Für euch will ich leben: Sophienlust 411 – Familienroman
Von Anne Alexander
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Über dieses E-Book
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
»Jetzt sind wir gleich da, Jonas.« Margit Kayser warf einen liebevollen Blick durch den Rückspiegel auf ihren sechsjährigen Sohn. »Komm, mach nicht so ein Gesicht!« forderte sie ihn auf. »Du willst doch sicher nicht, daß dich die Kinder in Sophienlust für einen Miesepeter halten?« »Ist mir egal«, kam es trotzig von Jonas. Er starrte trübsinnig aus dem Wagenfenster. »Ich will nicht in dieses Heim. Ich will bei dir bleiben, Mama!« Er richtete sich in seinem Kindersitz auf. »Kann ich nicht mit dir zusammen ins Krankenhaus? Ich bin auch ganz brav.« Ein Schatten legte sich über Margits blasses Gesicht. »Das geht nicht, Liebling«, sagte sie leise. Etwas lauter fügte sie hinzu: »Ein Krankenhaus ist kein Aufenthaltsort für gesunde Kinder. Du brauchst frische Luft und Sonne.« »Wenn man im Krankenhaus die Fenster aufmacht, kommt auch frische Luft rein«, meinte der Kleine.
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Sophienlust (ab 351)
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Buchvorschau
Für euch will ich leben - Anne Alexander
Sophienlust
– 411 –
Für euch will ich leben
Anne Alexander
»Jetzt sind wir gleich da, Jonas.« Margit Kayser warf einen liebevollen Blick durch den Rückspiegel auf ihren sechsjährigen Sohn. »Komm, mach nicht so ein Gesicht!« forderte sie ihn auf. »Du willst doch sicher nicht, daß dich die Kinder in Sophienlust für einen Miesepeter halten?«
»Ist mir egal«, kam es trotzig von Jonas. Er starrte trübsinnig aus dem Wagenfenster. »Ich will nicht in dieses Heim. Ich will bei dir bleiben, Mama!« Er richtete sich in seinem Kindersitz auf. »Kann ich nicht mit dir zusammen ins Krankenhaus? Ich bin auch ganz brav.«
Ein Schatten legte sich über Margits blasses Gesicht. »Das geht nicht, Liebling«, sagte sie leise. Etwas lauter fügte sie hinzu: »Ein Krankenhaus ist kein Aufenthaltsort für gesunde Kinder. Du brauchst frische Luft und Sonne.«
»Wenn man im Krankenhaus die Fenster aufmacht, kommt auch frische Luft rein«, meinte der Kleine. Er strich sich die blonden Haare aus der Stirn. »Bitte, Mama«, bettelte er.
Margit antwortete nicht. Sie fuhr durch das offene Tor und gelangte in den Park des Kinderheims. Sie war noch nie in Sophienlust gewesen. Eine Bekannte hatte ihr von diesem Heim erzählt. Sie fragte sich, ob es richtig gewesen war, einfach loszufahren, ohne vorher wenigstens anzurufen. Was sollte sie machen, wenn man Jonas’ Aufnahme ablehnte?
»Ist das nicht ein schönes Haus, Liebling?« fragte sie schmeichelnd und deutete nach vorn. »Und schau mal rechts die vielen Kinder. Hier wird es dir sicher gefallen.«
»Du sollst mich nicht immer allein lassen, Mama.« Jonas zog die Nase hoch. »Dieter ist immer mit seiner Mama zusammen, und einen Papa hat er auch.«
Margit hielt vor der Freitreppe an. Noch bevor sie ausgestiegen war, hatten sich zwei kleine Mädchen aus der Kindergruppe gelöst und kamen auf den Parkplatz gelaufen. Neugierig blickten sie der jungen Frau entgegen.
»Bleibt der Junge bei uns?« erkundigte sich die fünfjährige Heidi Holsten.
»Nein, ich fahre wieder mit«, antwortete Jonas anstelle seiner Mutter. Er hatte bereits die Fondtür geöffnet. »Ich mache nur einen Besuch bei euch.«
»Ich hab gar nicht gewußt, daß ein Neuer kommt«, sagte Viktoria Langenbach. Sie war zehn Jahre alt.
»Du hast doch gehört, er ist nur zu Besuch hier«, erklärte Heidi gewichtig. Sie griff nach einem ihrer blonden Rattenschwänzchen und wirbelte es um den Finger.
