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Der Wikinger und die schottische Nonne
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Der Wikinger und die schottische Nonne
eBook329 Seiten4 Stunden

Der Wikinger und die schottische Nonne

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Über dieses E-Book

Schottland, 877. Verzweifelt flieht Lady Ceanna vor einer erzwungenen Ehe aus der elterlichen Burg. Sie will ins Kloster, ins ferne Nrurim! Wie gefährlich ihr Plan ist, erkennt sie erst, als ein hochgewachsener Wikinger ihren Weg kreuzt. Sandulf Sigurdsson flößt ihr Angst ein – und verleiht ihr zugleich Mut. Denn schon bald rettet er ihr das Leben, als ihre Verfolger sie finden. Doch als er sie voller Leidenschaft küsst, weiß Ceanna: Ihre Unschuld ist in Gefahr! Und damit ihre Zukunft als Nonne. Dennoch stehen zwischen ihr und ihren Häschern nur der breitschultrige Nordmann und sein Schwert …

SpracheDeutsch
HerausgeberCORA Verlag
Erscheinungsdatum1. Nov. 2022
ISBN9783751507530
Autor

Michelle Styles

Obwohl Michelle Styles in der Nähe von San Francisco geboren und aufgewachsen ist, lebt sie derzeit mit ihrem Ehemann, drei Kindern, zwei Hunden, zwei Katzen, Enten, Hühnern und Bienenvölkern unweit des römischen Hadrianswalls im Norden Englands. Als begeisterte Leserin war sie schon immer an Geschichte interessiert, darum kann sie sich am besten bei einem historischen Liebesroman entspannen. Besonderes Interesse hat sie an der Lebensweise der einfachen Leute in der Antike. Im Laufe ihrer Recherchen lernte sie auch, zu kochen wie die alten Römer und mit einer Spindel umzugehen. Wenn sie nicht gerade ihren Leidenschaften, dem Schreiben, Lesen oder historischen Recherchen nachgeht, pflegt sie ihren ein wenig verwucherten Garten oder macht Handarbeiten.

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    Buchvorschau

    Der Wikinger und die schottische Nonne - Michelle Styles

    IMPRESSUM

    HISTORICAL erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

    © 2020 by Michelle Styles

    Originaltitel: „Conveniently Wed to the Viking"

    erschienen bei: Mills & Boon, London

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    © Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL, Band 381 11/2022

    Übersetzung: Alexa Christ

    Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

    Veröffentlicht im ePub Format in 11/2022 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

    E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

    ISBN 9783751507530

    Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

    Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

    BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, TIFFANY

    Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

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    Prolog

    Herbst 874 – Königreich Maerr, an der Westküste des heutigen Norwegens

    Wie erklärt man seinem ältesten Bruder, den man am meisten von allen bewundert, dass man für den Tod seiner geliebten Frau verantwortlich ist?

    Sandulf Sigurdsson saß da, den verletzten Schwertarm umklammernd, und beobachtete den Pfad, der nach Norden führte. Von dort musste sein Bruder jeden Moment zurückkehren. Der Antwort auf die Frage war Sandulf allerdings noch kein bisschen nähergekommen als in dem Augenblick, als der Erste Steuermann seines Vaters ihn aus der verbrannten Ruine des Langhauses gezogen hatte.

    Das Letzte, was sein ältester Bruder vor seinem Aufbruch zu ihm gesagt hatte, war: Ich zähle auf dich, Sandulf. Ich vertraue darauf, dass du meine Liebste um jeden Preis beschützt.

