soldat auf Krankenurlaub war es gewesen, der für das Dilemma, in dem sie sich jetzt befand, verantwortlich war.

    Während Karin einen Hügel hinunter raste, wobei ihr dunkelbraunes, langes Haar wie eine Fahne hinter ihr her wehte und ihr Rock heftig im Fahrwind flatterte, tauchten schon die ersten Hopfengärten auf, der junge Hopfen rankte sich bereits an den dicken Drähte zu dem Gerüst hinauf, welches von dicken Balken getragen wurde.

    Karins Gedanken aber schweiften zu jenem Abend zurück, an dem sie mit ihrer Freundin Hilde im Cafe Amman gesessen hatte:

    Es war das beliebteste Tanzkaffee in Kelheim und an den Wochenenden immer gut besucht. Abends tanzten die jungen Leute gern nach den besinnlichen oder flotten Klängen eines elektrischen Klaviers.

    Auch an jenem Abend saßen Karin und Hilde an ihrem Lieblingstisch, ganz hinten am Fenster, wo man weitgehendst ungestört war und das Lokal gut überschauen konnte. Während sie Lale Andersons gefühlvolles Lili Marlene lauschten, wurde Karin auf die jungen Männer am Nebentisch aufmerksam. Sie waren in Zivil, rauchten und unterhielten sich leise miteinander, wobei sie, wie Karin belustigt bemerkte, verstohlene Blicke zu ihr und Hilde herüberwarfen. Als einer von ihnen, ein fast nobel aussehender junger Mann mit rotblondem Haar, herüberkam und sie mit einer leichten Verbeugung um einen Tanz bat, sah sie keine Veranlassung, dies abzulehnen. Sie stand lächelnd auf und ging ihm voran zur Tanzfläche. Weitere Paare folgten, auch Hilde mit einem jungen Mann mit einer Augenbinde. Die kleine Tanzfläche füllte sich.

    Sie wiegten sich im Takt und Karin lauschte der leisen, angenehmen Stimme ihres Tanzpartners dicht an ihrem Ohr. Er sprach von einem verirrten Granatsplitter, der ihm eine Woche Fronturlaub beschert hatte, aber schon morgen früh müsse er zurück zu seiner Einheit. Ob er jemals wiederkehren würde, das weiß nicht einmal der liebe Gott. Während er Karin sanft an sich zog und sie von Fritz, ihrem Mann, erzählte, von dem sie seit Monaten nichts mehr gehört, geschweige denn gesehen hatte und den sie so sehr vermisste, überkam beide eine große Sehnsucht nach Zärtlichkeit und Nähe. Karin blickte in zwei sehnsüchtige Augen, sie ließ es zu, dass er den Arm um sie legte und hinausführte. Sie schlenderten Arm in Arm durch eine stille Gasse, am „Alten Markt" bogen sie hinter dem Brauhaus in den schmalen Weg zum Kanal ein. Dort küssten sie sich, an der Uferböschung breitete er seine Jacke aus und einen seligen Moment lang gaben sie sich ihrem Hunger nach Nähe hin, sie vergaßen den Krieg und die Sorgen, sie vergaßen die Welt um sich.

    Danach brachte der Fremde Karin, zärtlich einen Arm um sie gelegt, nach Hause. Sie wohnte am ‚Alten Markt’, in einem kleinen Haus, in dem sich ein Milchlädchen befand, einige abgetretene, in das Haus gebaute Steinstufen führten zu ihm hinauf. Ein hoher Lattenzaun verband das Haus mit dem zweistöckigen Nachbargebäude und grenzte einen Innenhof zur Straße hin ab.

    Karin und der Soldat blieben vor der Lattentür stehen, er nahm ihr Gesicht in die Hände und flüsterte: „Wenn es mir dreckig geht, schöne Unbekannte, dann denk ich an dich, dann werde ich alles überstehen können."

    Dann schritt er schnell Richtung Donaustraße davon. Karin sah seiner aufrechten, von den Straßenlaternen schwach beschienenen Gestalt nach, bis sie, sich noch einmal umwendend und zurückwinkend, an der Hausecke des Cafés Amman verschwand.

