Goldtod auf Langeoog. Ostfrieslandkrimi
Von Sina Jorritsma und Julia Brunjes
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Über dieses E-Book
»Ein Goldstück als Mordinstrument?« Der Fund des herbeigerufenen Mediziners lässt zumindest über die Todesursache keinen Zweifel: Eine antike Dublone hat Adrian Krons Luftröhre verschlossen und seinen Tod durch Ersticken verursacht! Wer hat den Besitzer der neuen Sushibar auf Langeoog, die noch an diesem Abend feierlich eröffnet werden sollte, auf dem Gewissen? Und wie kommt man überhaupt auf die Idee, auf einer ostfriesischen Insel eine japanische Sushibar zu eröffnen? Die treibende Kraft hinter dieser skurrilen Geschäftsidee soll Adrian Krons Ehefrau gewesen sein, die als berechnende Luxuslady gilt. Die Langeooger Kommissare Fenja Bruns und Jonte Visser müssen allerdings zunächst die beste Freundin der Tochter des Opfers finden. Tabea verschwand am Tatabend spurlos. Und befasste sich in ihrer Freizeit offenbar intensiv mit antiken Golddublonen...
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Buchvorschau
Goldtod auf Langeoog. Ostfrieslandkrimi - Sina Jorritsma
Kapitel 1
Kommissarin Fenja Bruns betrachtete sich selbstkritisch in ihrem großen Wandspiegel. Die Langeooger Polizistin trug eine frisch gebügelte Uniform, hatte sich dezent geschminkt und ihr hellbraunes Haar ordentlich frisiert. Sie hoffte, dass ihr Parfüm nicht allzu penetrant wirkte. Eigentlich hätte Fenja mit sich zufrieden sein müssen, aber sie fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut. Und den Grund dafür kannte sie nur allzu gut: Sie mochte keine offiziellen Termine, bei denen sie sich von ihrer Schokoladenseite zeigen musste. Gleichzeitig war ihr natürlich bewusst, dass sie und ihr Kollege Jonte Visser als einzige Ordnungshüter auf der kleinen Insel sich solchen gesellschaftlichen Verpflichtungen nicht entziehen konnten. Immerhin waren die beiden offiziell zur Eröffnung der Langeooger Sushi Bar eingeladen worden. Sie konnten nicht einfach wegbleiben, ohne den Besitzer vor den Kopf zu stoßen.
Fenja hörte, wie die Tür der Polizeistation geöffnet wurde.
»Jonte, bist du das?«, rief sie.
»Ja«, ertönte die Antwort aus dem Erdgeschoss. Fenja riss sich vom Anblick ihres Spiegelbilds los und stieg die steile Treppe hinab. Die Polizeiwache Langeoog war in einem Einfamilienhaus untergebracht, dessen erste Etage Fenja als Dienstwohnung zur Verfügung stand. Im Parterre befanden sich das Wachlokal und die Arrestzellen, die auf der friedlichen Insel zum Glück nur selten genutzt werden mussten. Jonte lehnte an der Wand neben seinem Schreibtisch und schaute auf die abendlich-stille Straße An der Kaapdüne hinaus. Auch er hatte sich in Schale geworfen; seine blaue Uniform war vermutlich von seiner Schwägerin Lisa gebügelt worden, denn der große blonde Polizist war in Haushaltsdingen eher ungeschickt, wie er Fenja einmal gebeichtet hatte. Außenstehende hielten die beiden Insel-Ordnungshüter oftmals für ein Liebespaar, doch sie waren einfach nur gute Kollegen.