    Sandulf hatte es versucht. Als jüngster von fünf Söhnen hatte er sich sein gesamtes bisheriges Leben lang bemüht, mit seinen älteren Brüdern mitzuhalten und ihnen zu beweisen, dass er ein Mann war, der ihren Respekt verdiente. Immerhin hatte er bereits vier Jahre als Krieger hinter sich – er war nicht mehr der kleine Junge, der ungeschickt hinter ihnen herlief und dabei sein Holzschwert schwenkte. Eigentlich hatte er geglaubt, die letzten Zweifel im vergangenen Sommer ausgeräumt zu haben – damals hatte er mit seinem Verhalten den Verlauf einer Schlacht entscheidend gewendet. Bei seinem Vater schien es ihm jedenfalls gelungen zu sein. Nach dem Sieg hatte er seinen jüngsten Sohn in die strategischen Überlegungen und Diskussionen mit einbezogen, doch seine Brüder, vor allem Brandt, verhielten sich ihm gegenüber noch immer abschätzig, und sie zogen ihn nach wie vor erbarmungslos auf.

    Als Ingrid ihm gestanden hatte, dass sie sich etwas unwohl fühlte und sich vor Beginn der Zeremonie noch einmal ausruhen wollte, da hatte Sandulf im Langhaus den perfekten Ort für sie gefunden. Es war eine Stelle ganz in der Nähe der Türen, sodass sie schnell rauskonnte, sollte die Luft in dem fortgeschrittenen Stadium ihrer Schwangerschaft zu stickig für sie werden. Er hatte ihr sogar ein Kissen gesucht und fürsorglich in den Rücken geschoben. Ehe sie protestieren konnte, besorgte er ihr auch noch ein paar der Honigpflaumen, die sie so gern aß. Lachend bot sie ihm eine der Pflaumen an und sagte, dass er eine Frau eines Tages sehr glücklich machen würde, denn wenn die Zeit reif war, würde er einen sehr guten Ehemann abgeben.

    Und dann brach die Hölle los.

    Innerhalb von wenigen Atemzügen verwandelte sich ein Ort voller Lachen und süßer Honigpflaumen in ein grausames Blutbad.

    Ja, es dauerte weniger als die Zeitspanne, die ein Funke benötigte, um vom Feuer aufzustieben und zu erlöschen, um die Herrschaft seines Vaters, des großen und furchterregenden Königs von Maerr, Beschützer der Familie, jäh und brutal zu beenden. Die Kehlen der Braut seines mittleren Bruders und deren Vaters waren aufgeschlitzt worden, kaum dass sie die vermeintliche Zuflucht des Langhauses betreten hatten. Brennende Fackeln wurden auf den mit Binsen ausgelegten Boden geworfen, ehe jemand begreifen konnte, dass man gleichzeitig die Türen verriegelt hatte.

    Trotz des beißenden Qualms versuchte Sandulf, sein Versprechen zu halten und seine Schutzbefohlene in Sicherheit zu bringen, ehe er seinem Instinkt folgte und sich auf die Mörder seiner Familie stürzte. Doch mit ihrem dicken, schwangeren Bauch hatte Ingrid sich nur ungelenk bewegen können. Nachdem er festgestellt hatte, dass die Tür neben ihnen verschlossen war, drängte er Ingrid zu der Geheimtür hinter der hohen Tafel, von deren Existenz nur seine Familie wusste.

    Halb versteckt durch den immer stärker werdenden Rauch blockierte ihnen dort jedoch ein Meuchelmörder mit einer silbrigen Narbe in Form einer Sternschnuppe auf der Wange den Weg mit bluttriefendem Schwert. Als er Ingrids Schönheit bemerkte, verstärkte sich sein widerwärtiges Grinsen noch. Er riss sie aus Sandulfs schützendem Griff, wobei er Sandulf den Oberarm aufschlitzte. Dann verkündete er, dass diese Frau sein Preis sei. Ingrid schrie und trommelte mit den Fäusten auf den Mann ein. Sandulf zog sein Schwert und versuchte, sie zu befreien. Dabei entriss er dem Attentäter einen goldenen Armreif, doch in diesem Moment stürzte sich von hinten ein weiterer Angreifer auf ihn und zwang ihn in die Knie. Sandulf rollte sich blitzschnell herum und schlug zurück. Es handelte sich um eine Frau, mit der er eine ganze Weile rang. Schließlich gelang es ihm, sie zu entwaffnen und niederzuschlagen. Als er herumwirbelte, um das Narbengesicht zu stellen, traf ihn ein Anblick, der schrecklicher nicht hätte sein können.