    Karin ging durch den Innenhof zum Abort, er befand sich am Ende des Hofs, in einem niedrigen Gebäude, das plan an die kahle Wand des zweistöckigen Nachbargebäudes grenzte. Unter dem zum Hof hin leicht abfallendem Dach befanden außer dem Abort noch ein Schuppen und eine Waschküche. Die Bretterwand an der Straßenseite gegenüber schloss den Hof hermetisch von der Außenwelt ab.

    Obwohl Obermüllers, die Vermieter, hier regelmäßig für Sauberkeit sorgten, die Sitzfläche mit dem runden, abnehmbaren Holzdeckel und der Bretterboden wurden jeden Tag geschruppt, legte Karin die Sitzfläche sorgfältig mit Zeitungspapier aus, davon lag reichlich bereit, denn Herr Obermüller war ein fleißiger Zeitungsleser. Aus der Setzgrube roch es streng, Karin war froh, als sie wieder draußen war und tief die frische Nachtluft einatmen konnte. Sie betrachtete kurz den klaren Sternenhimmel, dann betrat sie das Haus durch die seitlich gelegene Haustür und stieg die schmale Holzstiege zum Taubenschlag hinauf. So hatten Fritz und sie die kleine Mansarde, in die sie schon vor ihrer Heirat eingezogen waren, getauft.

    Die Kammer, die sie betrat, wurde vom übrigen Dachboden durch eine Bretterwand abgetrennt, sie war geräumig und niedrig. Unter die Dachschräge hatte Fritz ein offenes, grobes Regal eingebaut, in dem Küchenutensilien und Lebensmittel untergebracht waren. Die zwei kleinen Fenster gingen zu den Gärten der Häuser hinaus, davor stand ein noch recht ansehnliches, bequemes Kanapee, das Hilde, Karins Freundin, irgendwo organisiert hatte. In der Raummitte stand ein schlichter Holztisch mit einer hübschen Tischdecke darauf, er war von vier Stühlen umgeben. Von der Decke hing ein Kabel mit einer nackten Glühbirne herab, einen Schirm konnte Karin noch nicht auftreiben. Links neben der Tür befand sich der Herd mit den drei Ofenplatten und rechts eine Bretterwand mit einer Tür, die in einen schmalen Raum, kaum größer als eine Abstellkammer, führte. Zwei Betten standen darin und unter der Dachschräge ein schäbiges, viertüriges Seitboard und ein Bretterregal, in denen die Wäsche der kleinen Familie Platz fand. Fritz‘ geliebte Gitarre lag in einem Leinenbeutel auf dem Seitboard.

    Unter dem winzigen Fensterchen stand ein Bett, indem Karins vierjähriges Söhnchen Andi friedlich schlief. Karin hatte die bloße Glühbirne, die von der Decke hing, brennen lassen und mit einem Tuch abgedeckt, sodass ein sanftes Schlummerlicht den Raum schwach erhellte, die Obermüllers hatte sie gebeten, ein Auge und ein Ohr auf das schlafende Kind zu haben. Obermüllers taten es gern, sie hatten Verständnis für die junge Frau, wenn sie gelegentlich ausgehen wollte.

    Nun galt Karins erster Blick ihrem schlummernden Söhnchen. Sein kurzes Blondhaar war verwuselt und sein freches Sommersprossengesichtchen gerötet und gelöst im Schlaf. Wieder stellte Karin gerührt fest, wie unwahrscheinlich er seinem Vater ähnelte.

    Müde ging sie in den Wohnraum zurück, schöpfte aus dem Warmwasserbehälter des Herds warmes Wasser in eine Schüssel und wusch sich sorgfältig, wobei sie darauf achtete, sparsam mit der nach Veilchen duftenden Seife umzugehen. Sie und das ebenfalls nach Veilchen duftende Badesalz waren Hochzeitsgeschenke von Horst und Arnold, ihren Trauzeugen, sie waren Raritäten, denn in der Seifenfabrik, in der sie arbeitete, wurde nur gewöhnliche Kernseife hergestellt.

