Intrigenmord auf Langeoog. Ostfrieslandkrimi
Von Julia Brunjes
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Über dieses E-Book
»Komm schnell zum Flugplatz. Dort liegt eine Tote!« Doch die Leiche im rosafarbenen Jogginganzug entpuppt sich als Mann. Die eigentliche Urlaubskleidung des Mordopfers Mario Obacht war zuvor nach einer Meinungsverschiedenheit mit seiner Partnerin im Wasser des Langeooger Hafens gelandet! Ist der Streit mit der blonden Schönheit in tödlichen Messerstichen eskaliert? Aber auch ein ehemaliger Klassenkamerad, der mit Mario noch eine alte Rechnung offenhatte, kommt als Täter in Betracht. Denn warum hat er ausgerechnet seinen Erzfeind in seine Ferienwohnung nach Langeoog eingeladen? Zudem finden die Inselkommissare Fenja Bruns und Jonte Visser heraus, dass die junge Frau an Marios Seite seine Affäre war. Und bald darauf werden auch Marios Ehefrau und deren vermeintliche beste Freundin auf der Insel gesichtet … Ist Mario Obacht das Opfer einer tödlichen Intrige geworden? Wer steckt hier mit wem unter einer Decke? Die Langeooger Kommissare sollten den Fall schnell lösen, bevor es noch ein weiteres Opfer gibt...
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Buchvorschau
Intrigenmord auf Langeoog. Ostfrieslandkrimi - Julia Brunjes
Kapitel 1
Kommissarin Fenja Bruns legte den Schutzgürtel um die schmalen Hüften und steckte die Waffe in das Holster. Sie machte sich im Nebenraum der Polizeistation für die morgendliche Patrouille durch das Inseldorf startklar. Ihr Kollege Jonte Visser kam diesmal nicht mit. Er musste seinen Einsatzbericht vom Vortag zu Ende schreiben. Es hatte einen Zwischenfall an der letzten Fähre des Tages gegeben. Ein Pärchen war im Hafen in einen massiven Streit geraten, bevor ihr Urlaub überhaupt begonnen hatte. Wobei sie die Temperamentvollere war und kurzerhand seinen Koffer ins Wasser geschubst hatte.
Fenja war zu dem Zeitpunkt nicht bei Jonte gewesen, aber sie würde sich den fertigen Bericht mit Sicherheit durchlesen, um mehr Einzelheiten zu erfahren. Hoffentlich verlor sie danach nicht den Glauben an eine glückliche Partnerschaft. Sie wollte nicht ein Leben lang alleine bleiben.
Fenja ging rüber ins Büro.
Jonte telefonierte gerade und sah dabei aus dem Fenster.
Sie folgte seinem Blick. Einige Touristen spazierten mit Brötchentüten in der Hand vorbei oder wurden von ihren Hunden Richtung Strand gezogen. Denen machte das kalte, ruppige Wetter Anfang Oktober nichts aus. Die würden auch bei Regen und Sturm am Hundestrand herumtollen wollen.
»… in Ordnung, Frau Husmann«, sagte Jonte, »Kommissarin Bruns macht sich sofort auf den Weg und schaut sich das an. Einen schönen Tag noch.«
Nachdem er das Gespräch beendet hatte, drehte er sich zu ihr.
»Fahr bitte auch zum Gerk-sin-Spoor, Fenja. Da soll etwas nicht stimmen.« Er nannte ihr die Hausnummer. »An den Fenstern sind Tag und Nacht die Rollläden unten, auch die im Bereich der Ferienwohnung unten. Nun macht sich Svantje Husmann vom Nachbarhaus Sorgen, weil sie am Abend laute Stimmen und Geräusche im Haus gehört haben will.«
Fenja klemmte sich eine vorwitzige hellbraune Haarsträhne hinter das Ohr und setzte die Dienstmütze auf. Sie musste nicht lange überlegen. »In dem Haus wohnt Dirk Wiemers«, antwortete sie. Sie kannte ihn nur von dem ein oder anderen Inselfest. Er war ein sportlicher kräftiger Mann, so um die fünfzig, und lebte meist zurückgezogen und bescheiden. Er hatte das Elternhaus geerbt und sein einziges Einkommen schien die Vermietung der darin befindlichen Ferienwohnung zu sein. Nur in der Nachsaison machte er immer die Schotten dicht und fuhr für ein paar Tage aufs Festland. Die Ferienwohnung blieb dann unvermietet.
»Vielleicht hat Dirk kurz vor seiner Abreise den Fernseher angehabt und selbst im Haus herumgepoltert«, bot Fenja als Lösung an.
»Habe ich ihr auch gesagt.« Jonte zog die Tastatur des PCs zu sich. »Aber das schließt sie völlig aus. Um diese Uhrzeit soll er längst mit der Fähre aufs Festland gefahren sein.«
Fenja kannte die alte Husmann lang genug, um zu wissen, dass sie ab und zu Sinnestäuschungen hatte und aus einem Wattwurm einen Wal machte. Das hing wohl mit ihrem Alter zusammen. Ab achtzig kam das schon mal vor, bei manchen Menschen sogar eher.