    Nie würde er dieses Bild vergessen – wie sich der Meuchelmörder im Licht der untergehenden Sonne über die geschändete und sterbende Frau seines Bruders beugte.

    Die Angreiferin auf dem Boden rief dem Narbengesicht eine Warnung zu, worauf dieser seine Beute zurückließ und mit der Angreiferin zusammen im Rauch verschwand. Sandulf blieb bei Ingrid. Hilflos schaute er zu, wie das Leben aus ihrem Körper wich. Ihre Brust hob und senkte sich rasselnd, während sie ihre letzten Worte sprach. Sandulf jagte weder der Attentäterin noch dem Narbengesicht oder ihren zwei Mittätern hinterher. Er blieb an Ingrids Seite, bis die Flammen begannen, an ihrer beider Kleidung zu lecken, und der Erste Steuermann seines Vaters auftauchte und ihn anherrschte, dass er sich jetzt entweder bewegte oder hier starb.

    Mit einem lauten Schrei kündigte sich die Rückkehr der Gruppe an, die von Sandulfs ältestem Bruder angeführt wurde. Sie trafen nicht auf die prachtvolle Hochzeitsfeier, die sie erwarteten, sondern auf das verkohlte Gerippe des Langhauses. All ihre Boote dümpelten unter der Wasserlinie, und die Toten und Sterbenden lagen in Reihen nebeneinander in der Herbstsonne.

    Sandulf rannte auf seinen ältesten Bruder zu und erreichte ihn vor allen anderen. „Brandt, es gibt da etwas, das du wissen musst", wisperte er. Er wollte gerade die Sätze aussprechen, die er sich zurechtgelegt hatte – wollte ihm die letzten Worte seiner Frau übermitteln –, doch Brandt stieß ihn unwirsch beiseite und drehte sich zu ihrer Mutter um, die in Richtung der Leichname deutete.

    Ein unmenschlicher Laut entrang sich der Kehle seines Bruders, als er die Leiche seiner geschändeten Frau erblickte und auf die Knie sank.

    Sandulf wollte sich schon zu ihm herunterbeugen, als ihn sein Halbbruder aufhielt. „Lass ihn. Rurik verzog verächtlich die Lippen und nahm Sandulfs verletzten Arm und die klaffende Wunde am Kopf in Augenschein. Leichte Verletzungen. Verletzungen, die innerhalb weniger Wochen verheilen würden, im Gegensatz zu den Wunden, die sein mittlerer Bruder davongetragen hatte. Das waren Wunden, die noch in Jahren nicht verheilen würden. „Was ist geschehen?

    „Sie kamen ins Langhaus … Ich habe versucht … Sandulfs Kehle schnürte sich zu. Er wusste, dass sich dieses grauenvolle Blutbad mit keinen Worten der Welt erklären ließ. „Vater ist tot, Rurik.

    Die anderen begannen, wild durcheinanderzusprechen, übertönten seine Worte. Sandulf wartete, bis sie verstummten und Rurik sich zum Gehen wandte. Rasch packte er seinen Bruder am Arm. Der Blick, den Rurik ihm zuwarf, machte deutlich, wie sehr ihn Sandulfs Versagen abstieß.

    „Ich habe versucht, sie aufzuhalten. Einen von ihnen habe ich verletzt, am Rücken", begann er von Neuem seine Erklärung. Er wollte ihnen von seinem Versuch erzählen, Brandts Frau zu retten, wollte ihnen den Armreif zeigen, den er Narbengesicht abgenommen hatte, wollte von der Angreiferin berichten, doch Rurik schnitt ihm mit einer ungeduldigen Geste das Wort ab.