    Danach legte sich Karin in das zweite Bett in der Schlafkammer und dachte an Fritz, ihrem Mann.

    „Mein Gott, dachte sie, „wie konnte mir das nur passieren? Welcher Teufel hat mich nur geritten? Sie schämte sich, aber sie hatte nicht wirklich das Gefühl etwas Schlechtes getan zu haben. Sie sah nicht wirklich einen Grund, dieses Erlebnis zu vergessen oder zu verdrängen, denn es war Fritz gewesen, den sie geliebt hatte. Aber Fritz durfte trotzdem nie etwas davon erfahren. Nie und nimmer.

    Natürlich war sie nie ein Kind von Traurigkeit gewesen, und als sie Fritz Gruber vor fünf Jahren begegnete, da hatte sie nicht lange nach seinem Woher und Wohin gefragt. Er war von Anfang an ihre große Liebe gewesen, bis heute, daran konnte auch die Ablehnung der Eltern und der Geschwister nichts ändern. Erst recht nicht die verfluchte Schwangerschaft.

    Wieder fühlte Karin eine ohnmächtige Wut in sich aufsteigen. „Der Fremde ist weg", dachte sie bitter, „und spielt irgendwo in Frankreich oder sonst wo den Helden. Sie durfte nun allein diesen winzigen Moment der Schwäche ausbaden. War das gerecht?

    Nun war sie nach all den Jahren auf dem Weg zu den Eltern. Es würde ein Canossagang werden, das wusste Karin, aber sie würde nicht reumütig und demütig zurückkommen, sie brauchte keine Vergebung für dass, was sie getan hatte, sie brauchte nur ein wenig Zuwendung, brauchte Verständnis und Rat, vielleicht auch ein wenig Hilfe. Sie fühlte sich so allein.

    Währenddessen war es Mittag geworden und Karin hatte einen Großteil ihres Weges, von Kelheim nach Train waren es etwa zwanzig Kilometer, zurückgelegt. Gelegentlich kam ihr ein Militärfahrzeug oder ein Pferde- oder Ochsengespann entgegen, die hauptsächlich von Frauen oder Burschen oder älteren Männern, die für den Wehrdienst zu jung oder zu alt waren, gelenkt wurden. Karin hoffte, dass ihr Vater noch nicht eingezogen worden war.

    Auf den Äckern arbeiteten junge Frauen, die ihren Arbeitsdienst bei den Bauern ableisten mussten. Natürlich auch polnische Zwangsarbeiterinnen, die froh waren, nicht in einer Rüstungsfabrik arbeiten zu müssen, die überall wie Pilze aus dem Boden wuchsen. Sie winkten Karin zu, die schon mühsamer in die Pedale ihres schweren Fahrrades treten musste, Karin winkte zurück.

    Sie hatte nie viel mit Stall- und Feldarbeit am Hut gehabt, wusste sich immer erfolgreich davor zu drücken, was bei den Geschwistern natürlich nicht gut ankam.

    Karin hatte es geliebt, beim Vater zu sitzen, wenn er abends mit den anderen Bauern der kleinen Gemarkung beim Ochsenwirt saß, einen zünftigen Schafskopf drosch, dabei seinen Schoppen Bier trank und sich gerne eine Prise Schnupftabak reinzog. Schon mit neun Jahren war sie ein ernstzunehmender Gegner für die alte Schafskopfriege gewesen, worauf Bauer Niederhammer natürlich immer mächtig stolz war. Ihr gelang es zur Freude der Mutter auch, den Vater meist beizeiten, wenn auch schon mit leichter Schlagseite nach Hause zu manövrieren.

    Sie war gerade vierzehn Jahre alt und hatte eben die Volksschule hinter sich, als sie schon beim Ochsenwirt beim Bedienen mithelfen durfte und sich bei ihm zunehmend unentbehrlich machte. Natürlich kam sie nicht ganz davor herum, auf den Feldern und Wiesen beim Ernten mitzuhelfen oder der Mutter im Haus zur Hand zu gehen, aber sie brauchte zum Beispiel nicht wie die Geschwister morgens um fünf im Stall zu stehen, auszumisten und die Kühe zu melken, denn sie hatte ja bis spät in die Nacht hinein bedient und nebenbei reichlich Trinkgelder kassiert.