»Du musst das Lächeln nicht vergessen, wenn wir gleich den Sushi-Laden betreten«, riet Jonte augenzwinkernd, »andernfalls kommt Kron noch auf die Idee, dass dir seine asiatischen Spezialitäten nicht munden.«
»Ich werde alles tun, um den schönen Schein zu wahren«, versicherte die Polizistin. »Aber was ist mit dir, Jonte? Hast du überhaupt schon mal Sushi gegessen?«
»Nee, ich stehe mehr auf Seelachs mit Bratkartoffeln. – Aber heute muss ich wohl in den sauren Apfel beißen.«
Er machte ein Gesicht, als ob er sich auf eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt vorbereiten würde. Fenja lachte und drohte scherzhaft mit dem Finger: »Auch du solltest an deiner Mimik arbeiten, wenn wir zu Krons Edelschuppen hinübergehen. – Und so schlecht schmeckt Sushi übrigens gar nicht.«
»Du hast es also schon mal probiert?«
»Ja, als ich voriges Jahr bei diesem Polizei-Austauschprogramm in Düsseldorf war. Dort gibt es einen Meister aus Tokio, der richtige kleine Kunstwerke aus Reis, Lachs und Gemüse fertigt.«
»Krons Sushi-Koch ist jedenfalls kein Japaner«, sagte Jonte, »er heißt Norbert Bramme und stammt aus Delmenhorst. Es würde mich wundern, wenn er Vorfahren aus dem Land der aufgehenden Sonne hätte.«
»Nee, Bramme klingt überhaupt nicht japanisch. – Woher kennst du ihn denn?«
»Hab ihn mal verhaftet. – Wir müssen allmählich los, sonst kommen wir noch zu spät«, mahnte der Kommissar. Fenja schloss die Wache ab, nachdem sie die Rufumleitung auf ihr Handy vorgenommen hatte. So waren die beiden Ordnungshüter der Insel auch erreichbar, wenn sie nicht gerade im Wachlokal saßen. Das Sushi-Restaurant befand sich in der Barkhausenstraße, nur wenige Gehminuten von der Polizeistation entfernt. Während die beiden sich durch das Langeooger Ortszentrum auf ihr Ziel zubewegten, fragte Fenja: »Ich bin neugierig – wie kam es dazu, dass du Bramme festgenommen hast? Und warum weiß ich nichts davon?«
»Das war vor zwei Jahren, als du dir eine Sommergrippe eingefangen hattest. Während du das Bett hüten musstest, bekam ich ja Verstärkung durch einen Kollegen vom Festland, Markus Bach. Übrigens ein ganz feiner Kerl. – Wir wurden zu einer Schlägerei am Strand gerufen, wo ein alkoholisierter Badegast einem Familienvater mit einer Bierflasche den Schädel einschlagen wollte. Zum Glück konnten wir rechtzeitig dazwischengehen und das Schlimmste verhindern.«
»Und bei diesem Randalierer handelt es sich um Bramme, Jonte?«
»Ganz genau. Er leistete erheblichen Widerstand, war kaum zu bändigen. Der Kerl ist ein Heißsporn – weißt du, warum er den Streit angefangen hat?«
»Du wirst es mir gleich verraten«, vermutete die Kommissarin.
»Bramme war der festen Überzeugung, dass der Familienvater sich in der Warteschlange vor dem Strandkiosk vorgedrängelt hätte, was Unsinn war. Sämtliche Zeugen sagten etwas anderes. Aber Bramme fühlte sich im Recht und glaubte, deshalb die Sau rauslassen zu dürfen. Wir sprechen hier über einen Wiederholungstäter.«
»Dann wollen wir mal hoffen, dass er sich inzwischen gebessert hat«, meinte Fenja.
Jonte zuckte mit den Schultern und erwiderte: »Bramme wurde zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt. Ich musste als Zeuge vor Gericht aussagen. Er mimte den reuigen Sünder, aber der Richter ließ sich davon nicht erweichen. Vielleicht war ja diese Verurteilung der Schuss vor den Bug, den er gebraucht hat.«
Die Polizisten näherten sich nun der Langeooger Sushi Bar, vor deren Eingang sich bereits einige Menschen in festlicher Kleidung versammelt hatten. In dem roten Backsteingebäude war zuvor ein Gasthaus mit wenigen Fremdenzimmern gewesen, vergleichbar mit dem Lokal Zum Harpunier, das Jontes älterer Bruder Harm betrieb. Doch während Harm Visser mit seiner traditionellen Seemannsküche immer noch erfolgreich war, hatte der Vorbesitzer des Gasthauses in der Barkhausenstraße weniger Geschick bewiesen.
»Du musst zugeben, dass die Renovierung dem alten Bau gutgetan hat«, meinte Fenja halblaut.