    „Nur verletzt? Hast du es nicht geschafft, wenigstens einen von ihnen zu töten? Du mit deinen herausragenden Fähigkeiten als Schwertkämpfer, deren du dich so rühmst?"

    Sandulf schluckte. Seine Finger schlossen sich um den Armreif. „Nein."

    Sein Halbbruder marschierte auf der Suche nach seinem Zwilling davon, ohne weiter zuzuhören.

    „Sandulf", rief seine Mutter und erinnerte ihn damit an seine Pflicht gegenüber Brandt.

    Sandulf schluckte, ging aber gehorsam zu seinem Bruder, um es noch einmal zu versuchen. „Brandt."

    Die Augen seines ältesten Bruders, die bei ihrem Abschied so voller Leben und Liebe für seine Frau gewesen waren, wirkten trostloser und öder als Maerr im Winter. Sein Gesicht war eine einzige harte Maske, die Sandulf an ihren Vater erinnerte, wenn der eine seiner gefürchteten Launen hatte. „Ja?"

    Sandulf streckte den Rücken durch. Die Zeit war gekommen. Er wusste, was er zu sagen hatte. „Ich war bis zum Ende bei ihr. Sie ist nicht allein gestorben."

    Da schlossen sich Brandts Finger um Sandulfs Hals, drückten ihm die Luft ab – so sehr, dass ihm schwarz vor Augen wurde. Er kämpfte gegen den eisernen Griff an, was jedoch nur dazu führte, dass Brandt noch fester zudrückte. „Du hättest dein Leben für sie geben sollen", zischte er.

    Die hysterischen Schreie seiner Mutter, Brandt solle aufhören, hallten in seinen Ohren. „Bitte, bitte."

    „Genug. Wenn wir uns gegenseitig bekämpfen, gewinnen unsere Feinde." Der harte Arm des Ersten Steuermanns ihres Vaters zwang sie auseinander. Sandulf sog hektisch Luft in seine Lungen.

    „Ich werde ihn töten, Joarr. Das schwöre ich. Brandt wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. „Eine einzige Aufgabe habe ich ihm gegeben, eine einzige, und nicht mal die kann mein kleiner Bruder erledigen. So wie er die letzte Schlacht verpfuscht hat und wir plötzlich auf dieser Landspitze festsaßen.

    „Ich … Sandulfs Kehle zuckte heftig. Mit den Fingern tastete er nach dem Armreif in seiner Tasche. Wenn er den jetzt zeigte, würde Brandt dessen Bedeutung vielleicht gar nicht erkennen. „Ich habe es versucht. Du warst nicht da. Alles ging so schnell. Die Türen waren verriegelt.

    „Du bist erstarrt, Sandulf. Dasselbe ist dir vergangenen Sommer passiert und in dem Sommer zuvor. Du erstarrst immer wieder und erwartest dann, dass andere dir zur Hilfe eilen, versetzte Brandt, wobei sich sein Gesicht dunkelrot färbte – es war derselbe Farbton wie bei ihrem Vater, wenn der kurz davorstand, zu explodieren. Brandt zog sein Schwert. „Du bist eine Schande für unsere Familie. Vater ist nicht mehr hier, um dich zu beschützen …

    „Genug Blutvergießen, sagte ich!" Joarrs Stimme dröhnte über den ganzen Hof.

    Selbst ein vor Zorn kochender Brandt hatte noch genug Sinn und Verstand, sich Joarr nicht zu widersetzen, der ihnen allen Navigation beigebracht hatte und zu den besten Kämpfern ihres Vaters zählte. Brandt brach neben dem Leichnam seiner Frau zusammen. Sein Körper wurde von heftigem Schluchzen geschüttelt. Immer wieder schrie er, dass er an ihrer Stelle hätte sterben sollen.