»Soll ich nicht besser mitkommen?«, fragte Jonte.
Sie kannte diesen spitzbübischen Blick. »Nicht nötig. Du willst dich nur vor deinem Bericht drücken.« Sie zwinkerte ihm zu. »Aber mach dich auf was gefasst. In der Zwischenzeit wird Frau Husmann mindestens fünfzig Mal nachfragen, wo ich bleibe, und das nur, weil du gesagt hast, dass ich sofort kommen werde. Ich fahre erst einmal meine übliche Runde.«
*
Für Kommissarin Fenja Bruns gab es bei der heutigen Patrouille nichts zu tun. Niemand rief um Hilfe, wurde bei einem Diebstahl erwischt oder beging eine andere Straftat, die zur Anzeige gebracht werden musste. Selbst in der Fußgängerzone, im Bereich Vormann-Otten-Weg und Hauptstraße, auf der sie jetzt ihr Fahrrad schob, ging es heute gesittet zu. Das war in der Hochsaison anders. Da rasten einige Touristen mit Volldampf hier durch, was natürlich nicht erlaubt und gefährlich war.
Eine attraktive junge Frau mit langen blonden Haaren und einer Sonnenbrille auf dem Kopf bog aus einem Seitenweg in die Hauptstraße ein. Sie trug einen hautengen Hosenanzug und bewegte sich auf extrem langen Beinen, so, als ginge sie über einen Laufsteg. Am angewinkelten rechten Arm hing ihre Designerhandtasche. Den Blick richtete die Schöne stur auf die Schaufenster. Als die Kommissarin plötzlich mit ihrem Fahrrad vor ihr stand, zuckte sie zusammen und hastete in das nächstgelegene Geschäft. Diese Touristin schien noch nicht lange auf der Insel zu sein. Sie war sehr schreckhaft und hatte nicht begriffen, dass hier die Uhren langsamer tickten. Beeilen musste man sich auf der Insel nicht.
Fenja erhielt einen Funkspruch. Es war Jonte, der sich danach erkundigte, wann sie endlich zu Frau Husmann fahre. Durch die andauernden Anrufe könne er den Bericht nicht zu Ende schreiben.
»Bin schon unterwegs«, sagte sie und schwang sich wieder auf das Rad, fuhr Richtung Dünenfriedhof, wo sich der Gerk-sin-Spoor befand. Bereits von Weitem sah sie das besagte Haus mit den heruntergelassenen Rollläden.
Vor dem roten Backsteinhaus stehend, entdeckte Fenja nichts Verdächtiges. Sie klingelte am Haupteingang. Der Briefkasten war leer. Lange konnte Dirk noch nicht weg sein, oder jemand kümmerte sich für ihn um die Entleerung des Kastens. Danach ging sie zum Seiteneingang und klopfte an der Tür, wo sich die Ferienwohnung befand. Auch hier machte niemand auf. Das Haus schien vollkommen verlassen zu sein. Irgendwelche Geräusche hörte sie nicht.
»Die Geräusche und die lauten Stimmen sind nicht immer da!«, rief die alte Husmann zu Fenja herüber und kam mit einem enorm schnellen Schritt für ihr Alter zu ihr.
Fenjas Anwesenheit in Uniform und die Waffe im Holster schienen ihr Mut und Kraft zu verleihen. Sie klopfte energisch an die Ferienhaustür.
»Hier ist die Polizei!«, rief die alte Dame. »Machen Sie auf! Wir wissen, dass Sie da drin sind!«
Fenja schob die Alte sanft beiseite und redete beschwichtigend auf sie ein. Sie führte sie zurück zu ihrem Haus. »Lassen Sie uns reingehen und alles in Ruhe besprechen.«
Die Inselpolizistin zog die Dienstmütze ab und nahm in der Küche auf der Eckbank Platz.
»Erzählen Sie bitte erst einmal, was Sie genau und wann gehört haben, Frau Husmann«, sagte Fenja, »bevor wir das Sondereinsatzkommando bestellen.«
Svantje Husmann riss die Augen auf. »SEK?«, fragte sie, »wirklich?« Dann hatte sie gemerkt, dass es ein Scherz war, und winkte ab.
»Deck lieber erst den Tisch, anstatt eine alte Frau zu veräppeln. Ich koche uns in der Zwischenzeit einen gescheiten Tee.«
Fenja gehorchte. Es war nicht das erste Mal, dass sie gemeinsam Tee tranken. Sie nahm die hauchdünnen Porzellantassen aus der Vitrine, stellte einen Pott mit Sahne und Kluntjes dazu und setzte sich wieder.
Nun kam auch die alte Frau Husmann mit der Teekanne und dem Stövchen an. Bevor sie sich zu ihr gesellte, holte sie aus dem Fach der klappbaren Sitzbank eine alte Blechdose hervor und zog den Deckel ab.