»Ja, das Haus sieht jetzt nicht schlecht aus. Fragt sich nur, ob die Langeoog-Urlauber Sushi mögen«, gab Jonte mit ebenso gedämpfter Stimme zurück, »und Einheimische sehe ich hier überhaupt nicht, wenn man vom Bürgermeister und von uns absieht.«
Die Polizistin nickte. Die Gesichter der wartenden geladenen Gäste waren auch ihr nicht geläufig. Vermutlich handelte es sich ausschließlich um Bekannte und Geschäftsfreunde des Inhabers, die für diesen Termin vom Festland angereist waren. Pünktlich um 19 Uhr wurden die hölzernen Schwingtüren aufgeschlossen, und der Empfang begann. Kellnerinnen ganz in Schwarz mit weißen Schürzen boten Sekt an. Jonte zögerte: »Sag mal, sind wir eigentlich im Dienst?«
Fenja lächelte und zwinkerte ihm zu: »Ich vermute, dass du dir gern einen Schluck genehmigen möchtest? – Also, meiner Meinung nach sind wir nicht in beruflicher Mission hier, obwohl wir Uniform tragen. Gegen ein wenig Prickelbrause ist also nichts einzuwenden.«
»Auf diese Antwort hatte ich gehofft.«
Mit diesen Worten nahm der Polizist zwei Gläser von einem Tablett und gab eines davon seiner Kollegin. Fenja prostete ihm zu und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Die bodentiefen Fenster boten einen hervorragenden Ausblick auf die Straße. Wer immer zukünftig in diesem Lokal speiste, konnte unmöglich von den draußen vorbeigehenden Menschen unbeachtet bleiben. Und da es sich bei der Barkhausenstraße um eine der längsten und wichtigsten Insel-Verkehrsadern handelte, war den Gästen größte Aufmerksamkeit gewiss.
Sehen und gesehen werden, dachte Fenja. Die weißen Wände waren mit asiatischer Kalligrafie bedeckt, und im Zentrum des Raums gab es eine offene Küche. Hier sollte der Sushi-Koch vor aller Augen seine Spezialitäten zubereiten. Ein bulliger Kerl mit einem schwarzen Kopftuch stand inmitten seiner Arbeitsplatten und warf den Beamten mürrische Blicke zu.
»Lass mich raten: Das ist Norbert Bramme«, vermutete die Polizistin.
»Das hast du messerscharf kombiniert«, scherzte Jonte, »soll ich dich ihm vorstellen?«
»Wir werden gewiss noch früh genug das Vergnügen mit dem Herrn haben«, erwiderte Fenja.
Bevor sie noch mehr sagen konnte, kam eine Dame in einem Kleid aus Silberlamé auf die beiden zugerauscht. Sie war nach Einschätzung der Polizistin ungefähr fünfzig Jahre alt, obwohl sich dies nur schwer feststellen ließ – die blonde Frau mit der modischen Frisur gab sich offenbar große Mühe, jünger zu wirken. Ihre Ohrringe waren nicht nur höchst wertvoll, sondern hätten nach Fenjas Meinung auch besser zu einer Zwanzigjährigen gepasst. Die Dame setzte ein geschäftsmäßiges Lächeln auf und rief: »Wie schön, dass Sie es einrichten konnten, Frau Bruns und Herr Visser!«
Die Polizisten trugen ihre Namensschilder an den Uniformen, daher konnte sie genau sehen, mit wem sie es zu tun hatte. Fenja hingegen konnte nur vermuten, dass sie die Gastgeberin vor sich hatte, denn diese Frau war ihr unbekannt. Angesichts der zahlreichen Urlauber, die jedes Jahr nach Langeoog kamen, kannte die Polizistin viele Menschen auf der Insel nicht vom Sehen. Dafür war sie mit den ganzjährig auf dem Eiland lebenden Insulanern umso vertrauter. Fenja hatte offenbar eine fragende Miene aufgesetzt, denn die Blonde sagte: »Verzeihen Sie meine Manieren – ich bin Viola Kron, die Gattin des Inhabers. Ich muss mich selbst vorstellen, weil mein holder Ehemann wieder einmal durch Abwesenheit glänzt. Ich habe ihn vorhin schon gesehen, aber er hat wahrscheinlich so eine Art Lampenfieber. Dabei wird ihn niemand zum Singen auffordern!«
Viola Krons letzter Satz war witzig gemeint, jedenfalls unterstrich sie dies mit einem schrillen Lachen.
»Mein Kollege und ich haben uns sehr über die Einladung gefreut«, log Fenja, die nicht unhöflich sein wollte.
Viola Kron stand ihr gegenüber, schaute der Polizistin allerdings nicht ins Gesicht. Stattdessen irrlichterten ihre Blicke durch den Raum, bis sie plötzlich den rechten Arm ausstreckte: »Die Mädels dort in der Ecke sind meine Tochter Saskia und ihre beste Freundin Tabea Stock. Schade, dass sie für das Ambiente unserer Sushibar kein Interesse zeigen.«
Es gab keinen Zweifel, was Viola Kron damit meinte. Die jungen Frauen ignorierten ihre Umgebung vollständig und waren über ihre Smartphones gebeugt.
»Früher oder später werden die beiden hungrig und durstig werden«, prophezeite Jonte, »und dann merken sie, dass ihnen dafür ihre