    „Ihr müsst Sandulf hier wegschaffen, sagte seine Tante Kolga, die bislang ihren einzigen Sohn, einen schwachen Jüngling, der mehrere Monate jünger war als Sandulf, in den Armen gehalten hatte. „Brandt ist wie sein Vater. Wenn er in dieser Stimmung ist, kann alles passieren. Hinterher tut es ihm dann vielleicht leid, aber Reue kann keinen Toten wieder zum Leben erwecken. Du und ich, wir wissen das.

    Neben Joarr stand Hilda, Sandulfs Mutter, und wurde ganz weiß im Gesicht. Seine Tante musste nicht mehr sagen. Jeder wusste, wen Kolga für den Tod ihres Ehemanns verantwortlich machte und warum.

    „Ich weiß, wisperte seine Mutter kaum hörbar. „Ich bin die letzte Person, die du daran erinnern musst, zu was Sigurd fähig war, Schwester. Ich sehe viel von ihm in Brandt.

    „Ich kann bei der Suche helfen, protestierte Sandulf, ehe seine Mutter zustimmen konnte, ihn und seinen Vetter an irgendeinen langweiligen Ort zu verbannen, an dem sie sicher waren. Außerdem glaubte er seiner Tante nicht – Brandt wusste, wann eine Linie überschritten wurde. Er war in der Lage, seine Wut zu zügeln. „Ich kann helfen, die Attentäter zu stellen. Ich bin mehr als in der Lage, ein Schwert zu führen. Jeder Mann wird gebraucht werden, um dieses … Massaker zu rächen.

    „Überlass das mir und deinen Brüdern, entgegnete Joarr. „Deine Tante hat recht. Brandt in diesem Zustand wird erst töten und hinterher bereuen. Du hast seit der letzten Schlacht in diesem Sommer unser aller Geduld auf eine harte Probe gestellt, Sandulf. Bei deinem Triumph hattest du Glück, aber das wird dir nicht immer vergönnt sein.

    Sandulf beobachtete seinen Bruder, der sich langsam zu seiner vollen Größe aufrichtete. Sein Gesichtsausdruck machte deutlich, wie sehr ihn der Tod seiner Frau vernichtete. „Gebt mir noch eine Chance!, flehte Sandulf. „Ich habe die Angreifer gesehen. Ich weiß Dinge. Ihr werdet sehen. Ich bin für dich und unsere Brüder wertvoll.

    Brandts Lippen verzogen sich voller Verachtung. „Wie oft habe ich diese Worte von deinen Lippen gehört, und jedes Mal hast du uns enttäuscht! Wie bei unserer letzten Schlacht, als du nicht die Flanken geschützt hast, sondern stattdessen nur daran dachtest, deinen eigenen Ruhm zu suchen!"

    Sein ältester Bruder wurde es nie müde, Sandulf an seine Fehler zu erinnern und darauf zu pochen, dass er noch viel lernen müsse. Ihr Vater Sigurd hatte seiner Erklärung geglaubt, dass Sandulf den Feind gesehen hatte, als der sich unbemerkt an sie heranschleichen wollte, und dass er nur losgestürmt war, um dies zu verhindern. Die anderen jedoch weigerten sich, ihm Glauben zu schenken. Verzweifelt blickte Sandulf zu Boden. Wieder schnürte sich ihm die Kehle zu. Sein Vater würde ihn niemals wieder verteidigen.

    „Eines der Schiffe meines neuen Ehemanns legt mit der nächsten Flut Richtung Rus ab. Er will in Konstantinopel Handel treiben, sagte Kolga und legte Sandulfs Mutter eine Hand auf den Arm. „Dort können wir einen Platz für Sandulf finden, dessen bin ich sicher. Bis er aus dem Fernen Osten zurückkehrt, wird Brandt ihm verziehen haben.

    Hilda schlug die Hände vors Gesicht. „Nicht das. Viele die gehen, kehren nie wieder zurück. Gibt es keinen anderen Weg?"

    Seine Tante glich Hyrrokkin, der furchterregendsten der Frost-Riesinnen. „Gib ihm die Chance, zu leben, Schwester. Der Wind der Veränderung ist heraufgezogen. Das weißt du genauso gut wie ich."