»Zu wem möchten Sie denn?« erkundigte sich Vicky bei Margit. Sie wies in den Fond und sagte zu Heidi gewandt: »Und er bleibt doch da! Siehst du den Koffer?«
»Zu Frau von Schoenecker oder Frau Rennert«, antwortete die Besucherin. Sie nahm ihren Sohn bei der Hand.
»Ich melde Sie an.« Heidi stürmte die Stufen zur Freitreppe hinauf. Das Portal zur Halle stand offen. »Tante Isi!« schrie sie. »Tante Isi, komm rasch, da ist eine fremde Frau mit einem Jungen.«
Denise von Schoenecker saß gerade bei Frau Rennert im Empfangszimmer. Sie besprachen den Bericht über ein kleines Mädchen, der geschrieben werden mußte. Denise hob den Kopf und blickte zur Tür. »Hört sich an, als wenn es brennen würde«, meinte sie und stand auf.
Heidi riß die Tür auf. »Tante Isi, da ist Besuch«, sprudelte sie aufgeregt hervor. »Eine Frau und ein kleiner Junge. Der kleine Junge sagt, er sei nur zu Besuch hier, aber im Auto steht ein Koffer. Er…«
»Nun hol erst einmal Luft, Heidi.« Die Verwalterin schloß die Fünfjährige in ihre Arme.
»Bleibt der Junge hier, Tante Isi?«
»Das werden wir sehen«, erwiderte Denise. Mit der Kleinen trat sie in die Halle.
Vicky hatte inzwischen Margit Kayser und Jonas hereingeführt. Der Junge löste sich von der Hand seiner Mutter und rannte zu dem Bärenfell, das vor dem Kamin lag. Er kniete sich nieder und strich über den weichen Kopf des toten Bären.
»Bitte entschuldigen Sie den Überfall.« Margit ging Denise entgegen. »Mein Name ist Kayser, Margit Kayser, ich komme aus Stuttgart.« Sie zeigte auf ihren Sohn. »Und das ist Jonas.«
Denise reichte ihr die Hand und stellte sich ebenfalls vor. »Heidi und Vicky haben Sie ja schon kennengelernt«, meinte sie und legte ihre Hände auf die Schultern der beiden Mädchen. »Auf, macht, daß ihr nach draußen kommt. Wer weiß, wann es wieder regnet. Ihr solltet den Sonnenschein genießen.«
»Sollen wir Jonas mitnehmen?« fragte Heidi.
»Wenn er will.« Denise wandte sich dem kleinen Jungen zu, der noch immer vor dem Bärenfell kniete. »Was meinst du, Jonas, möchtest du dir nicht unseren Spielplatz anschauen?«
Jonas sprang auf und lief zu seiner Mutter. »Ich will bei meiner Mama bleiben«, sagte er. »Wenn meine Mama ins Krankenhaus muß, dann gehe ich auch mit.« Er klammerte sich an Margit. Trotzig blickte er zu Denise auf. »Und wenn sie dort nur kranke Kinder nehmen, werde ich eben krank.«
»Bist du dumm«, stellte Heidi fest. Sie tippte sich unmißverständlich an die Stirn.
»Heidi, so etwas sagt man nicht«, tadelte Denise. »Magst du Tiere?« fragte sie den kleinen Jungen.
Jonas nickte. »Ich wünsch mir einen Hund«, gestand er. »Und Pferde mag ich auch.«
»Dann sollen dir unsere Kinder die Pferde zeigen«, lockte Denise. »Hab’ keine Angst, deine Mama ist noch hier, wenn du zurückkommst.« Sie erntete einen dankbaren Blick der Besucherin.
Der Sechsjährige zögerte. Er wandte sich zu seiner Mutter um. »Bist du wirklich noch da, Mama?« fragte er. »Gehst du nicht weg?«
»Nein, Liebling.« Margit beugte sich zu ihm hinunter und küßte ihn auf die Stirn.
»Gut, dann schau ich mir die Pferde an«, bestimmte Jonas.
»Tschüs, Mama.« Er rannte mit Heidi und Vicky nach draußen.
Seine Mutter blickte ihm nach. In ihren Augen schimmerten Tränen. Sie atmete tief durch und straffte die Schultern. »Die Pferde waren eine gute Idee, Frau von Schoenecker«, meinte sie.
»Das Stichwort hat er selbst gegeben.« Denise lächelte ihr zu. »Bitte, Frau Kayser.« Sie führte Margit ins Biedermeierzimmer und bot ihr Platz an. »Entschuldigen Sie mich bitte einen Augenblick«, bat sie dann und trat wieder in die Halle.