    Bislang hatten die Geschwister, zuerst Eva, die ältere, dann Lenz und dann Sepp im Ochsenwirt geheiratet und waren danach weggezogen. Als Karins Lieblingsbruder Georg seine Elisabeth heiratete, platzte der Ochsenwirt aus allen Nähten. Ein Schlagzeuger, ein Saxophonist und ein Gitarrist, der auch sang, sorgten für Stimmung und brachten die Hochzeitsgesellschaft ordentlich in Schwung, sie wurden von der anwesenden Weiblichkeit kräftig angehimmelt.

    Karin half beim Bedienen und hatte alle Hände voll zu tun. Den Gitarristen allerdings konnte sie trotzdem weder überhören, schon gar nicht übersehen. Er spielte und sang wie ein junger Gott und sah auch so aus. Er hatte eine sportliche Figur, ein freches, hübsches Gesicht und blondes Haar, das ihm bei jeder seiner rhythmischen Bewegungen in die breite Stirn fiel.

    Bald bemerkte Karin geschmeichelt, dass er ihr mit seinen blauen Augen überallhin folgte und sie schenkte ihm dafür, wann immer sich ihre Blicke begegneten, ihr allerliebstes Lächeln.

    Fritz Gruber aber sang und spielte nur für das Mädchen im engen, schwarzen Kleid mit dem weißen Kragen und dem weißen Schürzchen. Traumhaft sicher und mit katzenhafter Geschmeidigkeit balancierte sie die Tabletts mit den überschäumenden Bierkrügen durch die Tanzenden, von Tisch zu Tisch, unglaublich bei der knabenhaft zarten Figur. Er bewunderte ihr dunkles, seidiges Haar, welches zu einem Pferdeschwanz gebunden, bei jeder ihrer Bewegungen lustig wippte, und die dunklen Löckchen, die aufs lieblichste ihr ovales, hübsches Gesicht und ihren Nacken umspielten. Wenn sie ihm und seinen Kameraden einen Schoppen Bier brachte, verliebte er sich in ihre sanften, rehbraunen Augen und in ihr bezauberndes Lächeln, das offensichtlich nur ihm galt.

    Nun, es kam wie es kommen musste, nicht die Braut wurde in dieser Hochzeitsnacht entführt, sondern Karin vom Gitarristen.

    Das war schlimm genug, dachte Karin und quälte sich wieder einen Buckel hinauf, aber was dann kam, konnten ihr die Eltern nicht verzeihen.

    Drei Tage war sie bei Fritz, in seiner winzigen Junggesellenbude gewesen. Sie feierten ihre Liebe, sie scherzten, lachten und Fritz kochte Rührei und Bratkartoffeln.

    Dann war sie mit Fritz nach Hause gegangen, sie wollte ihn in ihrer Naivität den Eltern vorstellen und Fritz wollte um ihre Hand anhalten. Aber die Eingangstür war verschlossen gewesen, Karin wusste bis dato gar nicht, dass es einen Schlüssel dafür gab, ein kleiner Koffer stand davor.

    Sie trommelte mit beiden Fäusten an die Tür und rief nach den Eltern, da war der Vater mit verkniffenem Gesicht herausgekommen. Sie wollte ihm erklären, ihm von ihrer Liebe erzählen, vielleicht sich auch entschuldigen, aber er hatte nur mit starrem Blick an ihr vorbeigeschaut und gesagt: „Nein, Karin, es ist vorbei. Du hast einen Schlussstrich gezogen, du hast uns das Herz gebrochen. Erwarte nichts mehr von uns."

    Dann hatte er die Tür zugemacht, ohne Fritz überhaupt wahrgenommen zu haben.