    Seine Mutter blickte auf die Leichname anstatt ihre ältere Schwester anzuschauen. „Ich habe heute meinen Ehemann verloren. Ich hege ganz sicher nicht den Wunsch, auch noch meinen jüngsten Sohn zu verlieren. Mit der Zeit wird Brandt lernen, zu verzeihen."

    „Warum sollte ich ihm verzeihen, solange die Attentäter, die meiner Frau das angetan haben, noch leben? Brandt zog sein Schwert und richtete es auf seinen jüngsten Bruder. „Geh nach Konstantinopel, Sandulf, und lass deine großen Brüder den Saustall aufräumen, den du mit angerichtet hast. Ich bin fertig mit dir. Wir alle sind fertig mit dir und deinen ewigen Entschuldigungen. Du bist es nicht wert, mein Bruder genannt zu werden.

    Rurik und sein Zwilling stellten sich demonstrativ neben Brandt. Mit sinkendem Herzen erkannte Sandulf, dass sein mittlerer Bruder Alarr sich nur deshalb nicht ebenfalls zu ihnen gesellte, weil er so schwer verletzt war, dass er nicht stehen konnte. Seine Brüder, die großen Söhne Sigurds, die Helden seiner Kindheit, hatten sich gegen ihn gestellt. Sie verbannten ihn, ohne sich seine Geschichte anzuhören oder die Wahrheit zu erkennen.

    Sandulf umklammerte den Armreif und funkelte die anderen trotzig an. Brandt hatte kein Recht, ihn herumzukommandieren, aber er würde es trotzdem tun. Er, Sandulf, würde die Attentäter finden, die Brandts Frau ermordet hatten, und er allein würde sie vernichten. Dann würden auch seine Brüder einsehen, dass er es wert war, ein Sohn Sigurds genannt zu werden. Dass er es wert war, ein Waffenbruder zu sein. Sie würden ihn nicht länger als Ärgernis betrachten, das nur wegen ihrer Blutsverbindung toleriert wurde.

    „Ich nehme dein Angebot mit Freuden an, Tante."

    1. KAPITEL

    September 877 – in der Nähe von Dun Ollaigh, Königreich Strathclyde, Oban, Schottland

    Vor langer Zeit hatte Ceanna of Dun Ollaigh im Cenél Loairn noch an gut aussehende Ritter in schimmernder Rüstung geglaubt, die in der Stunde der Not auf einem Schimmel zu ihrer Rettung herbeieilten. Sie liebte die Geschichten, die ihre alte Amme ihr erzählt hatte. An deren Wahrheitsgehalt hatte sie damals einfach glauben wollen. Mit gespitzten Ohren hatte sie gelauscht und dann sehnsüchtig aus dem schmalen Fenster des alten Turms Ausschau gehalten nach dem für sie bestimmten Helden. Dabei hätte sie sich besser auf ihre Handarbeit konzentrieren sollen.

    Jetzt war sie eine erwachsene Frau, und Ceanna wusste, dass es sich bei den Geschichten ihrer Amme lediglich um den Versuch gehandelt hatte, ein unruhiges Kind zum Schlafen zu bringen.

    Helden, die herbeigeritten kamen, um Jungfern in Not aus jedweder Art von Schwierigkeit zu erretten, existierten nicht. Dafür gab es viele bösartige Männer – Monster mit menschlichen Zügen. Doch sie konnte ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen.

    Ganz sicher würde sie sich nicht mit einem lüsternen Monster verheiraten lassen, nur weil ihre Stiefmutter nach der Macht strebte, während ihr Vater mit jedem Tag schwächer wurde. Zuletzt war er kaum noch in der Lage gewesen, einen zusammenhängenden Satz zu formulieren.