Die Besucherin sah sich überrascht um. Nie zuvor war sie in einem so wunderschön eingerichteten Raum gewesen. Am liebsten wäre sie mit den Fingern über die Politur der herrlichen Möbelstücke gefahren, doch sie hatte Angst, Abdrücke zu hinterlassen.
»Ich habe uns nur etwas Kaffee und Gebäck bestellt«, sagte Denise, als sie zurückkam.
»Das wäre doch nicht nötig gewesen«, meinte Margit verlegen. »Um gleich auf den Grund meines Besuches zu kommen, Frau von Schoenecker, ich muß ins Krankenhaus und weiß nicht, wo ich Jonas unterbringen soll. Vernünftiger wäre es natürlich gewesen, vorher anzurufen, aber ich dachte mir, dann bestehen noch weniger Aussichten, ihn bei Ihnen unterzubringen. Plätze in guten Kinderheimen sind rar.«
»Für Notfälle gibt es jederzeit einen Platz, Frau Kayser«, sagte Denise. Ihr war schon in der Halle die ungewöhnliche Blässe der jungen Frau aufgefallen.
»Dann könnte ich Jonas bei Ihnen lassen?«
»Im Prinzip ja, Frau Kayser«, erwiderte Denise, »aber ich würde gern, bevor ich mich endgültig entscheide, etwas über die näheren Umstände erfahren.«
»Das ist Ihr gutes Recht.« Margit Kayser sah zur Tür. Ulla brachte Kaffee und Gebäck. Die Besucherin wartete, bis sie wieder allein waren, bevor sie fortfuhr: »Ihr Kinderheim wurde mir von einer Bekannten empfohlen, deren Tochter letztes Jahr einige Wochen bei Ihnen lebte. Erinnern Sie sich an Kathy Lohmaier?«
»Sehr gut sogar«, antwortete Denise. »Ein reizendes, guterzogenes Kind. Wir hatten Kathy alle sehr gern.«
»Frau Lohmaier nahm sich schon des öfteren meines Jungen an, wenn ich für längere Zeit ins Krankenhaus mußte, aber diesmal geht es nicht. Sie fliegt in der nächsten Woche mit ihrer Familie nach Amerika. Ihr Mann wurde für fünfzehn Monate nach New York versetzt. Sie meinte, ich sollte mich an Sie wenden. Jonas wäre bei Ihnen wunderbar aufgehoben. Sie lobte Sophienlust in den höchsten Tönen.«
»Das freut mich«, sagte Denise. »Wie lange werden Sie im Krankenhaus bleiben müssen?«
Margits dunkle Augen verdunkelten sich. »Das weiß ich nicht«, erwiderte sie. »Sehen Sie, ich habe Leukämie. Jeder Krankenhausaufenthalt kann für mich der letzte sein. Ich persönlich habe mich mit meiner Krankheit abgefunden, aber da ist Jonas. Ich liebe meinen Sohn über alles. Eigentlich sollte ich erst in vierzehn Tagen ins Krankenhaus, bei mir war eine Remission eingetreten, doch jetzt geht es mir wieder schlechter. Ich muß schon übermorgen wieder fort.«
»Sie brauchen sich um Ihren Sohn keine Sorgen zu machen, Frau Kayser, bei uns ist er gut untergebracht«, sagte Denise erschüttert. »Natürlich wird es anfangs schwer für ihn sein, sich bei uns einzuleben, aber das gibt sich alles nach und nach.«
»Mir fällt ein Stein vom Herzen.« Margit nippte an ihrem Kaffee. »Ich habe mir in den letzten Wochen verschiedene Kinderheime angesehen, keines von ihnen hat mir bisher gefallen.«
»Sind Sie verheiratet, Frau Kayser?« fragte Denise vorsichtig. Sie wollte Margit nicht zu nahe treten, doch es war unerläßlich, mehr über ihre persönlichen Verhältnisse zu erfahren.
»Ich bin geschieden«, erwiderte die Frau. »Ich war dreiundzwanzig, als ich meinen Mann kennenlernte. Wir wollten beide ein relativ ungebundenes Leben führen und dachten nicht an Heirat, doch dann wurde ich schwanger. Kurz vor der Geburt unserer Zwillinge heirateten wir. Unsere Ehe war von Anfang an ein reines Fiasko, wir sind einfach zu verschieden. Geldsorgen hatten wir allerdings keine. Stefan verdiente gut,