    Karin stand da, als wäre sie vom Blitz getroffen worden, ungläubig hatte sie die verschlossene Haustür angestarrt. Fritz nahm sie tröstend in die Arme und drückte ihren Kopf an seine Brust. Sie hatte sich unwillig freigemacht und war mit steifen Knien zu Hector, dem Hofhund, gegangen, hatte ihn gestreichelt, ein letztes Mal. Dann hatte sie wie um Abschied zu nehmen über den Hof geschaut, alles war so still und traulich gewesen, so als wäre nichts passiert. Die Geranien vor den kleinen Fenstern im Erdgeschoss blühten, sie waren Mutters Stolz, die angebauten Stallungen mit der Tenne darüber lagen völlig friedlich da. Auf der Anhöhe dahinter wusste Karin den Apfelhain, den sie so mochte, ein stabiler Holzsteg, über den die Ernten eingefahren werden, verbindet ihn mit der Tenne.

    Sie schaute in den überdachten Durchgang hinein, der zum Abort und dem Kräutergärtchen der Mutter führt, er war wie immer reinlich gefegt. Er verbindet die Stallungen mit dem längst stehenden Geräteschuppen mit dem großen, zweiflügligen Tor. Das angebaute Gewölbe, ehemals ein Schweinestall, grenzt an die Dorfstraße und dient jetzt als Schlafplätze für die Saisonarbeiter. Gegenüber schließt die fensterlose Fassade des Ochsenwirts den Hof wie ein Atrium ab. Zwei Zufahrten von der Dorfstraße herkommend, dazwischen ein ummauerter, im Boden eingelassener Misthaufen, erlauben ein problemloses Ein- und Ausfahren der Fuhrwerke, ohne dass gewendet werden muss.

    Fritz hatte Karin ein wenig Zeit gelassen, dann hatte er seinen Arm um ihre Schultern gelegt, ihren Koffer aufgenommen und sie sachte aus dem Hof geführt. Karins Herz war so schwer wie ein Stein gewesen, willenlos ließ sie sich leiten. Beim Ochsenwirt wollte sie in die Gaststube laufen, um sich zu verabschieden, aber Fritz hatte sie weitergezogen, zur Bushaltestelle, einige Bauersleute hatten ihnen verwundert nachgeschaut. Als der Bus kam, waren sie eingestiegen und durch einige Dörfer gefahren, bis zu dem Ort, in dem Fritz und seine Freunde wohnten. Dort, in einer Dorfkneipe, in der die jungen Männer oft einkehrten und zu Mittag aßen, hatten sie auf Fritz‘ Freunde, Horst und Arnold, gewartet.

    Karin hatte wie ein aus dem Nest geschubster, kleiner Vogel ausgesehen. Fritz hatte versuchte, ihre Tränen und ihren Kummer einfach wegzuküssen. Dann waren Horst und Arnold gekommen und es wurden eifrig Zukunftspläne geschmiedet. Dabei hatten Karins Bauernstolz und ihr frecher Egoismus endlich wieder Oberhand gewonnen

    Zuerst wollten sie es in Kelheim versuchen, dort, in der Kreisstadt, rechneten sie sich die besten Chancen aus, um sich in den zahlreichen Lokalen und Tanzkaffees bekannt zu machen.

    „Kannst du singen, Karin?", hatte Arnold gefragt.

    „Wie eine Krähe, hatte Karin lachend geantwortet, „aber ich mag Musik.

    Fritz‘ Sachen hatten in einem kleinen Koffer gepasst. Er bezahlte seine Zimmermiete, dann fuhren sie noch am gleichen Tag voller Zuversicht mit einem Bus nach Kelheim.

    Das Städtchen Kelheim liegt am Ende eines Jura-Berglandes, zwischen dem Fluss Donau und dem kleineren Flüsschen Altmühl, sie hatten sich in Jahrmillionen ihre Betten durch die felsigen Hügel des Jura-Berglands gegraben. Einige Kilometer nach Kelheim mündet die Altmühl in die Donau, davor erstreckt sich ein nur wenig von Menschen besiedeltes Sumpfgebiet, in dem sich Reiher, Störche, Wildgänse, Enten und zahllose Amphibien, wie Frösche, Kriechtiere, Echsen heimisch fühlen.

    Kelheim ist eine lebendige Kleinstadt, deren Hauptstraße von schönen Bürgerhäusern gesäumt und von einer gut

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