    Als sie sich am Morgen wispernd von ihm verabschiedet hatte, hatte er sie kaum erkannt. Sie fürchtete, dass er noch vor Ablauf des Monats nicht mehr am Leben sein würde. Dann würden alle in Dun Ollaigh ihren Beschützer verlieren, und die gesamte Festung sowie das Dorf, das an ihrem Fuß lag, wären der Gnade von Feradach ausgeliefert. Er war der Hauptmann der Wache ihres Vaters und der Mann, den ihre Stiefmutter zu Ceannas Ehemann bestimmt hatte. In ihren Augen war Feradach jedoch schlimmer als die heidnische Horde, die Alba im vergangenen Sommer beinahe überrannt hatte.

    Deshalb hatte sie sich einen perfekt ausgearbeiteten Plan zurechtgelegt. Nach außen hin vermittelte sie den Anschein, der Vermählung zuzustimmen, sodass man irgendwann aufgehört hatte, sie zu beobachten. In diesem Moment hielten sich Feradach und ihre Stiefmutter zweifelsohne schon in der Kirche auf und warteten auf die opferbereite Braut. Doch diese Braut war stattdessen auf dem Weg nach Osten in das Doppelkloster ihrer Tante – oder zumindest würde sie auf dem Weg dorthin sein, sobald sie herausgefunden hatte, wohin der Führer, den sie angeheuert hatte, verschwunden war.

    Ceanna wickelte sich fester in ihren Mantel. Sie wünschte, sie trüge nicht länger das eng anliegende dunkelrote Hochzeitskleid mit den Goldverzierungen und auch nicht die aufwendige Frisur, doch mit jeder noch so kleinen Verzögerung riskierte sie, den Gang zum Altar doch noch antreten zu müssen.

    Unglücklicherweise hatte ihr Führer nicht am vereinbarten Treffpunkt auf sie gewartet, weshalb sie gezwungen gewesen war, zu der Dorftaverne zu gehen, in der er sich oft aufhielt. Auf einen Wink von ihr zog sich Ceannas einziger Schutz – ihre große Wolfshündin – in die Schatten zurück, legte den Kopf auf den Pfoten ab und beobachtete, wie ihre Herrin die Schenke betrat.

    „Wo finde ich Urist ab Urist?, fragte Ceanna den Wirt der Taverne, der gerade einen Bierkrug auffüllte. „Er reist heute nach Nrurim. Ich habe eine Botschaft für ihn.

    Der Mann hielt in seiner Tätigkeit inne. Seine Augen weiteten sich, als er sie erkannte. „Ihr ehrt uns mit Eurem Besuch, Mylady."

    Ceanna runzelte die Stirn. Bislang hatte sie ihre Flucht geheim halten können, doch jetzt war sie verzweifelt. Sie konnte nur darauf hoffen, dass die Dorfbewohner ihrem Vater und ihrer Familie noch immer treu ergeben waren.

    Trotzig hob sie das Kinn und ignorierte die neugierigen Blicke, die die anderen Gäste der Schenke ihr zuwarfen.

    Als der Gastwirt auf ihre Frage nur betont ahnungslos dreinschaute, versuchte sie es noch einmal. „Urist ab Urist. Er kommt regelmäßig zum Trinken hierher, also tu nicht so, als hättest du seinen Namen noch nie gehört."

    „Er ist abgereist. Wird erst in einigen Wochen wiederkommen. Von Nrurim aus will er noch nach St. Andrews, Mylady. Da steckt mehr dahinter, als ein paar Botschaften an verschiedene Mitglieder des Hofes des verstorbenen Königs zu überbringen, wenn Ihr mich fragt. Der Wirt schenkte ihr einen bedeutungsvollen Blick. „Bestimmt hofft er, dass sich seine Schwierigkeiten in Luft aufgelöst haben, wenn er sich entsprechend lange Zeit lässt mit der Rückkehr. Er hätte es besser wissen müssen, als sich mit mehreren Frauen gleichzeitig einzulassen. Vielleicht zeigen sie ihm in St. Fillans und St. Andrews ja seinen Irrweg auf und bringen ihn auf den Pfad der Tugend zurück.