»Nimm! Weihnachtsplätzchen!«, sagte sie voller Stolz.
Fenja griff beherzt zu. Sie liebte Weihnachtsgebäck, doch bei Stress kam nur Schokolade infrage. »Sie sind aber früh dran mit dem Backen«, sagte sie und suchte sich ein Schokoladenplätzchen aus. Voller Vorfreude biss sie hinein, scheiterte aber beim ersten Versuch, ein Stück davon abzubeißen.
»Nein, nein«, sagte die alte Husmann, »noch habe ich keine Kekse gebacken. Im letzten Jahr auch nicht. Erst müssen die alten gegessen werden.« Sie tunkte ihren Betonkeks lange in den Tee, bevor sie daran lutschte. »Also los«, sagte sie, »lass uns über die Stimmen und Geräusche reden. Ich weiß jetzt, wer das war. Das wollte ich deinem Kollegen Visser vorhin auch sagen, aber der hatte mich immer abgewimmelt und gemeint, du kämest gleich.«
Fenja ging darüber hinweg. »Es war Dirk, wie Kommissar Visser am Telefon schon vermutete, oder?«, fragte sie und stippte den Keks in den Ostfriesentee. Die Schokolade schmolz. Das Gebäck rutschte ihr aus den Fingern. Tee schwappte in die Untertasse und ein wenig auf die gute Tischdecke.
Frau Husmann schaute sie vorwurfsvoll an. »Nein, das war er nicht! Ich bin nicht verkalkt. Wie oft muss ich das noch sagen? Da war er längst mit seiner Sporttasche Richtung Hafen gegangen.« Sie nippte an ihrem Tee. »Ich bin jedenfalls froh, dass er weg ist. Der war kurz ab, als ich ihn fragte, ob ich in seiner Abwesenheit wieder nach der Post und den Blumen sehen soll. Richtig frech wurde der. Es sei alles geregelt. Sein Freund und dessen Frau sollten sich darum kümmern, die solange die Ferienwohnung belegen. Gestern Abend sollten sie mit der letzten Fähre anreisen. So muss es auch gewesen sein. Ich weiß es nicht genau, weil ich vor dem Fernseher eingeschlafen bin, kam ja nichts Gescheites.«
»Wann haben Sie die lauten Stimmen und Geräusche gehört?«, hakte Fenja nach, um beim Thema zu bleiben.
»Stunden später. Davon bin ich wach geworden. Bis heute Morgen war es mir nicht eingefallen, dass es das angekündigte Pärchen gewesen sein könnte, das den Krach gemacht hat. Erst nachdem ich euch angerufen hatte, um es zu melden, war ich darauf gekommen, denn da sah ich die beiden an der Tür stehen. Sie verabschiedeten sich und sind getrennte Wege gegangen. Beziehungsweise er ist losgegangen und sie stolziert, Richtung Dorf.«
Fenja atmete erleichtert aus und griff zur Dienstmütze. »Dann ist ja alles geklärt.«
»Nichts ist geklärt«, protestierte die alte Husmann. »Willst du nicht wissen, wie sie aussahen, und herausbekommen, was das für komische Typen sind? Wer weiß, was sie alles in dem Haus anstellen. Meinst du, die haben einmal die Rollläden hochgezogen? Hast du ja eben selbst gesehen und jetzt ist es taghell. Die haben was zu verbergen. Die müssen doch mal lüften.«
Fenja tat ihr den Gefallen und zog ihren Schreibblock mit dem Stift hervor.
»Wie sahen sie aus?«
Frau Husmann sprang auf und holte den Zettelblock, den sie in der Insel-Apotheke geschenkt bekommen hatte. Darauf standen krakelige Notizen. »Also … Er war so um die fünfzig, klein mit Bauch und Halbglatze, trug eine schwarze runde Designerbrille. Er hatte einen … Achtung! … rosafarbenen Jogginganzug an. An der Seite stand Bench. Das konnte ich gut lesen, so groß war das geschrieben. Welcher Mann läuft in einem rosafarbenen Jogginganzug herum, mit solch einem großen Namensschriftzug? Das war doch nicht sein eigener Name.« Sie schüttelte den Kopf. »Die Ärmel und die Hosenbeine waren viel zu lang, wenn auch zu eng, so als gehörte er seiner Frau.«
Fenja schrieb fleißig mit, obwohl sie wusste, dass die Notizen irgendwann in den Papierkorb flogen. »Frau Husmann, ich muss wieder zurück zu meinem Kollegen. Bitte fassen Sie sich kurz. Wie sah die Frau aus?«
Sie schnappte hörbar ein. »Ich denke nicht, dass du jemals wieder solche detailreichen Angaben bekommen wirst. Wozu habe ich mir die ganze Mühe gemacht und alles aufgeschrieben?«
Fenja zuckte mit den Schultern. Sie gab es auf.
»Die Frau war mindestens einen Kopf größer als der Mann. Sie hatte lange Beine, bis zum Boden. Ein hübsches Ding! Könnte ein berühmtes