    Die gesamte Schenke brach in zotiges Gelächter aus. Ceanna studierte währenddessen die schmutzigen Binsen, die den Boden des Gastraums bedeckten.

    Es war offensichtlich, dass ihr einstmaliger Führer ein kompliziertes Privatleben führte, von dem sie nichts geahnt hatte. Er war also ein unehrenhafter Mann, der sich mit mehreren Frauen gleichzeitig einließ. Nicht gerade die ideale Person, um sie zu ihrer Tante und ihrem neuen Leben als Nonne zu geleiten, aber er war nun mal der Einzige, der überhaupt bereit gewesen war, diese Reise anzutreten …

    In ihrem Inneren breitete sich eine große Leere aus. Alles Mögliche hatte sie bedacht oder in Erwägung gezogen, aber nie wäre sie auf die Idee gekommen, dass er ohne sie abreisen könnte. Urist hatte ihr Gold genommen und war verschwunden. Er hatte sie allein und schutzlos der Bande mörderischer Diebe ihrer Stiefmutter überlassen. Himmel, sie hätte wissen müssen, dass er ein Gauner war, dem man nicht vertrauen durfte!

    Ceanna biss die Zähne zusammen. Sie war nicht so weit gekommen, um jetzt aufzugeben. In der Theorie kannte sie den Weg. Schließlich hatte sie ihre Tante, die Äbtissin von St. Fillans am Rande der königlichen Grafschaft Nrurim, bereits dreimal besucht. Doch es war undenkbar, dass eine Frau über eine solche Entfernung allein reiste. Außerdem wollte Ceanna keine Risiken eingehen, die nicht notwendig waren. Als sie noch jünger gewesen war, hatte ihr Vater sie oft für ihre Umsicht gelobt – dafür, dass sie eine so vorbildliche piktische Lady war.

    „Abgereist? Wohin? Wann?"

    „Anscheinend heute mit dem ersten Morgengrauen, ertönte eine Stimme aus den Schatten. Der Mann hatte einen fremdländischen Akzent, schien das Gälische aber flüssig zu beherrschen. „Auf Nachzügler oder solche zu warten, deren Gold er angenommen hat, scheint seine Sache nicht zu sein. Ich wünsche Euch mehr Glück, als ich es hatte, herauszufinden, wo er sich aufhält oder in welche Richtung er gereist ist.

    Ceanna verengte die Augen. Die Stimme des Mannes war tief und wohltönend. Sie erinnerte sie an flüssigen Honig. Es war, als wollte er sie mit dieser Stimme dazu bringen, alles zu tun, was er verlangte. Die Art, wie der Mann in diesem Moment aus den Schatten trat, hatte etwas Ungezähmtes. Er trug feinere Reisekleidung, als sie je gesehen hatte – mit Ausnahme des verstorbenen Königs. In dem schwachen Licht schimmerte sein Haar goldbraun. Er war größer als der durchschnittliche Pikte, größer selbst als ein Gäle.

    Blinzelnd realisierte sie, dass sie ihn ungehemmt anstarrte.

    „Seid Ihr einer dieser Nachzügler?", fragte sie, während sie hastig die Falten ihres Kleids glättete und sich wieder auf die Binsen konzentrierte. Einen solchen Mann anzustarren, konnte den Tod bedeuten. Jeder hier hatte Geschichten über die Nordmänner und ihre mörderische Art gehört.

    Ein dünnes Lächeln spielte um seine Lippen. „Sagen wir so: Ich habe einige dringende Geschäfte in Nrurim zu erledigen, die ich keinesfalls aufschieben will."

    Dringende Geschäfte? Das Doppelkloster, das ihre Tante leitete, beherrschte die Stadt. St. Fillans war eins der wenigen noch existierenden Klöster, in denen Mönche und Nonnen zusammen lebten – ein Privileg, das allerdings nur adeligen Frauen zustand, seit die Namensvetterin

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